"Ich war kein großes Talent": Europameister Dietz wird 75

Wer sich mit Bernard Dietz über seine Fußballkarriere unterhält, der muss viel Zeit mitbringen. Denn der Jubilar, der heute im kleinen Familienkreise seinen 75. Geburtstag feiert, ist ein kundiger Zeitreiseführer in eigener Sache. Nichts scheint er vergessen zu haben aus 17 Bundesligajahren und sieben in der Nationalmannschaft. Falls aber doch, kann er es in den eigenen vier Wänden schnell rekapitulieren. "Unser Keller ist ein Fußballmuseum", berichtet Dietz von Büchern, Chroniken, Videos und "mindestens 100 Trikots", darunter das erste mit dem Bundesadler vom 1:0 im Dezember 1974 auf Malta.

Es scheint, als treibe ihn die Begeisterung über das Erreichte bis heute an. Bernard Dietz bestaunt noch immer ungläubig seine Karriere, ohne sich dabei der Prahlerei verdächtig zu machen. Aber wer fast seine ganze Karriere beim MSV Duisburg, einer grauen Maus der Bundesliga, im Abstiegskampf verbracht hat und sich doch Kapitän einer Europameistermannschaft nennen darf, der ist auch schon zu seiner Zeit etwas Besonderes gewesen. Auch nachzulesen in der Biographie des stets bescheiden gebliebenen Bergmannssohns aus Bockum-Hövel, die den Titel trägt: "Vom Straßenfußballer zur Nationalmannschaft".

Bernard Dietz war ein Fußball-Arbeiter und daraus hat der 53-malige Nationalspieler auch nie einen Hehl gemacht. "Ich war kein großes Talent, aber ich habe Tag und Nacht trainiert." Mit einer solchen Einstellung kommt man an im Ruhrpott, vor allem dort. Sie hat ihn zum Europameister gemacht, am 22. Juni 1980 stemmte er als DFB-Kapitän den Pokal in den Nachthimmel zu Rom und war so euphorisiert, dass er die zur Gratulation bereitstehende belgische Königin Beatrix glatt übersah. "Ziemlich peinlich im Nachhinein", bekennt er heute.

MSV-Vertreter unter Stars - und doch Kapitän

Der Sportler indes war immer Vorbild. Er war, wenn man so will, die offensivere Version des Terriers, den der 1978 abgetretene Berti Vogts verkörperte. Und er war eben ein Kuriosum im Kreis der Nationalmannschaft. Er war der Abgesandte des unteren Tabellendrittels, allein unter Münchnern, Mönchengladbachern, Hamburgern oder Kölnern, die in seiner Zeit um die Titel spielten, die es im nationalen und internationalen Fußball so zu holen gab. Dietz hat nie einen Vereinstitel gewonnen, er hat stattdessen die meisten Bundesliganiederlagen erlitten (221) im fortwährenden Überlebenskampf.

Dass er ihn mit seinen Klubs – ab 1982 spielte er noch fünf Jahre "auf Schalke" – so oft gewann, das lag vor allem an ihm und seinem Naturell. An seiner Einstellung hat nie jemand etwas auszusetzen gehabt und so gab es auch keinen Grund, ihm nach Sepp Maiers Ausscheiden aus der Nationalelf 1979 die Spielführerbinde zu verweigern. Er hatte die meisten Länderspiele und die richtigen Eigenschaften: Kampfgeist, Moral, Loyalität, Integrität. So wurde er für zwei Jahre der Kapitän von Schumacher, Kaltz, Magath, Schuster, Stielike, Rummenigge und wie sie alle hießen, die aus größeren Vereinen kamen und deren Vitrinen heute voll mit Titeln und Medaillen sind. 19-mal trug er die Binde zwischen dem 20. Dezember 1978 und 1. April 1981 und jedes Mal streifte sie ihm der Bundestrainer persönlich um.

Mit Jupp Derwall pflegte er lange ein gutes Verhältnis, ehe ein im Zorn gegebenes Interview im Mai 1981 Dietz' DFB-Karriere beendete. Er war schon 33 und wollte nur wissen, woran er war. Immer öfter saß er auf der Bank und Derwall sprach zu wenig mit ihm. Einmal versprach er ihm einen Einsatz und "vergaß" es. Das verkraftete Dietz nicht, es kollidierte mit seinen Werten. Sie vertrugen sich später wieder, das war ihm wichtig, aber das Ende nach 53 Einsätzen für Deutschland, darunter zwei EM-Endrunden (1976, 1980) und eine WM (1978).

