Illgner: "Mittelfeld ist Spaniens Herzstück"

Zweimal gewann Weltmeistertorwart Bodo Illgner mit Real Madrid die Champions League. Und nach wie vor verfolgt der 50-Jährige den spanischen Fußball sehr genau. Für DFB.de stellt er die Nationalmannschaft der Iberer vor dem Länderspiel gegen Deutschland am Freitag (ab 20.45 Uhr, live in der ARD) in Düsseldorf vor.

Man stelle sich eine Mannschaft vor, die ohne Stürmer in der Startelf spielt und dennoch 3:0 gewinnt. Und das gegen Italien. Geht nicht? Gibt's nicht? Doch, absolut: Spanien hat das geschafft, unter der Regie von Julen Lopetegui. Mit diesem Trainer, bei dem man nur das "u" in der Aussprache des Nachnamens, aber nicht sein Können ignorieren darf, hat sich der Weltmeister von 2010 souverän für die WM-Endrunde 2018 qualifiziert: Neun Siege und ein 1:1 in Italien, so lautete die starke Bilanz. Das ist kein Zufall, denn dieser Coach hat auch zuvor schon die U 19, U 20 und U 21 der Iberer betreut, er kennt also das Anforderungsprofil des Verbandes bestens.

Ballbesitzfußball liegt in der spanischen DNA

Vor allem aber versteht er es dadurch, die jungen Spieler wie Saúl Ñíguez (das ist der, der im Atlético-Trikot mal durchs Bayern-Mittelfeld spaziert ist), Koke, Asensio oder Isco zu führen und mit ihnen den Umbruch einzuleiten. Er hat keine Angst, diese Jungs auch einzusetzen. Er hat eine gute Mischung gefunden, nicht nur aus jungen und erfahrenen Spielern, sondern auch für sich selbst aus Pragmatismus und Mut. Er kann forsch spielen lassen, aber auch brutal auf Ergebnis, wenn es die Situation erfordert. Fast schon italienisch. Wobei der Ballbesitzfußball natürlich weiter in der spanischen DNA liegt, und die wird auch in der Zeit nach dem großartigen Vicente Del Bosque gepflegt.

Lopetegui zeigt eine große taktische Flexibilität: In den vergangenen sechs Länderspielen hat er fünf verschiedene Systeme spielen lassen, die Formationen lauteten: 4-3-3, 4-1-4-1, 4-2-3-1, noch mal 4-1-4-1, 4-5-1 und besagtes 4-6-0. Spanien ist für mich bei der Weltmeisterschaft in Russland nach zwei missglückten großen Turnieren ein Titelaspirant, vor allem wegen des starken Mittelfeldes. Die Frage ist nur, was passiert, falls Sergio Ramos oder Gerard Piqué in der Innenverteidigung ausfallen sollten? Im Test nun gegen Deutschland in Düsseldorf wird Lopetegui versuchen, seine Wunschelf aufzustellen, weil ja auch nicht mehr viel Zeit zum Experimentieren bleibt und der amtierende Weltmeister zudem einen echten Gradmesser darstellt. Aber, ganz ehrlich, wie soll diese vermeintlich beste Formation aussehen bei einer solchen Ansammlung an Stars?

De Gea: Stark auf der Linie

Manuel Neuer ist das Maß aller Dinge im Torwartspiel, doch David de Gea gehört sicher weltweit zu den Top-5-Keepern, er kratzt am Thron des deutschen Schlussmanns. Vor allem ihm hat es Manchester United zu verdanken, in der Spitzengruppe der Premier League zu stehen. Er ist stark auf der Linie und in der Strafraumbeherrschung.

In der Innenverteidigung haben wir zwei Alphatiere. Da fragt man sich doch: Wer ist hier der Boss – Sergio Ramos oder Gerard Piqué? Reals Ramos ist zweifellos der vernünftigere Spieler, Barcas Piqué sorgt schon hier und da für Unruhe, ich denke an seine Interviews über Katalonien und den einen oder anderen Tweet Richtung Real Madrid. Das ist in den spanischen Medien in den vergangenen Monaten nicht gut angekommen, eine nicht förderliche Baustelle für Team und Umfeld. Aber: Die beiden Profis respektieren und vertrauen sich, sie planen sogar gemeinsam ein außerfußballerisches, berufliches Zukunftsprojekt. Wenn Piqué sich zurückhält, wird es keine Probleme geben. Die Nummer 3 der Innenverteidigung ist Nacho von Real. Der Ex-Dortmunder Marc Bartra will sich mit seinem Wechsel zu Betis erst mal wieder ins Rampenlicht spielen, nachdem er beim BVB keine gute Zeit hatte, wobei man da sicher auch den Alptraum des erlebten Bombenanschlags berücksichtigen muss.

