Im Vergleich: Kinderfußball in Europa

Nach den letzten enttäuschenden Turnieren der DFB-Mannschaften waren sich alle einig: Der deutsche Jugendfußball muss reformiert werden. Das haben wir umgesetzt! Im Jugendfußball wird der Fokus dabei stärker auf die Kinder gesetzt: Mehr Spielspaß, Ballkontakte und leistungsgerechte Herausforderungen sollen für eine bessere Förderung aller Kinder sorgen. Dabei steht der Spaß und die individuelle Entwicklung im Vordergrund, nicht die Mannschaftstaktik oder die Gegnervorbereitung. Trotzdem bleibt das Verlieren und Gewinnen ein wichtiger Bestandteil im Jugendfußball. Auch in den Leistungszentren soll die individualisierte Talententwicklung noch stärker im Mittelpunkt stehen. Nicht zuletzt ein Blick in die Nachbarländer zeigt: Diese Schritte sind notwendig, um in den kommenden Jahren wieder zu den besten Fußballnationen der Welt zu gehören!

Im Vergleich verschiedener europäischer Länder zeigt sich: Jede Fußballnation hat ein anderes Konzept, doch die Entwicklung geht bei allen in die gleiche Richtung. Wichtig sind Spaß, Tore, Ballkontakte, Dribblings und die Förderung der Basisfähigkeiten. Deshalb lohnt sich ein Vergleich mit unseren Nachbarländern und den Top-Nationen Europas.  

Musiala: "Man kann viel freier spielen"

Nationalspieler Jamal Musiala ist eines der vielversprechenden Talente im internationalen Fußball. Seine Ausbildung hat er in Deutschland und England erhalten. Er kennt die Vor- und Nachteile der verschiedenen Ausbildungssysteme und erklärte der BBC den Unterschied so: "In Deutschland gibt es schon für unter Zehnjährige ein Ligensystem, wohingegen das in England bis zur U 18 nicht üblich ist. Da hat man viel weniger Druck und mehr Zeit, sich zu entwickeln, man kann viel freier spielen."

England zählte in den vergangenen Jahren zu den besten Ausbildungsländern im Fußball. Nachdem der Erfolg in der Nationalmannschaft ausblieb und auch in der Premier League immer mehr ausländische Spieler zum Einsatz kamen, entschieden sich die Engländer für eine Jugendfußballreform. Hier wurden unter anderem die Nachwuchsleitungszentren reformiert. Ein weiterer wichtiger Faktor für die erfolgreiche Jugendarbeit war die Anpassung der Kinderfußball-Formate. 

Kein Ligensystem in England

Dabei gibt es weder ein festgelegtes Spielformat noch ein Ligensystem. Stattdessen gibt es Turniertage, wofür der englische Fußballverband (FA) bestimmte Spielformen vorschlägt. In der Praxis bedeutet das, dass vor jedem Spiel das Spielformat und die Spielregeln individuell angepasst werden. Vorgegeben ist dabei nur eine Sache: Alle Spieler müssen zum Einsatz kommen. Dabei spielen die Kinder bis zur U 10 auf Kleinfeldern mit maximal sieben Spieler*innen.

Stehen sieben Spieler*innen pro Team zur Verfügung, empfiehlt der englische Fußballverband ein Drei-gegen-Drei  und Vier-gegen-Vier. Von einem Fünf-gegen-Fünf mit zwei Auswechselspieler*innen wird abgeraten, da hier nicht alle Spieler*innen gleichzeitig spielen können und diese weniger Ballkontakte haben. Der Schwerpunkt soll dabei immer auf der Förderung der Grundbewegungen (Beweglichkeit, Gleichgewicht und Koordination), der Entwicklung von Ballfertigkeiten und Spaß liegen, schreibt die FA.

Der englische Fußballverband geht bei unterschiedlichen Leistungsniveaus sogar noch einen Schritt weiter: Führt eine Mannschaft mit vier Toren, wird die sogenannte „Power Play Law“ empfohlen. Hier bekommt die schwächere Mannschaft eine*n Spieler*in mehr und dadurch eine Überzahl. Schrumpft dadurch die Tordifferenz wieder, wird ein*e Spieler*in wieder rausgenommen. Wird die Tordifferenz aber weiter erhöht, wird ab einem Abstand von sechs Toren ein*e zweite*r zusätzliche*r Spieler*in vorgeschlagen, so würde aus einem Fünf-gegen-Fünf ein Sieben-gegen-Fünf werden.

