Hertha-Trainer Reiß: "Wir müssen immer am Limit spielen"

Mit der U 17 von Hertha BSC hat der neue Trainer Oliver Reiß (37) in der Staffel Nord/Nordost der B-Junioren-Bundesliga eine starke Hinserie gespielt. Erstmals seit 2014 könnte sich das Team, das einen Punkt hinter Spitzenreiter Hamburger SV rangiert, für die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft qualifizieren. Im DFB.de-Interview spricht Oliver Reiß mit Mitarbeiter Peter Haidinger über seine Ziele.

DFB.de: Heute startet die U 17 von Hertha BSC gegen Dynamo Dresden in den Saisonendspurt. Wie fallen bislang die Eindrücke der Vorbereitung aus, Herr Reiß?

Oliver Reiß: Seit dem 6. Januar bereiten wir uns intensiv auf die Restrunde vor. Alle waren fleißig, haben gut mitgezogen. Auch mit dem 5:0-Testspielerfolg gegen den U 17-Nachwuchs des tschechischen Zweitligisten FC Hradec Králové war ich zufrieden.

DFB.de: Auf welche Bereiche haben Sie besonders den Fokus gelegt?

Reiß: Im Pressing gegen den Ball haben wir Defizite ausgemacht, wollen besser werden und den Gegner frühzeitig unter Druck setzen. Schwerpunkte lagen auch bei der Spieleröffnung und dem Abschluss im letzten Drittel. Mit Mut und Kreativität wollen wir Lösungen finden.

DFB.de: Erst seit Saisonbeginn sind Sie für die U 17 zuständig, allerdings schon seit 2007 im Verein. Welche Stationen hatten Sie zuvor durchlaufen?

Reiß: Ich habe im Nachwuchsbereich bei Hertha praktisch schon alles durchgemacht. Vor meinem aktuellen Job war ich drei Jahre U 16-Trainer, davor ein Jahr Co-Trainer bei der U 19 unter Ex-Nationalspieler Andreas Thom sowie zwei Jahre U 13-Trainer. Auch die U 8 und U 15 habe ich schon trainiert. Seit 2015 bin ich hauptamtlich bei Hertha BSC angestellt. Davor war ich in Teilzeit tätig und habe während meines Studiums der Sportwissenschaften verschiedene Jobs - unter anderem im Marketingbereich - ausgeübt.

DFB.de: Als aktiver Spieler hatte es für Sie nicht für höherklassigen Fußball gereicht. Warum nicht?

Reiß: Beim Nordberliner SC hatte ich bis zur U 19 gespielt. Danach bin ich zu Tennis Borussia Berlin gewechselt und hatte von einer Profikarriere geträumt. Bei den Senioren habe ich im Mittelfeld für den Verbandsligisten Frohnauer SC und später als Stürmer für Concordia Wittenau gespielt. Wegen eines Kreuzbandrisses fing ich als Trainer beim Nordberliner SC an, weshalb ich später aus zeitlichen Gründen meine Laufbahn schon früh beenden musste.

DFB.de: Viele Ihrer Trainerkollegen sind Ex-Profis. Sehen Sie das als Vor- oder Nachteil in Ihrem Job?

Reiß: Als Nicht-Profi kann man sich die inhaltlichen Dinge zum Beispiel aus Büchern und Videos schnell aneignen. Aber das Gefühl, vor tausenden Zuschauern gespielt zu haben, kenne ich nicht. Die Gespräche mit früheren Profis wie Andreas "Zecke" Neuendorf, Michael Hartmann oder meinem Co-Trainer Oliver Schröder bringen mich daher auch persönlich weiter. Es ist vielleicht ein kleiner Nachteil, dass ich diese Karriere nicht hatte, aber ein Vorteil, dass ich in meinem direkten Umfeld von vielen Ex-Profis lernen kann.

DFB.de: Sie haben es schon angesprochen: Mit Oliver Schröder haben Sie einen erfahrenen Bundesligaspieler als Co-Trainer an Ihrer Seite. Wie sehr profitieren Sie davon und in welchen Situationen ist sein Rat besonders wertvoll?

Reiß: Er holt mich manchmal von meinem Perfektionismus herunter, indem er mir erklärt, wie Spieler in gewissen Situation ticken. Ich bin zusammen mit Oliver in Heiligensee aufgewachsen, kenne ihn seit unserer Kindheit. Wir und auch unsere Familien sind sehr gut befreundet. Ein größeres Vertrauensverhältnis kann es gar nicht geben. Leider haben wir in unserer Jugend nie zusammen in einer Mannschaft gestanden.

DFB.de: Die U 17 von Hertha BSC hat in der Liga bislang nur ein Spiel verloren. Dennoch reichte es bisher nicht für die Tabellenführung. Woran liegt das?

