Hoeneß: "Die Kirsche auf der Sahnetorte"

Sebastian Hoeneß, der die U 23 des FC Bayern München als Aufsteiger in der 3. Liga auf Anhieb zur Meisterschaft geführt hat, wurde von den Trainern und Kapitänen aller 20 Klubs sowie von den Fans zum Trainer der Saison 2019/2020 gewählt. Im DFB.de-Interview spricht der 38 Jahre alte Fußball-Lehrer mit Mitarbeiter Ralf Debat über die Auszeichnung und die grandiose FCB-Saison.

DFB.de: Als Aufsteiger in der 3. Liga gleich Meister, dazu Trainer der Saison: Hätten Sie das vor einem Jahr für möglich gehalten, Herr Hoeneß?

Sebastian Hoeneß: Nein, das wäre auch vermessen gewesen. Damals wussten wir nicht einmal genau, was uns in der 3. Liga erwartet. Es war unser erstes Ziel, die einzelnen Spieler und auch das Team weiterzuentwickeln. Dazu wollten wir sportlich den Klassenverbleib schaffen. Jetzt können wir feststellen: Wir haben unsere Ziele erreicht, wobei wir in der Tabelle wesentlich besser abgeschnitten haben als erwartet. Der Gewinn der Meisterschaft war dabei noch die Kirsche auf der Sahnetorte.

DFB.de: Was bedeutet Ihnen die persönliche Auszeichnung als Trainer der Saison?

Hoeneß: Es ist eine Ehrung, die ich stellvertretend für das komplette Trainerteam am Campus entgegennehmen durfte. Genau wie unser Torjäger Otschi Wriedt, der seine Wahl zum Spieler der Saison ebenfalls der gesamten Mannschaft gewidmet hat. Ich freue mich selbstverständlich über die Auszeichnung und sehe sie als Bestätigung für unsere Arbeit.

DFB.de: Bekommt die Trophäe einen besonderen Platz?

Hoeneß: Mal schauen, wohin sie passen würde. (lacht) Ich kann mir gut vorstellen, dass wir am Campus eine Stelle dafür finden, da ja unsere gesamte Nachwuchsabteilung ihren Anteil an unserer erfolgreichen Saison hat.

DFB.de: Was halten Sie grundsätzlich von solchen Ehrungen?

Hoeneß: Ich habe zumindest nichts dagegen einzuwenden, weiß aber auch, dass man sich darauf nicht allzu viel einbilden sollte. Es ist immer eine Momentaufnahme - und es sind immer auch viele Menschen an Erfolgen beteiligt. Stolz macht mich, dass ja nicht zuletzt auch die Trainer und Kapitäne der gegnerischen Mannschaften entscheidend an unseren Wahlen beteiligt waren. Dabei wurde ganz sicher nicht nur unser sportliches Abschneiden, sondern auch unser positives Auftreten als gesamtes Team bewertet. Ich glaube nicht, dass wir allzu viele Stimmen bekommen hätten, wenn wir beispielsweise als arrogant, überheblich oder gar unfair wahrgenommen worden wären. Von daher ist die Wahl schon eine besondere Auszeichnung.

DFB.de: Für welchen Trainer und welchen Spieler haben Sie bei der Wahl gestimmt und warum?

Hoeneß: Bei meinen Trainerkollegen habe ich mich für Pavel Dotchev vom FC Viktoria Köln entschieden. Er hatte ebenfalls zu Saisonbeginn einen Aufsteiger übernommen und hat mit seinem Team attraktiven Fußball geboten. Außerdem habe ich ihn bei unseren beiden direkten Aufeinandertreffen als äußerst sympathischen und bodenständigen Kollegen kennengelernt. Beim Spieler der Saison habe ich für Martin Kobylanski gestimmt, der nicht nur im Endspurt entscheidenden Anteil am Aufstieg von Eintracht Braunschweig hatte und ein zentraler Faktor des Teams war. Auch sein Auftreten in Interviews hat mir gut gefallen.

DFB.de: Was hat Sie in der 3. Liga in dieser Saison am meisten überrascht?

