"Im Abseits": Wanderausstellung zu jüdischen Spielern

Mitten im Ruhrpott steht er da, als sichtbares Zeichen gegen Diskriminierung: Der Ernst-Alexander-Weg, zwischen Parkplätzen und der Arena. Hier gehen viele Fußballfans her, wenn sie zum Heimspiel des FC Schalke 04 wollen – beziehungsweise in Zeiten vor Corona durften. Das nur einige hundert Meter lange Stück in Gelsenkirchen-Erle soll an einen Spieler des Vereins erinnern, der dem bittersten Kapitel der deutschen Geschichte zum Opfer gefallen ist.

Ernst Alexander, am 5. Februar in Gelsenkirchen geboren und in der Jugend sowie der Reservemannschaft bis 1933 für Schalke am Ball, wird am 28. August 1942 im Konzentrationslager Auschwitz umgebracht. Er ist Jude, 1933 wird er wegen seiner Herkunft aus dem Verein ausgeschlossen. Ende 1938 flieht er unter den Eindrücken der Reichspogromnacht mit seinen Geschwistern Alfred und Johanna in die Niederlande, doch der Verfolgung durch die Nazis entkommt er auch dort nicht. Im November 1939 wird er zunächst ins Zentrallager Westerbork gebracht, ehe er am 15. Juli 1942 nach Auschwitz deportiert wird.

Elf Fußballer, elf Schicksale

Seine Geschichte ist eine von elf, die das Deutsche Fußballmuseum in seiner aktuellen Wanderausstellung "Im Abseits. Jüdische Schicksale im deutschen Fußball" erzählt. Darunter sind Julius Hirsch (geb. am 7. April 1892, 1943 Deportation nach Auschwitz, am 8. Mai 1945 für tot erklärt, Spieler des Karlsruher FV, sieben Länderspiele, Olympia-Teilnehmer 1912), Gottfried Fuchs (1889-1972, ebenfalls Karlsruher FV), der frühere FC Bayern-Präsident Kurt Landauer (1884-1961) und Max Girgulski (1913-1983). Der gebürtige Frankfurter und hoffnungsvolle Eintracht-Verteidiger muss nach der Machtübernahme durch Hitler seinen Klub verlassen und schließt sich dem jüdischen Klub Bar Kochba Frankfurt an, mit dem er zweimal die Makkabi-Meisterschaft gewinnt. Als sich Max Girgulski 1938 vor der Judenverfolgung entzieht und nach Buenos Aires auswandert, findet er zwar bei den Boca Juniors eine neue fußballerische Heimat, wird aber in Argentinien als "Nazi" beschimpft.

Immerhin schafft es Max Girgulski, sein blaues Makkabi-Meister-Trikot mit über den Atlantik zu nehmen. Heute hängt es im Deutschen Fußballmuseum, seine Tochter Susanna Baron überließ es dem Haus – es ist nun ein Teil der Wanderausstellung "Im Abseits. Jüdische Schicksale im deutschen Fußball".

Bereits zum internationalen Gedenktag an die Opfer des Holocaust am 27. Januar waren erste Auszüge der Schau als Pageflow zu sehen. Mit "Im Abseits. Jüdische Schicksale im deutschen Fußball" startet das Haus seinen Themenschwerpunkt zum jüdischen Fußball im Festjahr "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland".

Museumsdirektor Manuel Neukirchner erklärt: "Unsere neue Wanderausstellung ist der Anfang für eine ganze Reihe von Beiträgen und Veranstaltungen zum Thema Fußball und Antisemitismus in diesem Jahr. Wir wollen ebenso die noch viel zu wenig beachtete Pionierleistung jüdischer Fußballspieler und Funktionäre zu Beginn des 20. Jahrhunderts herausstellen. Diese Zusammenhänge in inhaltlichen Formaten aufzuarbeiten, ist längst überfällig."

Für Schulen und andere Bildungseinrichtungen

Die komplette Ausstellung soll nach Ende der Corona-Beschränkungen landesweit durch Schulen und Bildungseinrichtungen "wandern", die transportablen Schautafeln können bei Interesse auch beim Deutschen Fußballmuseum angefordert werden.

Die Schautafeln zu Ernst Alexander dürften vor allem in Gelsenkirchen und Umgebung auf größeres Interesse stoßen. Schon bevor der FC Schalke gemeinsam mit Stadtvertreter*innen vor einem Jahr im Rahmen der Aktion "#stehtauf" an der Arena den Ernst-Alexander-Weg einweihte, verlieh der Klub im Jahr 2018 den Ernst-Alexander-Preis. Die Auszeichnung würdigt den couragierten Einsatz für Integration, Vielfalt und Toleranz. Erste Preisträger waren Schülerinnen und Schüler des örtlichen Grillo-Gymnasiums – für Nachforschungen zur Biografie Ernst Alexanders.