Nachbarsmädchen vergibt Spitzname "Ennatz"

Wie war der Fußballer Dietz? Er konnte nicht nur laufen und grätschen. Kaum zu glauben, aber nach Mittelstürmer Ronny Worm hat "Ennatz", der gewöhnlich linker Verteidiger spielte, die meisten Bundesligatore für den MSV erzielt (70) – darunter sogar mal vier gegen die Bayern. Noch immer ist das Rekord für einen Verteidiger in 60 Jahren Bundesliga, aber so will er ja gar nicht gesehen werden. "Ich war ja eigentlich kein Verteidiger, meine Vorbilder waren Netzer und Overath", behauptet er heute noch.

In seiner Jugend war er Fan von Overaths 1. FC Köln. Natürlich war er kein Overath, aber in puncto Ehrgeiz stand er den Größten in nichts nach. Das merkten sie schon bald in Duisburg, wo sie Dietz 1970 für 1200 DM Grundgehalt anstellten (und 5000 DM Handgeld). Schon bald feierten sie ihren "Ennatz" im Wedau-Stadion. Warum heißt er so? Weil ein Nachbarsmädchen seinen Vornamen immer so aussprach und weil ihn 200 Bürger*innen seines Ortes beim ersten Heimspiel durch Anfeuerungsrufe auch im Wedau-Stadion bekannt machten. Heute heißt sogar das MSV-Maskottchen nach ihm.

Mit einigem Recht, ist er doch Rekordnationalspieler des MSV, bei dem seine Petra, die er vor 50 Jahren heiratete, auf Lebenszeit Dauerkarteninhaberin ist. Der Vater zweier Kinder ist der Stolz des MSV und der MSV ist seine Liebe. Nicht nur in Fankreisen wird vom "MSV Dietzburg" gesprochen. Dass ein Duisburger zu 53 Länderspielen kommen konnte, erscheint heute schier unbegreiflich; ebenso dass ein Nationalspieler nicht nach Höherem strebte. Vereinstreue war in den Siebzigern zwar noch ein Begriff, aber zu allen Zeiten gingen die Besten der kleinen Klubs irgendwann zu den Großen oder jedenfalls dahin, wo es mehr Geld gab. Dietz geriet auch einmal in Versuchung, aber dann mit seinen eigenen Werten in Konflikt und blieb sich treu.

Offizielle MSV-Legende: "Darauf bin ich sehr stolz"

Es war im Frühjahr 1976, als ihn plötzlich das große Abenteuer reizte. Trainer Dietrich Weise lockte ihn mit guten Worten zur Frankfurter Eintracht und das stand schon bald in der Presse. Man war sich fast einig. Nach einem seiner vermeintlich letzten Heimspiele trottete Dietz zum Parkplatz hinter dem Wedau-Stadion, als ihm eine vierköpfige Familie entgegenkam. Die Kinder schwiegen ehrfürchtig, aber die Eltern sprachen ihn an. Es war eher ein Jammern und gipfelte in dem Flehen: "Du darfst uns doch nicht verlassen, Ennatz." Dann weinten sie vor ihren Kindern – und Dietz fuhr peinlich berührt nach Hause. Am Morgen nach einer schlaflosen Nacht sagte er Frankfurt ab, weil er sich sagte: "Du kannst hier nicht weg gehen."

Sechs Jahre später ging er doch. Nicht unbedingt wegen des Abstiegs, sondern weil nach dem letzten Spiel Folgendes passierte: "Und so saßen wir in der Kabine, fertig, geschafft, nicht wissend, wie es weitergeht, als der Präsident zur Tür hereinkommt mit einem Herrn im Schlepptau. Ohne ein Wort über die Situation zu verlieren, kein Dank, kein Trost, nicht einmal ein Vorwurf, so als wäre nichts passiert, stellte er Herrn Renter vor, Konditionstrainer, der für alle, die nicht in Urlaub fahren, schon in der nächsten Woche zur Verfügung steht. Da hat der Bernard Dietz die Tasche gepackt, ist nach Hause gefahren und hat Rudi Assauer auf Schalke angerufen, um ihm mitzuteilen: Ich komme zu Euch."

