Hansi Müller wird 60: "Werde noch als Europameister angekündigt"

Er wurde Europameister 1980 und Vizeweltmeister 1982. Seine Karriere in der Nationalmannschaft endete aber bereits mit 26 Jahren nach "nur" 42 Länderspielen. Heute feiert Hansi Müller seinen 60. Geburtstag. Im DFB.de-Interview spricht Hansi Müller mit Mitarbeiter Udo Muras  über seine Karriere und all das, was der Fußball ihm gegeben hat.

DFB.de: Zu Ihrem 50. Geburtstag haben Sie eine Neuauflage des WM-Finales 1982 zwischen Italien und Deutschland organisiert. Womit ist heute zu rechnen, wenn Sie 60 werden, Herr Müller?

Hansi Müller: Mit dem totalen Kontrastprogramm ohne Fußball und ohne Fußballer. Ich mache "Family pur". Meine Frau und ich erwarten 30 Leute aus ihrer und aus meiner Familie. Wir haben einen Biergarten reserviert, bei Regen können wir reingehen. Man muss ja nicht immer auf den Putz hauen. Allein die Vorbereitung des Spiels hat mich damals fünf Monate gekostet. Außerdem...

DFB.de: ... ja?

Müller: ... vor zehn Jahren hatte ich ja fast noch mein Kampfgewicht, davon kann jetzt nicht mehr die Rede sein.

DFB.de: Wie geht es Ihnen gesundheitlich?

Müller: Mir geht es gut. Einmal die Woche kicke ich noch mit meinen Jungs, auch in der VfB-Traditionsmannschaft bin ich zuweilen am Ball. Außerdem spielen meine Frau und ich Golf, wir haben jetzt Platzreife. Dabei können wir wunderschöne Stunden verbringen, auch mit meinem jüngsten Sohn Sandro (sieben Jahre; Anm. d. Red.).

DFB.de: 2015 sind Sie aus dem Aufsichtsrat des VfB ausgeschieden, aus dem Vorstand ja schon vor 16 Jahren. auch die Vermarktung von Fan-Labels haben Sie aufgegeben. Und zur Feier kommen also keine alten Weggefährten. Bedeutet Ihnen der Fußball nicht mehr so viel?

Müller: So kann man das wirklich nicht sagen. Ich bin ja weiter nah am VfB dran, bei allen Heimspielen da und habe auch für die gerade erfolgte Ausgliederung der Fußballabteilung geworben. Aber ich habe vor zwölf Jahren meine erste Frau verloren, mit Elke wieder eine Partnerin und bin zum dritten Mal Vater geworden. Das war so nicht geplant. Ich habe die Freiheit, nichts mehr unbedingt machen zu müssen, und nutze sie, für meine Familie da zu sein.

DFB.de: Eine Freiheit, die Sie dem Fußball zu verdanken haben. Zu Hause in Rot bei Stuttgart hatten Sie einen Bolzplatz vor der Tür, dann ging es zum VfB. Was blieb hängen von 13 Jahren mit dem roten Brustring?

Müller: Erinnerungen an eine wunderbare Zeit. Ich bin hier mit der A-Jugend 1975 Deutscher Meister geworden, ich habe den Wiederaufstieg in die Bundesliga erlebt, wo wir dann als Aufsteiger die meisten Zuschauer hatten. Jürgen Sundermann, unserem Trainer, ist es gelungen, den ganzen Verein wiederzubeleben. Und im zweiten Jahr 1978/1979 wurden wir Vizemeister. Da war ich schon Nationalspieler - und als VfB-Spieler wurde ich Europameister und fuhr zu zwei Weltmeisterschaften. Ich komme von hier und bleibe in dieser wunderschönen Gegend. Ich bin ein sehr stolzer und echter Schwabe.



Er wurde Europameister 1980 und Vizeweltmeister 1982. Seine Karriere in der Nationalmannschaft endete aber bereits mit 26 Jahren nach "nur" 42 Länderspielen. Heute feiert Hansi Müller seinen 60. Geburtstag. Im DFB.de-Interview spricht Hansi Müller mit Mitarbeiter Udo Muras  über seine Karriere und all das, was der Fußball ihm gegeben hat.

DFB.de: Zu Ihrem 50. Geburtstag haben Sie eine Neuauflage des WM-Finales 1982 zwischen Italien und Deutschland organisiert. Womit ist heute zu rechnen, wenn Sie 60 werden, Herr Müller?

Hansi Müller: Mit dem totalen Kontrastprogramm ohne Fußball und ohne Fußballer. Ich mache "Family pur". Meine Frau und ich erwarten 30 Leute aus ihrer und aus meiner Familie. Wir haben einen Biergarten reserviert, bei Regen können wir reingehen. Man muss ja nicht immer auf den Putz hauen. Allein die Vorbereitung des Spiels hat mich damals fünf Monate gekostet. Außerdem...