Reiß: Um ganz oben zu stehen, müssen wir immer am Limit spielen. Das ist uns in der Hinrunde nicht gelungen. Das 1:1 gegen Eintracht Braunschweig steht dafür exemplarisch. Ich glaube, dass es nicht immer die Topspiele sind, die über Meisterschaften entscheiden. Vielmehr muss man vor allem gegen die vermeintlich leichteren Gegner - das klingt vielleicht respektlos, ist aber nicht so gemeint - konstant punkten.

DFB.de: Der Rückstand auf Tabellenführer Hamburger SV beträgt nur einen Punkt. Wie bewerten Sie die Chancen im Kampf um die Meisterschaft?

Reiß: Als Hertha BSC will man immer oben dabei sein. Wenn wir die guten Leistungen aus der Hinrunde bestätigen, könnten wir es schaffen. Von der Qualität der Mannschaft her ist es auf jeden Fall möglich.

DFB.de: Rechnen Sie damit, dass es auch bis zum Saisonende so eng zugehen wird?

Reiß: Für uns wird Mitte März feststehen, wohin die Reise gehen kann. Wir spielen nach dem Restrundenauftakt gegen Dynamo Dresden gleich gegen alle vier Topmannschaften hintereinander. Danach wissen wir, in welche Richtung es gehen könnte.

DFB.de: Was zeichnet die aktuelle U 17-Mannschaft von Hertha BSC besonders aus?

Reiß: Wir sind fußballerisch sehr gut aufgestellt. Unsere Tempo-Defizite machen wir durch Spielfreude wett. Die Mannschaft ist demütig und jedes Mal bereit, alles aus sich herauszuholen. Um unsere gute Ausgangslage zu bestätigen, müssen wir abliefern.

DFB.de: Gab es schon einen Austausch mit dem neuen Profi-Cheftrainer Jürgen Klinsmann?

Reiß: Wir sind uns auf dem Flur begegnet, hatten aber bisher noch nicht die Zeit, ausführlich miteinander zu sprechen.

DFB.de: Wie macht sich die Verpflichtung des Weltmeisters von 1990 und früheren Bundestrainers bei Hertha BSC bemerkbar?

Reiß: Auf jeden Fall passiert gerade etwas und es ist spannend. Auch medial ist die Aufmerksamkeit noch weiter gestiegen. Obwohl wir uns im Abstiegskampf befinden, ist eine Art Aufbruchstimmung zu spüren.

DFB.de: Wie wichtig wäre für die Nachwuchsabteilung von Hertha BSC die Teilnahme der U 17 an der Endrunde um die Deutschen Meisterschaft?

Reiß: Die Entwicklung und Ausbildung sind mit dem Streben nach maximalem Erfolg zu vereinbaren. Es ist schon wichtig, weil es für die Spieler auch eine Auszeichnung wäre. Für uns bricht aber auch keine Welt zusammen, wenn wir nicht bei der Deutschen Meisterschaft dabei wären, weil die Ausbildung unserer Talente Priorität hat.

DFB.de: Worauf legen Sie bei Ihrer Arbeit großen Wert und was können Sie gar nicht leiden?

Reiß: Im taktischen Bereich lege ich sehr viel Wert auf Ordnung. Die Spieler sollen ihre individuellen Qualitäten dabei voll ausleben. Wenn es zu wild wird und jeder sein Ding machen will, dann habe ich damit ein Problem. Es muss immer eine Struktur und Spielidee zu erkennen sein.

DFB.de: Welche Fähigkeiten muss ein Talent mitbringen, damit der Sprung in den Profibereich gelingt?

Reiß: Unabhängig vom Talent sind Widerstandsfähigkeit unter Druck sowie ein oder zwei besondere Fähigkeiten die i-Tüpfelchen, die eine vielversprechende Laufbahn ermöglichen können. Manchmal hat man die Tendenz, nur die Schwächen zu trainieren. Selten wird aber ein Spieler Profi, weil er keine Schwäche hat, sondern weil er diese eine Stärke hat, die so besonders ist.

DFB.de: Welchen Eindruck haben Sie vom nächsten Gegner Dynamo Dresden?

Reiß: Ich kenne meinen Trainerkollegen Oliver Heine sehr gut. Wir haben uns auf der Humboldt-Universität in Berlin und auch zu seiner Zeit bei Hertha BSC kennengelernt. Er wird sich bestimmt wieder etwas Besonderes gegen uns einfallen lassen.

DFB.de: Was wird den Unterschied ausmachen?

Reiß: Im Hinspiel war Dresden sehr kompakt und wir sind nicht über ein 1:1 hinausgekommen. Wir müssen konsequenter unsere Torchancen nutzen und den letzten Punch entwickeln.