Aber er kam zurück. "Ich hatte auf Schalke fünf schöne Jahre, aber der MSV ist meine Heimat. Immer wenn ich ins Stadion komme, denke ich: das ist mein Wohnzimmer." Beim MSV war er Spieler, Trainer, Aufsichtsrat und bis vor vier Jahren Vorstandsmitglied. Duisburg ohne "Ennatz" – das ist wie Pommes ohne Mayo. Die Fans haben ihn 2010 offiziell zur MSV-Legende gewählt. "Da bin ich sehr stolz darauf, denn die meisten, die mich gewählt haben, haben mich nie spielen sehen", sagte er damals.

"Ich habe Fußball nicht wegen des Geldes gespielt"

Heute sind es noch weniger und ausgespielt hat er nun auch als Hobbykicker, seit ihm im vergangenen Mai ein neues Kniegelenk eingesetzt wurde. Das sitzt links und Dietz unkt: "Mal sehen, wie lange das rechte Knie hält. 16 Jahre in der Bundesliga und ein Jahr 2. Liga fordern natürlich ihren Tribut." Das sagte er jetzt dem kicker. Bereuen will er nichts. "Ich habe Fußball nicht wegen des Geldes gespielt, sondern wegen der Faszination, in einem vollen Stadion gemeinsam mit anderen etwas zu erreichen." Worte, die man nur noch selten hört.

Schon zu Spielerzeiten war Dietz einer der letzten Romantiker des Fußballs. Als Trainer änderte sich daran nichts, weil sich auch der Mensch nie geändert hat. So kam es, dass er während seiner Zeit beim VfL Bochum, wo er von 1994 bis 2001 die A-Jugend und am Ende die Profis trainierte, mit einer Moralpredigt für Schlagzeilen sorgte. Im Dezember 2001 trat er "wegen der mangelhaften Berufsauffassung einiger Spieler der heutigen Fußball-Generation" zurück. Auch dass der Präsident permanent in der Kabine stand und ihm vorschreiben wollte, den Kapitän abzusetzen, passte Dietz nicht. VfL-Boss Werner Altegoer, erzählt Dietz noch heute amüsiert, habe ihm noch entsetzt nachgerufen: "Wohin gehen Sie?" Die Replik: "Nach Hause geh ich", sagte der gradlinige Dietz.

Und er ging wirklich. Dort sitzt er heute nur bis zum frühen Abend, denn er hat noch einen Termin: die Mitgliederversammlung des MSV fällt auf seinen Geburtstag. Die geht natürlich vor.

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Wer sich mit Bernard Dietz über seine Fußballkarriere unterhält, der muss viel Zeit mitbringen. Denn der Jubilar, der heute im kleinen Familienkreise seinen 75. Geburtstag feiert, ist ein kundiger Zeitreiseführer in eigener Sache. Nichts scheint er vergessen zu haben aus 17 Bundesligajahren und sieben in der Nationalmannschaft. Falls aber doch, kann er es in den eigenen vier Wänden schnell rekapitulieren. "Unser Keller ist ein Fußballmuseum", berichtet Dietz von Büchern, Chroniken, Videos und "mindestens 100 Trikots", darunter das erste mit dem Bundesadler vom 1:0 im Dezember 1974 auf Malta.

Es scheint, als treibe ihn die Begeisterung über das Erreichte bis heute an. Bernard Dietz bestaunt noch immer ungläubig seine Karriere, ohne sich dabei der Prahlerei verdächtig zu machen. Aber wer fast seine ganze Karriere beim MSV Duisburg, einer grauen Maus der Bundesliga, im Abstiegskampf verbracht hat und sich doch Kapitän einer Europameistermannschaft nennen darf, der ist auch schon zu seiner Zeit etwas Besonderes gewesen. Auch nachzulesen in der Biographie des stets bescheiden gebliebenen Bergmannssohns aus Bockum-Hövel, die den Titel trägt: "Vom Straßenfußballer zur Nationalmannschaft".

Bernard Dietz war ein Fußball-Arbeiter und daraus hat der 53-malige Nationalspieler auch nie einen Hehl gemacht. "Ich war kein großes Talent, aber ich habe Tag und Nacht trainiert." Mit einer solchen Einstellung kommt man an im Ruhrpott, vor allem dort. Sie hat ihn zum Europameister gemacht, am 22. Juni 1980 stemmte er als DFB-Kapitän den Pokal in den Nachthimmel zu Rom und war so euphorisiert, dass er die zur Gratulation bereitstehende belgische Königin Beatrix glatt übersah. "Ziemlich peinlich im Nachhinein", bekennt er heute.

