Höwedes: "Ohne Ehrenamt wären wir nicht Weltmeister geworden"

Benedikt Höwedes besucht am Samstag im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund den "Club 100". Auch weil der 33-jährige Weltmeister die Bedeutung des Ehrenamts im Fußball selbst früh erlebt hat.

DFB.de: Herr Höwedes, die allermeisten Weltmeister haben in einem Amateurklub angefangen. Sie auch, beim Turn- und Sportverein Haltern. Wie ging das damals mit dem Fußball bei Ihnen los?

Benedikt Höwedes: Mein Bruder ist zwei Jahre älter als ich, mein Vater war sein Trainer. Ich bin also mitgegangen, oft zu den Einheiten, immer zu den Spielen. Das war cool. Klar, habe ich mir auch mal am Rand die Pocke geschnappt. Ich muss so fünf Jahre alt gewesen sein, da haben meine Eltern mich bei den Minikickern des TuS Haltern angemeldet. Weil ich auch in der Jugend schon über Schnitt lag, durfte ich manchmal einen Jahrgang höher bei meinem Papa mittrainieren.

DFB.de: Man hört oft, Trainerväter forderten besonders viel vom eigenen Sohn ein.

Höwedes: Er hat schon viel eingefordert, aber nicht seine Härte, sondern sein großes Bemühen um alle seine Spieler hat ihn als Trainer ausgemacht. Er war wahnsinnig bemüht, den Jungs Neues beizubringen, und meistens hat er uns auch erklärt, warum wir etwas so oder so umsetzen. Ich weiß noch, dass er sich oft mittags auf DFB.de über Trainingsformen und Technikübungen schlau gemacht hat. Seine Mannschaft stieg mehrmals auf, die waren eine eingeschworene Truppe. In dieser Zeit hat er alles komplett ehrenamtlich gemacht. Wie ich das mitbekomme, sind die meisten seiner Jungs ihm bis heute sehr dankbar für das, was er ihnen mitgegeben hat.

DFB.de: Als Sie gefragt wurden, ob Sie an diesem Samstag an der Ehrungsveranstaltung "Club 100" im Dortmunder Fußballmuseum teilnehmen könnten, haben Sie schnell zugestimmt. Der DFB lädt jedes Jahr 100 ehrenamtlich tätige Menschen zu einer Gala ein. Nach den Länderspielen gegen Rumänien und Nordmazedonien ist Ihr Kommen jetzt am Wochenende sicher keine Selbstverständlichkeit.

Höwedes: Klar habe ich sofort zugesagt. Das ist doch am Samstag ein enorm wichtiger Termin. Ohne die Ehrenamtlichen funktioniert es im Fußball nicht. Dabei geht es nicht nur um den Jugendtrainer oder die Jugendtrainerin, sondern auch um den Zeugwart, die Menschen in den Vereinsvorständen, die Eltern, die den Fahrservice übernehmen oder mal den Trikotsatz waschen. Die machen ihren ehrenamtlichen und freiwilligen Job mit Leidenschaft. Natürlich für ihre Kinder, aber doch auch für den ganzen Verein. Diese Leidenschaft habe ich damals als kleiner Kicker auch bei meinem Vater erlebt. Ohne die rund 400.000 Frauen und Männer, die sich in einer festen Position ehrenamtlich für den Fußball einsetzen, wäre keiner der früheren oder aktuellen Nationalspieler heute dort, wo er ist. Ohne das Ehrenamt wären wir 2014 auch nicht Weltmeister geworden. In den seltensten Fällen fängt doch ein späterer Nationalspieler in der Jugend eines Bundesligaklubs an. Und dazu kommt, dass es im Jugendfußball nicht nur um Leistung und die großen Talente geht. Es geht auch einfach darum, Spaß zu haben. Ich freue mich also sehr darauf, den Samstagabend mit 100 Ehrenamtlern in Dortmund zu verbringen.

DFB.de: Seit dem Sommer sind Sie wieder dabei, wenn sich die Nationalmannschaft versammelt und zwar als Mitarbeiter im Teammanagement. Wie erleben Sie den Perspektivwechsel?