Hoeneß: Nicht allzu viel, wenn ich ehrlich bin. Wir wussten, dass wir in eine verrückte Liga kommen, in der fast alles möglich ist und wirklich jeder gegen jeden gewinnen kann. Wenn man sich vor Augen führt, dass beispielsweise der Hallesche FC im Spätherbst noch auf Platz eins stand und dann bis zum vorletzten Spieltag um den Klassenverbleib kämpfen musste, dann sagt das eigentlich schon alles aus. Auch wir haben nicht vergessen, dass wir nach der Hinserie gerade einmal zwei Punkte vor der Abstiegszone lagen.

DFB.de: Der FC Bayern München hat sich vor allem dank einer herausragenden Rückserie den Meistertitel gesichert. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

Hoeneß: Es ist selbstverständlich für ein Trainerteam immer positiv, wenn sich die Mannschaft im Laufe der Saison weiterentwickelt und sich im besten Fall kontinuierlich steigert. In der zweiten Serie haben wir vor allem daran gearbeitet, die Anzahl unserer Gegentore zu reduzieren, ohne unsere Stärken in der Offensive zu verlieren. Das hat gut funktioniert. Insgesamt ist das Team auch reifer aufgetreten und war dadurch auch in der Lage, viele enge Spiele auf unsere Seite zu ziehen.

DFB.de: Was hat das Team in dieser Saison besonders ausgezeichnet?

Hoeneß: Dass wir spielerisch über viel Qualität im Kader verfügen, war uns schon klar. Die Jungs haben sich aber auch recht schnell an die 3. Liga gewöhnt, immer mehr dazugelernt und kontinuierlich daran gearbeitet, sich zu verbessern. Je weniger Fehler uns in der Defensive unterlaufen sind, umso erfolgreicher wurden wir.

DFB.de: Warum hat auch die Corona-Pause das Team nicht aus dem Tritt gebracht, sondern sogar eher im Gegenteil scheinbar noch weiteren Schwung gegeben?

Hoeneß: Wir waren auch vorher schon gut drauf, haben es aber in der Tat trotz der langen Pause geschafft, den Schwung mitzunehmen und den Lauf fortzusetzen. Das spricht sicher auch dafür, dass wir als Trainerteam während der Aussetzung des Spielbetriebs bei den individuellen Einheiten und später beim Kleingruppentraining das richtige Maß gefunden haben, damit die Jungs fit und gesund bleiben. Deshalb hatten wir auch nur wenige Verletzungen zu beklagen.

DFB.de: Sie hatten nicht nur das jüngste Team der Liga auf dem Platz, sondern mit 36 eingesetzten Spielern auch die größte Fluktuation. Wie haben Sie es geschafft, dennoch immer homogene Einheiten aufzubieten?

Hoeneß: 36 Spieler einzusetzen, ist definitiv viel. Man muss dabei aber berücksichtigen, dass diese Zahl nicht etwa dadurch zustande kam, dass zahlreiche Profis für uns aufgelaufen sind. Es war vielmehr so, dass wegen der Corona-Pause nach und nach noch mehr U 19-Spieler vorzeitig zu unserem Kader aufgerückt sind und auch ihre Spielzeiten bekommen haben.

DFB.de: War es bisweilen schwierig, innerhalb des Kaders zu moderieren und auch unzufriedene Spieler bei Laune zu halten?

Hoeneß: Da wir richtig gute Charaktere im Team haben, war die Atmosphäre innerhalb der Mannschaft immer in Ordnung. Dass Spieler, die es bisweilen nicht in den Spieltagkader schaffen, darüber wenig erfreut sind, versteht sich von selbst und muss auch so sein. Die zahlreichen englischen Wochen waren für uns als Trainerteam dabei sogar hilfreich. Wegen der hohen Belastung war es klar, dass Jungs auch mal von der Startelf auf die Tribüne rotieren - oder umgekehrt. Da war es als Trainer nicht schwer, alle mitzunehmen.

