Heute vor 50 Jahren: "Uns Uwe" sagt Tschüs

Heute vor 50 Jahren beendete der große Uwe Seeler seine Nationalmannschaftskarriere. Auf bemerkenswerte Weise, wie es sich für einen wie ihn gehört – mit zwei Ehrungen und einem Rekord. All das in einer rauschenden Fußballnacht. Was geschah am 9. September 1970 in Nürnberg? DFB.de blickt zurück.

Das Versprechen gab ihm Delegationsleiter Hermann Neuberger schon bei der WM in Mexiko, zu deren Teilnahme Bundestrainer Helmut Schön den bereits zurückgetretenen Stürmer noch einmal hatte überreden können. Nach dem Spiel um Platz drei gegen Uruguay versicherte Neuberger dem Kapitän der Nationalmannschaft, der geglaubt hatte, sein letztes Spiel nun hinter sich zu haben: Da kommt noch was! "Und das sollte nicht nur der Statistik wegen gemacht werden. Man meinte, dass man Uwe Seeler einfach einen großen Abgang schuldig war, weil er jahrelang vorbildlich gekämpft hatte und schließlich auch soviel riskiert hatte." So liest es sich in Ausgabe zwei der Biographiereihe "Zauberer am Ball" (1972).

Seeler war begeistert, denn so konnte er als Rekordnationalspieler gehen. In Mexiko hatte er den Düsseldorfer Paul Janes, der vor Kriegsende auf 71 Spiele gekommen war, eingeholt. Nun durfte er ihn übertreffen. Da er seine Bundesligakarriere noch nicht beenden wollte, bestand er nicht auf Hamburg als Austragungsort: "Von den Hamburger Zuschauern werde ich mich ja noch später verabschieden. Warum also nicht in Frankfurt, Stuttgart, Nürnberg oder Berlin?" Die Wahl des DFB fiel auf Nürnberg, und der Gegner war nicht der Schlechteste: die Ungarn. Nicht mehr so gefürchtet wie vor dem WM-Finale 1954, aber immerhin in Mexiko auch dabei.

Zweiter Ehrenspielführer des DFB

Das Frankenstadion platzte am 9. September aus allen Nähten, 70.000 waren gekommen, um Uwe Seeler ein letztes Mal im Nationaldress zu sehen. Sie sahen noch mehr, auch wenn es von der Tribüne aus nicht jeder so genau erkennen konnte: Um den Hals von Seeler baumelte noch bei der Nationalhymne das Bundesverdienstkreuz, korrekt bezeichnet als "Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens", das ihm Wolfram Dom, Staatssekretär im Innenministerium, überreicht hatte. Damit war Uwe wieder mal der Erste – kein Sportler zuvor, nicht mal Sepp Herberger oder Fritz Walter, hatten das Bundesverdienstkreuz erhalten. Typisch Uwe, der schon der jüngste Nationalspieler nach dem Krieg, erster Fußballer des Jahres und der erste Torschützenkönig der Bundesliga geworden war. Damit nicht genug, ernannte der DFB Seeler an diesem Tag zu seinem zweiten Ehrenspielführer – nach Fritz Walter. Wochen zuvor war er übrigens zum Fußballer des Jahres gewählt worden, und die Zeitungen spekulierten, dass der damals 33-Jährige zweifellos auch Sportler des Jahres 1970 werden würde.

Ein bisschen viel Trara für den Geschmack des bescheidenen Hamburgers, der sich nie in den Vordergrund drängte, was ein Geheimnis seiner Popularität war. Nun wollte er nur noch ein letztes Mal den Adler tragen, so schwer es ihm auch fiel. Schon Tage zuvor hatte Seeler gesagt: "Ich habe an der Nationalmannschaft gehangen. Was beinahe 16 Jahre gewesen ist, wirft niemand von heute auf morgen über Bord. Ich gebe zu, der Abschied fällt mir schwer. Mit fast 34 Jahren sollte man keinen sportlichen Raubbau treiben. Ich werde in Zukunft jedes Spiel meiner Kameraden so sehr mit dem Herzen verfolgen, als wäre ich dabei.“

Gegen Ungarn war er es noch ein 72. Mal, mit Anpfiff hatte er Janes entthront. Seelers Prophezeiung sollte allerdings schon bald eintreten: "Den Rekord wird eines Tages ein anderer halten, vielleicht Wolfgang Overath. Ich werde dann der erste sein, der ihm gratuliert." Das musste er dann Franz Beckenbauer, der am 22. November 1973 gegen Spanien zum 73. Länderspiel kam, während Overath an jenem Tag mit Seeler gleichzog.

