Hannelore Ratzeburg: "Olympia-Gold fehlt noch"

Hannelore Ratzeburg, Vorstandsmitglied des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und zudem Vorsitzende des Ausschusses für Frauenfußball, hofft darauf, dass die Nationalmannschaft in Athen nach dem WM-Gewinn 2003 weiter Werbung in eigener Sache betreibt. Auch nach dem 0:1 am Mittwoch gegen Olympiasieger Norwegen in Hoffenheim und dem 3:1 gegen Nigeria am Samstag in Offenbach in einem 2. Testspiel glaubt sie an einen Erfolg: „Wir werden versuchen, nach der olympischen Krone zu greifen.“

Die Hamburgerin registriert den gestiegenen Stellenwert des Frauenfußballs in der Öffentlichkeit, sie räumt im Interview mit der DFB-Internetredaktion aber auch ein: „Zwischen Nationalteam und Alltag im Verein liegen noch Welten.“

Frage: Frau Ratzeburg, Olympia in Athen steht vor der Tür. Was ist das Besondere daran im Vergleich zu Welt- und Europameisterschaften?

Hannelore Ratzeburg: EM und WM sind schon auch etwas Besonderes, allerdings eher eine geschlossene Gesellschaft. Bei Olympia hingegen gibt es den Kontakt mit Sportlern anderer Disziplinen. Man kann mit ihnen reden und sehen, wie sie sich vorbereiten – das ist einfach ein besonderes Flair. Ich habe das 1996 in Atlanta miterlebt, nur bei den letzten Olympischen Spielen war ich leider nicht dabei.

Frage: Seinerzeit, 2000 in Sydney, verlor Deutschland unglücklich im Halbfinale gegen den späteren Olympiasieger Norwegen 0:1, holte aber immerhin noch Bronze. Diesmal gehen die deutschen Frauen als Mitfavorit ins Olympische Fußball-Turnier. Ist sogar Gold möglich?

Hannelore Ratzeburg: Dieser große Titel fehlt uns noch. Die DFB-Frauen werden in Athen versuchen, nach der olympischen Krone zu greifen. Und sie werden ja auch von vielen Fans und Experten als Favoriten gehandelt. Ob sie dieser Rolle gerecht werden können, hängt aber von vielen Faktoren ab: von der Einstellung und Form. Die Akklimatisierung spielt auch eine wichtige Rolle: Wie kommen die deutschen Spielerinnen mit der Hitze zurecht? Sie kommen ja aus einem „grün angestrichenen Winter“ ins heiße Athen. Außerdem hängt viel vom ersten Spiel gegen Mitfavorit China ab, der den Weltmeister sicher kippen und endlich selbst einmal den Titel gewinnen will.

Frage: Weltmeister wurde das Team von DFB-Trainerin Tina Theune-Meyer im Vorjahr in den USA. Was hat sich am Stellenwert des Frauenfußballs in der Öffentlichkeit geändert?

Hannelore Ratzeburg: Die Nationalmannschaft hat sehr viel dazu beigetragen, dass sich der Stellenwert enorm verbessert hat. Das verlorene Testspiel gegen Norwegen, dessen Ergebnis ich nicht überbewerte, fand um 18 Uhr statt. Eine werbeträchtige Zeit – vor der WM war dies noch nicht möglich. Unser Problem besteht darin, jenes neue Interesse auf den Vereinsfußball zu transportieren. Zwischen dem Nationalteam und dem Alltag in den Vereinen liegen noch Welten.

Frage: Hat der WM-Gewinn denn keinen Boom an der Basis ausgelöst?

Hannelore Ratzeburg: Wir warten noch gespannt auf die Zahlen, die derzeit für die neuen DFB-Statistiken ausgewertet werden. Bei uns in Hamburg hat es beispielsweise im Vergleich zum Vorjahr 17 Prozent Zuwachs bei den Mädchen gegeben. Ich bin überzeugt davon, dass die WM uns insgesamt viel Schwung verliehen hat.

Frage: Wie beurteilen Sie die Entwicklung in der Bundesliga, wo der neue Doublegewinner aus Potsdam nach Jahren der Dominanz des 1. FFC Frankfurt frischen Wind gebracht hat?