DFB.de: Welchen Anteil am Erfolg haben die erfahrenen Spieler wie Kapitän Nicolas Feldhahn, Timo Kern, Maximilian Welzmüller und nicht zuletzt Kwasi Okyere Wriedt, von denen Sie ja immer nur drei gleichzeitig spielen lassen konnten?

Hoeneß: Ich muss allen ein großes Kompliment machen, wobei "Otschi" dabei sicher eine Sonderrolle einnimmt. Er ist ja schließlich noch gar nicht so viel älter als unsere Nachwuchsspieler. (lacht) Außerdem ist er noch längst nicht am Ende seiner sportlichen Entwicklung angekommen, wie er in dieser Saison erneut bewiesen hat. Die anderen drei sind für unsere junge Mannschaft ebenfalls ganz wichtige Persönlichkeiten und haben uns als Trainerteam auch viel Arbeit abgenommen, wenn es beispielsweise mal um disziplinarische Dinge ging. Sie haben unsere jungen Talente an die Hand genommen und auch insgesamt für eine gute Atmosphäre gesorgt.

DFB.de: Erst wurde "Otschi" Wriedt Torschützenkönig in der Regionalliga Bayern. Ein Jahr später ist er es auch in der 3. Liga. Mal ehrlich: Hätten Sie ihm das zugetraut?

Hoeneß: Ja, absolut. "Otschi" ist ein echter Torjäger, hilft dem Team aber auch allein schon mit seiner enormen Präsenz auf dem Platz. Wenn ihn die Gegenspieler sehen, bekommen sie schon Kopfschmerzen. Deshalb bin sich mir sogar sicher, dass er demnächst auch in der ersten holländischen Liga seine Tore erzielen wird.

DFB.de: Ebenso wie Linksverteidiger Derrick Köhn wechselt Wriedt zum Ehrendivisionär Willem II Tilburg. Wie schmerzlich ist der Verlust oder überwiegt sogar die Freude, dass sie den Sprung zu einem Erstligisten geschafft haben?

Hoeneß: Sportlich und menschlich ist es zweifellos ein schwerer Verlust für uns. Richtig zu spüren bekommen werden wir das wahrscheinlich erst, wenn die neue Saison gestartet wird. Er wird fehlen, seine Tore werden fehlen. Dennoch ist der Schritt nachvollziehbar und auch erfreulich. "Otschi" und Derrick bekommen in Tilburg die Chance, in der ersten Liga und sogar in der Europa League zu spielen. Wenn wir als Trainer an dieser Entwicklung auch einen kleinen Anteil und dabei mitgeholfen haben, ist das eine tolle Sache.

DFB.de: Spieler wie Joshua Zirkzee, Sarpreet Singh, Oliver Batista Meier, Chris Richards, Leon Dajaku und Jamal Musiala haben in dieser Saison ihr Bundesligadebüt gegeben. Andere durften zumindest schon am Profitraining teilnehmen. Wie stolz macht Sie das?

Hoeneß: Eines vorweg: An der Ausbildung dieser Spieler waren schon vor uns sehr viele Trainer beteiligt. Dass die Jungs jetzt noch stärker in den Fokus gerückt sind, liegt sicher auch daran, dass wir jetzt in der 3. Liga spielen und dazu noch sehr erfolgreich sind. Grundsätzlich ist es aber unsere Hauptaufgabe, die talentierten Spieler an den Profikader heranzuführen, auch wenn das beim FC Bayern naturgemäß besonders schwer ist. Umso schöner, wenn es dennoch gelingt. Wenn sich jetzt noch der eine oder andere oben festsetzt wie etwa zuletzt Alphonso Davies, dann hätten wir alle einen sehr guten Job gemacht.

DFB.de: Hat die Wertschätzung der Lizenzabteilung für die Talentförderung am Campus den sportlichen Erfolg der U 23 in der 3. Liga noch gefördert?

Hoeneß: Ich will es mal so sagen: Es hat auf jeden Fall nicht geschadet. Hansi Flick und sein Trainerteam fördern junge Spieler. Wenn dann der eine oder andere von uns die Chance bekommt, bei den Profis dabei zu sein, dann gibt es sicher auch anderen Spielern im Team noch mal einen Schub.

