Hrubesch: "Ich hatte beim DFB eine überragende Zeit"

HSV-Legende Horst Hrubesch hat die Geschichte des DFB mitgeprägt. Heute wird der Europameister, Erfolgstrainer diverser U-Teams und Olympia-Silbergewinner 70 Jahre alt. Mit DFB.de spricht das einstige "Kopfballungeheuer" über seine aktuelle Arbeit beim Hamburger SV, seine Zeit beim DFB und verrät sein Erfolgsgeheimnis.

DFB.de: Herr Hrubesch, aus Anlass Ihres Geburtstages und in Zeiten der Pandemie die mit Abstand wichtigste Frage zuerst: Wie geht es Ihnen?

Horst Hrubesch: Danke - mir geht es gut. Ich habe immer gesagt, dass mich die Arbeit jung hält, speziell das Zusammensein mit jungen Menschen. Und das erlebe ich jetzt wieder.

DFB.de: Seit Beginn der Saison arbeiten Sie als Nachwuchsdirektor im Leistungszentrum des HSV. Wie sieht Ihr Tagesablauf aus?

Hrubesch: Da wir aufgrund der Corona-Pandemie im Nachwuchs aktuell keinen Spielbetrieb haben, nutzen wir die Zeit, um andere Themen anzuschieben. Im Nachwuchs begleite ich alles, was anfällt. Einen Alltag gibt es dabei nicht. Zuletzt haben wir beispielsweise die Kader für die kommende Saison festgelegt, aktuell bemühen wir uns darum, für einige unserer Mannschaften Freundschaftsspiele zu organisieren. Ansonsten arbeiten wir viel an unseren Angeboten im Internet und haben in Richtung Podcasts einiges gemacht. Auch dabei lerne ich immer wieder Neues, und grundsätzlich gilt: Mir macht diese Arbeit viel Spaß, ich arbeite in einem tollen Team mit großartigen Menschen.

DFB.de: Ihre Stärke war immer die Zusammenarbeit mit den Spieler*innen, der direkte Kontakt. Das fällt aktuell ein bisschen weg, oder?

Hrubesch: Nein, im HSV-Campus sind von der U 16 bis zur U 21 alle Mannschaften vereint, so dass auch da weiterhin Kontakt besteht. Strukturell ist es allerdings so, dass ich in meinem Job ein bisschen weiter weg von den Spielern bin, als ich dies noch als Trainer war. Mir gefällt aber sehr, dass ich das tägliche Training der Nachwuchsmannschaften sozusagen direkt vor der Tür habe.

DFB.de: Wie oft nutzen Sie die Gelegenheit und treten mit den Spieler*innen in Kontakt.

Hrubesch: Sehr häufig, dafür gibt es ja auch viele Anlässe. Insbesondere im Entwicklungsbereich von der U 17 zur U 19, wo dann die Jahrgänge zusammengelegt werden, müssen Gespräche über Vertragsverlängerungen oder entsprechende Alternativen in Kooperation mit anderen Vereinen geführt werden. Da besteht dann automatisch der Kontakt mit den Spielern.

DFB.de: Sie haben viele Jahre beim DFB unterschiedliche Nachwuchsnationalmannschaften trainiert. Wie sehr helfen Ihnen diese Erfahrungen nun in Ihrer Rolle als Nachwuchsdirektor beim HSV?

Hrubesch: Ich profitiere von allen Erfahrungen, die ich in meinem Leben bis hierhin gesammelt habe, auf den DFB lässt sich das gar nicht beschränken. Wobei die Zeit dort natürlich prägend war. Grundsätzlich habe ich gelernt, dass die Dinge nur dann funktionieren, wenn es gelingt, die Fähigkeiten verschiedener Menschen zusammenzuführen. Beim DFB waren wir immer dann gut und erfolgreich, wenn wir Dinge gemeinsam entwickelt und als Team geschlossen agiert haben. Und so erlebe ich es nun auch beim HSV. Die Arbeit hier ist nicht nur von meiner Person abhängig, sondern ist an Strukturen gekoppelt, in denen viele andere Personen und Fähigkeiten eingebunden sind. Für uns geht es darum, gemeinsam Ideen zu entwickeln und weiterzuentwickeln, offen für neue Ansätze zu sein, die Spieler*innen mitzunehmen und Verantwortung zuteilen. So war es auch beim DFB. Ob man eine Olympia-Auswahl trainiert, die U 21-Nationalmannschaft oder die Frauen-Nationalmannschaft – es geht immer darum, die Dinge im Team anzugehen und die individuellen Stärken der gesamten Gruppe für die Mannschaft zu entfalten.