Frankreich: Fußballfestivals statt Ligensystem

Ein Blick nach Frankreich zeigt, dass auch hier vor allem auf individuelle Entwicklung gesetzt wird. Wettbewerbe oder Ligen sind von der U 6 bis zur U 13 noch kein Thema. Die Kinder sollen sich an den Fußball herantasten, erste Teamerfahrungen sammeln und sich nicht nur spielerisch, sondern auch persönlich entwickeln. Um trotzdem erste Wettkampferfahrungen zu sammeln, können Teams bei Turnieren mit drei, vier, fünf oder acht Spieler*innen gegeneinander antreten. Spielfeld-, Ball- und Torgröße variieren dabei je nach Altersklasse.

Ein Beispiel, wie so ein Turnier aussehen kann, ist das Fußballfestival der U 13 ("Le festival foot U 13"). Um alle Teilnehmer*innen zu fördern, legt das Regelwerk fest, dass alle Mannschaftsmitglieder mindestens 50 % der Gesamtspielzeit eingesetzt werden müssen. Außerdem gehen am Ende nicht nur die gewonnenen Spiele mit in die Wertung ein, sondern auch Punkte, die bei technischen Workshops oder in Quizrunden rund um den Fußball erzielt werden können.

Ballkontakte durch Futsal und kleine Spielformen

In Fußballnationen wie Spanien, Portugal oder Brasilien beginnt die Fußballkarriere bei Kindern häufig im Futsal. Dort spielen die Kinder ohne große Spielunterbrechungen im Fünf-gegen-Fünf und kommen dadurch zu deutlich mehr Ballkontakten. Zusätzlich spielen die technische Ausbildung und Eins-gegen-Eins-Skills im Futsal eine deutlich größere Rolle. Im Jugendfußballbereich gibt es in Spanien die Verpflichtung, alle Kinder in einem Spiel einzusetzen. Bei Verstößen drohen Geldstrafen.

Auch die Schweiz hat vor kurzem mit dem Konzept "play more football" ein neues Spielformat im Kinderfußball vorgestellt. Ähnlich wie im FUNino-System in Deutschland gibt es in der Schweiz Turniertage für die Kinder. Dort sollen Spiele auf Kleinfeldern mit zwei oder drei Spieler*innen und Partien auf Großfeldern mit vier oder sechs Spieler*innen ausgetragen werden. Eine Studie begleitete diese Veränderung und stellte fest: Die Kinder haben durch das neue System deutlich mehr Ballkontakte als davor, insbesondere sogenannte "nicht-dominante" Spieler*innen profitierten stark davon und kamen auf 71% mehr Spielaktionen als davor.

In Schweden beginnen die sechsjährigen Kinder mit Drei-gegen-Drei—Spielformen. Später spielen sie dann in größeren Feldern im Fünf-gegen-Fünf oder Sieben-gegen-Sieben. Auch in Belgien und der Niederlande beginnen die Kinder in Kleinfeldern. Die Belgier setzen bei den ganz Kleinen im Alter von 5-6 Jahren auf ein Zwei-gegen-Zwei mit einem Kind im Tor. Dadurch ist es im Feld praktisch ein Eins-gegen-Eins. Außerdem haben die Belgier – ähnlich wie jetzt auch in Deutschland – eine geschlossene Nachwuchsliga. Ligatabellen gibt es dort erst ab der U 14. Das trifft auch auf Norwegen zu.

Fazit

In vielen Ländern wurde in den vergangenen Jahren der Kinderfußball reformiert. Immer mehr Nationen setzen inzwischen auf Turniertage mit Kleinfeldern und einer reduzierten Anzahl an Spieler*innen. Dazu gehören Länder wie England, die Niederlande, Belgien oder die Schweiz. In all diesen Ländern wurde dadurch der Fokus auf das gelegt, was den Kindern Spaß macht: viele Ballkontakte, Dribblings und Tore. Ergebnisse und Tabellen sind zweitrangig. Dieser Fokus hilft den Kindern auch in der Entwicklung wichtiger Fähigkeiten im Fußball.

Auch bei der Reform von der A- und B-Junioren-Bundesliga hin zur DFB-Nachwuchsliga gibt es einige Vorbilder. So haben zum Beispiel England und Belgien geschlossene Ligen, wo sich die größten Talente (und ihre Trainer*innen!) auf ihre Entwicklung konzentrieren können und nicht Angst haben müssen, abzusteigen.

Die Kritik, der DFB schaffe durch die Reform den Leistungsgedanken ab, mache "Kinder zu Losern", kann im internationalen Vergleich nicht bestätigt werden. Denn in vielen Ländern Europas gibt es schon seit einigen Jahren ähnliche Kinderfußball-Konzepte. Nationen wie England oder Belgien haben damit bereits sehr gute Erfahrungen gemacht und profitieren jetzt von ihren ausgebildeten Talenten. Ein gutes Beispiel für die Effizienz dieses Konzepts ist der deutsche Nationalspieler Jamal Musiala, der größtenteils in England ausgebildet wurde.