Die beiden Außenverteidiger Dani Carvajal und Jordi Alba sind wirklich bärenstark, gerade Alba spielt bei Barça eine super Saison. So kurios es klingt, aber ihm hat der Wechsel von Neymar zu PSG gutgetan, denn nun hat er mehr Platz für seine Vorstöße auf der linken Bahn, wird dort nicht mehr blockiert. Defensiv wird sich zeigen, wie stark die beiden sind. Andererseits muss sich auch erst mal ein Gegner finden, der über außen so viel Druck entfachen kann, um die beiden zu fordern, denn in der Regel haben die Spanier die Kugel. Aber bei Ballgewinn und schnellem Umschalten des Gegners könnte was gehen. Rätselhaft ist für viele, warum Chelseas starker Mann auf links, Marcos Alonso, der ein exzellenter Freistoßschütze ist, spielte lange keine Rolle bei Lopetegui, ist nun aber nominiert worden.



Zweimal gewann Weltmeistertorwart Bodo Illgner mit Real Madrid die Champions League. Und nach wie vor verfolgt der 50-Jährige den spanischen Fußball sehr genau. Für DFB.de stellt er die Nationalmannschaft der Iberer vor dem Länderspiel gegen Deutschland am Freitag (ab 20.45 Uhr, live in der ARD) in Düsseldorf vor.

Man stelle sich eine Mannschaft vor, die ohne Stürmer in der Startelf spielt und dennoch 3:0 gewinnt. Und das gegen Italien. Geht nicht? Gibt's nicht? Doch, absolut: Spanien hat das geschafft, unter der Regie von Julen Lopetegui. Mit diesem Trainer, bei dem man nur das "u" in der Aussprache des Nachnamens, aber nicht sein Können ignorieren darf, hat sich der Weltmeister von 2010 souverän für die WM-Endrunde 2018 qualifiziert: Neun Siege und ein 1:1 in Italien, so lautete die starke Bilanz. Das ist kein Zufall, denn dieser Coach hat auch zuvor schon die U 19, U 20 und U 21 der Iberer betreut, er kennt also das Anforderungsprofil des Verbandes bestens.

Ballbesitzfußball liegt in der spanischen DNA

Vor allem aber versteht er es dadurch, die jungen Spieler wie Saúl Ñíguez (das ist der, der im Atlético-Trikot mal durchs Bayern-Mittelfeld spaziert ist), Koke, Asensio oder Isco zu führen und mit ihnen den Umbruch einzuleiten. Er hat keine Angst, diese Jungs auch einzusetzen. Er hat eine gute Mischung gefunden, nicht nur aus jungen und erfahrenen Spielern, sondern auch für sich selbst aus Pragmatismus und Mut. Er kann forsch spielen lassen, aber auch brutal auf Ergebnis, wenn es die Situation erfordert. Fast schon italienisch. Wobei der Ballbesitzfußball natürlich weiter in der spanischen DNA liegt, und die wird auch in der Zeit nach dem großartigen Vicente Del Bosque gepflegt.

Lopetegui zeigt eine große taktische Flexibilität: In den vergangenen sechs Länderspielen hat er fünf verschiedene Systeme spielen lassen, die Formationen lauteten: 4-3-3, 4-1-4-1, 4-2-3-1, noch mal 4-1-4-1, 4-5-1 und besagtes 4-6-0. Spanien ist für mich bei der Weltmeisterschaft in Russland nach zwei missglückten großen Turnieren ein Titelaspirant, vor allem wegen des starken Mittelfeldes. Die Frage ist nur, was passiert, falls Sergio Ramos oder Gerard Piqué in der Innenverteidigung ausfallen sollten? Im Test nun gegen Deutschland in Düsseldorf wird Lopetegui versuchen, seine Wunschelf aufzustellen, weil ja auch nicht mehr viel Zeit zum Experimentieren bleibt und der amtierende Weltmeister zudem einen echten Gradmesser darstellt. Aber, ganz ehrlich, wie soll diese vermeintlich beste Formation aussehen bei einer solchen Ansammlung an Stars?

De Gea: Stark auf der Linie

Manuel Neuer ist das Maß aller Dinge im Torwartspiel, doch David de Gea gehört sicher weltweit zu den Top-5-Keepern, er kratzt am Thron des deutschen Schlussmanns. Vor allem ihm hat es Manchester United zu verdanken, in der Spitzengruppe der Premier League zu stehen. Er ist stark auf der Linie und in der Strafraumbeherrschung.