DFB.de: Im DFB haben Sie im Männerbereich als Assistenztrainer bei der A-Nationalmannschaft gewirkt, Sie waren Trainer der A2-Nationalmannschaft. Ihre großen Erfolge aber hatten Sie als Trainer von U-Nationalmannschaften. Wenn Sie an diese Zeit denken: Was sind die schönsten Erinnerungen, die Ihnen in den Sinn kommen?

Hrubesch: Die Nachwuchsarbeit war der Bereich, in dem ich mich zuhause gefühlt habe und der immer gut funktioniert hat. Zwar hätte ich damals auch gerne mit der aus meiner Sicht sehr erfolgreichen A2-Nationalmannschaft weitergemacht, aber die Entscheidung wurde gegen die Weiterführung dieser Mannschaft getroffen. Bis heute ist mir das unverständlich, aus der A2-Nationalmanschaft sind schließlich viele Spieler hervorgegangen, die später A-Nationalspieler wurden. Und genau das war der Auftrag. Ich will mich aber auch nicht beschweren, denn mir war schnell bewusst, dass es mir liegt, junge Spieler heranzuführen und ihnen Verantwortung zu geben. Von daher war die Zeit in den verschiedenen Nachwuchsmannschaften für mich ein Traumjob. Die Frage nach den schönsten Erinnerungen kann ich so nicht beantworten, es waren so viele schöne und spezielle Erlebnissen, für mich ist es unmöglich, diese zu werten. Natürlich werde ich immer gerne an die Erfolge denken, neben den EM-Titeln 2008 und 2009 ist dabei die Silbermedaille bei den Olympischen Spielen 2016 für mich herausragend, wobei mir die Strecken auf dem Weg dorthin mindestens genauso wichtig sind. Die Entwicklung der einzelnen Spieler und genauso unser Zusammenwachsen als Mannschaft. Ich hatte beim DFB eine überragende Zeit, ich bin dankbar für alles, was ich in diesen zwei Jahrzehnten erfahren durfte.

DFB.de: Beim DFB waren Sie nicht nur Trainer. Sie waren auch Sportdirektor.

Hrubesch: Ich habe beim DFB so ziemlich alles durchlebt, und alles habe ich gern gemacht. Nach Hansi Flicks Weggang habe ich für etwas mehr als ein Jahr die Position des Sportdirektors übernommen und bin dann zum Abschluss meiner Zeit beim DFB noch in den Frauenfußball gegangen.

DFB.de: Als Trainer der Frauen-Nationalmannschaft. Zum Abschluss nochmal eine völlig neue Erfahrung.

Hrubesch: Vor allem eine völlig tolle Erfahrung. Mit Blick auf meine gesamte Zeit beim DFB war ich immer wieder mit neuen Situationen konfrontiert, habe neue Dinge kennengelernt und mitgenommen, habe mit neuen Spieler*innen zusammengearbeitet. Insgesamt hat all dies einfach wahnsinnig Spaß gemacht. Dass ich zuletzt dann noch die Frauen-Nationalmannschaft trainiert habe, ist etwas, auf das ich sehr stolz bin. Die Erfahrungen mit der Mannschaft und den Spielerinnen möchte ich nicht missen.

DFB.de: Wie groß sind die Unterschiede in der Arbeit mit den verschiedenen Geschlechtern?

Hrubesch: Ich mag solche Vergleiche nicht, für mich geht es darum, dass Menschen Fußball spielen. Was ich sagen kann, ist: Die Frauen werden noch immer unterschätzt. Was mich bei ihnen am meisten fasziniert hat, ist die Ehrlichkeit und die Einstellung, die die Spielerinnen an den Tag gelegt haben. Auch die Fähigkeit, Dinge anzunehmen und umzusetzen ist etwas, dass ich in dieser Form von den Männern nicht kannte. Meine Zeit mit den Frauen war zwar kurz, ich habe die Mannschaft ja nur übergangsweise übernommen, aber sie war sehr intensiv. Besonders schön ist für mich, dass der Kontakt bis heute geblieben ist. Ich freue mich jedes Mal, mit ihnen zu telefonieren. Mich freut auch, dass die Mannschaft auf einem guten Weg ist, Martina Voss-Tecklenburg und das gesamte Trainerteam leisten hervorragende Arbeit. Mit den Siegen gegen Australien und Norwegen wurde nun eine gute Basis gelegt. Ich bin sicher: Wenn man den Weg mit den jungen Spielerinnen in Zukunft weitergeht, wird man in Deutschland wieder eine erstklassige Frauen-Nationalmannschaft haben.