[dfb]

Nach den letzten enttäuschenden Turnieren der DFB-Mannschaften waren sich alle einig: Der deutsche Jugendfußball muss reformiert werden. Das haben wir umgesetzt! Im Jugendfußball wird der Fokus dabei stärker auf die Kinder gesetzt: Mehr Spielspaß, Ballkontakte und leistungsgerechte Herausforderungen sollen für eine bessere Förderung aller Kinder sorgen. Dabei steht der Spaß und die individuelle Entwicklung im Vordergrund, nicht die Mannschaftstaktik oder die Gegnervorbereitung. Trotzdem bleibt das Verlieren und Gewinnen ein wichtiger Bestandteil im Jugendfußball. Auch in den Leistungszentren soll die individualisierte Talententwicklung noch stärker im Mittelpunkt stehen. Nicht zuletzt ein Blick in die Nachbarländer zeigt: Diese Schritte sind notwendig, um in den kommenden Jahren wieder zu den besten Fußballnationen der Welt zu gehören!

Im Vergleich verschiedener europäischer Länder zeigt sich: Jede Fußballnation hat ein anderes Konzept, doch die Entwicklung geht bei allen in die gleiche Richtung. Wichtig sind Spaß, Tore, Ballkontakte, Dribblings und die Förderung der Basisfähigkeiten. Deshalb lohnt sich ein Vergleich mit unseren Nachbarländern und den Top-Nationen Europas.  

Musiala: "Man kann viel freier spielen"

Nationalspieler Jamal Musiala ist eines der vielversprechenden Talente im internationalen Fußball. Seine Ausbildung hat er in Deutschland und England erhalten. Er kennt die Vor- und Nachteile der verschiedenen Ausbildungssysteme und erklärte der BBC den Unterschied so: "In Deutschland gibt es schon für unter Zehnjährige ein Ligensystem, wohingegen das in England bis zur U 18 nicht üblich ist. Da hat man viel weniger Druck und mehr Zeit, sich zu entwickeln, man kann viel freier spielen."

England zählte in den vergangenen Jahren zu den besten Ausbildungsländern im Fußball. Nachdem der Erfolg in der Nationalmannschaft ausblieb und auch in der Premier League immer mehr ausländische Spieler zum Einsatz kamen, entschieden sich die Engländer für eine Jugendfußballreform. Hier wurden unter anderem die Nachwuchsleitungszentren reformiert. Ein weiterer wichtiger Faktor für die erfolgreiche Jugendarbeit war die Anpassung der Kinderfußball-Formate. 

Kein Ligensystem in England

Dabei gibt es weder ein festgelegtes Spielformat noch ein Ligensystem. Stattdessen gibt es Turniertage, wofür der englische Fußballverband (FA) bestimmte Spielformen vorschlägt. In der Praxis bedeutet das, dass vor jedem Spiel das Spielformat und die Spielregeln individuell angepasst werden. Vorgegeben ist dabei nur eine Sache: Alle Spieler müssen zum Einsatz kommen. Dabei spielen die Kinder bis zur U 10 auf Kleinfeldern mit maximal sieben Spieler*innen.

Stehen sieben Spieler*innen pro Team zur Verfügung, empfiehlt der englische Fußballverband ein Drei-gegen-Drei  und Vier-gegen-Vier. Von einem Fünf-gegen-Fünf mit zwei Auswechselspieler*innen wird abgeraten, da hier nicht alle Spieler*innen gleichzeitig spielen können und diese weniger Ballkontakte haben. Der Schwerpunkt soll dabei immer auf der Förderung der Grundbewegungen (Beweglichkeit, Gleichgewicht und Koordination), der Entwicklung von Ballfertigkeiten und Spaß liegen, schreibt die FA.

Der englische Fußballverband geht bei unterschiedlichen Leistungsniveaus sogar noch einen Schritt weiter: Führt eine Mannschaft mit vier Toren, wird die sogenannte „Power Play Law“ empfohlen. Hier bekommt die schwächere Mannschaft eine*n Spieler*in mehr und dadurch eine Überzahl. Schrumpft dadurch die Tordifferenz wieder, wird ein*e Spieler*in wieder rausgenommen. Wird die Tordifferenz aber weiter erhöht, wird ab einem Abstand von sechs Toren ein*e zweite*r zusätzliche*r Spieler*in vorgeschlagen, so würde aus einem Fünf-gegen-Fünf ein Sieben-gegen-Fünf werden.

