Jennifer Zietz: "Alle wollen die Europameisterinnen sehen"

Nach der EURO ist vor der Bundesliga. In einem berauschenden Finale gegen England gewann die deutsche Frauen-Nationalmannschaft vergangenen Donnerstag in Finnland mit 6:2 ihre siebte Europameisterschaft. Am Sonntag geht's für die Nationalspielerinnen gleich weiter – Saisonstart in der Frauen-Bundesliga.

Im exklusiven DFB.de-Interview mit Redakteurin Annette Seitz blickt die zwölfmalige Nationalspielerin Jennifer Zietz (26) vom Deutschen Meister 1. FFC Turbine Potsdam voraus auf die neue Bundesliga-Saison, spricht von ihren Erwartungen zur Champions League, schildert ihre Eindrücke zur fortschreitenden Professionalisierung der Liga, erläutert die Vorteile eines harten Trainings und erzählt von alten Wunden.

Frage: Jennifer Zietz, für Sie ging es zuletzt Schlag auf Schlag: Donnerstag der Triumph im EM-Finale in Helsinki, Freitagmittag in Frankfurt der begeisterte Empfang vor mehr als 8000 Fans auf dem Frankfurter Römerberg, dann noch am selben Tag weiter mit Ihren Potsdamer Mannschaftskolleginnen Lira Bajramaj, Babett Peter, Anja Mittag und Bianca Schmidt ins Trainingslager Ihres Klubs in Kelbra in Sachsen-Anhalt. Anstrengend und eher ungewöhnlich, oder?

Jennifer Zietz: Schon irgendwie. Aber ich verstehe den Verein, der seine Spielerinnen zusammen haben möchte. Unserem Trainer Bernd Schröder war es wichtig, dass wir vor dem Saisonstart noch ein paar Tage zum Team dazukommen. Klar ist das schon hart, weil du auch gerne mal nach Hause möchtest. Aber für die Mannschaft ist es wichtig, dass wir alle beisammen sind.

Frage: Wie schwer fällt die Umstellung vom EURO-Rausch zum Bundesliga-Alltag?

Zietz: Ganz ehrlich: Mir fällt das überhaupt nicht schwer. Meine Freude auf Potsdam und mein gewohntes Umfeld ist immer so groß, dass ich das nicht als besondere Last empfinde. Klar brauchst du am Anfang ein, zwei Tage, um wieder reinzufinden. Du erwischst dich morgens schon mal dabei, wenn du nach dem Aufwachen denkst: Moment mal, heute aber nicht bis zehn Uhr frühstücken.

Frage: Welche Auswirkungen wird die gerade gewonnene Europameisterschaft auf die Bundesliga haben?

Zietz: Ich denke, dass die Leute neugierig geworden sind. Alle wollen jetzt die Europameisterinnen sehen. Von daher ist es optimal, dass nicht so eine lange Pause dazwischen liegt. Das bietet den Vereinen auch gute Werbemöglichkeiten.



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Nach der EURO ist vor der Bundesliga. In einem berauschenden Finale gegen England gewann die deutsche Frauen-Nationalmannschaft vergangenen Donnerstag in Finnland mit 6:2 ihre siebte Europameisterschaft. Am Sonntag geht's für die Nationalspielerinnen gleich weiter – Saisonstart in der Frauen-Bundesliga.

Im exklusiven DFB.de-Interview mit Redakteurin Annette Seitz blickt die zwölfmalige Nationalspielerin Jennifer Zietz (26) vom Deutschen Meister 1. FFC Turbine Potsdam voraus auf die neue Bundesliga-Saison, spricht von ihren Erwartungen zur Champions League, schildert ihre Eindrücke zur fortschreitenden Professionalisierung der Liga, erläutert die Vorteile eines harten Trainings und erzählt von alten Wunden.

Frage: Jennifer Zietz, für Sie ging es zuletzt Schlag auf Schlag: Donnerstag der Triumph im EM-Finale in Helsinki, Freitagmittag in Frankfurt der begeisterte Empfang vor mehr als 8000 Fans auf dem Frankfurter Römerberg, dann noch am selben Tag weiter mit Ihren Potsdamer Mannschaftskolleginnen Lira Bajramaj, Babett Peter, Anja Mittag und Bianca Schmidt ins Trainingslager Ihres Klubs in Kelbra in Sachsen-Anhalt. Anstrengend und eher ungewöhnlich, oder?