Hannelore Ratzeburg: Früher schien es doch so, als ob keiner an Frankfurt vorbei kommen könnte. Der 1. FFC war eine Macht, deshalb ist es fast tragisch, dass es zuletzt keinen Titel gab. Aber offensichtlich war die Zeit reif für Potsdam mit seiner guten Nachwuchsarbeit.

Frage: Was kommt nach den beiden großen Klubs?

Hannelore Ratzeburg: Wir müssen jetzt erst mal abwarten, ob es eine große Fluktuation bei den Spielerinnen gibt. Bad Neuenahr, Duisburg, München oder der HSV – sie alle haben eine Chance, wenn sie weiter kontinuierlich arbeiten und keine Unruhe im Umfeld zulassen.

Frage: Was versprechen Sie sich von der neu geschaffenen 2. Frauen-Bundesliga?

Hannelore Ratzeburg: Formal wird die Lücke zwischen der Bundesliga und Regionalliga geschlossen werden. Sportlich hoffe ich, dass alle Vereine gut gewappnet sind für die neue Klasse, von der noch keiner weiß, wie sie laufen wird. Für den Zuschauer-Zuspruch wäre es gut, wenn es in beiden Staffeln ausgeglichen und offen zuginge.

Frage: Welche Erkenntnisse haben Sie bei den jüngsten Staffel-Tagungen der beiden Ligen gewonnen?

Hannelore Ratzeburg: Wir haben ein großes Paket von Formalien erledigt: Neue Regeln und die neuen Anti-Doping-Richtlinien des DFB wurden vorgestellt, die Spielpläne gemacht. Was erfreulich ist: Viele Vereinsmitarbeiter sind engagiert und haben Ideen für den Frauenfußball, auch über die Bundesligen hinaus. Wir suchen jetzt einen Termin für eine Tagung, bei der die Perspektiven diskutiert werden können. Vielleicht ergeben sich daraus auch neue Chancen für den Mädchenfußball – denn das ist unsere Zukunft.

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Hannelore Ratzeburg, Vorstandsmitglied des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und zudem Vorsitzende des Ausschusses für Frauenfußball, hofft darauf, dass die Nationalmannschaft in Athen nach dem WM-Gewinn 2003 weiter Werbung in eigener Sache betreibt. Auch nach dem 0:1 am Mittwoch gegen Olympiasieger Norwegen in Hoffenheim und dem 3:1 gegen Nigeria am Samstag in Offenbach in einem 2. Testspiel glaubt sie an einen Erfolg: „Wir werden versuchen, nach der olympischen Krone zu greifen.“



Die Hamburgerin registriert den gestiegenen Stellenwert des Frauenfußballs in der Öffentlichkeit, sie räumt im Interview mit der DFB-Internetredaktion aber auch ein: „Zwischen Nationalteam und Alltag im Verein liegen noch Welten.“



Frage: Frau Ratzeburg, Olympia in Athen steht vor der Tür. Was ist das Besondere daran im Vergleich zu Welt- und Europameisterschaften?



Hannelore Ratzeburg: EM und WM sind schon auch etwas Besonderes, allerdings eher eine geschlossene Gesellschaft. Bei Olympia hingegen gibt es den Kontakt mit Sportlern anderer Disziplinen. Man kann mit ihnen reden und sehen, wie sie sich vorbereiten – das ist einfach ein besonderes Flair. Ich habe das 1996 in Atlanta miterlebt, nur bei den letzten Olympischen Spielen war ich leider nicht dabei.



Frage: Seinerzeit, 2000 in Sydney, verlor Deutschland unglücklich im Halbfinale gegen den späteren Olympiasieger Norwegen 0:1, holte aber immerhin noch Bronze. Diesmal gehen die deutschen Frauen als Mitfavorit ins Olympische Fußball-Turnier. Ist sogar Gold möglich?