DFB.de: Sie haben im Leben viel erreicht und bewirkt, überall, wo Sie waren, hat sich Erfolg eingestellt. Nicht nur aus Anlass Ihres Geburtstages reden die Menschen ausschließlich positiv über Horst Hrubesch. Da stellt sich die Frage: Was war Ihr Erfolgsgeheimnis?

Hrubesch: Keine Ahnung, wobei ich auch diverse Misserfolge hatte. Aber darüber müssen wir ja nicht ausgerechnet heute reden. (lacht) Ich denke, dass es in erster Linie wichtig war, dass man ehrlich miteinander umgegangen ist. Ich habe mich nicht verbogen, habe meine Meinung vertreten, habe gesagt, was ich denke und so gehandelt, wie ich es für richtig hielt. Dabei habe ich aber immer versucht, alle mitzunehmen und zu überzeugen, vor allem habe ich auch andere Meinungen gelten lassen und angenommen. Sowohl als Spieler*in als auch als Trainer*in muss man wissen, dass Erfolge nicht allein, sondern gemeinsam erreicht werden. Zudem ist es wichtig, Bereitschaft zu zeigen, neue Dinge zu lernen, andere Meinungen zu akzeptieren und auf andere zuzugehen. Für mich hieß dies auch auf Spieler*innen einzugehen, mich ehrlich für sie zu interessieren und gemeinsam mit ihnen realistische Ziele zu setzen und zu verfolgen

DFB.de: Wenn Sie auf Ihre gesamte Laufbahn als Spieler und als Trainer blicken: Können Sie benennen, welche Phasen, welche Abschnitte, Sie am meisten genossen haben?

Hrubesch: Ich war wirklich sehr gerne Trainer, ich bin jetzt sehr gerne Nachwuchsdirektor beim HSV, aber an die Zeit als Spieler reicht nichts heran. Und das geht ja nicht nur mir so, so erleben es alle Fußballer. Wobei es bei mir möglicherweise in besonderem Maße gilt, weil meine aktive Karriere in der Bundesliga vergleichsweise kurz war.

DFB.de: Sie kamen erst im Alter von 24 Jahren zu Rot-Weiss Essen und damit im Profigeschäft an.

Hrubesch: Ja. Und mir ist bewusst, dass ich an vielen Stellen viel Glück hatte.

DFB.de: Warum?

Hrubesch: Ich hatte während meiner gesamten Karriere immer den richtigen Trainer zur richtigen Zeit. Das war schon in meiner Kindheit und Jugend so. Außerdem habe ich immer in Mannschaften und mit Mitspielern gespielt, die zu mir und meinem Spiel gepasst haben. Ein glücklicher Umstand war auch, dass ich nie lange mit einer schweren Verletzung ausgefallen bin. Und das größte Glück war der Rückhalt und die Unterstützung, die ich von meiner Frau und von meiner Familie insgesamt erfahren habe. Wenn ich jetzt zurückblicke, dann kann ich nur dankbar dafür sein, was ich in meiner Karriere alles erlebt habe und welche Möglichkeiten sich mir geboten haben. Ich habe Länder gesehen und Dinge erlebt, die mir außerhalb des Fußballs nicht möglich gewesen wären.

DFB.de: Alles begann beim FC Pelkum. Welche Erinnerungen haben Sie an den Ihren ersten Verein?