[mspw]

Mit der U 17 von Hertha BSC hat der neue Trainer Oliver Reiß (37) in der Staffel Nord/Nordost der B-Junioren-Bundesliga eine starke Hinserie gespielt. Erstmals seit 2014 könnte sich das Team, das einen Punkt hinter Spitzenreiter Hamburger SV rangiert, für die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft qualifizieren. Im DFB.de-Interview spricht Oliver Reiß mit Mitarbeiter Peter Haidinger über seine Ziele.

DFB.de: Heute startet die U 17 von Hertha BSC gegen Dynamo Dresden in den Saisonendspurt. Wie fallen bislang die Eindrücke der Vorbereitung aus, Herr Reiß?

Oliver Reiß: Seit dem 6. Januar bereiten wir uns intensiv auf die Restrunde vor. Alle waren fleißig, haben gut mitgezogen. Auch mit dem 5:0-Testspielerfolg gegen den U 17-Nachwuchs des tschechischen Zweitligisten FC Hradec Králové war ich zufrieden.

DFB.de: Auf welche Bereiche haben Sie besonders den Fokus gelegt?

Reiß: Im Pressing gegen den Ball haben wir Defizite ausgemacht, wollen besser werden und den Gegner frühzeitig unter Druck setzen. Schwerpunkte lagen auch bei der Spieleröffnung und dem Abschluss im letzten Drittel. Mit Mut und Kreativität wollen wir Lösungen finden.

DFB.de: Erst seit Saisonbeginn sind Sie für die U 17 zuständig, allerdings schon seit 2007 im Verein. Welche Stationen hatten Sie zuvor durchlaufen?

Reiß: Ich habe im Nachwuchsbereich bei Hertha praktisch schon alles durchgemacht. Vor meinem aktuellen Job war ich drei Jahre U 16-Trainer, davor ein Jahr Co-Trainer bei der U 19 unter Ex-Nationalspieler Andreas Thom sowie zwei Jahre U 13-Trainer. Auch die U 8 und U 15 habe ich schon trainiert. Seit 2015 bin ich hauptamtlich bei Hertha BSC angestellt. Davor war ich in Teilzeit tätig und habe während meines Studiums der Sportwissenschaften verschiedene Jobs - unter anderem im Marketingbereich - ausgeübt.

DFB.de: Als aktiver Spieler hatte es für Sie nicht für höherklassigen Fußball gereicht. Warum nicht?

Reiß: Beim Nordberliner SC hatte ich bis zur U 19 gespielt. Danach bin ich zu Tennis Borussia Berlin gewechselt und hatte von einer Profikarriere geträumt. Bei den Senioren habe ich im Mittelfeld für den Verbandsligisten Frohnauer SC und später als Stürmer für Concordia Wittenau gespielt. Wegen eines Kreuzbandrisses fing ich als Trainer beim Nordberliner SC an, weshalb ich später aus zeitlichen Gründen meine Laufbahn schon früh beenden musste.

DFB.de: Viele Ihrer Trainerkollegen sind Ex-Profis. Sehen Sie das als Vor- oder Nachteil in Ihrem Job?

Reiß: Als Nicht-Profi kann man sich die inhaltlichen Dinge zum Beispiel aus Büchern und Videos schnell aneignen. Aber das Gefühl, vor tausenden Zuschauern gespielt zu haben, kenne ich nicht. Die Gespräche mit früheren Profis wie Andreas "Zecke" Neuendorf, Michael Hartmann oder meinem Co-Trainer Oliver Schröder bringen mich daher auch persönlich weiter. Es ist vielleicht ein kleiner Nachteil, dass ich diese Karriere nicht hatte, aber ein Vorteil, dass ich in meinem direkten Umfeld von vielen Ex-Profis lernen kann.

DFB.de: Sie haben es schon angesprochen: Mit Oliver Schröder haben Sie einen erfahrenen Bundesligaspieler als Co-Trainer an Ihrer Seite. Wie sehr profitieren Sie davon und in welchen Situationen ist sein Rat besonders wertvoll?

Reiß: Er holt mich manchmal von meinem Perfektionismus herunter, indem er mir erklärt, wie Spieler in gewissen Situation ticken. Ich bin zusammen mit Oliver in Heiligensee aufgewachsen, kenne ihn seit unserer Kindheit. Wir und auch unsere Familien sind sehr gut befreundet. Ein größeres Vertrauensverhältnis kann es gar nicht geben. Leider haben wir in unserer Jugend nie zusammen in einer Mannschaft gestanden.

DFB.de: Die U 17 von Hertha BSC hat in der Liga bislang nur ein Spiel verloren. Dennoch reichte es bisher nicht für die Tabellenführung. Woran liegt das?