Ernst-Alexander-Preis für Fanprojekte

Nun erhielt die Landesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte NRW e.V. unter der Leitung von Patrick Arnold und dem Gelsenkirchener Inklusionsaktivisten Klaus-Dieter Seiffert den Preis. Stolpersteine in Gedenken an Ernst Alexander und seine von den Nazis verfolgten sowie später ermordeten Angehörigen – nur Schwester Johanna überlebte den Horror in Auschwitz und konnte 1945 aus dem Konzentrationslager befreit werden – am früheren Wohnhaus der Familie auf der Ringstraße 54 in Gelsenkirchen erinnern an das Leben und Sterben der Alexanders.

Sich immer wieder an diese Schicksale zu erinnern und dafür zu sorgen, dass sich jener Teil der deutschen Geschichte nicht wiederholt, ist die Aufgabe einer zivilen Gesellschaft. Der Deutsche Fußball-Bund und das Deutsche Fußballmuseum begleiten diesen Auftrag mit der Wanderausstellung "Im Abseits. Jüdische Schicksale im deutschen Fußball".

Makkabi-Kultur lebt

Auch heute noch ist jüdische Fußballkultur in Deutschland lebendig. Gleich nach Ende des Zweiten Weltkriegs gründeten sich neue Makkabi-Vereine, die neben Fußball auch verschiedene andere Sportarten wie unter anderem Basketball, Gymnastik, Kampfsport oder Schach anboten. Aktuell gibt es hierzulande 37 lokale Makkabi-Vereine mit mehr als 5000 Mitgliedern in diversen Sportarten. Makkabi Frankfurt ist der größte Ortsverein mit knapp 2000 Mitgliedern. der TSV Maccabi München (900), der TuS Makkabi Berlin (500) und der TuS Maccabi Düsseldorf sind weitere wichtige Vertreter jüdischer Sportkultur in Deutschland. Allen gemein ist die selbstverständliche Offenheit für Sportler*innen aller Nationen und Glaubensrichtungen.

[gs]

Mitten im Ruhrpott steht er da, als sichtbares Zeichen gegen Diskriminierung: Der Ernst-Alexander-Weg, zwischen Parkplätzen und der Arena. Hier gehen viele Fußballfans her, wenn sie zum Heimspiel des FC Schalke 04 wollen – beziehungsweise in Zeiten vor Corona durften. Das nur einige hundert Meter lange Stück in Gelsenkirchen-Erle soll an einen Spieler des Vereins erinnern, der dem bittersten Kapitel der deutschen Geschichte zum Opfer gefallen ist.

Ernst Alexander, am 5. Februar in Gelsenkirchen geboren und in der Jugend sowie der Reservemannschaft bis 1933 für Schalke am Ball, wird am 28. August 1942 im Konzentrationslager Auschwitz umgebracht. Er ist Jude, 1933 wird er wegen seiner Herkunft aus dem Verein ausgeschlossen. Ende 1938 flieht er unter den Eindrücken der Reichspogromnacht mit seinen Geschwistern Alfred und Johanna in die Niederlande, doch der Verfolgung durch die Nazis entkommt er auch dort nicht. Im November 1939 wird er zunächst ins Zentrallager Westerbork gebracht, ehe er am 15. Juli 1942 nach Auschwitz deportiert wird.

Elf Fußballer, elf Schicksale

Seine Geschichte ist eine von elf, die das Deutsche Fußballmuseum in seiner aktuellen Wanderausstellung "Im Abseits. Jüdische Schicksale im deutschen Fußball" erzählt. Darunter sind Julius Hirsch (geb. am 7. April 1892, 1943 Deportation nach Auschwitz, am 8. Mai 1945 für tot erklärt, Spieler des Karlsruher FV, sieben Länderspiele, Olympia-Teilnehmer 1912), Gottfried Fuchs (1889-1972, ebenfalls Karlsruher FV), der frühere FC Bayern-Präsident Kurt Landauer (1884-1961) und Max Girgulski (1913-1983). Der gebürtige Frankfurter und hoffnungsvolle Eintracht-Verteidiger muss nach der Machtübernahme durch Hitler seinen Klub verlassen und schließt sich dem jüdischen Klub Bar Kochba Frankfurt an, mit dem er zweimal die Makkabi-Meisterschaft gewinnt. Als sich Max Girgulski 1938 vor der Judenverfolgung entzieht und nach Buenos Aires auswandert, findet er zwar bei den Boca Juniors eine neue fußballerische Heimat, wird aber in Argentinien als "Nazi" beschimpft.