Hrubesch: Ich weiß noch, dass ich dort in meinen ersten fünf Spielen jeweils fünf Tore geschossen habe. Neben mir haben auch meine beiden Brüder beim FC Pelkum gespielt, und die Verbindung zum Verein war auch nach meiner Zeit dort jahrelang vorhanden. Der FC Pelkum ist für mich mit ausschließlich positiven Erinnerungen verbunden. Meine Freude am Fußball habe ich dort ausleben können, ich wurde von kompetenten und emphatischen Menschen mit großer Begeisterung gefördert. Ich kann sagen, dass der FC Pelkum der Verein ist, dem ich am meisten zu verdanken habe. In den letzten zehn bis 15 Jahren ist der Kontakt jedoch etwas abgerissen, da ich unter anderem durch meine Arbeit beim DFB natürlich viel unterwegs war und sich auch meinen Lebensmittelpunkt aus der alten Heimat Hamm nach Hamburg verlagert hat.

DFB.de: Wenn Sie den Fußball von damals mit dem heutigen vergleichen, was hat sich in den vergangenen 50 Jahren verändert?

Hrubesch: Es hat sich natürlich einiges verändert, die Intensität ist höher, das Spiel ist schneller, aber im Grundsatz ist das Spiel einfach geblieben. Es gibt zwar Modifikationen wie beispielsweise die Abseits-Regel, die das Ganze etwas komplizierter gemacht haben, aber der Sport ist sowohl auf der Straße als auch auf dem Spielfeld immer noch derselbe. Im Prinzip ist es simpel: Wenn man versucht, keine Gegentore zu bekommen und mehr Tore als der Gegner zu schießen, hat man gewonnen. Zumindest, wenn der Versuch erfolgreich ist. (lacht)

DFB.de: Was wünschen Sie sich zu ihrem siebzigsten Geburtstag?

Hrubesch: Für mich ist es das Wichtigste, dass es meiner Familie gut geht. Die Corona-Zeit hat uns allen eindringlich vor Augen geführt, wie wichtig die Gesundheit ist. Ich hoffe sehr, dass wir den Virus und die Pandemie in den Griff bekommen. Ich bin ein Mensch, der den zwischenmenschlichen Kontakt begrüßt und sucht, umso schwerer fallen mir Distanz und Abstand. Mein Appell, mein Wunsch ist also, dass sich alle Menschen vernünftig und verantwortungsbewusst verhalten und damit ihren Teil leisten, Corona hinter uns zu lassen. Das größte Geschenk für uns alle wäre es doch, möglichst bald wieder ins normale Leben zurückkehren zu können.

[dfb]

HSV-Legende Horst Hrubesch hat die Geschichte des DFB mitgeprägt. Heute wird der Europameister, Erfolgstrainer diverser U-Teams und Olympia-Silbergewinner 70 Jahre alt. Mit DFB.de spricht das einstige "Kopfballungeheuer" über seine aktuelle Arbeit beim Hamburger SV, seine Zeit beim DFB und verrät sein Erfolgsgeheimnis.

DFB.de: Herr Hrubesch, aus Anlass Ihres Geburtstages und in Zeiten der Pandemie die mit Abstand wichtigste Frage zuerst: Wie geht es Ihnen?

Horst Hrubesch: Danke - mir geht es gut. Ich habe immer gesagt, dass mich die Arbeit jung hält, speziell das Zusammensein mit jungen Menschen. Und das erlebe ich jetzt wieder.

DFB.de: Seit Beginn der Saison arbeiten Sie als Nachwuchsdirektor im Leistungszentrum des HSV. Wie sieht Ihr Tagesablauf aus?

Hrubesch: Da wir aufgrund der Corona-Pandemie im Nachwuchs aktuell keinen Spielbetrieb haben, nutzen wir die Zeit, um andere Themen anzuschieben. Im Nachwuchs begleite ich alles, was anfällt. Einen Alltag gibt es dabei nicht. Zuletzt haben wir beispielsweise die Kader für die kommende Saison festgelegt, aktuell bemühen wir uns darum, für einige unserer Mannschaften Freundschaftsspiele zu organisieren. Ansonsten arbeiten wir viel an unseren Angeboten im Internet und haben in Richtung Podcasts einiges gemacht. Auch dabei lerne ich immer wieder Neues, und grundsätzlich gilt: Mir macht diese Arbeit viel Spaß, ich arbeite in einem tollen Team mit großartigen Menschen.

DFB.de: Ihre Stärke war immer die Zusammenarbeit mit den Spieler*innen, der direkte Kontakt. Das fällt aktuell ein bisschen weg, oder?