MSV-Vertreter unter Stars - und doch Kapitän

Der Sportler indes war immer Vorbild. Er war, wenn man so will, die offensivere Version des Terriers, den der 1978 abgetretene Berti Vogts verkörperte. Und er war eben ein Kuriosum im Kreis der Nationalmannschaft. Er war der Abgesandte des unteren Tabellendrittels, allein unter Münchnern, Mönchengladbachern, Hamburgern oder Kölnern, die in seiner Zeit um die Titel spielten, die es im nationalen und internationalen Fußball so zu holen gab. Dietz hat nie einen Vereinstitel gewonnen, er hat stattdessen die meisten Bundesliganiederlagen erlitten (221) im fortwährenden Überlebenskampf.

Dass er ihn mit seinen Klubs – ab 1982 spielte er noch fünf Jahre "auf Schalke" – so oft gewann, das lag vor allem an ihm und seinem Naturell. An seiner Einstellung hat nie jemand etwas auszusetzen gehabt und so gab es auch keinen Grund, ihm nach Sepp Maiers Ausscheiden aus der Nationalelf 1979 die Spielführerbinde zu verweigern. Er hatte die meisten Länderspiele und die richtigen Eigenschaften: Kampfgeist, Moral, Loyalität, Integrität. So wurde er für zwei Jahre der Kapitän von Schumacher, Kaltz, Magath, Schuster, Stielike, Rummenigge und wie sie alle hießen, die aus größeren Vereinen kamen und deren Vitrinen heute voll mit Titeln und Medaillen sind. 19-mal trug er die Binde zwischen dem 20. Dezember 1978 und 1. April 1981 und jedes Mal streifte sie ihm der Bundestrainer persönlich um.

Mit Jupp Derwall pflegte er lange ein gutes Verhältnis, ehe ein im Zorn gegebenes Interview im Mai 1981 Dietz' DFB-Karriere beendete. Er war schon 33 und wollte nur wissen, woran er war. Immer öfter saß er auf der Bank und Derwall sprach zu wenig mit ihm. Einmal versprach er ihm einen Einsatz und "vergaß" es. Das verkraftete Dietz nicht, es kollidierte mit seinen Werten. Sie vertrugen sich später wieder, das war ihm wichtig, aber das Ende nach 53 Einsätzen für Deutschland, darunter zwei EM-Endrunden (1976, 1980) und eine WM (1978).

Nachbarsmädchen vergibt Spitzname "Ennatz"

Wie war der Fußballer Dietz? Er konnte nicht nur laufen und grätschen. Kaum zu glauben, aber nach Mittelstürmer Ronny Worm hat "Ennatz", der gewöhnlich linker Verteidiger spielte, die meisten Bundesligatore für den MSV erzielt (70) – darunter sogar mal vier gegen die Bayern. Noch immer ist das Rekord für einen Verteidiger in 60 Jahren Bundesliga, aber so will er ja gar nicht gesehen werden. "Ich war ja eigentlich kein Verteidiger, meine Vorbilder waren Netzer und Overath", behauptet er heute noch.

In seiner Jugend war er Fan von Overaths 1. FC Köln. Natürlich war er kein Overath, aber in puncto Ehrgeiz stand er den Größten in nichts nach. Das merkten sie schon bald in Duisburg, wo sie Dietz 1970 für 1200 DM Grundgehalt anstellten (und 5000 DM Handgeld). Schon bald feierten sie ihren "Ennatz" im Wedau-Stadion. Warum heißt er so? Weil ein Nachbarsmädchen seinen Vornamen immer so aussprach und weil ihn 200 Bürger*innen seines Ortes beim ersten Heimspiel durch Anfeuerungsrufe auch im Wedau-Stadion bekannt machten. Heute heißt sogar das MSV-Maskottchen nach ihm.

Mit einigem Recht, ist er doch Rekordnationalspieler des MSV, bei dem seine Petra, die er vor 50 Jahren heiratete, auf Lebenszeit Dauerkarteninhaberin ist. Der Vater zweier Kinder ist der Stolz des MSV und der MSV ist seine Liebe. Nicht nur in Fankreisen wird vom "MSV Dietzburg" gesprochen. Dass ein Duisburger zu 53 Länderspielen kommen konnte, erscheint heute schier unbegreiflich; ebenso dass ein Nationalspieler nicht nach Höherem strebte. Vereinstreue war in den Siebzigern zwar noch ein Begriff, aber zu allen Zeiten gingen die Besten der kleinen Klubs irgendwann zu den Großen oder jedenfalls dahin, wo es mehr Geld gab. Dietz geriet auch einmal in Versuchung, aber dann mit seinen eigenen Werten in Konflikt und blieb sich treu.