DFB.de: ... ja?

Müller: ... vor zehn Jahren hatte ich ja fast noch mein Kampfgewicht, davon kann jetzt nicht mehr die Rede sein.

DFB.de: Wie geht es Ihnen gesundheitlich?

Müller: Mir geht es gut. Einmal die Woche kicke ich noch mit meinen Jungs, auch in der VfB-Traditionsmannschaft bin ich zuweilen am Ball. Außerdem spielen meine Frau und ich Golf, wir haben jetzt Platzreife. Dabei können wir wunderschöne Stunden verbringen, auch mit meinem jüngsten Sohn Sandro (sieben Jahre; Anm. d. Red.).

DFB.de: 2015 sind Sie aus dem Aufsichtsrat des VfB ausgeschieden, aus dem Vorstand ja schon vor 16 Jahren. auch die Vermarktung von Fan-Labels haben Sie aufgegeben. Und zur Feier kommen also keine alten Weggefährten. Bedeutet Ihnen der Fußball nicht mehr so viel?

Müller: So kann man das wirklich nicht sagen. Ich bin ja weiter nah am VfB dran, bei allen Heimspielen da und habe auch für die gerade erfolgte Ausgliederung der Fußballabteilung geworben. Aber ich habe vor zwölf Jahren meine erste Frau verloren, mit Elke wieder eine Partnerin und bin zum dritten Mal Vater geworden. Das war so nicht geplant. Ich habe die Freiheit, nichts mehr unbedingt machen zu müssen, und nutze sie, für meine Familie da zu sein.

DFB.de: Eine Freiheit, die Sie dem Fußball zu verdanken haben. Zu Hause in Rot bei Stuttgart hatten Sie einen Bolzplatz vor der Tür, dann ging es zum VfB. Was blieb hängen von 13 Jahren mit dem roten Brustring?

Müller: Erinnerungen an eine wunderbare Zeit. Ich bin hier mit der A-Jugend 1975 Deutscher Meister geworden, ich habe den Wiederaufstieg in die Bundesliga erlebt, wo wir dann als Aufsteiger die meisten Zuschauer hatten. Jürgen Sundermann, unserem Trainer, ist es gelungen, den ganzen Verein wiederzubeleben. Und im zweiten Jahr 1978/1979 wurden wir Vizemeister. Da war ich schon Nationalspieler - und als VfB-Spieler wurde ich Europameister und fuhr zu zwei Weltmeisterschaften. Ich komme von hier und bleibe in dieser wunderschönen Gegend. Ich bin ein sehr stolzer und echter Schwabe.

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DFB.de: Ihr Start in die Bundesliga war furios.

Müller: Am ersten Spieltag 1977/1978 kamen gleich die Bayern zu uns. Mit vier Weltmeistern von 1974, plötzlich stand ich auf dem Platz mit Sepp Maier, Katsche Schwarzenbeck, Gerd Müller und Uli Hoeneß.

DFB.de: Und Sie haben sie ganz schön geärgert.

Müller: Wir haben zwei Elfmeter bekommen, und jedesmal schickten mich die Oldies zum Punkt. Ottmar Hitzfeld und Hermann Ohlicher wollten nicht und sagten: "Mach du das mal, Hansi!" Und wenn die Älteren dir was sagen, machst du das ja. Jedenfalls damals. Es wurden zwei Tore.

DFB.de: Am Ende der Saison fuhren Sie als einziger Stuttgarter mit zur WM 1978 nach Argentinien. Mit der Titelverteidigung wurde es ja nichts. Waren Sie sehr enttäuscht?

Müller: Zunächst schon, weil wir gegen Österreich auch das Spiel um Platz drei verpasst haben. Mit den entsprechenden Schlagzeilen. Doch zu Hause wurde ich fast so empfangen, als wenn wir Weltmeister geworden wären. Die Stuttgarter waren stolz auf mich, ich hatte ja immerhin vier von sechs Spielen gemacht und ein Tor geschossen.

DFB.de: Damit hatten Sie wohl selbst nicht gerechnet?

Müller: Nein. Ich flog mit der Erfahrung von zwei Länderspielen mit zur WM, keiner hatte mich auf der Rechnung. Ich war erst 20. Am Tag vor dem Eröffnungsspiel legte mir dann Helmut Schön den Arm um die Schulter und sagte: "Du spielst morgen, Hansi!" Es war ein ziemliches Grottenspiel (0:0 gegen Polen; Anm. d. Red.), aber oben auf der Tribüne saß der große Pelé und sagte, der Schwarzhaarige da unten erinnere ihn an den jungen Beckenbauer.