DFB.de: Noch nie hat eine zweite Mannschaft in der 3. Liga so gut abgeschnitten. Sehen Sie das nach wie vor als Ausnahme an oder muss sich die Konkurrenz auch in den nächsten Jahren mit so dominanten Bayern rechnen?

Hoeneß: Ganz klar eine Ausnahme. Wir können auf keinen Fall erwarten, dass es jetzt immer so läuft. Wie schon gesagt: Nach der Hinserie waren wir nur knapp über dem Strich. Viele Spiele haben wir mit einem Tor Unterschied für uns entschieden. Hinzu kommen die Abgänge. Wir werden die Bodenhaftung behalten und im gleichen Spannungsfeld in die nächste Saison starten wie vor einem Jahr: Es geht darum, die jungen Spieler weiterzuentwickeln und den Klassenverbleib zu sichern.

DFB.de: Als Sie vor einem Jahr von der U 19 zur U 23 aufgerückt waren, gab es im Umfeld des Vereins nicht nur positive Stimmen. Spüren Sie jetzt eine gewisse Genugtuung?

Hoeneß: Nein. Ich habe das damals am Rande mitbekommen. Persönlich waren die meisten Rückmeldungen jedoch positiv. Der Fußball und speziell der Trainerberuf machen einen zentralen Bestandteil meines Lebens aus. Wenn es in diesem Bereich gut funktioniert, dann tut mir das auch als Mensch gut. Nicht mehr und nicht weniger.

DFB.de: Der Saisonendspurt hat allen Beteiligten viel abverlangt. Wie werden Sie jetzt in den nächsten Wochen entspannen?

Hoeneß: Es wird auf jeden Fall wichtig sein, mal einige Wochen vom Fußball abzuschalten und im Urlaub die Akkus aufzuladen. Vermutlich ab Anfang August werden wir dann wieder in das Training einsteigen und uns auf die neue Saison vorbereiten.

[mspw]

Sebastian Hoeneß, der die U 23 des FC Bayern München als Aufsteiger in der 3. Liga auf Anhieb zur Meisterschaft geführt hat, wurde von den Trainern und Kapitänen aller 20 Klubs sowie von den Fans zum Trainer der Saison 2019/2020 gewählt. Im DFB.de-Interview spricht der 38 Jahre alte Fußball-Lehrer mit Mitarbeiter Ralf Debat über die Auszeichnung und die grandiose FCB-Saison.

DFB.de: Als Aufsteiger in der 3. Liga gleich Meister, dazu Trainer der Saison: Hätten Sie das vor einem Jahr für möglich gehalten, Herr Hoeneß?

Sebastian Hoeneß: Nein, das wäre auch vermessen gewesen. Damals wussten wir nicht einmal genau, was uns in der 3. Liga erwartet. Es war unser erstes Ziel, die einzelnen Spieler und auch das Team weiterzuentwickeln. Dazu wollten wir sportlich den Klassenverbleib schaffen. Jetzt können wir feststellen: Wir haben unsere Ziele erreicht, wobei wir in der Tabelle wesentlich besser abgeschnitten haben als erwartet. Der Gewinn der Meisterschaft war dabei noch die Kirsche auf der Sahnetorte.

DFB.de: Was bedeutet Ihnen die persönliche Auszeichnung als Trainer der Saison?

Hoeneß: Es ist eine Ehrung, die ich stellvertretend für das komplette Trainerteam am Campus entgegennehmen durfte. Genau wie unser Torjäger Otschi Wriedt, der seine Wahl zum Spieler der Saison ebenfalls der gesamten Mannschaft gewidmet hat. Ich freue mich selbstverständlich über die Auszeichnung und sehe sie als Bestätigung für unsere Arbeit.

DFB.de: Bekommt die Trophäe einen besonderen Platz?