Hrubesch: Nein, im HSV-Campus sind von der U 16 bis zur U 21 alle Mannschaften vereint, so dass auch da weiterhin Kontakt besteht. Strukturell ist es allerdings so, dass ich in meinem Job ein bisschen weiter weg von den Spielern bin, als ich dies noch als Trainer war. Mir gefällt aber sehr, dass ich das tägliche Training der Nachwuchsmannschaften sozusagen direkt vor der Tür habe.

DFB.de: Wie oft nutzen Sie die Gelegenheit und treten mit den Spieler*innen in Kontakt.

Hrubesch: Sehr häufig, dafür gibt es ja auch viele Anlässe. Insbesondere im Entwicklungsbereich von der U 17 zur U 19, wo dann die Jahrgänge zusammengelegt werden, müssen Gespräche über Vertragsverlängerungen oder entsprechende Alternativen in Kooperation mit anderen Vereinen geführt werden. Da besteht dann automatisch der Kontakt mit den Spielern.

DFB.de: Sie haben viele Jahre beim DFB unterschiedliche Nachwuchsnationalmannschaften trainiert. Wie sehr helfen Ihnen diese Erfahrungen nun in Ihrer Rolle als Nachwuchsdirektor beim HSV?

Hrubesch: Ich profitiere von allen Erfahrungen, die ich in meinem Leben bis hierhin gesammelt habe, auf den DFB lässt sich das gar nicht beschränken. Wobei die Zeit dort natürlich prägend war. Grundsätzlich habe ich gelernt, dass die Dinge nur dann funktionieren, wenn es gelingt, die Fähigkeiten verschiedener Menschen zusammenzuführen. Beim DFB waren wir immer dann gut und erfolgreich, wenn wir Dinge gemeinsam entwickelt und als Team geschlossen agiert haben. Und so erlebe ich es nun auch beim HSV. Die Arbeit hier ist nicht nur von meiner Person abhängig, sondern ist an Strukturen gekoppelt, in denen viele andere Personen und Fähigkeiten eingebunden sind. Für uns geht es darum, gemeinsam Ideen zu entwickeln und weiterzuentwickeln, offen für neue Ansätze zu sein, die Spieler*innen mitzunehmen und Verantwortung zuteilen. So war es auch beim DFB. Ob man eine Olympia-Auswahl trainiert, die U 21-Nationalmannschaft oder die Frauen-Nationalmannschaft – es geht immer darum, die Dinge im Team anzugehen und die individuellen Stärken der gesamten Gruppe für die Mannschaft zu entfalten.

DFB.de: Im DFB haben Sie im Männerbereich als Assistenztrainer bei der A-Nationalmannschaft gewirkt, Sie waren Trainer der A2-Nationalmannschaft. Ihre großen Erfolge aber hatten Sie als Trainer von U-Nationalmannschaften. Wenn Sie an diese Zeit denken: Was sind die schönsten Erinnerungen, die Ihnen in den Sinn kommen?

Hrubesch: Die Nachwuchsarbeit war der Bereich, in dem ich mich zuhause gefühlt habe und der immer gut funktioniert hat. Zwar hätte ich damals auch gerne mit der aus meiner Sicht sehr erfolgreichen A2-Nationalmannschaft weitergemacht, aber die Entscheidung wurde gegen die Weiterführung dieser Mannschaft getroffen. Bis heute ist mir das unverständlich, aus der A2-Nationalmanschaft sind schließlich viele Spieler hervorgegangen, die später A-Nationalspieler wurden. Und genau das war der Auftrag. Ich will mich aber auch nicht beschweren, denn mir war schnell bewusst, dass es mir liegt, junge Spieler heranzuführen und ihnen Verantwortung zu geben. Von daher war die Zeit in den verschiedenen Nachwuchsmannschaften für mich ein Traumjob. Die Frage nach den schönsten Erinnerungen kann ich so nicht beantworten, es waren so viele schöne und spezielle Erlebnissen, für mich ist es unmöglich, diese zu werten. Natürlich werde ich immer gerne an die Erfolge denken, neben den EM-Titeln 2008 und 2009 ist dabei die Silbermedaille bei den Olympischen Spielen 2016 für mich herausragend, wobei mir die Strecken auf dem Weg dorthin mindestens genauso wichtig sind. Die Entwicklung der einzelnen Spieler und genauso unser Zusammenwachsen als Mannschaft. Ich hatte beim DFB eine überragende Zeit, ich bin dankbar für alles, was ich in diesen zwei Jahrzehnten erfahren durfte.

