Im Gedenken an Helden von Bern: Ottmar Walter zum 90.

Heute wäre Ottmar Walter, einer der fünf Stürmer unserer Helden von Bern, 90 Jahre alt geworden. Es war ihm nicht vergönnt, am 16. Juni 2013 ist er als Neunter der WM-Siegerelf von 1954 gestorben. Er hinterließ einen Sohn, der den selben Vornamen trägt und seine Annelise, mit der er 66 Jahre verheiratet gewesen war. DFB.de erinnert an den jüngeren Bruder vom "Alten Fritz".

Der Tod war eine Erlösung für ihn, neben zahlreicher Gebrechen als Folge einer Fußballerkarriere litt er unter Grauem Star und am Ende seines Lebens unter Alzheimer. So musste er sein Häuschen am Fuße des geliebten Betzenbergs vor Jahren schon verlassen; er wurde in ein Pflegeheim seiner Heimatstadt verlegt. Wer ihn dort besuchte, realisierte er oft nicht mehr. Selbst Horst Eckel, der Kamerad von Bern und im Trikot des FCK, erkannte er nicht mehr. Ottmar Walter war noch am Leben, aber er nahm nicht mehr daran teil. Und doch war es ein bemerkenswertes Leben, mit Höhen und Tiefen, die die allermeisten Menschen nie erfahren haben dürften.

Nach Ottmar Walter hatte der Tod schon öfter seine Schwingen ausgestreckt. Er kam ihm davon als junger Marine-Soldat im Krieg, als er mit elf Kameraden 1944 im Ärmelkanal um sein Leben schwamm. Ein englischer Zerstörer hatte das Torpedoboot seiner Einheit versenkt. Stundenlang klammerte er sich an seine Schwimmweste, ehe er gerettet wurde. Er überstand den Krieg, als Andenken behielt er drei Granatsplitter im Knie.

Vom Boxer zum Fußballprofi

Dann suchte er eines Tages selbst den Tod. Im Januar 1969, zehn Jahre nach dem Ende seiner Karriere, unternahm er wegen privater Schwierigkeiten einen Selbstmordversuch. "Das war eine Kurzschlusshandlung, die mir im Nachhinein unverständlich ist", sagte Walter. Anneliese, Bruder Fritz und Alt-Bundestrainer Sepp Herberger halfen ihn aus der schwersten Krise seines Lebens heraus. Doch erzählen wir lieber über den Sportler: Als Kind wollte Ottmar Walter Boxer werden und trat aus Bewunderung für Max Schmeling in einen Box-Klub ein, aber schon seit dem neunten Lebensjahr rannte er ab 1933 dem runden Leder beim 1. FC Kaiserslautern nach. Kein Wunder – bei dem Vorbild.

Fritz Walter, die Ikone des deutschen Fußballs, sein vier Jahre älterer Bruder, stand schon mit 19 in der Nationalelf. Da wollte Ottmar, der wie Fritz sehr torgefährlich, aber nicht annähernd so genial war, auch hin. Auch wenn ihn Vater Ludwig provozierte: "Du steifer Jockel wirst niemals so gelenkig wie der Fritz und bringst es auch nie so weit." 1940 aber debütierte er an der Seite des großen Bruder in der ersten Mannschaft des FCK, mit erst 16 Jahren in der Gauliga Südwest gegen den FC Metz. Fortan hatte der FCK ein torgefährliches Brüderpaar.

1943, mitten im Krieg, machte ihm Sepp Herberger Hoffnung auf ein Länderspiel. "Zum nächsten Lehrgang vor dem Länderspiel gegen Finnland in Breslau lade ich Sie ein!", sagte der Chef. Aber auch der konnte nicht verhindern, dass der Länderspielbetrieb wegen der "Frontbegradigung" eingestellt wurde. Ottmar Walter geriet wie seine Brüder in Kriegsgefangen-schaft, allerdings in amerikanische. Dort wurde er operiert und 1946 ließen sie ihn gehen, mit 19 Granat-Splittern im Körper – davon vier im Knie. Aber ein mitgefangener deutscher Marinearzt versprach ihm: "Vermutlich können Sie wieder Fußball spielen. Das Knie ist gerettet." Und das war alles, was er wollte nach sechs verlorenen Jahren. Er schloss sich wieder dem FCK an und als der DFB 1950 in die Fifa aufgenommen wurde, stand er im Herbst beim ersten Länderspiel nach dem Krieg gegen die Schweiz mit dem Adler auf der Brust in Stuttgart auf dem Platz. "Ich weiß noch genau, was der Chef zu mir gesagt hat: 'Ottmar, danke'", erinnerte sich Walter, so lange er noch eine Erinnerung hatte, genauestens an die großen Fußball-Tage seines Lebens.

