Herbergers Länderspielstatistik korrigiert

Die DFB-Stiftung Sepp Herberger ist auf Basis einer wissenschaftlichen Untersuchung zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Anpassung der Länderspielstatistik von Sepp Herberger, Weltmeistertrainer von 1954, und entsprechend der seines Vorgängers Otto Nerz nach Auswertung der Quellen angebracht ist. Nachdem in jüngster Zeit immer wieder Berichte über Unstimmigkeiten in der Statistik aufgekommen waren, beauftragte die 1977 errichtete DFB-Stiftung, die Alleinerbin der Eheleute Eva und Sepp Herberger ist, im Herbst 2018 Dr. Hiram Kümper (38), Mannheimer Professor für Mittlere und Neuere Geschichte, mit der Klärung des Falles, der sich im Grunde um die Frage drehte: Wann begann Sepp Herbergers Amtszeit als Reichstrainer wirklich?

Die Quellenlage ist da eindeutig und Grundlage für den Beschluss: Herberger wurde vom damaligen Fachamt Fußball im Reichsbund für Leibesübungen, in dem der DFB in der NS-Zeit aufging, im Rahmen der "Neuregelung der sporttechnischen Leitung" am 2. November 1936 ernannt. Bis zu seinem Abschied im Juni 1963 kommt er demnach auf 162 Länderspiele. Nerz wurde am selben Tag zum "Referent für die Nationalmannschaft" mit offenbar ganz bewusst nicht genau ausgeführten Kompetenzen, über die sich beide stritten.

Zeitungsente sorgt für Verwirrung

Die Ursache der Irritationen um die Zählweise: Schon vorher saß Herberger bei zwei Länderspielen auf der Bank, weil Vorgänger Nerz nach dem Zweitrunden-Aus bei Olympia 1936 beurlaubt worden war. Zu seiner endgültigen Absetzung kam es aber nicht, er kehrte zurück. In der Berliner Zeitung war allerdings am 22. September schon Herbergers Ernennung bekanntgegeben worden, von der er selbst nichts wusste. Sie war auch nicht erfolgt, es war eine lancierte "Ente" von Nerz-Gegnern. Auch nach der Ernennung am 2. November 1936 herrschte noch Verwirrung, im Kicker vom 10. November 1936 etwa wurden Nerz und Herberger auf ein und derselben Seite als Reichstrainer bezeichnet. Wer war denn nun der Boss? Das galt es zu klären - für die Statistik.

In der Zeit zwischen Nerz' Beurlaubung und Herbergers Amtsantritt bestritt Deutschland vom 13. September bis 17. Oktober fünf Länderspiele, die Statistiker in der Nachkriegszeit nun einfach allesamt Herberger zurechneten - was nicht nachvollziehbar ist.

Herberger selbst hat seine Länderspiele mit der Partie gegen Italien am 15. November 1936 zu zählen begonnen. Dieser Lesart folgt auch Professor Kümper, der im Rahmen seiner Recherche den Herberger-Nachlass auswertete, das Deutsche Zeitungsarchiv in Dortmund und das Geheime Staatsarchiv in Berlin aufsuchte. Neue eindeutige Quellen fand er nicht, so dass er zu folgendem Ergebnis kam: "Es ist das eine, eine Statistik aufzustellen, und das andere, sie zu interpretieren. Für eine Statistik brauchen wir klare Kategorien, und dafür haben wir meines Erachtens nichts Besseres, als die Ernennung vom November 1936."

Herberger hat nun fünf Länderspiele weniger

Damit spielt er auf die Unmöglichkeit an, die monatelang unklaren Machtverhältnisse, die Rivalitäten und die mit heute überhaupt nicht vergleichbare Rolle eines Nationaltrainers in eine Statistik zu packen. So musste sich Herberger seine Aufstellungen immer noch von Nerz genehmigen lassen, erst nach dessen Rücktritt vom Referentenposten der Nationalelf im Mai 1938 war "der Chef" auch wirklich der Chef. Trotzdem arbeitete er seit 1936 mit der Mannschaft auf dem Trainingsplatz, saß auf der Bank bei den Spielen, leitete die Lehrgänge und sichtete Spieler. Für die Nationalspieler war er der Hauptansprechpartner.