Offizielle MSV-Legende: "Darauf bin ich sehr stolz"

Es war im Frühjahr 1976, als ihn plötzlich das große Abenteuer reizte. Trainer Dietrich Weise lockte ihn mit guten Worten zur Frankfurter Eintracht und das stand schon bald in der Presse. Man war sich fast einig. Nach einem seiner vermeintlich letzten Heimspiele trottete Dietz zum Parkplatz hinter dem Wedau-Stadion, als ihm eine vierköpfige Familie entgegenkam. Die Kinder schwiegen ehrfürchtig, aber die Eltern sprachen ihn an. Es war eher ein Jammern und gipfelte in dem Flehen: "Du darfst uns doch nicht verlassen, Ennatz." Dann weinten sie vor ihren Kindern – und Dietz fuhr peinlich berührt nach Hause. Am Morgen nach einer schlaflosen Nacht sagte er Frankfurt ab, weil er sich sagte: "Du kannst hier nicht weg gehen."

Sechs Jahre später ging er doch. Nicht unbedingt wegen des Abstiegs, sondern weil nach dem letzten Spiel Folgendes passierte: "Und so saßen wir in der Kabine, fertig, geschafft, nicht wissend, wie es weitergeht, als der Präsident zur Tür hereinkommt mit einem Herrn im Schlepptau. Ohne ein Wort über die Situation zu verlieren, kein Dank, kein Trost, nicht einmal ein Vorwurf, so als wäre nichts passiert, stellte er Herrn Renter vor, Konditionstrainer, der für alle, die nicht in Urlaub fahren, schon in der nächsten Woche zur Verfügung steht. Da hat der Bernard Dietz die Tasche gepackt, ist nach Hause gefahren und hat Rudi Assauer auf Schalke angerufen, um ihm mitzuteilen: Ich komme zu Euch."

Aber er kam zurück. "Ich hatte auf Schalke fünf schöne Jahre, aber der MSV ist meine Heimat. Immer wenn ich ins Stadion komme, denke ich: das ist mein Wohnzimmer." Beim MSV war er Spieler, Trainer, Aufsichtsrat und bis vor vier Jahren Vorstandsmitglied. Duisburg ohne "Ennatz" – das ist wie Pommes ohne Mayo. Die Fans haben ihn 2010 offiziell zur MSV-Legende gewählt. "Da bin ich sehr stolz darauf, denn die meisten, die mich gewählt haben, haben mich nie spielen sehen", sagte er damals.

"Ich habe Fußball nicht wegen des Geldes gespielt"

Heute sind es noch weniger und ausgespielt hat er nun auch als Hobbykicker, seit ihm im vergangenen Mai ein neues Kniegelenk eingesetzt wurde. Das sitzt links und Dietz unkt: "Mal sehen, wie lange das rechte Knie hält. 16 Jahre in der Bundesliga und ein Jahr 2. Liga fordern natürlich ihren Tribut." Das sagte er jetzt dem kicker. Bereuen will er nichts. "Ich habe Fußball nicht wegen des Geldes gespielt, sondern wegen der Faszination, in einem vollen Stadion gemeinsam mit anderen etwas zu erreichen." Worte, die man nur noch selten hört.

Schon zu Spielerzeiten war Dietz einer der letzten Romantiker des Fußballs. Als Trainer änderte sich daran nichts, weil sich auch der Mensch nie geändert hat. So kam es, dass er während seiner Zeit beim VfL Bochum, wo er von 1994 bis 2001 die A-Jugend und am Ende die Profis trainierte, mit einer Moralpredigt für Schlagzeilen sorgte. Im Dezember 2001 trat er "wegen der mangelhaften Berufsauffassung einiger Spieler der heutigen Fußball-Generation" zurück. Auch dass der Präsident permanent in der Kabine stand und ihm vorschreiben wollte, den Kapitän abzusetzen, passte Dietz nicht. VfL-Boss Werner Altegoer, erzählt Dietz noch heute amüsiert, habe ihm noch entsetzt nachgerufen: "Wohin gehen Sie?" Die Replik: "Nach Hause geh ich", sagte der gradlinige Dietz.

Und er ging wirklich. Dort sitzt er heute nur bis zum frühen Abend, denn er hat noch einen Termin: die Mitgliederversammlung des MSV fällt auf seinen Geburtstag. Die geht natürlich vor.

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