Heimspiel für Wiese

Tim Wiese ist eine Konstante im Kreis der Nationalmannschaft, und er ist mittlerweile der einzige Bremer im Kader der DFB-Auswahl. Der 30-Jährige weiß, dass Manuel Neuer derzeit die Nummer eins ist – aufgeben wird der ehrgeizige Werder-Keeper im Streben nach dem Platz im Tor aber nicht, vielmehr sucht er weiterhin seine Chance. „Die ganze Mannschaft profitiert davon, dass auf jeder Position Konkurrenz kampf herrscht“, sagt er. Sein Einsatz am Mittwoch (ab 20.45 Uhr, live im ZDF) von Beginn an beim "Heimspiel" mit der DFB-Auswahl in Bremen gegen Frankreich ist auch ein Lohn für diese professionelle Einstellung. Denn der gebürtige Rheinländer hat viel mehr als kecke Ansagen zu bieten. Der freie Journalist Frank Hellmann über einen starken Torhüter und echten Typen.

Tiefstapelei war nie seine Sache. Und wenn Tim Wiese an die bevorstehende Europameisterschaft denkt, spricht er eben auch aus, was er denkt. „Da kann nur das Ziel sein, das Ding zu gewinnen. Wir haben eine unheimlich gute Qualifikation gespielt. Und die Mannschaft ist vor allem spielerisch sicherlich noch weiter als bei der WM 2010.“ Der 30-Jährige muss es wissen: Obwohl der Torwart von Werder Bremen erst fünf Länderspiele bestritten hat, besitzt sein Gesicht im aktuellen Kader größten Wiedererkennungswert.

Training mit der Kanzlerin

Der Keeper ist ein Typ – und gerne für einen lockeren Spruch zu haben. Auf die Frage, wem er gerne das Fußballspielen beibringen würde, hat der Modellathlet ins Werder-Saisonheft schreiben lassen: Angela Merkel.

Seinen Part als Mann hinter Manuel Neuer spielt Wiese mit einem gesunden Selbstbewusstsein. „Ich sehe mich als klare Nummer zwei – mir ist nichts anderes gesagt worden“, verkündet er. „Sicherlich ist Manuel Neuer die Nummer eins, aber in Ruhe lassen werde ich ihn deshalb nicht. Ich gebe nicht auf. Ich werde aber sicherlich keine Unruhe stiften.“

"Modern ist, wer die meisten Bälle hält"

Und wenn seit kurzem Hohelieder auf eine besonders befähigte Generation an jungen Ballfängern gesungen werden, lässt sich der Routinier mit seinen 250 Bundesligaspielen nicht irritieren und macht aus seiner Meinung keinen Hehl: „Mit dem Begriff moderner Torwart kann ich nicht viel anfangen. Modern ist für mich der, der die meisten Bälle hält. Wichtig ist doch, dass ein Torhüter über Jahre konstante Leistungen bringt und das auch möglichst international bewiesen hat.“

In der Vita der Bremer Nummer eins sind neben seinen DFB-Einsätzen – sein erstes A-Länderspiel absolvierte er im November 2008 gegen England, das vorerst letzte im September 2011 in Polen – allein 24 Einsätze in der Champions League sowie 31 in der Europa League und dem UEFA-Cup gelistet. Beim hanseatischen Publikum gilt der Tormann mit dem Faible für grelle Outfits längst als schillernde Persönlichkeit und erklärter Publikumsliebling. Wenn Wiese im Weser-Stadion eine spektakuläre Parade vollführt, fühlt sich Stadionsprecher Arnd Zeigler schon mal zu einer Extra-Ansage berufen.