Hoeneß: Mal schauen, wohin sie passen würde. (lacht) Ich kann mir gut vorstellen, dass wir am Campus eine Stelle dafür finden, da ja unsere gesamte Nachwuchsabteilung ihren Anteil an unserer erfolgreichen Saison hat.

DFB.de: Was halten Sie grundsätzlich von solchen Ehrungen?

Hoeneß: Ich habe zumindest nichts dagegen einzuwenden, weiß aber auch, dass man sich darauf nicht allzu viel einbilden sollte. Es ist immer eine Momentaufnahme - und es sind immer auch viele Menschen an Erfolgen beteiligt. Stolz macht mich, dass ja nicht zuletzt auch die Trainer und Kapitäne der gegnerischen Mannschaften entscheidend an unseren Wahlen beteiligt waren. Dabei wurde ganz sicher nicht nur unser sportliches Abschneiden, sondern auch unser positives Auftreten als gesamtes Team bewertet. Ich glaube nicht, dass wir allzu viele Stimmen bekommen hätten, wenn wir beispielsweise als arrogant, überheblich oder gar unfair wahrgenommen worden wären. Von daher ist die Wahl schon eine besondere Auszeichnung.

DFB.de: Für welchen Trainer und welchen Spieler haben Sie bei der Wahl gestimmt und warum?

Hoeneß: Bei meinen Trainerkollegen habe ich mich für Pavel Dotchev vom FC Viktoria Köln entschieden. Er hatte ebenfalls zu Saisonbeginn einen Aufsteiger übernommen und hat mit seinem Team attraktiven Fußball geboten. Außerdem habe ich ihn bei unseren beiden direkten Aufeinandertreffen als äußerst sympathischen und bodenständigen Kollegen kennengelernt. Beim Spieler der Saison habe ich für Martin Kobylanski gestimmt, der nicht nur im Endspurt entscheidenden Anteil am Aufstieg von Eintracht Braunschweig hatte und ein zentraler Faktor des Teams war. Auch sein Auftreten in Interviews hat mir gut gefallen.

DFB.de: Was hat Sie in der 3. Liga in dieser Saison am meisten überrascht?

Hoeneß: Nicht allzu viel, wenn ich ehrlich bin. Wir wussten, dass wir in eine verrückte Liga kommen, in der fast alles möglich ist und wirklich jeder gegen jeden gewinnen kann. Wenn man sich vor Augen führt, dass beispielsweise der Hallesche FC im Spätherbst noch auf Platz eins stand und dann bis zum vorletzten Spieltag um den Klassenverbleib kämpfen musste, dann sagt das eigentlich schon alles aus. Auch wir haben nicht vergessen, dass wir nach der Hinserie gerade einmal zwei Punkte vor der Abstiegszone lagen.

DFB.de: Der FC Bayern München hat sich vor allem dank einer herausragenden Rückserie den Meistertitel gesichert. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

Hoeneß: Es ist selbstverständlich für ein Trainerteam immer positiv, wenn sich die Mannschaft im Laufe der Saison weiterentwickelt und sich im besten Fall kontinuierlich steigert. In der zweiten Serie haben wir vor allem daran gearbeitet, die Anzahl unserer Gegentore zu reduzieren, ohne unsere Stärken in der Offensive zu verlieren. Das hat gut funktioniert. Insgesamt ist das Team auch reifer aufgetreten und war dadurch auch in der Lage, viele enge Spiele auf unsere Seite zu ziehen.

DFB.de: Was hat das Team in dieser Saison besonders ausgezeichnet?

Hoeneß: Dass wir spielerisch über viel Qualität im Kader verfügen, war uns schon klar. Die Jungs haben sich aber auch recht schnell an die 3. Liga gewöhnt, immer mehr dazugelernt und kontinuierlich daran gearbeitet, sich zu verbessern. Je weniger Fehler uns in der Defensive unterlaufen sind, umso erfolgreicher wurden wir.

DFB.de: Warum hat auch die Corona-Pause das Team nicht aus dem Tritt gebracht, sondern sogar eher im Gegenteil scheinbar noch weiteren Schwung gegeben?

