Heute vor 50 Jahren: Elfmeter-Spektakel auf der Glückauf-Kampfbahn

Vor einem der dramatischsten Pokalspiele aller Zeiten bat ein Freund den Schalker Torhüter Norbert Nigbur um eine Karte für die Glückauf-Kampfbahn. Man kannte sich vom Trabrennen, mit Fußball hatte der Mann eigentlich nichts am Hut, weshalb Nigbur ihm einen Fachmann zur Seite stellte. Aber auch der Fußball-Laie, der sich ernstlich wunderte, warum eigentlich der Schiedsrichter so selten am Ball war, begriff, dass das Halbfinalrückspiel Schalke 04 gegen den 1. FC Köln genau heute vor 50 Jahren kein Spiel wie jedes andere gewesen war.

"Sowas Aufregendes habe ich noch nie erlebt", sagte der Pferdefreund, der anschließend spontan Schalke-Mitglied wurde, zu Nigbur nach dem Spiel. Der versicherte ihm: "Solche Spiele gibt’s nicht immer!" Der Pokal schrieb Geschichte – 21 Elfmeter bis zum Finale blieben 25 Jahre unerreicht.

Wechselhafte Wunderwende im Rückspiel

Auf Volksfesten und in deutschen Stadien wurde in jenem Sommer gern Katja Ebsteins Schlager "Wunder gibt es immer wieder" gespielt. Und daran schienen auch die Schalke-Fans zu glauben, die ihre letzten Tage als Austragungsstätte erlebende Glückauf-Kampfbahn füllten trotz Top-Spiel-Zuschlags (25 DM für die teuerste Karte) 35.000 Menschen. Manche saßen auf den Bäumen oder schauten aus ihren Autos zu. Ihre Mannschaft hatte das damals übliche Hinspiel 1:4 verloren, der 1. FC Köln stand mit einem Bein im Finale. Es kam anders.

Niemand bereute sein Kommen, selbst die Kölner Fans nicht, denn sie alle wurden Teil von etwas ganz Besonderem. Die WAZ titelte am Montag danach: "Pokal-Halbfinale voller Superlativen". Drückende Hitze, Tore satt und "das Elfmeter-Gewitter des Jahres" (kicker) prägten das epische Spiel.

Schon vor der Pause hatte Schalke den Rückstand zwischenzeitlich aufgeholt – durch Tore von Klaus Fischer (15.), Rolf Rüssmann (32.) und Klaus Scheer (41.). Dann verkürzte Hannes Löhr mit dem ersten Kölner Torschuss auf 3:1 (42.). Als derselbe Spieler per Elfmeter, dem ersten von 21 Strafstößen an diesem Tag, auf 3:2 (59.) verkürzte, schien alles gelaufen zu sein. Erst recht, als Schalkes Klaus Beverungen mit seinem Elfmeter an Welz scheiterte (80.). Doch Schalke bekam noch zwei Elfmeter in der regulären Spielzeit, beide von Jupp Kapellmann verursacht und von Helmut Kremers verwandelt (83., 90.+5). So stand es 5:2 und das Tollhaus Glückauf-Kampfbahn erlebte eine Verlängerung. Die blieb torlos, obwohl Schiedsrichter Heckeroth in der 105. Minute den fünften Elfmeter gab, nun wieder für Köln.

Aber Werner Biskup scheiterte an Hexer Norbert Nigbur. "Danach hat mich Rolf Rüssmann vor Freude halb totgedrückt", sagt der siebenmalige Nationalspieler, der für die Parade noch Jahre später Respekt von Kölner Seite erntete. "Heinz Flohe fragte mich bei der Nationalmannschaft, wie ich den eigentlich halten konnte, denn Biskup schoss immer hart in die Ecke." Aber Nigbur, mit einer überdurchschnittlichen Reaktionsgeschwindigkeit und einem ärztlich attestierten, besonders großen Blickwinkel gesegnet, hechtete in die richtige Ecke.

Fünf Elfmeter in einem Pokalspiel in der regulären Spielzeit samt Verlängerung sind bis heute einmalig. Aber es war erst der Anfang vom Drama am Kreidepunkt.

Dramatisches Spiel mit dramatischerem Höhepunkt

Nun kam es zum damals noch neuartigen Elfmeterschießen, das 1970 eingeführt worden und nichts für schwache Nerven war. 16 Spieler traten den schweren Weg zum Kreidepunkt an, fünf von ihnen scheiterten. Am Ende feierten die Schalker, weil Nigbur, der sogar selbst einen Elfmeter verwandelte, gegen Wolfgang Overath parierte, dann auch den Kölner "Matchball" von Jürgen Glowacz hielt und ein wenig Glück hatte, als Bernd Cullmann den letzten Elfmeter an den Pfosten setzte. "Da war ich noch mit den Fingerspitzen dran", stellt Nigbur nach 50 Jahren klar, offiziell galt der Elfmeter als verschossen. Sein Elfmeter zum 2:1 aber war drin, auch wenn ihm der Schuss etwas zu hoch geriet als gedacht.