Jennifer Zietz: Schon irgendwie. Aber ich verstehe den Verein, der seine Spielerinnen zusammen haben möchte. Unserem Trainer Bernd Schröder war es wichtig, dass wir vor dem Saisonstart noch ein paar Tage zum Team dazukommen. Klar ist das schon hart, weil du auch gerne mal nach Hause möchtest. Aber für die Mannschaft ist es wichtig, dass wir alle beisammen sind.

Frage: Wie schwer fällt die Umstellung vom EURO-Rausch zum Bundesliga-Alltag?

Zietz: Ganz ehrlich: Mir fällt das überhaupt nicht schwer. Meine Freude auf Potsdam und mein gewohntes Umfeld ist immer so groß, dass ich das nicht als besondere Last empfinde. Klar brauchst du am Anfang ein, zwei Tage, um wieder reinzufinden. Du erwischst dich morgens schon mal dabei, wenn du nach dem Aufwachen denkst: Moment mal, heute aber nicht bis zehn Uhr frühstücken.

Frage: Welche Auswirkungen wird die gerade gewonnene Europameisterschaft auf die Bundesliga haben?

Zietz: Ich denke, dass die Leute neugierig geworden sind. Alle wollen jetzt die Europameisterinnen sehen. Von daher ist es optimal, dass nicht so eine lange Pause dazwischen liegt. Das bietet den Vereinen auch gute Werbemöglichkeiten.

Frage: In Potsdam müssen sich die Zuschauer an viele neue Gesichter gewöhnen. Es ist lange her, dass Turbine neben Sandra Wiegand aus der eigenen Jugend mit Lira Bajramaj, Nadine Keßler, Josephine Henning, Lena Hohlfeld und Corina Schröder gleich fünf Neuzugänge verpflichtete. Sehen Sie sich da in Ihrer Rolle als Spielführerin besonders gefordert?

Zietz: Natürlich, ich muss voran gehen, muss schauen, dass auch eine gewisse Disziplin in den Laden kommt. Denn es wird eine anstrengende Saison. Du musst zusehen, dass du zwischen Champions League und Bundesliga-Alltag die Spannung hoch hälst. Kann schon sein, dass die Mädels erst den Kopf woanders haben, weil sie umziehen und sich erst an ihr neues Umfeld gewöhnen müssen.

Frage: Das könnten Faktoren sein, die einem glatten Saisonstart entgegenstehen.

Zietz: Wir haben ja eine gute Vorbereitung in Potsdam gehabt, die Nationalspielerinnen haben zudem bei Silvia Neid gut gearbeitet. Es könnte jedoch sein, dass man sich nicht sofort findet, weil wir ja jetzt nur diese letzte Woche vor Saisonbeginn gemeinsam haben, das ist richtig. Aber, dass wir am Freitag direkt ins Trainingslager gefahren sind, soll ja dieser Situation vorbeugen. Andere Nationalspielerinnen steigen erst Mitte dieser Woche wieder bei ihren Vereinen ein. Da haben wir schon wieder ein wenig Vorsprung. Als Ausrede würde ich die Situation mit den vielen Neuzugängen auf jeden Fall nicht gelten lassen.

Frage: Mit der Verpflichtung von Lira Bajramaj ist Potsdam ein Überraschungscoup gelungen. Zudem kamen mit Nadine Keßler und Josephine Henning zwei talentierte Spielerinnen, hinter denen die halbe Liga her war. Sehen Sie das auch als Bestätigung für die Arbeit, die in den vergangenen Jahren in Potsdam geleistet wurde?

Zietz: Absolut. Wir haben im Potsdamer Luftschiffhafen optimale Trainingsmöglichkeiten. Kurze Wege, gute Einrichtungen, die Eliteschule des Fußballs, die auf dem Gelände angesiedelt ist. Wir können zweimal am Tag trainieren, haben eine ordentliche medizinische Betreuung, bei jedem Training ist immer ein Physiotherapeut dabei. Ich würde sagen, der Standort und die Bedingungen sind annähernd perfekt. Das spricht sich natürlich herum.