Hoeneß: Wir waren auch vorher schon gut drauf, haben es aber in der Tat trotz der langen Pause geschafft, den Schwung mitzunehmen und den Lauf fortzusetzen. Das spricht sicher auch dafür, dass wir als Trainerteam während der Aussetzung des Spielbetriebs bei den individuellen Einheiten und später beim Kleingruppentraining das richtige Maß gefunden haben, damit die Jungs fit und gesund bleiben. Deshalb hatten wir auch nur wenige Verletzungen zu beklagen.

DFB.de: Sie hatten nicht nur das jüngste Team der Liga auf dem Platz, sondern mit 36 eingesetzten Spielern auch die größte Fluktuation. Wie haben Sie es geschafft, dennoch immer homogene Einheiten aufzubieten?

Hoeneß: 36 Spieler einzusetzen, ist definitiv viel. Man muss dabei aber berücksichtigen, dass diese Zahl nicht etwa dadurch zustande kam, dass zahlreiche Profis für uns aufgelaufen sind. Es war vielmehr so, dass wegen der Corona-Pause nach und nach noch mehr U 19-Spieler vorzeitig zu unserem Kader aufgerückt sind und auch ihre Spielzeiten bekommen haben.

DFB.de: War es bisweilen schwierig, innerhalb des Kaders zu moderieren und auch unzufriedene Spieler bei Laune zu halten?

Hoeneß: Da wir richtig gute Charaktere im Team haben, war die Atmosphäre innerhalb der Mannschaft immer in Ordnung. Dass Spieler, die es bisweilen nicht in den Spieltagkader schaffen, darüber wenig erfreut sind, versteht sich von selbst und muss auch so sein. Die zahlreichen englischen Wochen waren für uns als Trainerteam dabei sogar hilfreich. Wegen der hohen Belastung war es klar, dass Jungs auch mal von der Startelf auf die Tribüne rotieren - oder umgekehrt. Da war es als Trainer nicht schwer, alle mitzunehmen.

DFB.de: Welchen Anteil am Erfolg haben die erfahrenen Spieler wie Kapitän Nicolas Feldhahn, Timo Kern, Maximilian Welzmüller und nicht zuletzt Kwasi Okyere Wriedt, von denen Sie ja immer nur drei gleichzeitig spielen lassen konnten?

Hoeneß: Ich muss allen ein großes Kompliment machen, wobei "Otschi" dabei sicher eine Sonderrolle einnimmt. Er ist ja schließlich noch gar nicht so viel älter als unsere Nachwuchsspieler. (lacht) Außerdem ist er noch längst nicht am Ende seiner sportlichen Entwicklung angekommen, wie er in dieser Saison erneut bewiesen hat. Die anderen drei sind für unsere junge Mannschaft ebenfalls ganz wichtige Persönlichkeiten und haben uns als Trainerteam auch viel Arbeit abgenommen, wenn es beispielsweise mal um disziplinarische Dinge ging. Sie haben unsere jungen Talente an die Hand genommen und auch insgesamt für eine gute Atmosphäre gesorgt.

DFB.de: Erst wurde "Otschi" Wriedt Torschützenkönig in der Regionalliga Bayern. Ein Jahr später ist er es auch in der 3. Liga. Mal ehrlich: Hätten Sie ihm das zugetraut?

Hoeneß: Ja, absolut. "Otschi" ist ein echter Torjäger, hilft dem Team aber auch allein schon mit seiner enormen Präsenz auf dem Platz. Wenn ihn die Gegenspieler sehen, bekommen sie schon Kopfschmerzen. Deshalb bin sich mir sogar sicher, dass er demnächst auch in der ersten holländischen Liga seine Tore erzielen wird.

DFB.de: Ebenso wie Linksverteidiger Derrick Köhn wechselt Wriedt zum Ehrendivisionär Willem II Tilburg. Wie schmerzlich ist der Verlust oder überwiegt sogar die Freude, dass sie den Sprung zu einem Erstligisten geschafft haben?