DFB.de: Und wie war Helmut Schön?

Müller: Ich habe ihn nur kurz erlebt, aber einen Satz von ihm habe ich mir gemerkt - weil er auch für andere Lebensbereiche gilt.

DFB.de: Nämlich?

Müller: Die großen Spieler erkennt man daran, dass sie die einfachen Dinge besonders gut machen. Und da hat er Recht.

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DFB.de: Nicht nur Pelé sah in Ihnen einen großen Spieler. Trotz Europameisterschaft 1980 und dem zweiten Platz bei der WM 1982, zu der Sie mit der Rückennummer 10 anreisten, gelten Sie als Unvollendeter. Sie bestritten ihr 42. und letztes Länderspiel mit 26. Wie resümieren Sie selbst Ihre Länderspielkarriere?

Müller: Sicherlich hätten es noch ein paar Spiele mehr sein können. Jupp Derwall wollte mich ja zur EM 1984 mitnehmen, wenn ich im letzten Testspiel gegen Italien überzeugt hätte. Vorher war ich acht Monate nicht dabei gewesen. Da habe ich mich geweigert, er kannte mich ja lange genug. Und wenn ich durchgefallen wäre, wäre ich doch der letzte Depp gewesen. Das hatte ich nicht mehr nötig. Und der Franz (Beckenbauer, damals Teamchef; Anm. d. Red.) machte mir vor der EM 1988 Avancen, da war ich schon in Innsbruck. Auch ihm sagte ich, dass ich nicht als Notnagel zur Verfügung stünde. Da kam dann auch nichts mehr.

DFB.de: Nur sechs ihrer 42 Länderspiele machten sie als Spieler von Inter Mailand. War Italien ein Fehler oder nur ein Missverständnis?

Müller: Es war damals doch so: Montags standen drei Zeilen in den deutschen Zeitungen über unser Spiel, und das war's. Bundestrainer Jupp Derwall hat mich - glaube ich - in zwei Jahren nur einmal beobachtet. Man war weg vom Fenster. Hinzu kam mein Pech mit dem Knie. Im September 1981 ist mir noch in der Bundesliga beim Spiel gegen Dortmund eine schwere Knieverletzung passiert. Danach ging es wieder, aber dann habe ich im November in Bochum noch einen mitgekriegt und musste auf den OP-Tisch. Das war mein Karriereknick. Eigentlich wollte ich die WM in Spanien sausen lassen und das Knie zur Ruhe kommen lassen.

DFB.de: Aber?

Müller: Im Februar 1982 hatte ich bei Inter Mailand unterschrieben. Und Jupp Derwall meinte nicht ganz zu Unrecht, dass sich die Italiener fragen würden, ob Sie einen Invaliden verpflichtet hätten, wenn ich nicht zur WM führe.

DFB.de: Dort kamen Sie dann nur zu zwei Einsätzen.

Müller: Der Plan war, dass mich Derwalls Assistent Berti Vogts im Einzeltraining an die Mannschaft heranführen sollte. Die Vorrunde sollte ohne mich laufen - und so kam es auch. Für mein Knie wäre es dennoch besser gewesen, wenn ich nicht jeden Tag Voltaren eingeworfen hätte. Immerhin habe ich 70 Minuten gegen England und 20 Minuten im Finale gespielt.

DFB.de: Das gegen Italien 1:3 verloren wurde...

Müller: Ja, aber allein dieser Einsatz war die ganze Quälerei wert. Ihn werde ich mein ganzes Leben nicht vergessen. Als ich für meinen Zimmerpartner Kalle Rummenigge eingewechselt wurde, war ich wie in Trance und schwebte einen Meter über dem Boden. Du bist unter den 22 besten Spielern der Welt, es ist ein absolutes Highlight für jeden Fußballer.

DFB.de: À propos Highlight, wir dürfen annehmen, Ihr größter Moment war der Triumph von Rom zwei Jahre zuvor?

Müller: Sicher. Wenn ich heute irgendwo bei einem Prominentenspiel bin, werde ich immer noch als Europameister angekündigt. Ich habe alle vier Spiele von Anfang an gemacht. Größer war das Turnier nicht - wenn ich da an heute denke. Damals war ich aber gar nicht so zufrieden mit mir, obwohl ich nach der EM zum besten Nachwuchsspieler des Jahres 1980 gewählt wurde.

DFB.de: Warum?