Die fünf Länderspiele, die ihm abgezogen werden, werden Otto Nerz, dem ersten Reichstrainer, zugerechnet, auch wenn dieser in Warschau (1:1 gegen Polen) und in Krefeld (7:2 gegen Luxemburg) nicht im Stadion war. In Warschau fehlte Nerz wegen seines Zwangsurlaubs. Das Luxemburg-Spiel, das zur Sichtung von Talenten diente, verpasste er, da die erste Garnitur unter seiner Aufsicht am selben Tag in Prag spielte. Auch diese Merkwürdigkeit jener Tage machte es den Statistikern nicht leicht. Für Kümper war die persönliche Anwesenheit aber nicht oberstes Kriterium, zumal sie bei parallel stattfindenden Spielen unmöglich ist.

Kümper, der die Ausstellung über "Herbergers Welt der Bücher" vom Dortmunder Fußballmuseum nach Mannheim holte, erklärt seine Motivation, diesen Fall zu lösen, so: "Als Historiker ist man ja in erster Linie der Geschichte verpflichtet und erst in zweiter Linie Spezialist für irgendwelche Epochen. Die Welt ist rund, und die Geschichte bewegt sich immer weiter - der Fußball auch. Tatsächlich kann man an Fußballgeschichte - und ganz besonders an dieser Episode um Herberger und Nerz - ganz viel über das Funktionieren des Nationalsozialismus lernen. Auch für Fragen, die gar nichts mehr unmittelbar mit Fußball zu tun haben. Und das fasziniert mich."

Die neuen Zahlen

Otto Nerz

  • 75 Länderspiele
  • 44 Siege
  • 11 Remis
  • 20 Niederlagen
  • 204:124 Tore

Sepp Herberger

  • 162 Länderspiele
  • 92 Siege
  • 26 Remis
  • 44 Niederlagen
  • 423:239 Tore
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Die DFB-Stiftung Sepp Herberger ist auf Basis einer wissenschaftlichen Untersuchung zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Anpassung der Länderspielstatistik von Sepp Herberger, Weltmeistertrainer von 1954, und entsprechend der seines Vorgängers Otto Nerz nach Auswertung der Quellen angebracht ist. Nachdem in jüngster Zeit immer wieder Berichte über Unstimmigkeiten in der Statistik aufgekommen waren, beauftragte die 1977 errichtete DFB-Stiftung, die Alleinerbin der Eheleute Eva und Sepp Herberger ist, im Herbst 2018 Dr. Hiram Kümper (38), Mannheimer Professor für Mittlere und Neuere Geschichte, mit der Klärung des Falles, der sich im Grunde um die Frage drehte: Wann begann Sepp Herbergers Amtszeit als Reichstrainer wirklich?

Die Quellenlage ist da eindeutig und Grundlage für den Beschluss: Herberger wurde vom damaligen Fachamt Fußball im Reichsbund für Leibesübungen, in dem der DFB in der NS-Zeit aufging, im Rahmen der "Neuregelung der sporttechnischen Leitung" am 2. November 1936 ernannt. Bis zu seinem Abschied im Juni 1963 kommt er demnach auf 162 Länderspiele. Nerz wurde am selben Tag zum "Referent für die Nationalmannschaft" mit offenbar ganz bewusst nicht genau ausgeführten Kompetenzen, über die sich beide stritten.

Zeitungsente sorgt für Verwirrung

Die Ursache der Irritationen um die Zählweise: Schon vorher saß Herberger bei zwei Länderspielen auf der Bank, weil Vorgänger Nerz nach dem Zweitrunden-Aus bei Olympia 1936 beurlaubt worden war. Zu seiner endgültigen Absetzung kam es aber nicht, er kehrte zurück. In der Berliner Zeitung war allerdings am 22. September schon Herbergers Ernennung bekanntgegeben worden, von der er selbst nichts wusste. Sie war auch nicht erfolgt, es war eine lancierte "Ente" von Nerz-Gegnern. Auch nach der Ernennung am 2. November 1936 herrschte noch Verwirrung, im Kicker vom 10. November 1936 etwa wurden Nerz und Herberger auf ein und derselben Seite als Reichstrainer bezeichnet. Wer war denn nun der Boss? Das galt es zu klären - für die Statistik.