Höwedes: Am Ende steht die Mannschaft auf dem Platz und gewinnt hoffentlich das Spiel. Davor aber liegt viel organisatorische Arbeit. Alles muss reibungslos und auf hohem Niveau funktionieren, schließlich ist es die deutsche A-Nationalmannschaft. Von der Anreise bis zu den Abläufen im Hotel, der Logistik rund ums Training bis zu den Pressekonferenzen oder dem Management der Werbebanden – alles muss vorbereitet werden. Wir als Teammanagement haben den höchsten Anspruch. Wir wollen Voraussetzungen für den Erfolg der Mannschaft schaffen. Ich bin frisch dabei, insofern befinde ich mich noch mitten in der Lernphase. Momentan greife ich viel auf, ob von Hansi Flick oder Oliver Bierhoff, aber auch vom Team hinter dem Team, dem Betreuerstab. Bei ersten kleineren Projekten übernehme ich bereits selbst Verantwortung.

DFB.de: Nähe zu den Fans war der Mannschaft immer schon enorm wichtig. Gleichwohl hat das Teammanagement hier nochmal einen Schwerpunkt gesetzt. Wie viel Begegnung mit Fans ist auch während einer Pandemie möglich?

Höwedes: Wir können vieles organisieren, etwa Autogrammeschreiben nach der Trainingseinheit oder vor dem Hotel. Immer unter Auflagen. Gerade für Kinder wollen wir mehr möglich machen, die Mädchen und Jungen sollen doch ihre Stars treffen können. Hier organisieren wir bei jeder Länderspiel-Phase ein Meet and Greet mit der Jugend eines Amateurvereins. Kai Havertz und Florian Neuhaus haben jetzt die D-Junioren des flutgeschädigten Vereins Rot-Weiß Ahrem getroffen, aufgrund von Corona leider immer noch nur per Videokonferenz. Solche Termine sind wichtig. Wichtiger noch ist auf dem Platz. Wir wollen die Leute wieder stolz machen. Wir wollen beim Spiel egal gegen welchen Gegner Freude und Begeisterung ausstrahlen. Für mich steht außer Frage, dass die sportliche Qualität maßgeblich darüber entscheidet, ob wir die Herzen möglichst aller Fans zurückgewinnen werden. Eins noch zum Thema: die Mannschaft hat eine eigene Stiftung gegründet. Wir wollen an allen Heimspielorten etwas Gutes zurückgeben, oft auch abseits der Kameras und Mikrofone.

DFB.de: Sie sind einer von nur zehn Spielern in der langen Geschichte des DFB, der bei einer WM jede Minute auf dem Platz stand. Wie langsam vergingen die letzten Minuten des Spiels im Maracana-Stadion damals am 13. Juni 2014?

Höwedes: Das war Slow Motion. Ich erinnere mich noch genau an den Moment, als Mario (Götze, Anm. der Red.) das Tor macht. Der Druck auf dem Kessel war unbeschreiblich. Ich meine, so ziemlich jeder der 80 Millionen Menschen in Deutschland sehnte sich doch nach dem Titel. So etwas kannst du auch während des Spiels nicht restlos abschütteln. Als Mario das Tor schoss, sind bei mir sofort Tränen geflossen. Der Erfolg war zum Greifen nah. Es waren also schon sehr schwierige Minuten, auch emotional. Gut, dass wir nicht mehr ins Elferschießen mussten. (lacht)

DFB.de: Wie stark ist aus ihrer Sicht die aktuelle deutsche Mannschaft?

Höwedes: Wir haben eine sehr gute Qualität. Dazu kommt, dass alle Spieler sich selbst und der Mannschaft sehr hohe Ziele stecken. Manu (Neuer, Anm.d.Red.) spricht offen vom WM-Sieg. Das finde ich auch gut. Erst wenn man solche Ziele mutig formuliert, wächst auch der Glaube, dass das Maximale möglich sein kann. Ich habe schon das Gefühl, dass hier etwas zusammenwächst, dass Euphorie und Aufbruchsstimmung zunehmen. Dann ist auch vieles möglich. Jeder im Mannschaftsquartier, egal ob Spieler oder das Team hinter dem Team, strahlt maximale Bereitschaft und Freude aus. Ich bin mir sicher: wir können viel erreichen.