Dabei hat’s bis zum großen Applaus ein bisschen gebraucht: Gleich nach seinem Wechsel vom 1. FC Kaiserslautern zog er sich in der Sommervorbereitung 2005 einen Kreuzbandriss zu. Den Stammplatz erhielt der gebürtige Rheinländer erst, als Andreas Reinke im Februar 2006 in Stuttgart schwerste Gesichtsverletzungen erlitt. Wiese selbst hatte gleich danach einen sportlichen Rückschlag zu verdauen. Seine glänzende Leistung im Champions-League-Achtelfinale bei Juventus Turin trübte eine überflüssige Rolle in vorletzter Minute, bei der ihm der Ball entglitt – Werder schied aus, und der Unglücksrabe versprach: „So etwas passiert mir nie wieder.“

Heute ist Wiese der letzte verbliebene Bremer Nationalspieler. Per Mertesacker und Mesut Özil spielen im Ausland, die Nationalmannschafts-Karriere von Torsten Frings ist beendet, Clemens Fritz, Aaron Hunt oder Marko Marin gehören derzeit nicht zum DFB-Aufgebot. Vorbei die Zeiten, als es für Werder-Profis einen Kleinbus brauchte, um zum Treffpunkt der Nationalmannschaft zu gelangen. Wiese bleibt da nur die Hoffnung: „Es würde mich freuen, wenn unsere Fraktion wieder größer wird – jetzt habe ich nur unseren Fitnesstrainer Benni Kugel, mit dem ich gemeinsam anreise.“

Ehrmann "formte" den jungen Keeper

Ausgebildet wurde Wiese in jungen Jahren in der Torwartschule des 1. FC Kaiserlautern. Regelmäßigen (telefonischen) Kontakt hält er bis heute zu seinem Förderer Gerald Ehrmann, dem FCK-Torwarttrainer. „Ich war 18 oder 19, als ich zu ihm kam, und dieses harte Training hat mir geholfen. Ein Torhüter muss Herz haben und bereit sein, Kopf und Kragen zu riskieren. Diese Einstellung, immer voll reinzugehen, vermittelt er einem.“ Zurückweichen oder wegducken war nie seine Sache, weshalb der 1,93-Meter-Mann speziell in Eins-gegen-Eins-Situationen volles Risko geht.

Dreimal hat er in seiner Bundesliga-Karriere schon die Rote Karte gesehen. Wer ihn dafür geißelt, verkennt jedoch, dass er in solchen Situationen auch mit vielen wagemutigen Paraden bei spektakulären Chancen gerettet hat. Als seine größte Stärke gelten ohnehin die sagenhaften Reflexe auf der Linie. Beweglichkeit, Gewandtheit und Sprungvermögen dienen als elementare Komponenten.

Vertragsverlängerung noch offen

Gute Haltungsnoten gibt der Tormann auch im Privatleben ab. Wiese wohnt im schicken Stadtteil Oberneuland und ist seit dem 20. Dezember 2010 verheiratet - im „Hochtiedshuus“ gab er seiner langjährigen Lebensgefährtin Grit Freiberg das Ja-Wort. Die größte Aufmerksamkeit gehört seiner Tochter Alina, die im kommenden Sommer eingeschult wird. Ob das allerdings tatsächlich in Bremen sein wird, gilt noch als ungewiss. Wiese gehört zu jenen Bremer Stützen, die sein aktueller Arbeitgeber wegen einer Vertragsverlängerung vorerst noch vertrösten muss.

Egal, was bis dahin passiert: Bei der EURO 2012 wird Tim Wiese mindestens einmal besonders im Blickpunkt stehen – wenn die Bundeskanzlerin auf der Tribüne sitzt und der DFB-Auswahl die Daumen drückt. Die besondere Beziehung zwischen der deutschen Nationalmannschaft und Angela Merkel ist bekannt, weniger die Rolle, die der Werder-Torhüter in dieser Verbindung einnimmt. „Wiese, Wiese, Wiese“, wann immer die Regierungschefin das Team besucht, wird Wiese von seinen Kollegen animiert, die Dankesrede zu halten. So war es bei der WM in Südafrika nach dem Spiel gegen Argentinien, so war es in Berlin nach dem Sieg in der EM-Qualifikation gegen die Türkei. Und so wird es auch bei der EM 2012 werden, wenn die Kanzlerin in der Kabine zu Besuch sein sollte. Wieder würde Wiese das Wort haben. Und die richtigen Worte finden.