"Für Uwe spielen"

Dass der Rekord heute bei 150 Spielen (von Lothar Matthäus) liegt, darf Seelers Leistung nicht schmälern. Damals gab es viel weniger Länderspiele, und aus einer Epoche können nur er und Karl-Heinz Schnellinger behaupten, an vier WM-Endrunden teilgenommen zu haben. Das betonte auch DFB-Vizepräsident Hermann Neuberger per Mikrofon im Nürnberger Stadion: "Seine große Karriere schloss vier Weltmeisterschaften ein. Bei zwei Weltturnieren war Uwe der Kapitän. Uwe ist in der Fußballwelt zu einem Begriff geworden, vor allem als sauberer, fairer Sportsmann."

Der, was nicht ganz unwichtig war für einen perfekten Abschied, als Sieger ging. Die Deutschen waren im Gegensatz zu Gepflogenheiten bei Abschiedsspielen in Bestformation aufgelaufen – nur Overath fehlte –, und ein Hauch von Mexiko lang an diesem Spätsommerabend wieder in der Luft, so sehr zauberten sie. Gladbachs Klaus-Dieter Sieloff und Gerd Müller stellten schon vor der Pause auf 2:0, dann verkürzte Fazekas, ehe es in die Kabine ging. Aus der kehrte Hannes Löhr nicht zurück, nun wirbelte Stan Libuda über links. "Uns Uwe" spielte durch, und so sehr es alle auch hofften: Ein Tor blieb ihm beim begeisternden 3:1 nicht vergönnt. Aber wie in Mexiko leistete er wieder Zulieferdienste für Müller, vor dessen Abstauber zum Endstand Uwe den Ball mit einem Lattenschuss vorgelegt hatte. Die Mitspieler rannten nicht zu Müller, sondern zu ihm, um zu gratulieren. "Es war der schönste Abschied für Seeler, den keine noch so schöne Rede ersetzen kann", heißt es in der Biographie.

Kurz vor Schluss war den Zuschauern das Ergebnis längst egal, sie skandierten unentwegt "Uwe, Uwe". Noch eine letzte Chance, der Torwart wehrt zu Ecke – und Schluss. Dann trugen sie ihn vom Platz, auf den Schultern von Horst-Dieter Höttges, 72 Rosen in der Hand, winkte Seeler ein letztes Mal dem Publikum bei einem Länderspiel. Das war enthusiastisch, auch wegen des Spiels. Kicker-Chefredakteur Karl-Heinz Heimann kommentierte: "Noch nie hat eine deutsche Nationalmannschaft unmittelbar nach einem WM-Turnier so begeisternd aufgespielt." Alles für Uwe! Jupp Derwall, der Assistent von Bundestrainer Helmut Schön, plauderte aus: "Die Jungens hatten sich vorgenommen, für Uwe zu spielen. Das ist voll gelungen." So kann man gehen.

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Heute vor 50 Jahren beendete der große Uwe Seeler seine Nationalmannschaftskarriere. Auf bemerkenswerte Weise, wie es sich für einen wie ihn gehört – mit zwei Ehrungen und einem Rekord. All das in einer rauschenden Fußballnacht. Was geschah am 9. September 1970 in Nürnberg? DFB.de blickt zurück.

Das Versprechen gab ihm Delegationsleiter Hermann Neuberger schon bei der WM in Mexiko, zu deren Teilnahme Bundestrainer Helmut Schön den bereits zurückgetretenen Stürmer noch einmal hatte überreden können. Nach dem Spiel um Platz drei gegen Uruguay versicherte Neuberger dem Kapitän der Nationalmannschaft, der geglaubt hatte, sein letztes Spiel nun hinter sich zu haben: Da kommt noch was! "Und das sollte nicht nur der Statistik wegen gemacht werden. Man meinte, dass man Uwe Seeler einfach einen großen Abgang schuldig war, weil er jahrelang vorbildlich gekämpft hatte und schließlich auch soviel riskiert hatte." So liest es sich in Ausgabe zwei der Biographiereihe "Zauberer am Ball" (1972).

Seeler war begeistert, denn so konnte er als Rekordnationalspieler gehen. In Mexiko hatte er den Düsseldorfer Paul Janes, der vor Kriegsende auf 71 Spiele gekommen war, eingeholt. Nun durfte er ihn übertreffen. Da er seine Bundesligakarriere noch nicht beenden wollte, bestand er nicht auf Hamburg als Austragungsort: "Von den Hamburger Zuschauern werde ich mich ja noch später verabschieden. Warum also nicht in Frankfurt, Stuttgart, Nürnberg oder Berlin?" Die Wahl des DFB fiel auf Nürnberg, und der Gegner war nicht der Schlechteste: die Ungarn. Nicht mehr so gefürchtet wie vor dem WM-Finale 1954, aber immerhin in Mexiko auch dabei.