DFB.de: Beim DFB waren Sie nicht nur Trainer. Sie waren auch Sportdirektor.

Hrubesch: Ich habe beim DFB so ziemlich alles durchlebt, und alles habe ich gern gemacht. Nach Hansi Flicks Weggang habe ich für etwas mehr als ein Jahr die Position des Sportdirektors übernommen und bin dann zum Abschluss meiner Zeit beim DFB noch in den Frauenfußball gegangen.

DFB.de: Als Trainer der Frauen-Nationalmannschaft. Zum Abschluss nochmal eine völlig neue Erfahrung.

Hrubesch: Vor allem eine völlig tolle Erfahrung. Mit Blick auf meine gesamte Zeit beim DFB war ich immer wieder mit neuen Situationen konfrontiert, habe neue Dinge kennengelernt und mitgenommen, habe mit neuen Spieler*innen zusammengearbeitet. Insgesamt hat all dies einfach wahnsinnig Spaß gemacht. Dass ich zuletzt dann noch die Frauen-Nationalmannschaft trainiert habe, ist etwas, auf das ich sehr stolz bin. Die Erfahrungen mit der Mannschaft und den Spielerinnen möchte ich nicht missen.

DFB.de: Wie groß sind die Unterschiede in der Arbeit mit den verschiedenen Geschlechtern?

Hrubesch: Ich mag solche Vergleiche nicht, für mich geht es darum, dass Menschen Fußball spielen. Was ich sagen kann, ist: Die Frauen werden noch immer unterschätzt. Was mich bei ihnen am meisten fasziniert hat, ist die Ehrlichkeit und die Einstellung, die die Spielerinnen an den Tag gelegt haben. Auch die Fähigkeit, Dinge anzunehmen und umzusetzen ist etwas, dass ich in dieser Form von den Männern nicht kannte. Meine Zeit mit den Frauen war zwar kurz, ich habe die Mannschaft ja nur übergangsweise übernommen, aber sie war sehr intensiv. Besonders schön ist für mich, dass der Kontakt bis heute geblieben ist. Ich freue mich jedes Mal, mit ihnen zu telefonieren. Mich freut auch, dass die Mannschaft auf einem guten Weg ist, Martina Voss-Tecklenburg und das gesamte Trainerteam leisten hervorragende Arbeit. Mit den Siegen gegen Australien und Norwegen wurde nun eine gute Basis gelegt. Ich bin sicher: Wenn man den Weg mit den jungen Spielerinnen in Zukunft weitergeht, wird man in Deutschland wieder eine erstklassige Frauen-Nationalmannschaft haben.

DFB.de: Sie haben im Leben viel erreicht und bewirkt, überall, wo Sie waren, hat sich Erfolg eingestellt. Nicht nur aus Anlass Ihres Geburtstages reden die Menschen ausschließlich positiv über Horst Hrubesch. Da stellt sich die Frage: Was war Ihr Erfolgsgeheimnis?

Hrubesch: Keine Ahnung, wobei ich auch diverse Misserfolge hatte. Aber darüber müssen wir ja nicht ausgerechnet heute reden. (lacht) Ich denke, dass es in erster Linie wichtig war, dass man ehrlich miteinander umgegangen ist. Ich habe mich nicht verbogen, habe meine Meinung vertreten, habe gesagt, was ich denke und so gehandelt, wie ich es für richtig hielt. Dabei habe ich aber immer versucht, alle mitzunehmen und zu überzeugen, vor allem habe ich auch andere Meinungen gelten lassen und angenommen. Sowohl als Spieler*in als auch als Trainer*in muss man wissen, dass Erfolge nicht allein, sondern gemeinsam erreicht werden. Zudem ist es wichtig, Bereitschaft zu zeigen, neue Dinge zu lernen, andere Meinungen zu akzeptieren und auf andere zuzugehen. Für mich hieß dies auch auf Spieler*innen einzugehen, mich ehrlich für sie zu interessieren und gemeinsam mit ihnen realistische Ziele zu setzen und zu verfolgen

DFB.de: Wenn Sie auf Ihre gesamte Laufbahn als Spieler und als Trainer blicken: Können Sie benennen, welche Phasen, welche Abschnitte, Sie am meisten genossen haben?