Mit der "Walter-Elf" zum Meistertitel

An die Meisterschaften mit dem FCK 1951 und 1953, als alle Welt von "der Walter-Elf" schwärmte. Das galt vor allem dem Genius Fritz, in dessen Schatten er immer stand – ohne sich je zu beklagen. Ottmar ging es nicht anders als den anderen Zeitgenossen Fritz Walters – er hat ihn schlichtweg bewundert. Und war stolz, dass der Fritz ihn, "obwohl ich drei Jahre jünger bin, in rund neunzig Prozent aller Fälle um Rat gefragt – gerade in privaten Dingen. Dann rief er an oder kam vorbei, danach erst hat er eine Entscheidung getroffen. Darauf bin ich sehr stolz", sagte er der WELT 2005.

Stolz durfte er auch auf seine Karriere an der Seite von Fritz sein. Auf seine fabelhaften 336 Tore in 321 Pflichtspielen, die ihm zum Rekord-Torjäger des Vereins machten. 51 Tore waren es allein in der Saison 1947/1948 in der Oberliga Südwest – unerreicht.

Alles überstrahlen natürlich die Sommer-Tage von Spiez und jener von Bern, das Finale am 4. Juli 1954. Gegen die Ungarn trafen Max Morlock und Helmut Rahn, aber der gesetzte Stürmer im DFB-Team war Ottmar Walter, der in der Schweiz vier Tore schoss.

Eine Knieverletzung führt zum Karriereende

Ein fünftes wäre hinzugekommen, hätte "der Boss" in der 84. Minute zum freistehenden Ottmar abgespielt. Aber Rahn schoss lieber selbst – aus dem Hintergrund. Sonst wäre Ottmar, der 21 Länderspiele bestritt, vielleicht doch aus dem Schatten des großen Bruders getreten. Vielleicht wäre vieles anders gekommen nach dem letzten Abpfiff 1959, als ihn das Knie zu einem verfrühten Karriereende zwang. So gut sich der Gerd Müller der Fünfziger im Strafraum zurecht fand, so schwer tat sich der gelernte KfZ-Mechaniker im Berufsleben. Doch nach dem Reinfall mit einer gepachteten Tankstelle, zu deren Eröffnung Sepp Herberger persönlich erschienen war, fing ihn die Stadt Kaiserslautern, die auch dem kleinen Walter-Bruder viel zu verdanken hat, auf.

In der Stadtverwaltung war er ein fleißiger und geschätzter Kollege. Am Wochenende zog es ihn auf den Betze hoch, natürlich hatte er eine Ehrenkarte. Vor seinem seinem 80. Geburtstag wurde er noch auf dem Rasen geehrt, der Klub schenkte Blumen, die Mannschaft drei Punkte gegen Frankfurt. Bis zu seinem Tode blieb Ottmar Walter, der 2004 das Große Bundesverdienstkreuz erhielt, der Weltmeister von nebenan.

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Heute wäre Ottmar Walter, einer der fünf Stürmer unserer Helden von Bern, 90 Jahre alt geworden. Es war ihm nicht vergönnt, am 16. Juni 2013 ist er als Neunter der WM-Siegerelf von 1954 gestorben. Er hinterließ einen Sohn, der den selben Vornamen trägt und seine Annelise, mit der er 66 Jahre verheiratet gewesen war. DFB.de erinnert an den jüngeren Bruder vom "Alten Fritz".

Der Tod war eine Erlösung für ihn, neben zahlreicher Gebrechen als Folge einer Fußballerkarriere litt er unter Grauem Star und am Ende seines Lebens unter Alzheimer. So musste er sein Häuschen am Fuße des geliebten Betzenbergs vor Jahren schon verlassen; er wurde in ein Pflegeheim seiner Heimatstadt verlegt. Wer ihn dort besuchte, realisierte er oft nicht mehr. Selbst Horst Eckel, der Kamerad von Bern und im Trikot des FCK, erkannte er nicht mehr. Ottmar Walter war noch am Leben, aber er nahm nicht mehr daran teil. Und doch war es ein bemerkenswertes Leben, mit Höhen und Tiefen, die die allermeisten Menschen nie erfahren haben dürften.

Nach Ottmar Walter hatte der Tod schon öfter seine Schwingen ausgestreckt. Er kam ihm davon als junger Marine-Soldat im Krieg, als er mit elf Kameraden 1944 im Ärmelkanal um sein Leben schwamm. Ein englischer Zerstörer hatte das Torpedoboot seiner Einheit versenkt. Stundenlang klammerte er sich an seine Schwimmweste, ehe er gerettet wurde. Er überstand den Krieg, als Andenken behielt er drei Granatsplitter im Knie.

Vom Boxer zum Fußballprofi

Dann suchte er eines Tages selbst den Tod. Im Januar 1969, zehn Jahre nach dem Ende seiner Karriere, unternahm er wegen privater Schwierigkeiten einen Selbstmordversuch. "Das war eine Kurzschlusshandlung, die mir im Nachhinein unverständlich ist", sagte Walter. Anneliese, Bruder Fritz und Alt-Bundestrainer Sepp Herberger halfen ihn aus der schwersten Krise seines Lebens heraus. Doch erzählen wir lieber über den Sportler: Als Kind wollte Ottmar Walter Boxer werden und trat aus Bewunderung für Max Schmeling in einen Box-Klub ein, aber schon seit dem neunten Lebensjahr rannte er ab 1933 dem runden Leder beim 1. FC Kaiserslautern nach. Kein Wunder – bei dem Vorbild.