[th]

Benedikt Höwedes besucht am Samstag im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund den "Club 100". Auch weil der 33-jährige Weltmeister die Bedeutung des Ehrenamts im Fußball selbst früh erlebt hat.

DFB.de: Herr Höwedes, die allermeisten Weltmeister haben in einem Amateurklub angefangen. Sie auch, beim Turn- und Sportverein Haltern. Wie ging das damals mit dem Fußball bei Ihnen los?

Benedikt Höwedes: Mein Bruder ist zwei Jahre älter als ich, mein Vater war sein Trainer. Ich bin also mitgegangen, oft zu den Einheiten, immer zu den Spielen. Das war cool. Klar, habe ich mir auch mal am Rand die Pocke geschnappt. Ich muss so fünf Jahre alt gewesen sein, da haben meine Eltern mich bei den Minikickern des TuS Haltern angemeldet. Weil ich auch in der Jugend schon über Schnitt lag, durfte ich manchmal einen Jahrgang höher bei meinem Papa mittrainieren.

DFB.de: Man hört oft, Trainerväter forderten besonders viel vom eigenen Sohn ein.

Höwedes: Er hat schon viel eingefordert, aber nicht seine Härte, sondern sein großes Bemühen um alle seine Spieler hat ihn als Trainer ausgemacht. Er war wahnsinnig bemüht, den Jungs Neues beizubringen, und meistens hat er uns auch erklärt, warum wir etwas so oder so umsetzen. Ich weiß noch, dass er sich oft mittags auf DFB.de über Trainingsformen und Technikübungen schlau gemacht hat. Seine Mannschaft stieg mehrmals auf, die waren eine eingeschworene Truppe. In dieser Zeit hat er alles komplett ehrenamtlich gemacht. Wie ich das mitbekomme, sind die meisten seiner Jungs ihm bis heute sehr dankbar für das, was er ihnen mitgegeben hat.

DFB.de: Als Sie gefragt wurden, ob Sie an diesem Samstag an der Ehrungsveranstaltung "Club 100" im Dortmunder Fußballmuseum teilnehmen könnten, haben Sie schnell zugestimmt. Der DFB lädt jedes Jahr 100 ehrenamtlich tätige Menschen zu einer Gala ein. Nach den Länderspielen gegen Rumänien und Nordmazedonien ist Ihr Kommen jetzt am Wochenende sicher keine Selbstverständlichkeit.

Höwedes: Klar habe ich sofort zugesagt. Das ist doch am Samstag ein enorm wichtiger Termin. Ohne die Ehrenamtlichen funktioniert es im Fußball nicht. Dabei geht es nicht nur um den Jugendtrainer oder die Jugendtrainerin, sondern auch um den Zeugwart, die Menschen in den Vereinsvorständen, die Eltern, die den Fahrservice übernehmen oder mal den Trikotsatz waschen. Die machen ihren ehrenamtlichen und freiwilligen Job mit Leidenschaft. Natürlich für ihre Kinder, aber doch auch für den ganzen Verein. Diese Leidenschaft habe ich damals als kleiner Kicker auch bei meinem Vater erlebt. Ohne die rund 400.000 Frauen und Männer, die sich in einer festen Position ehrenamtlich für den Fußball einsetzen, wäre keiner der früheren oder aktuellen Nationalspieler heute dort, wo er ist. Ohne das Ehrenamt wären wir 2014 auch nicht Weltmeister geworden. In den seltensten Fällen fängt doch ein späterer Nationalspieler in der Jugend eines Bundesligaklubs an. Und dazu kommt, dass es im Jugendfußball nicht nur um Leistung und die großen Talente geht. Es geht auch einfach darum, Spaß zu haben. Ich freue mich also sehr darauf, den Samstagabend mit 100 Ehrenamtlern in Dortmund zu verbringen.

DFB.de: Seit dem Sommer sind Sie wieder dabei, wenn sich die Nationalmannschaft versammelt und zwar als Mitarbeiter im Teammanagement. Wie erleben Sie den Perspektivwechsel?