Hrubesch: Ich war wirklich sehr gerne Trainer, ich bin jetzt sehr gerne Nachwuchsdirektor beim HSV, aber an die Zeit als Spieler reicht nichts heran. Und das geht ja nicht nur mir so, so erleben es alle Fußballer. Wobei es bei mir möglicherweise in besonderem Maße gilt, weil meine aktive Karriere in der Bundesliga vergleichsweise kurz war.

DFB.de: Sie kamen erst im Alter von 24 Jahren zu Rot-Weiss Essen und damit im Profigeschäft an.

Hrubesch: Ja. Und mir ist bewusst, dass ich an vielen Stellen viel Glück hatte.

DFB.de: Warum?

Hrubesch: Ich hatte während meiner gesamten Karriere immer den richtigen Trainer zur richtigen Zeit. Das war schon in meiner Kindheit und Jugend so. Außerdem habe ich immer in Mannschaften und mit Mitspielern gespielt, die zu mir und meinem Spiel gepasst haben. Ein glücklicher Umstand war auch, dass ich nie lange mit einer schweren Verletzung ausgefallen bin. Und das größte Glück war der Rückhalt und die Unterstützung, die ich von meiner Frau und von meiner Familie insgesamt erfahren habe. Wenn ich jetzt zurückblicke, dann kann ich nur dankbar dafür sein, was ich in meiner Karriere alles erlebt habe und welche Möglichkeiten sich mir geboten haben. Ich habe Länder gesehen und Dinge erlebt, die mir außerhalb des Fußballs nicht möglich gewesen wären.

DFB.de: Alles begann beim FC Pelkum. Welche Erinnerungen haben Sie an den Ihren ersten Verein?

Hrubesch: Ich weiß noch, dass ich dort in meinen ersten fünf Spielen jeweils fünf Tore geschossen habe. Neben mir haben auch meine beiden Brüder beim FC Pelkum gespielt, und die Verbindung zum Verein war auch nach meiner Zeit dort jahrelang vorhanden. Der FC Pelkum ist für mich mit ausschließlich positiven Erinnerungen verbunden. Meine Freude am Fußball habe ich dort ausleben können, ich wurde von kompetenten und emphatischen Menschen mit großer Begeisterung gefördert. Ich kann sagen, dass der FC Pelkum der Verein ist, dem ich am meisten zu verdanken habe. In den letzten zehn bis 15 Jahren ist der Kontakt jedoch etwas abgerissen, da ich unter anderem durch meine Arbeit beim DFB natürlich viel unterwegs war und sich auch meinen Lebensmittelpunkt aus der alten Heimat Hamm nach Hamburg verlagert hat.

DFB.de: Wenn Sie den Fußball von damals mit dem heutigen vergleichen, was hat sich in den vergangenen 50 Jahren verändert?

Hrubesch: Es hat sich natürlich einiges verändert, die Intensität ist höher, das Spiel ist schneller, aber im Grundsatz ist das Spiel einfach geblieben. Es gibt zwar Modifikationen wie beispielsweise die Abseits-Regel, die das Ganze etwas komplizierter gemacht haben, aber der Sport ist sowohl auf der Straße als auch auf dem Spielfeld immer noch derselbe. Im Prinzip ist es simpel: Wenn man versucht, keine Gegentore zu bekommen und mehr Tore als der Gegner zu schießen, hat man gewonnen. Zumindest, wenn der Versuch erfolgreich ist. (lacht)

DFB.de: Was wünschen Sie sich zu ihrem siebzigsten Geburtstag?

Hrubesch: Für mich ist es das Wichtigste, dass es meiner Familie gut geht. Die Corona-Zeit hat uns allen eindringlich vor Augen geführt, wie wichtig die Gesundheit ist. Ich hoffe sehr, dass wir den Virus und die Pandemie in den Griff bekommen. Ich bin ein Mensch, der den zwischenmenschlichen Kontakt begrüßt und sucht, umso schwerer fallen mir Distanz und Abstand. Mein Appell, mein Wunsch ist also, dass sich alle Menschen vernünftig und verantwortungsbewusst verhalten und damit ihren Teil leisten, Corona hinter uns zu lassen. Das größte Geschenk für uns alle wäre es doch, möglichst bald wieder ins normale Leben zurückkehren zu können.