Müller: Im Finale gegen Belgien (2:1 durch zwei Tore von Horst Hrubesch; Anm. d. Red.) habe ich ein, zwei Dinger versemmelt, die hätten drin sein müssen. Allerdings möchte ich, rein von den Emotionen her, den Einzug ins UEFA-Cup-Halbfinale 1987 mit FC Swarovski Tirol/Innsbruck auf die gleiche Stufe stellen. Wir waren die absoluten Underdogs. Noch heute werde ich in Österreich auf Spiele dieser Saison angesprochen, etwa auf mein Eckballtor gegen den AC Turin oder den Sieg gegen Spartak Moskau auf knochenhart gefrorenem Boden.

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DFB.de: Europameister in Italien, WM-Zweiter gegen Italien. Als Sie 1982 zu Inter wechselten, mussten Sie sich wohl nicht mehr groß vorstellen?

Müller: Nein, zumal in der Kabine sechs Weltmeister saßen. Die haben mich dann immer mal gefrozzelt - weshalb es seine Vorteile hat, wenn man in einer fremden Sprache nicht alles gleich versteht.

DFB.de: Allerdings waren Sie schnell um Integration bemüht.

Müller: Das war mir auch wichtig. Ich habe die Sprache schnell gelernt und werde heute noch, nach 32 Jahren, zugeschaltet in italienische Sendungen, wenn beispielsweise eine italienische Mannschaft im Europacup auf eine deutsche trifft. Ich werde auch nie verstehen, warum ein Ausländer, der seit Jahren in der Bundesliga spielt, kein Wort Deutsch kann. Nicht alle sind gleich talentiert, aber es liegt vor allem am Willen. Und wenn einer bockt und zumacht, dann wird es nichts - auch nicht mit der Integration. Ein Thema, dem sich ja auch unsere Gesellschaft zunehmend annehmen muss.

DFB.de: Sie galten als großer Techniker, als echter "Zehner", denen in der Regel das Kämpferische gern abgesprochen wird. Wie kam es da zu vier Platzverweisen in der Saison 1986/1987 in Innsbruck?

Müller: Ich hatte dort in meiner ersten Saison Schonfrist, ein Bonusjahr bei den Schiedsrichtern. In der zweiten, scheint es, hatten sie sich abgesprochen und mich auf dem Kieker. Ich war aber auch Kapitän und kämpfte stärker als zuvor um Gerechtigkeit. Ich gebe zu, es war ein sehr trauriger Rekord, aber ich wurde nur für fünf Spiele gesperrt - das muss man auch erst mal schaffen. Der Richter in Wien, ein Herr Zimmermann, und ich waren am Schluss fast schon Freunde.

DFB.de: Sie wurden Zeit Ihres Lebens Hansi gerufen, auch Ihre E-Mailadresse und Homepage enthält die Verniedlichungsform. So nennen Menschen ihren Wellensittich. Wollten Sie nie einfach nur der Hans sein?

Müller: Nein. Es gab ja einen familiären Hintergrund. Ein Onkel von mir hieß Hansi, der kam nicht aus dem Krieg zurück. Die Eltern meines Vaters wünschten sich deshalb, dass sein Sohn Hansi heißen solle, und so wurde ich dann auch immer gerufen. Offiziell heiße ich natürlich Hans, aber das "i" lasse ich mir nicht mehr nehmen. Obwohl es mal geschehen ist.

DFB.de: Erzählen Sie!

Müller: Eines Tages, ich spielte schon etwas länger Bundesliga, erschien ich auf der Titelseite des Kicker, und dort stand ganz bewusst "Hans Müller". Weil ich ja ein gestandener Spieler und zum Mann geworden sei, wie der Tenor der Story war. Das Blatt war kaum erschienen, da bekam ich einen Anruf aus Herzogenaurach. Sponsor adidas bekniete mich, mir das "i" nicht nehmen zu lassen, weil es doch einen Schuh und einen Trainingsanzug "Hansi Müller" gab. Also habe ich in Interviews immer wieder betont, mit dem Hansi kein Problem zu haben.

DFB.de: Zum Abschluss: Was hat Ihnen der Fußball gegeben, Herr Müller?

Müller: Ich habe dem Fußball alles zu verdanken. Ich hatte eine sehr schöne Karriere, und Titel sind dabei gar nicht das Wichtigste. In Italien habe ich mit Inter und Como keine gewonnen, werde aber heute noch mit offenen Armen empfangen. Was zählt und bleibt, ist das Menschliche. Wie wunderbar es beispielsweise ist, sich als junger Mensch in einer Gruppe zu bewegen und Werte wie Zuverlässigkeit, Disziplin und Respekt vermittelt zu bekommen. Auch der Sport ist eine Schule des Lebens, die du aber unbewusst erlebst. Wer als Kind Fußball spielt, macht eine soziale Entwicklung durch und erfährt etwas über sich selbst und das Zusammenleben. Pokale in der Vitrine können das nicht.

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