In der Innenverteidigung haben wir zwei Alphatiere. Da fragt man sich doch: Wer ist hier der Boss – Sergio Ramos oder Gerard Piqué? Reals Ramos ist zweifellos der vernünftigere Spieler, Barcas Piqué sorgt schon hier und da für Unruhe, ich denke an seine Interviews über Katalonien und den einen oder anderen Tweet Richtung Real Madrid. Das ist in den spanischen Medien in den vergangenen Monaten nicht gut angekommen, eine nicht förderliche Baustelle für Team und Umfeld. Aber: Die beiden Profis respektieren und vertrauen sich, sie planen sogar gemeinsam ein außerfußballerisches, berufliches Zukunftsprojekt. Wenn Piqué sich zurückhält, wird es keine Probleme geben. Die Nummer 3 der Innenverteidigung ist Nacho von Real. Der Ex-Dortmunder Marc Bartra will sich mit seinem Wechsel zu Betis erst mal wieder ins Rampenlicht spielen, nachdem er beim BVB keine gute Zeit hatte, wobei man da sicher auch den Alptraum des erlebten Bombenanschlags berücksichtigen muss.

Die beiden Außenverteidiger Dani Carvajal und Jordi Alba sind wirklich bärenstark, gerade Alba spielt bei Barça eine super Saison. So kurios es klingt, aber ihm hat der Wechsel von Neymar zu PSG gutgetan, denn nun hat er mehr Platz für seine Vorstöße auf der linken Bahn, wird dort nicht mehr blockiert. Defensiv wird sich zeigen, wie stark die beiden sind. Andererseits muss sich auch erst mal ein Gegner finden, der über außen so viel Druck entfachen kann, um die beiden zu fordern, denn in der Regel haben die Spanier die Kugel. Aber bei Ballgewinn und schnellem Umschalten des Gegners könnte was gehen. Rätselhaft ist für viele, warum Chelseas starker Mann auf links, Marcos Alonso, der ein exzellenter Freistoßschütze ist, spielte lange keine Rolle bei Lopetegui, ist nun aber nominiert worden.

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Thiago auf dem Weg in die Stammelf

Das Mittelfeld ist Spaniens Herzstück, da ist es enorm schwierig, eine Auswahl zu treffen. Gesetzt ist Sergio Busquets, er ist allerdings momentan verletzt. Bei Andrés Iniesta fangen wir schon an zu grübeln, und das sagt viel aus, wenn man weiß, welch Klassefußballer dieser Techniker mit dem scannenden Spielfeld-Rundumblick ist. Konserviert er seine Form dieser Saison bis zur WM, wird er spielen, aber manchmal ist es auch tagesabhängig bei ihm.

Bayerns Thiago hat oft mitgewirkt, wenn er nicht verletzt war. Bei den jüngsten sechs Partien war er viermal in der Startelf. Aber ein "Thiago oder nix", wie es Pep Guardiola zu seiner Bayern-Zeit so legendär ausgedrückt hat, das gilt in der Nationalmannschaft nicht. Hier wird auch entscheidend sein, wie oft er in den wichtigen Champions-League-Matches in München in der Endphase der Saison seine Klasse unter Beweis wird stellen können. Cesc Fàbregas war nicht immer dabei, er kann im Mittelfeld spielen, aber auch eine ganz falsche 9, wie beim EM-Titelgewinn 2012. Er erarbeitet sich bei Chelsea gerade seinen Stammplatz zurück, allerdings als Sechser, und da wird es schwierig für ihn, sich zu behaupten.

Costa hat im Angriff die besten Karten

Hochinteressant in dem Zusammenhang: Im entscheidenden WM-Qualifikationsspiel gegen Italien hat Spanien mit eingangs erwähnten sechs Mittelfeldspielern agiert in einem 4-6-0. Die hießen: Koke, Busquets, Iniesta, Isco, Silva, Asensio. Die „Roja“ hat übrigens 3:0 gewonnen, Isco war zweifacher Torschütze. Es geht also auch offensiv, egal, wer da spielt.

Marco Asensio sollte man sich gut merken, das ist für mich ein ganz, ganz toller Spieler. Dann nicht zu vergessen: Saúl Ñíguez und Asier Illarramendi. Und ein beim FC Bayern überragender Sechser wie Javi Martínez wird da schon lange nicht mal mehr berücksichtigt. David Silva oder Isco sind zudem gute Beispiele dafür, wie schwierig die Spanier zu fassen sind. Die könnten weiter vorne spielen, aber auch im Mittelfeld, das ist abhängig vom System und der Spielidee Lopeteguis, sicher auch zugeschnitten auf den jeweiligen Gegner.

Wenn es eine echte 9 geben wird, hat Diego Costa von Atletico Madrid aktuell die besten Karten. Denn er steht im Kader gegen Deutschland, Alvaro Morata vom FC Chelsea hingegen nicht. Dort setzte Trainer Antonio Conte zuletzt nicht oft auf ihn, was ihn nun auch die Nominierung gekostet haben dürfte. Doch für die WM muss das noch nichts heißen.

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