Höwedes: Am Ende steht die Mannschaft auf dem Platz und gewinnt hoffentlich das Spiel. Davor aber liegt viel organisatorische Arbeit. Alles muss reibungslos und auf hohem Niveau funktionieren, schließlich ist es die deutsche A-Nationalmannschaft. Von der Anreise bis zu den Abläufen im Hotel, der Logistik rund ums Training bis zu den Pressekonferenzen oder dem Management der Werbebanden – alles muss vorbereitet werden. Wir als Teammanagement haben den höchsten Anspruch. Wir wollen Voraussetzungen für den Erfolg der Mannschaft schaffen. Ich bin frisch dabei, insofern befinde ich mich noch mitten in der Lernphase. Momentan greife ich viel auf, ob von Hansi Flick oder Oliver Bierhoff, aber auch vom Team hinter dem Team, dem Betreuerstab. Bei ersten kleineren Projekten übernehme ich bereits selbst Verantwortung.

DFB.de: Nähe zu den Fans war der Mannschaft immer schon enorm wichtig. Gleichwohl hat das Teammanagement hier nochmal einen Schwerpunkt gesetzt. Wie viel Begegnung mit Fans ist auch während einer Pandemie möglich?

Höwedes: Wir können vieles organisieren, etwa Autogrammeschreiben nach der Trainingseinheit oder vor dem Hotel. Immer unter Auflagen. Gerade für Kinder wollen wir mehr möglich machen, die Mädchen und Jungen sollen doch ihre Stars treffen können. Hier organisieren wir bei jeder Länderspiel-Phase ein Meet and Greet mit der Jugend eines Amateurvereins. Kai Havertz und Florian Neuhaus haben jetzt die D-Junioren des flutgeschädigten Vereins Rot-Weiß Ahrem getroffen, aufgrund von Corona leider immer noch nur per Videokonferenz. Solche Termine sind wichtig. Wichtiger noch ist auf dem Platz. Wir wollen die Leute wieder stolz machen. Wir wollen beim Spiel egal gegen welchen Gegner Freude und Begeisterung ausstrahlen. Für mich steht außer Frage, dass die sportliche Qualität maßgeblich darüber entscheidet, ob wir die Herzen möglichst aller Fans zurückgewinnen werden. Eins noch zum Thema: die Mannschaft hat eine eigene Stiftung gegründet. Wir wollen an allen Heimspielorten etwas Gutes zurückgeben, oft auch abseits der Kameras und Mikrofone.

DFB.de: Sie sind einer von nur zehn Spielern in der langen Geschichte des DFB, der bei einer WM jede Minute auf dem Platz stand. Wie langsam vergingen die letzten Minuten des Spiels im Maracana-Stadion damals am 13. Juni 2014?

Höwedes: Das war Slow Motion. Ich erinnere mich noch genau an den Moment, als Mario (Götze, Anm. der Red.) das Tor macht. Der Druck auf dem Kessel war unbeschreiblich. Ich meine, so ziemlich jeder der 80 Millionen Menschen in Deutschland sehnte sich doch nach dem Titel. So etwas kannst du auch während des Spiels nicht restlos abschütteln. Als Mario das Tor schoss, sind bei mir sofort Tränen geflossen. Der Erfolg war zum Greifen nah. Es waren also schon sehr schwierige Minuten, auch emotional. Gut, dass wir nicht mehr ins Elferschießen mussten. (lacht)

DFB.de: Wie stark ist aus ihrer Sicht die aktuelle deutsche Mannschaft?

Höwedes: Wir haben eine sehr gute Qualität. Dazu kommt, dass alle Spieler sich selbst und der Mannschaft sehr hohe Ziele stecken. Manu (Neuer, Anm.d.Red.) spricht offen vom WM-Sieg. Das finde ich auch gut. Erst wenn man solche Ziele mutig formuliert, wächst auch der Glaube, dass das Maximale möglich sein kann. Ich habe schon das Gefühl, dass hier etwas zusammenwächst, dass Euphorie und Aufbruchsstimmung zunehmen. Dann ist auch vieles möglich. Jeder im Mannschaftsquartier, egal ob Spieler oder das Team hinter dem Team, strahlt maximale Bereitschaft und Freude aus. Ich bin mir sicher: wir können viel erreichen.

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