Nigburs Heldenbilanz an diesem Tag: Drei Elfmeter gehalten, einen verwandelt. Sein Gegenüber Gerd Welz indes hielt keinen einzigen. Denn alle drei Fehlschützen, "auch die eigentlich sicheren", verfehlten bei zunehmender Dramatik den Kasten. "Stan Libuda schoss weit drüber, dagegen war der Fehlschuss von Uli Hoeneß 1976 im EM-Finale noch human", witzelt Nigbur. Es war ja egal, nach Cullmanns Fehlschuss hieß es nach Elfmetern 6:5 für Schalke und die Fans fluteten den Platz.

Kölns Trainer Rolf Herings fand, sein Team sei "der unglücklichste Verlierer gewesen, den wir je gesehen haben". Die Schalker feierten Nigbur, seine Frau Sandra erklärte den Reportern stolz: "Er ist schon immer ein Elfmetertöter gewesen. Am meisten hat ihn jedoch gefreut, dass er selbst einen verwandelt hat." Noch mehr freute er sich gewiss am 1. Juli 1972 nach dem Pokalsieg gegen Kaiserslautern (5:0), ehe für die in den Bundesligaskandal verwickelten Schalker düstere Tage begannen.

Das Spiel in der Zusammenfassung

Tore: 1:0 Fischer (15.), 2:0 Rüssmann (32.), 3:0 Scheer (41.), 3:1 Löhr (42.), 3:2 Löhr (59., Handelfmeter), 4:2, 5:2 H. Kremers (83., 90+5, jeweils Foulelfmeter).

Verschossene Elfmeter im Spiel: Beverungen (Schalke/80.), Biskup (Köln/105.)

Elfmeterschießen:

1:0 Fischer
1:1 Löhr
Libuda verschießt
Nigbur hält gegen Overath
2:1 Nigbur
2:2 Thielen
3:2 Helmut Kremers
3:3 Biskup
4:3 Erwin Kremers
4:4 Kapellmann
5:4 Fichtel
5:5 Simmet
Beverungen verschießt
Nigbur hält gegen Glowacz
6:5 van Haaren
Cullmann verschießt

[um]

Vor einem der dramatischsten Pokalspiele aller Zeiten bat ein Freund den Schalker Torhüter Norbert Nigbur um eine Karte für die Glückauf-Kampfbahn. Man kannte sich vom Trabrennen, mit Fußball hatte der Mann eigentlich nichts am Hut, weshalb Nigbur ihm einen Fachmann zur Seite stellte. Aber auch der Fußball-Laie, der sich ernstlich wunderte, warum eigentlich der Schiedsrichter so selten am Ball war, begriff, dass das Halbfinalrückspiel Schalke 04 gegen den 1. FC Köln genau heute vor 50 Jahren kein Spiel wie jedes andere gewesen war.

"Sowas Aufregendes habe ich noch nie erlebt", sagte der Pferdefreund, der anschließend spontan Schalke-Mitglied wurde, zu Nigbur nach dem Spiel. Der versicherte ihm: "Solche Spiele gibt’s nicht immer!" Der Pokal schrieb Geschichte – 21 Elfmeter bis zum Finale blieben 25 Jahre unerreicht.

Wechselhafte Wunderwende im Rückspiel

Auf Volksfesten und in deutschen Stadien wurde in jenem Sommer gern Katja Ebsteins Schlager "Wunder gibt es immer wieder" gespielt. Und daran schienen auch die Schalke-Fans zu glauben, die ihre letzten Tage als Austragungsstätte erlebende Glückauf-Kampfbahn füllten trotz Top-Spiel-Zuschlags (25 DM für die teuerste Karte) 35.000 Menschen. Manche saßen auf den Bäumen oder schauten aus ihren Autos zu. Ihre Mannschaft hatte das damals übliche Hinspiel 1:4 verloren, der 1. FC Köln stand mit einem Bein im Finale. Es kam anders.

Niemand bereute sein Kommen, selbst die Kölner Fans nicht, denn sie alle wurden Teil von etwas ganz Besonderem. Die WAZ titelte am Montag danach: "Pokal-Halbfinale voller Superlativen". Drückende Hitze, Tore satt und "das Elfmeter-Gewitter des Jahres" (kicker) prägten das epische Spiel.