Frage: Es gab generell zur neuen Saison viel Bewegung im Transfermarkt. Auffällig ist war, dass sich die Spitzenspielerinnen nicht wie früher in ein, zwei Vereinen konzentrieren, sondern auf verschiedene Klubs verteilen: Lira Bajramaj nach Potsdam, Ursula Holl nach Duisburg, Isabell Bachor zu den Bayern – um nur einige Beispiele zu nennen. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Zietz: Das ist für mich ein klares Zeichen für die fortschreitende Professionalisierung der Liga. Die Spielerinnen sehen, dass mehr Geld von den Vereinen in die Frauenabteilungen investiert wird, die Strukturen sich ständig verbessern. Aber auch auf Seite der Spielerinnen ist die Einstellung professioneller geworden. Sie schauen nun genau danach, bei welchem Verein sie die besten Bedingungen vorfinden, um sich auch selbst weiterentwickeln zu können. Auch sportlich sehe ich eine deutliche Weiterentwicklung der Liga. Vor ein paar Jahren hatten wir regelmäßig nur zwei Mannschaften, die die Meisterschaft unter sich ausgemacht haben. Da gab es danach ein Riesengefälle zum Dritten. Vergangene Saison hattest du vier Teams, die oben mitgespielt haben – am letzten Spieltag sogar drei, die noch Meister werden konnten. Zudem sind die Mannschaften im Mittelfeld beständiger geworden. Das ist eine absolut erfreuliche Entwicklung.

Frage: Erwarten Sie einen ähnlich spannenden Meisterschaftskampf in der Saison 2009/2010?

Zietz: Ich denke, dass die vier Top-Teams – Bayern, Duisburg, Frankfurt und wir – wieder oben mitspielen werden. Dazu könnte noch die ein oder andere Überraschungsmannschaft kommen. Jena hat eine tolle Rückrunde gespielt und Wolfsburg kann sicher mehr. Essen ist auch immer sehr beständig gewesen. Allerdings muss man, gerade bei den Spitzenteams, abwarten, wie sie mit der Doppelbelastung Champions League und Bundesliga umgehen. Die Bayern, Duisburg und wir starten ja gemeinsam im europäischen Wettbewerb. Duisburg kennt das ja schon aus der vergangenen Saison. Aber für die Bayern ist es das erste Mal. Uns dagegen dürfte das nicht ganz so weh tun.

Frage: Warum?

Zietz: Weil wir eine super Fitness haben. Wir sind von der Athletik her immer einen Schritt voraus. Bernd Schröder ist in dieser Hinsicht schon ziemlich hart. Klar denkst du schon mal, wenn du im Training immer wieder Kilometer runterspulst: Was soll das eigentlich? In Potsdam wurde jetzt in der Vorbereitung beispielsweise vier Wochen lang dreimal am Tag trainiert. Aber es bringt uns weiter. Es hat uns immer zum Ende der Saison geholfen. Und gerade bei der Doppelbelastung, die jetzt ansteht, brauchst du eine gute Grundlage. Dann musst du auch mal in der Vorbereitung durch die Hölle gehen.

Frage: Um welche Saisonziele zu verwirklichen?

Zietz: Wir wollen wieder Deutscher Meister werden und natürlich ins DFB-Pokal-Finale. Mit diesem Kader und den guten Spielerinnen kann das nur unser Ziel sein. Und was die Champions League angeht: Ich würde sehr gerne in Madrid spielen.

Frage: Dem Ort des Champions League-Finales ...

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Zietz: Ja. In Potsdam ist es ja so: Wir wollen immer das Maximale. Aber man muss auch immer sehen, wie man in die Saison startet. Man darf auch nicht übermotiviert reingehen.

Frage: Besteht die Gefahr eines ähnlich schlechten Saisonstarts wie vergangene Saison?

Zietz: Ich hoffe nicht. Wir haben uns letztes Jahr beim 0:3 im ersten Heimspiel gegen München völlig unter Wert verkauft und sind damals danach total unsicher geworden. Dann ist mir als Spielführerin aber auch bewusst geworden: Okay, du musst wirklich in solchen Situationen noch mehr ran. Daraus haben wir alle gelernt und uns weiterentwickelt.

Frage: Gilt das Erlebnis im DFB-Pokal-Endspiel auch als Erfahrungswert, der das Team stärker gemacht hat? Gegen Duisburg mussten sie ein 0:7 hinnehmen.

Zietz: Also immer, wenn es ganz viel regnet, muss ich an dieses Spiel denken. Damals gab es ja auch dieses Unwetter. Es tat schon sehr weh. Das war für mich ein sportlicher Tiefpunkt. Vor so etwas hat jede Mannschaft Angst. Niemand hat Angst zu verlieren, aber jeder hat Angst vor so einer Niederlage. Doch nur eine Woche später ist uns der Gewinn der Deutschen Meisterschaft gelungen. Das schaffen nicht viele Mannschaften. Wir hatten ein Ziel und das haben wir mit großer Willensstärke erreicht. Das hat uns stärker gemacht. Und deshalb blicke ich der neuen Saison sehr zuversichtlich entgegen.