Reiß: Um ganz oben zu stehen, müssen wir immer am Limit spielen. Das ist uns in der Hinrunde nicht gelungen. Das 1:1 gegen Eintracht Braunschweig steht dafür exemplarisch. Ich glaube, dass es nicht immer die Topspiele sind, die über Meisterschaften entscheiden. Vielmehr muss man vor allem gegen die vermeintlich leichteren Gegner - das klingt vielleicht respektlos, ist aber nicht so gemeint - konstant punkten.

DFB.de: Der Rückstand auf Tabellenführer Hamburger SV beträgt nur einen Punkt. Wie bewerten Sie die Chancen im Kampf um die Meisterschaft?

Reiß: Als Hertha BSC will man immer oben dabei sein. Wenn wir die guten Leistungen aus der Hinrunde bestätigen, könnten wir es schaffen. Von der Qualität der Mannschaft her ist es auf jeden Fall möglich.

DFB.de: Rechnen Sie damit, dass es auch bis zum Saisonende so eng zugehen wird?

Reiß: Für uns wird Mitte März feststehen, wohin die Reise gehen kann. Wir spielen nach dem Restrundenauftakt gegen Dynamo Dresden gleich gegen alle vier Topmannschaften hintereinander. Danach wissen wir, in welche Richtung es gehen könnte.

DFB.de: Was zeichnet die aktuelle U 17-Mannschaft von Hertha BSC besonders aus?

Reiß: Wir sind fußballerisch sehr gut aufgestellt. Unsere Tempo-Defizite machen wir durch Spielfreude wett. Die Mannschaft ist demütig und jedes Mal bereit, alles aus sich herauszuholen. Um unsere gute Ausgangslage zu bestätigen, müssen wir abliefern.

DFB.de: Gab es schon einen Austausch mit dem neuen Profi-Cheftrainer Jürgen Klinsmann?

Reiß: Wir sind uns auf dem Flur begegnet, hatten aber bisher noch nicht die Zeit, ausführlich miteinander zu sprechen.

DFB.de: Wie macht sich die Verpflichtung des Weltmeisters von 1990 und früheren Bundestrainers bei Hertha BSC bemerkbar?

Reiß: Auf jeden Fall passiert gerade etwas und es ist spannend. Auch medial ist die Aufmerksamkeit noch weiter gestiegen. Obwohl wir uns im Abstiegskampf befinden, ist eine Art Aufbruchstimmung zu spüren.

DFB.de: Wie wichtig wäre für die Nachwuchsabteilung von Hertha BSC die Teilnahme der U 17 an der Endrunde um die Deutschen Meisterschaft?

Reiß: Die Entwicklung und Ausbildung sind mit dem Streben nach maximalem Erfolg zu vereinbaren. Es ist schon wichtig, weil es für die Spieler auch eine Auszeichnung wäre. Für uns bricht aber auch keine Welt zusammen, wenn wir nicht bei der Deutschen Meisterschaft dabei wären, weil die Ausbildung unserer Talente Priorität hat.

DFB.de: Worauf legen Sie bei Ihrer Arbeit großen Wert und was können Sie gar nicht leiden?

Reiß: Im taktischen Bereich lege ich sehr viel Wert auf Ordnung. Die Spieler sollen ihre individuellen Qualitäten dabei voll ausleben. Wenn es zu wild wird und jeder sein Ding machen will, dann habe ich damit ein Problem. Es muss immer eine Struktur und Spielidee zu erkennen sein.

DFB.de: Welche Fähigkeiten muss ein Talent mitbringen, damit der Sprung in den Profibereich gelingt?

Reiß: Unabhängig vom Talent sind Widerstandsfähigkeit unter Druck sowie ein oder zwei besondere Fähigkeiten die i-Tüpfelchen, die eine vielversprechende Laufbahn ermöglichen können. Manchmal hat man die Tendenz, nur die Schwächen zu trainieren. Selten wird aber ein Spieler Profi, weil er keine Schwäche hat, sondern weil er diese eine Stärke hat, die so besonders ist.

DFB.de: Welchen Eindruck haben Sie vom nächsten Gegner Dynamo Dresden?

Reiß: Ich kenne meinen Trainerkollegen Oliver Heine sehr gut. Wir haben uns auf der Humboldt-Universität in Berlin und auch zu seiner Zeit bei Hertha BSC kennengelernt. Er wird sich bestimmt wieder etwas Besonderes gegen uns einfallen lassen.

DFB.de: Was wird den Unterschied ausmachen?

Reiß: Im Hinspiel war Dresden sehr kompakt und wir sind nicht über ein 1:1 hinausgekommen. Wir müssen konsequenter unsere Torchancen nutzen und den letzten Punch entwickeln.

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