In der Zeit zwischen Nerz' Beurlaubung und Herbergers Amtsantritt bestritt Deutschland vom 13. September bis 17. Oktober fünf Länderspiele, die Statistiker in der Nachkriegszeit nun einfach allesamt Herberger zurechneten - was nicht nachvollziehbar ist.

Herberger selbst hat seine Länderspiele mit der Partie gegen Italien am 15. November 1936 zu zählen begonnen. Dieser Lesart folgt auch Professor Kümper, der im Rahmen seiner Recherche den Herberger-Nachlass auswertete, das Deutsche Zeitungsarchiv in Dortmund und das Geheime Staatsarchiv in Berlin aufsuchte. Neue eindeutige Quellen fand er nicht, so dass er zu folgendem Ergebnis kam: "Es ist das eine, eine Statistik aufzustellen, und das andere, sie zu interpretieren. Für eine Statistik brauchen wir klare Kategorien, und dafür haben wir meines Erachtens nichts Besseres, als die Ernennung vom November 1936."

Herberger hat nun fünf Länderspiele weniger

Damit spielt er auf die Unmöglichkeit an, die monatelang unklaren Machtverhältnisse, die Rivalitäten und die mit heute überhaupt nicht vergleichbare Rolle eines Nationaltrainers in eine Statistik zu packen. So musste sich Herberger seine Aufstellungen immer noch von Nerz genehmigen lassen, erst nach dessen Rücktritt vom Referentenposten der Nationalelf im Mai 1938 war "der Chef" auch wirklich der Chef. Trotzdem arbeitete er seit 1936 mit der Mannschaft auf dem Trainingsplatz, saß auf der Bank bei den Spielen, leitete die Lehrgänge und sichtete Spieler. Für die Nationalspieler war er der Hauptansprechpartner.

Die fünf Länderspiele, die ihm abgezogen werden, werden Otto Nerz, dem ersten Reichstrainer, zugerechnet, auch wenn dieser in Warschau (1:1 gegen Polen) und in Krefeld (7:2 gegen Luxemburg) nicht im Stadion war. In Warschau fehlte Nerz wegen seines Zwangsurlaubs. Das Luxemburg-Spiel, das zur Sichtung von Talenten diente, verpasste er, da die erste Garnitur unter seiner Aufsicht am selben Tag in Prag spielte. Auch diese Merkwürdigkeit jener Tage machte es den Statistikern nicht leicht. Für Kümper war die persönliche Anwesenheit aber nicht oberstes Kriterium, zumal sie bei parallel stattfindenden Spielen unmöglich ist.

Kümper, der die Ausstellung über "Herbergers Welt der Bücher" vom Dortmunder Fußballmuseum nach Mannheim holte, erklärt seine Motivation, diesen Fall zu lösen, so: "Als Historiker ist man ja in erster Linie der Geschichte verpflichtet und erst in zweiter Linie Spezialist für irgendwelche Epochen. Die Welt ist rund, und die Geschichte bewegt sich immer weiter - der Fußball auch. Tatsächlich kann man an Fußballgeschichte - und ganz besonders an dieser Episode um Herberger und Nerz - ganz viel über das Funktionieren des Nationalsozialismus lernen. Auch für Fragen, die gar nichts mehr unmittelbar mit Fußball zu tun haben. Und das fasziniert mich."

Die neuen Zahlen

Otto Nerz

  • 75 Länderspiele
  • 44 Siege
  • 11 Remis
  • 20 Niederlagen
  • 204:124 Tore

Sepp Herberger

  • 162 Länderspiele
  • 92 Siege
  • 26 Remis
  • 44 Niederlagen
  • 423:239 Tore
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