Schon vor der Pause hatte Schalke den Rückstand zwischenzeitlich aufgeholt – durch Tore von Klaus Fischer (15.), Rolf Rüssmann (32.) und Klaus Scheer (41.). Dann verkürzte Hannes Löhr mit dem ersten Kölner Torschuss auf 3:1 (42.). Als derselbe Spieler per Elfmeter, dem ersten von 21 Strafstößen an diesem Tag, auf 3:2 (59.) verkürzte, schien alles gelaufen zu sein. Erst recht, als Schalkes Klaus Beverungen mit seinem Elfmeter an Welz scheiterte (80.). Doch Schalke bekam noch zwei Elfmeter in der regulären Spielzeit, beide von Jupp Kapellmann verursacht und von Helmut Kremers verwandelt (83., 90.+5). So stand es 5:2 und das Tollhaus Glückauf-Kampfbahn erlebte eine Verlängerung. Die blieb torlos, obwohl Schiedsrichter Heckeroth in der 105. Minute den fünften Elfmeter gab, nun wieder für Köln.

Aber Werner Biskup scheiterte an Hexer Norbert Nigbur. "Danach hat mich Rolf Rüssmann vor Freude halb totgedrückt", sagt der siebenmalige Nationalspieler, der für die Parade noch Jahre später Respekt von Kölner Seite erntete. "Heinz Flohe fragte mich bei der Nationalmannschaft, wie ich den eigentlich halten konnte, denn Biskup schoss immer hart in die Ecke." Aber Nigbur, mit einer überdurchschnittlichen Reaktionsgeschwindigkeit und einem ärztlich attestierten, besonders großen Blickwinkel gesegnet, hechtete in die richtige Ecke.

Fünf Elfmeter in einem Pokalspiel in der regulären Spielzeit samt Verlängerung sind bis heute einmalig. Aber es war erst der Anfang vom Drama am Kreidepunkt.

Dramatisches Spiel mit dramatischerem Höhepunkt

Nun kam es zum damals noch neuartigen Elfmeterschießen, das 1970 eingeführt worden und nichts für schwache Nerven war. 16 Spieler traten den schweren Weg zum Kreidepunkt an, fünf von ihnen scheiterten. Am Ende feierten die Schalker, weil Nigbur, der sogar selbst einen Elfmeter verwandelte, gegen Wolfgang Overath parierte, dann auch den Kölner "Matchball" von Jürgen Glowacz hielt und ein wenig Glück hatte, als Bernd Cullmann den letzten Elfmeter an den Pfosten setzte. "Da war ich noch mit den Fingerspitzen dran", stellt Nigbur nach 50 Jahren klar, offiziell galt der Elfmeter als verschossen. Sein Elfmeter zum 2:1 aber war drin, auch wenn ihm der Schuss etwas zu hoch geriet als gedacht.

Nigburs Heldenbilanz an diesem Tag: Drei Elfmeter gehalten, einen verwandelt. Sein Gegenüber Gerd Welz indes hielt keinen einzigen. Denn alle drei Fehlschützen, "auch die eigentlich sicheren", verfehlten bei zunehmender Dramatik den Kasten. "Stan Libuda schoss weit drüber, dagegen war der Fehlschuss von Uli Hoeneß 1976 im EM-Finale noch human", witzelt Nigbur. Es war ja egal, nach Cullmanns Fehlschuss hieß es nach Elfmetern 6:5 für Schalke und die Fans fluteten den Platz.

Kölns Trainer Rolf Herings fand, sein Team sei "der unglücklichste Verlierer gewesen, den wir je gesehen haben". Die Schalker feierten Nigbur, seine Frau Sandra erklärte den Reportern stolz: "Er ist schon immer ein Elfmetertöter gewesen. Am meisten hat ihn jedoch gefreut, dass er selbst einen verwandelt hat." Noch mehr freute er sich gewiss am 1. Juli 1972 nach dem Pokalsieg gegen Kaiserslautern (5:0), ehe für die in den Bundesligaskandal verwickelten Schalker düstere Tage begannen.

Das Spiel in der Zusammenfassung

Tore: 1:0 Fischer (15.), 2:0 Rüssmann (32.), 3:0 Scheer (41.), 3:1 Löhr (42.), 3:2 Löhr (59., Handelfmeter), 4:2, 5:2 H. Kremers (83., 90+5, jeweils Foulelfmeter).

Verschossene Elfmeter im Spiel: Beverungen (Schalke/80.), Biskup (Köln/105.)

Elfmeterschießen:

1:0 Fischer
1:1 Löhr
Libuda verschießt
Nigbur hält gegen Overath
2:1 Nigbur
2:2 Thielen
3:2 Helmut Kremers
3:3 Biskup
4:3 Erwin Kremers
4:4 Kapellmann
5:4 Fichtel
5:5 Simmet
Beverungen verschießt
Nigbur hält gegen Glowacz
6:5 van Haaren
Cullmann verschießt

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