Frankreich: Fußballfestivals statt Ligensystem

Ein Blick nach Frankreich zeigt, dass auch hier vor allem auf individuelle Entwicklung gesetzt wird. Wettbewerbe oder Ligen sind von der U 6 bis zur U 13 noch kein Thema. Die Kinder sollen sich an den Fußball herantasten, erste Teamerfahrungen sammeln und sich nicht nur spielerisch, sondern auch persönlich entwickeln. Um trotzdem erste Wettkampferfahrungen zu sammeln, können Teams bei Turnieren mit drei, vier, fünf oder acht Spieler*innen gegeneinander antreten. Spielfeld-, Ball- und Torgröße variieren dabei je nach Altersklasse.

Ein Beispiel, wie so ein Turnier aussehen kann, ist das Fußballfestival der U 13 ("Le festival foot U 13"). Um alle Teilnehmer*innen zu fördern, legt das Regelwerk fest, dass alle Mannschaftsmitglieder mindestens 50 % der Gesamtspielzeit eingesetzt werden müssen. Außerdem gehen am Ende nicht nur die gewonnenen Spiele mit in die Wertung ein, sondern auch Punkte, die bei technischen Workshops oder in Quizrunden rund um den Fußball erzielt werden können.

Ballkontakte durch Futsal und kleine Spielformen

In Fußballnationen wie Spanien, Portugal oder Brasilien beginnt die Fußballkarriere bei Kindern häufig im Futsal. Dort spielen die Kinder ohne große Spielunterbrechungen im Fünf-gegen-Fünf und kommen dadurch zu deutlich mehr Ballkontakten. Zusätzlich spielen die technische Ausbildung und Eins-gegen-Eins-Skills im Futsal eine deutlich größere Rolle. Im Jugendfußballbereich gibt es in Spanien die Verpflichtung, alle Kinder in einem Spiel einzusetzen. Bei Verstößen drohen Geldstrafen.

Auch die Schweiz hat vor kurzem mit dem Konzept "play more football" ein neues Spielformat im Kinderfußball vorgestellt. Ähnlich wie im FUNino-System in Deutschland gibt es in der Schweiz Turniertage für die Kinder. Dort sollen Spiele auf Kleinfeldern mit zwei oder drei Spieler*innen und Partien auf Großfeldern mit vier oder sechs Spieler*innen ausgetragen werden. Eine Studie begleitete diese Veränderung und stellte fest: Die Kinder haben durch das neue System deutlich mehr Ballkontakte als davor, insbesondere sogenannte "nicht-dominante" Spieler*innen profitierten stark davon und kamen auf 71% mehr Spielaktionen als davor.

In Schweden beginnen die sechsjährigen Kinder mit Drei-gegen-Drei—Spielformen. Später spielen sie dann in größeren Feldern im Fünf-gegen-Fünf oder Sieben-gegen-Sieben. Auch in Belgien und der Niederlande beginnen die Kinder in Kleinfeldern. Die Belgier setzen bei den ganz Kleinen im Alter von 5-6 Jahren auf ein Zwei-gegen-Zwei mit einem Kind im Tor. Dadurch ist es im Feld praktisch ein Eins-gegen-Eins. Außerdem haben die Belgier – ähnlich wie jetzt auch in Deutschland – eine geschlossene Nachwuchsliga. Ligatabellen gibt es dort erst ab der U 14. Das trifft auch auf Norwegen zu.

Fazit

In vielen Ländern wurde in den vergangenen Jahren der Kinderfußball reformiert. Immer mehr Nationen setzen inzwischen auf Turniertage mit Kleinfeldern und einer reduzierten Anzahl an Spieler*innen. Dazu gehören Länder wie England, die Niederlande, Belgien oder die Schweiz. In all diesen Ländern wurde dadurch der Fokus auf das gelegt, was den Kindern Spaß macht: viele Ballkontakte, Dribblings und Tore. Ergebnisse und Tabellen sind zweitrangig. Dieser Fokus hilft den Kindern auch in der Entwicklung wichtiger Fähigkeiten im Fußball.

Auch bei der Reform von der A- und B-Junioren-Bundesliga hin zur DFB-Nachwuchsliga gibt es einige Vorbilder. So haben zum Beispiel England und Belgien geschlossene Ligen, wo sich die größten Talente (und ihre Trainer*innen!) auf ihre Entwicklung konzentrieren können und nicht Angst haben müssen, abzusteigen.

Die Kritik, der DFB schaffe durch die Reform den Leistungsgedanken ab, mache "Kinder zu Losern", kann im internationalen Vergleich nicht bestätigt werden. Denn in vielen Ländern Europas gibt es schon seit einigen Jahren ähnliche Kinderfußball-Konzepte. Nationen wie England oder Belgien haben damit bereits sehr gute Erfahrungen gemacht und profitieren jetzt von ihren ausgebildeten Talenten. Ein gutes Beispiel für die Effizienz dieses Konzepts ist der deutsche Nationalspieler Jamal Musiala, der größtenteils in England ausgebildet wurde.

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