Zweiter Ehrenspielführer des DFB

Das Frankenstadion platzte am 9. September aus allen Nähten, 70.000 waren gekommen, um Uwe Seeler ein letztes Mal im Nationaldress zu sehen. Sie sahen noch mehr, auch wenn es von der Tribüne aus nicht jeder so genau erkennen konnte: Um den Hals von Seeler baumelte noch bei der Nationalhymne das Bundesverdienstkreuz, korrekt bezeichnet als "Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens", das ihm Wolfram Dom, Staatssekretär im Innenministerium, überreicht hatte. Damit war Uwe wieder mal der Erste – kein Sportler zuvor, nicht mal Sepp Herberger oder Fritz Walter, hatten das Bundesverdienstkreuz erhalten. Typisch Uwe, der schon der jüngste Nationalspieler nach dem Krieg, erster Fußballer des Jahres und der erste Torschützenkönig der Bundesliga geworden war. Damit nicht genug, ernannte der DFB Seeler an diesem Tag zu seinem zweiten Ehrenspielführer – nach Fritz Walter. Wochen zuvor war er übrigens zum Fußballer des Jahres gewählt worden, und die Zeitungen spekulierten, dass der damals 33-Jährige zweifellos auch Sportler des Jahres 1970 werden würde.

Ein bisschen viel Trara für den Geschmack des bescheidenen Hamburgers, der sich nie in den Vordergrund drängte, was ein Geheimnis seiner Popularität war. Nun wollte er nur noch ein letztes Mal den Adler tragen, so schwer es ihm auch fiel. Schon Tage zuvor hatte Seeler gesagt: "Ich habe an der Nationalmannschaft gehangen. Was beinahe 16 Jahre gewesen ist, wirft niemand von heute auf morgen über Bord. Ich gebe zu, der Abschied fällt mir schwer. Mit fast 34 Jahren sollte man keinen sportlichen Raubbau treiben. Ich werde in Zukunft jedes Spiel meiner Kameraden so sehr mit dem Herzen verfolgen, als wäre ich dabei.“

Gegen Ungarn war er es noch ein 72. Mal, mit Anpfiff hatte er Janes entthront. Seelers Prophezeiung sollte allerdings schon bald eintreten: "Den Rekord wird eines Tages ein anderer halten, vielleicht Wolfgang Overath. Ich werde dann der erste sein, der ihm gratuliert." Das musste er dann Franz Beckenbauer, der am 22. November 1973 gegen Spanien zum 73. Länderspiel kam, während Overath an jenem Tag mit Seeler gleichzog.

"Für Uwe spielen"

Dass der Rekord heute bei 150 Spielen (von Lothar Matthäus) liegt, darf Seelers Leistung nicht schmälern. Damals gab es viel weniger Länderspiele, und aus einer Epoche können nur er und Karl-Heinz Schnellinger behaupten, an vier WM-Endrunden teilgenommen zu haben. Das betonte auch DFB-Vizepräsident Hermann Neuberger per Mikrofon im Nürnberger Stadion: "Seine große Karriere schloss vier Weltmeisterschaften ein. Bei zwei Weltturnieren war Uwe der Kapitän. Uwe ist in der Fußballwelt zu einem Begriff geworden, vor allem als sauberer, fairer Sportsmann."

Der, was nicht ganz unwichtig war für einen perfekten Abschied, als Sieger ging. Die Deutschen waren im Gegensatz zu Gepflogenheiten bei Abschiedsspielen in Bestformation aufgelaufen – nur Overath fehlte –, und ein Hauch von Mexiko lang an diesem Spätsommerabend wieder in der Luft, so sehr zauberten sie. Gladbachs Klaus-Dieter Sieloff und Gerd Müller stellten schon vor der Pause auf 2:0, dann verkürzte Fazekas, ehe es in die Kabine ging. Aus der kehrte Hannes Löhr nicht zurück, nun wirbelte Stan Libuda über links. "Uns Uwe" spielte durch, und so sehr es alle auch hofften: Ein Tor blieb ihm beim begeisternden 3:1 nicht vergönnt. Aber wie in Mexiko leistete er wieder Zulieferdienste für Müller, vor dessen Abstauber zum Endstand Uwe den Ball mit einem Lattenschuss vorgelegt hatte. Die Mitspieler rannten nicht zu Müller, sondern zu ihm, um zu gratulieren. "Es war der schönste Abschied für Seeler, den keine noch so schöne Rede ersetzen kann", heißt es in der Biographie.

Kurz vor Schluss war den Zuschauern das Ergebnis längst egal, sie skandierten unentwegt "Uwe, Uwe". Noch eine letzte Chance, der Torwart wehrt zu Ecke – und Schluss. Dann trugen sie ihn vom Platz, auf den Schultern von Horst-Dieter Höttges, 72 Rosen in der Hand, winkte Seeler ein letztes Mal dem Publikum bei einem Länderspiel. Das war enthusiastisch, auch wegen des Spiels. Kicker-Chefredakteur Karl-Heinz Heimann kommentierte: "Noch nie hat eine deutsche Nationalmannschaft unmittelbar nach einem WM-Turnier so begeisternd aufgespielt." Alles für Uwe! Jupp Derwall, der Assistent von Bundestrainer Helmut Schön, plauderte aus: "Die Jungens hatten sich vorgenommen, für Uwe zu spielen. Das ist voll gelungen." So kann man gehen.

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