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Tim Wiese ist eine Konstante im Kreis der Nationalmannschaft, und er ist mittlerweile der einzige Bremer im Kader der DFB-Auswahl. Der 30-Jährige weiß, dass Manuel Neuer derzeit die Nummer eins ist – aufgeben wird der ehrgeizige Werder-Keeper im Streben nach dem Platz im Tor aber nicht, vielmehr sucht er weiterhin seine Chance. „Die ganze Mannschaft profitiert davon, dass auf jeder Position Konkurrenz kampf herrscht“, sagt er. Sein Einsatz am Mittwoch (ab 20.45 Uhr, live im ZDF) von Beginn an beim "Heimspiel" mit der DFB-Auswahl in Bremen gegen Frankreich ist auch ein Lohn für diese professionelle Einstellung. Denn der gebürtige Rheinländer hat viel mehr als kecke Ansagen zu bieten. Der freie Journalist Frank Hellmann über einen starken Torhüter und echten Typen.

Tiefstapelei war nie seine Sache. Und wenn Tim Wiese an die bevorstehende Europameisterschaft denkt, spricht er eben auch aus, was er denkt. „Da kann nur das Ziel sein, das Ding zu gewinnen. Wir haben eine unheimlich gute Qualifikation gespielt. Und die Mannschaft ist vor allem spielerisch sicherlich noch weiter als bei der WM 2010.“ Der 30-Jährige muss es wissen: Obwohl der Torwart von Werder Bremen erst fünf Länderspiele bestritten hat, besitzt sein Gesicht im aktuellen Kader größten Wiedererkennungswert.

Training mit der Kanzlerin

Der Keeper ist ein Typ – und gerne für einen lockeren Spruch zu haben. Auf die Frage, wem er gerne das Fußballspielen beibringen würde, hat der Modellathlet ins Werder-Saisonheft schreiben lassen: Angela Merkel.

Seinen Part als Mann hinter Manuel Neuer spielt Wiese mit einem gesunden Selbstbewusstsein. „Ich sehe mich als klare Nummer zwei – mir ist nichts anderes gesagt worden“, verkündet er. „Sicherlich ist Manuel Neuer die Nummer eins, aber in Ruhe lassen werde ich ihn deshalb nicht. Ich gebe nicht auf. Ich werde aber sicherlich keine Unruhe stiften.“

"Modern ist, wer die meisten Bälle hält"

Und wenn seit kurzem Hohelieder auf eine besonders befähigte Generation an jungen Ballfängern gesungen werden, lässt sich der Routinier mit seinen 250 Bundesligaspielen nicht irritieren und macht aus seiner Meinung keinen Hehl: „Mit dem Begriff moderner Torwart kann ich nicht viel anfangen. Modern ist für mich der, der die meisten Bälle hält. Wichtig ist doch, dass ein Torhüter über Jahre konstante Leistungen bringt und das auch möglichst international bewiesen hat.“

In der Vita der Bremer Nummer eins sind neben seinen DFB-Einsätzen – sein erstes A-Länderspiel absolvierte er im November 2008 gegen England, das vorerst letzte im September 2011 in Polen – allein 24 Einsätze in der Champions League sowie 31 in der Europa League und dem UEFA-Cup gelistet. Beim hanseatischen Publikum gilt der Tormann mit dem Faible für grelle Outfits längst als schillernde Persönlichkeit und erklärter Publikumsliebling. Wenn Wiese im Weser-Stadion eine spektakuläre Parade vollführt, fühlt sich Stadionsprecher Arnd Zeigler schon mal zu einer Extra-Ansage berufen.