Hannelore Ratzeburg: Dieser große Titel fehlt uns noch. Die DFB-Frauen werden in Athen versuchen, nach der olympischen Krone zu greifen. Und sie werden ja auch von vielen Fans und Experten als Favoriten gehandelt. Ob sie dieser Rolle gerecht werden können, hängt aber von vielen Faktoren ab: von der Einstellung und Form. Die Akklimatisierung spielt auch eine wichtige Rolle: Wie kommen die deutschen Spielerinnen mit der Hitze zurecht? Sie kommen ja aus einem „grün angestrichenen Winter“ ins heiße Athen. Außerdem hängt viel vom ersten Spiel gegen Mitfavorit China ab, der den Weltmeister sicher kippen und endlich selbst einmal den Titel gewinnen will.



Frage: Weltmeister wurde das Team von DFB-Trainerin Tina Theune-Meyer im Vorjahr in den USA. Was hat sich am Stellenwert des Frauenfußballs in der Öffentlichkeit geändert?



Hannelore Ratzeburg: Die Nationalmannschaft hat sehr viel dazu beigetragen, dass sich der Stellenwert enorm verbessert hat. Das verlorene Testspiel gegen Norwegen, dessen Ergebnis ich nicht überbewerte, fand um 18 Uhr statt. Eine werbeträchtige Zeit – vor der WM war dies noch nicht möglich. Unser Problem besteht darin, jenes neue Interesse auf den Vereinsfußball zu transportieren. Zwischen dem Nationalteam und dem Alltag in den Vereinen liegen noch Welten.



Frage: Hat der WM-Gewinn denn keinen Boom an der Basis ausgelöst?



Hannelore Ratzeburg: Wir warten noch gespannt auf die Zahlen, die derzeit für die neuen DFB-Statistiken ausgewertet werden. Bei uns in Hamburg hat es beispielsweise im Vergleich zum Vorjahr 17 Prozent Zuwachs bei den Mädchen gegeben. Ich bin überzeugt davon, dass die WM uns insgesamt viel Schwung verliehen hat.



Frage: Wie beurteilen Sie die Entwicklung in der Bundesliga, wo der neue Doublegewinner aus Potsdam nach Jahren der Dominanz des 1. FFC Frankfurt frischen Wind gebracht hat?



Hannelore Ratzeburg: Früher schien es doch so, als ob keiner an Frankfurt vorbei kommen könnte. Der 1. FFC war eine Macht, deshalb ist es fast tragisch, dass es zuletzt keinen Titel gab. Aber offensichtlich war die Zeit reif für Potsdam mit seiner guten Nachwuchsarbeit.



Frage: Was kommt nach den beiden großen Klubs?



Hannelore Ratzeburg: Wir müssen jetzt erst mal abwarten, ob es eine große Fluktuation bei den Spielerinnen gibt. Bad Neuenahr, Duisburg, München oder der HSV – sie alle haben eine Chance, wenn sie weiter kontinuierlich arbeiten und keine Unruhe im Umfeld zulassen.



Frage: Was versprechen Sie sich von der neu geschaffenen 2. Frauen-Bundesliga?



Hannelore Ratzeburg: Formal wird die Lücke zwischen der Bundesliga und Regionalliga geschlossen werden. Sportlich hoffe ich, dass alle Vereine gut gewappnet sind für die neue Klasse, von der noch keiner weiß, wie sie laufen wird. Für den Zuschauer-Zuspruch wäre es gut, wenn es in beiden Staffeln ausgeglichen und offen zuginge.



Frage: Welche Erkenntnisse haben Sie bei den jüngsten Staffel-Tagungen der beiden Ligen gewonnen?



Hannelore Ratzeburg: Wir haben ein großes Paket von Formalien erledigt: Neue Regeln und die neuen Anti-Doping-Richtlinien des DFB wurden vorgestellt, die Spielpläne gemacht. Was erfreulich ist: Viele Vereinsmitarbeiter sind engagiert und haben Ideen für den Frauenfußball, auch über die Bundesligen hinaus. Wir suchen jetzt einen Termin für eine Tagung, bei der die Perspektiven diskutiert werden können. Vielleicht ergeben sich daraus auch neue Chancen für den Mädchenfußball – denn das ist unsere Zukunft.