Fritz Walter, die Ikone des deutschen Fußballs, sein vier Jahre älterer Bruder, stand schon mit 19 in der Nationalelf. Da wollte Ottmar, der wie Fritz sehr torgefährlich, aber nicht annähernd so genial war, auch hin. Auch wenn ihn Vater Ludwig provozierte: "Du steifer Jockel wirst niemals so gelenkig wie der Fritz und bringst es auch nie so weit." 1940 aber debütierte er an der Seite des großen Bruder in der ersten Mannschaft des FCK, mit erst 16 Jahren in der Gauliga Südwest gegen den FC Metz. Fortan hatte der FCK ein torgefährliches Brüderpaar.

1943, mitten im Krieg, machte ihm Sepp Herberger Hoffnung auf ein Länderspiel. "Zum nächsten Lehrgang vor dem Länderspiel gegen Finnland in Breslau lade ich Sie ein!", sagte der Chef. Aber auch der konnte nicht verhindern, dass der Länderspielbetrieb wegen der "Frontbegradigung" eingestellt wurde. Ottmar Walter geriet wie seine Brüder in Kriegsgefangen-schaft, allerdings in amerikanische. Dort wurde er operiert und 1946 ließen sie ihn gehen, mit 19 Granat-Splittern im Körper – davon vier im Knie. Aber ein mitgefangener deutscher Marinearzt versprach ihm: "Vermutlich können Sie wieder Fußball spielen. Das Knie ist gerettet." Und das war alles, was er wollte nach sechs verlorenen Jahren. Er schloss sich wieder dem FCK an und als der DFB 1950 in die Fifa aufgenommen wurde, stand er im Herbst beim ersten Länderspiel nach dem Krieg gegen die Schweiz mit dem Adler auf der Brust in Stuttgart auf dem Platz. "Ich weiß noch genau, was der Chef zu mir gesagt hat: 'Ottmar, danke'", erinnerte sich Walter, so lange er noch eine Erinnerung hatte, genauestens an die großen Fußball-Tage seines Lebens.

Mit der "Walter-Elf" zum Meistertitel

An die Meisterschaften mit dem FCK 1951 und 1953, als alle Welt von "der Walter-Elf" schwärmte. Das galt vor allem dem Genius Fritz, in dessen Schatten er immer stand – ohne sich je zu beklagen. Ottmar ging es nicht anders als den anderen Zeitgenossen Fritz Walters – er hat ihn schlichtweg bewundert. Und war stolz, dass der Fritz ihn, "obwohl ich drei Jahre jünger bin, in rund neunzig Prozent aller Fälle um Rat gefragt – gerade in privaten Dingen. Dann rief er an oder kam vorbei, danach erst hat er eine Entscheidung getroffen. Darauf bin ich sehr stolz", sagte er der WELT 2005.

Stolz durfte er auch auf seine Karriere an der Seite von Fritz sein. Auf seine fabelhaften 336 Tore in 321 Pflichtspielen, die ihm zum Rekord-Torjäger des Vereins machten. 51 Tore waren es allein in der Saison 1947/1948 in der Oberliga Südwest – unerreicht.

Alles überstrahlen natürlich die Sommer-Tage von Spiez und jener von Bern, das Finale am 4. Juli 1954. Gegen die Ungarn trafen Max Morlock und Helmut Rahn, aber der gesetzte Stürmer im DFB-Team war Ottmar Walter, der in der Schweiz vier Tore schoss.

Eine Knieverletzung führt zum Karriereende

Ein fünftes wäre hinzugekommen, hätte "der Boss" in der 84. Minute zum freistehenden Ottmar abgespielt. Aber Rahn schoss lieber selbst – aus dem Hintergrund. Sonst wäre Ottmar, der 21 Länderspiele bestritt, vielleicht doch aus dem Schatten des großen Bruders getreten. Vielleicht wäre vieles anders gekommen nach dem letzten Abpfiff 1959, als ihn das Knie zu einem verfrühten Karriereende zwang. So gut sich der Gerd Müller der Fünfziger im Strafraum zurecht fand, so schwer tat sich der gelernte KfZ-Mechaniker im Berufsleben. Doch nach dem Reinfall mit einer gepachteten Tankstelle, zu deren Eröffnung Sepp Herberger persönlich erschienen war, fing ihn die Stadt Kaiserslautern, die auch dem kleinen Walter-Bruder viel zu verdanken hat, auf.

In der Stadtverwaltung war er ein fleißiger und geschätzter Kollege. Am Wochenende zog es ihn auf den Betze hoch, natürlich hatte er eine Ehrenkarte. Vor seinem seinem 80. Geburtstag wurde er noch auf dem Rasen geehrt, der Klub schenkte Blumen, die Mannschaft drei Punkte gegen Frankfurt. Bis zu seinem Tode blieb Ottmar Walter, der 2004 das Große Bundesverdienstkreuz erhielt, der Weltmeister von nebenan.