Dabei hat’s bis zum großen Applaus ein bisschen gebraucht: Gleich nach seinem Wechsel vom 1. FC Kaiserslautern zog er sich in der Sommervorbereitung 2005 einen Kreuzbandriss zu. Den Stammplatz erhielt der gebürtige Rheinländer erst, als Andreas Reinke im Februar 2006 in Stuttgart schwerste Gesichtsverletzungen erlitt. Wiese selbst hatte gleich danach einen sportlichen Rückschlag zu verdauen. Seine glänzende Leistung im Champions-League-Achtelfinale bei Juventus Turin trübte eine überflüssige Rolle in vorletzter Minute, bei der ihm der Ball entglitt – Werder schied aus, und der Unglücksrabe versprach: „So etwas passiert mir nie wieder.“

Heute ist Wiese der letzte verbliebene Bremer Nationalspieler. Per Mertesacker und Mesut Özil spielen im Ausland, die Nationalmannschafts-Karriere von Torsten Frings ist beendet, Clemens Fritz, Aaron Hunt oder Marko Marin gehören derzeit nicht zum DFB-Aufgebot. Vorbei die Zeiten, als es für Werder-Profis einen Kleinbus brauchte, um zum Treffpunkt der Nationalmannschaft zu gelangen. Wiese bleibt da nur die Hoffnung: „Es würde mich freuen, wenn unsere Fraktion wieder größer wird – jetzt habe ich nur unseren Fitnesstrainer Benni Kugel, mit dem ich gemeinsam anreise.“

Ehrmann "formte" den jungen Keeper

Ausgebildet wurde Wiese in jungen Jahren in der Torwartschule des 1. FC Kaiserlautern. Regelmäßigen (telefonischen) Kontakt hält er bis heute zu seinem Förderer Gerald Ehrmann, dem FCK-Torwarttrainer. „Ich war 18 oder 19, als ich zu ihm kam, und dieses harte Training hat mir geholfen. Ein Torhüter muss Herz haben und bereit sein, Kopf und Kragen zu riskieren. Diese Einstellung, immer voll reinzugehen, vermittelt er einem.“ Zurückweichen oder wegducken war nie seine Sache, weshalb der 1,93-Meter-Mann speziell in Eins-gegen-Eins-Situationen volles Risko geht.

Dreimal hat er in seiner Bundesliga-Karriere schon die Rote Karte gesehen. Wer ihn dafür geißelt, verkennt jedoch, dass er in solchen Situationen auch mit vielen wagemutigen Paraden bei spektakulären Chancen gerettet hat. Als seine größte Stärke gelten ohnehin die sagenhaften Reflexe auf der Linie. Beweglichkeit, Gewandtheit und Sprungvermögen dienen als elementare Komponenten.

Vertragsverlängerung noch offen

Gute Haltungsnoten gibt der Tormann auch im Privatleben ab. Wiese wohnt im schicken Stadtteil Oberneuland und ist seit dem 20. Dezember 2010 verheiratet - im „Hochtiedshuus“ gab er seiner langjährigen Lebensgefährtin Grit Freiberg das Ja-Wort. Die größte Aufmerksamkeit gehört seiner Tochter Alina, die im kommenden Sommer eingeschult wird. Ob das allerdings tatsächlich in Bremen sein wird, gilt noch als ungewiss. Wiese gehört zu jenen Bremer Stützen, die sein aktueller Arbeitgeber wegen einer Vertragsverlängerung vorerst noch vertrösten muss.

Egal, was bis dahin passiert: Bei der EURO 2012 wird Tim Wiese mindestens einmal besonders im Blickpunkt stehen – wenn die Bundeskanzlerin auf der Tribüne sitzt und der DFB-Auswahl die Daumen drückt. Die besondere Beziehung zwischen der deutschen Nationalmannschaft und Angela Merkel ist bekannt, weniger die Rolle, die der Werder-Torhüter in dieser Verbindung einnimmt. „Wiese, Wiese, Wiese“, wann immer die Regierungschefin das Team besucht, wird Wiese von seinen Kollegen animiert, die Dankesrede zu halten. So war es bei der WM in Südafrika nach dem Spiel gegen Argentinien, so war es in Berlin nach dem Sieg in der EM-Qualifikation gegen die Türkei. Und so wird es auch bei der EM 2012 werden, wenn die Kanzlerin in der Kabine zu Besuch sein sollte. Wieder würde Wiese das Wort haben. Und die richtigen Worte finden.