Immerhin schafft es Max Girgulski, sein blaues Makkabi-Meister-Trikot mit über den Atlantik zu nehmen. Heute hängt es im Deutschen Fußballmuseum, seine Tochter Susanna Baron überließ es dem Haus – es ist nun ein Teil der Wanderausstellung "Im Abseits. Jüdische Schicksale im deutschen Fußball".

Bereits zum internationalen Gedenktag an die Opfer des Holocaust am 27. Januar waren erste Auszüge der Schau als Pageflow zu sehen. Mit "Im Abseits. Jüdische Schicksale im deutschen Fußball" startet das Haus seinen Themenschwerpunkt zum jüdischen Fußball im Festjahr "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland".

Museumsdirektor Manuel Neukirchner erklärt: "Unsere neue Wanderausstellung ist der Anfang für eine ganze Reihe von Beiträgen und Veranstaltungen zum Thema Fußball und Antisemitismus in diesem Jahr. Wir wollen ebenso die noch viel zu wenig beachtete Pionierleistung jüdischer Fußballspieler und Funktionäre zu Beginn des 20. Jahrhunderts herausstellen. Diese Zusammenhänge in inhaltlichen Formaten aufzuarbeiten, ist längst überfällig."

Für Schulen und andere Bildungseinrichtungen

Die komplette Ausstellung soll nach Ende der Corona-Beschränkungen landesweit durch Schulen und Bildungseinrichtungen "wandern", die transportablen Schautafeln können bei Interesse auch beim Deutschen Fußballmuseum angefordert werden.

Die Schautafeln zu Ernst Alexander dürften vor allem in Gelsenkirchen und Umgebung auf größeres Interesse stoßen. Schon bevor der FC Schalke gemeinsam mit Stadtvertreter*innen vor einem Jahr im Rahmen der Aktion "#stehtauf" an der Arena den Ernst-Alexander-Weg einweihte, verlieh der Klub im Jahr 2018 den Ernst-Alexander-Preis. Die Auszeichnung würdigt den couragierten Einsatz für Integration, Vielfalt und Toleranz. Erste Preisträger waren Schülerinnen und Schüler des örtlichen Grillo-Gymnasiums – für Nachforschungen zur Biografie Ernst Alexanders.

Ernst-Alexander-Preis für Fanprojekte

Nun erhielt die Landesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte NRW e.V. unter der Leitung von Patrick Arnold und dem Gelsenkirchener Inklusionsaktivisten Klaus-Dieter Seiffert den Preis. Stolpersteine in Gedenken an Ernst Alexander und seine von den Nazis verfolgten sowie später ermordeten Angehörigen – nur Schwester Johanna überlebte den Horror in Auschwitz und konnte 1945 aus dem Konzentrationslager befreit werden – am früheren Wohnhaus der Familie auf der Ringstraße 54 in Gelsenkirchen erinnern an das Leben und Sterben der Alexanders.

Sich immer wieder an diese Schicksale zu erinnern und dafür zu sorgen, dass sich jener Teil der deutschen Geschichte nicht wiederholt, ist die Aufgabe einer zivilen Gesellschaft. Der Deutsche Fußball-Bund und das Deutsche Fußballmuseum begleiten diesen Auftrag mit der Wanderausstellung "Im Abseits. Jüdische Schicksale im deutschen Fußball".

Makkabi-Kultur lebt

Auch heute noch ist jüdische Fußballkultur in Deutschland lebendig. Gleich nach Ende des Zweiten Weltkriegs gründeten sich neue Makkabi-Vereine, die neben Fußball auch verschiedene andere Sportarten wie unter anderem Basketball, Gymnastik, Kampfsport oder Schach anboten. Aktuell gibt es hierzulande 37 lokale Makkabi-Vereine mit mehr als 5000 Mitgliedern in diversen Sportarten. Makkabi Frankfurt ist der größte Ortsverein mit knapp 2000 Mitgliedern. der TSV Maccabi München (900), der TuS Makkabi Berlin (500) und der TuS Maccabi Düsseldorf sind weitere wichtige Vertreter jüdischer Sportkultur in Deutschland. Allen gemein ist die selbstverständliche Offenheit für Sportler*innen aller Nationen und Glaubensrichtungen.

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