Hoeneß: Sportlich und menschlich ist es zweifellos ein schwerer Verlust für uns. Richtig zu spüren bekommen werden wir das wahrscheinlich erst, wenn die neue Saison gestartet wird. Er wird fehlen, seine Tore werden fehlen. Dennoch ist der Schritt nachvollziehbar und auch erfreulich. "Otschi" und Derrick bekommen in Tilburg die Chance, in der ersten Liga und sogar in der Europa League zu spielen. Wenn wir als Trainer an dieser Entwicklung auch einen kleinen Anteil und dabei mitgeholfen haben, ist das eine tolle Sache.

DFB.de: Spieler wie Joshua Zirkzee, Sarpreet Singh, Oliver Batista Meier, Chris Richards, Leon Dajaku und Jamal Musiala haben in dieser Saison ihr Bundesligadebüt gegeben. Andere durften zumindest schon am Profitraining teilnehmen. Wie stolz macht Sie das?

Hoeneß: Eines vorweg: An der Ausbildung dieser Spieler waren schon vor uns sehr viele Trainer beteiligt. Dass die Jungs jetzt noch stärker in den Fokus gerückt sind, liegt sicher auch daran, dass wir jetzt in der 3. Liga spielen und dazu noch sehr erfolgreich sind. Grundsätzlich ist es aber unsere Hauptaufgabe, die talentierten Spieler an den Profikader heranzuführen, auch wenn das beim FC Bayern naturgemäß besonders schwer ist. Umso schöner, wenn es dennoch gelingt. Wenn sich jetzt noch der eine oder andere oben festsetzt wie etwa zuletzt Alphonso Davies, dann hätten wir alle einen sehr guten Job gemacht.

DFB.de: Hat die Wertschätzung der Lizenzabteilung für die Talentförderung am Campus den sportlichen Erfolg der U 23 in der 3. Liga noch gefördert?

Hoeneß: Ich will es mal so sagen: Es hat auf jeden Fall nicht geschadet. Hansi Flick und sein Trainerteam fördern junge Spieler. Wenn dann der eine oder andere von uns die Chance bekommt, bei den Profis dabei zu sein, dann gibt es sicher auch anderen Spielern im Team noch mal einen Schub.

DFB.de: Noch nie hat eine zweite Mannschaft in der 3. Liga so gut abgeschnitten. Sehen Sie das nach wie vor als Ausnahme an oder muss sich die Konkurrenz auch in den nächsten Jahren mit so dominanten Bayern rechnen?

Hoeneß: Ganz klar eine Ausnahme. Wir können auf keinen Fall erwarten, dass es jetzt immer so läuft. Wie schon gesagt: Nach der Hinserie waren wir nur knapp über dem Strich. Viele Spiele haben wir mit einem Tor Unterschied für uns entschieden. Hinzu kommen die Abgänge. Wir werden die Bodenhaftung behalten und im gleichen Spannungsfeld in die nächste Saison starten wie vor einem Jahr: Es geht darum, die jungen Spieler weiterzuentwickeln und den Klassenverbleib zu sichern.

DFB.de: Als Sie vor einem Jahr von der U 19 zur U 23 aufgerückt waren, gab es im Umfeld des Vereins nicht nur positive Stimmen. Spüren Sie jetzt eine gewisse Genugtuung?

Hoeneß: Nein. Ich habe das damals am Rande mitbekommen. Persönlich waren die meisten Rückmeldungen jedoch positiv. Der Fußball und speziell der Trainerberuf machen einen zentralen Bestandteil meines Lebens aus. Wenn es in diesem Bereich gut funktioniert, dann tut mir das auch als Mensch gut. Nicht mehr und nicht weniger.

DFB.de: Der Saisonendspurt hat allen Beteiligten viel abverlangt. Wie werden Sie jetzt in den nächsten Wochen entspannen?

Hoeneß: Es wird auf jeden Fall wichtig sein, mal einige Wochen vom Fußball abzuschalten und im Urlaub die Akkus aufzuladen. Vermutlich ab Anfang August werden wir dann wieder in das Training einsteigen und uns auf die neue Saison vorbereiten.

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