Hannelore Ratzeburg: Ihr letztes Spiel

Eine Ära geht zu Ende. Nach mehr als 40 Jahren Engagement für den Frauenfußball ist die Länderspielreise zum WM-Qualifikationsspiel in Portugal, das heute (ab 19 Uhr, live im Stream des ZDF) steigt, der letzte Einsatz für Hannelore Ratzeburg als Delegationsleiterin der DFB-Auswahl. "Ich blicke mit Stolz auf den Weg zurück, den wir gemeinsam gegangen sind", sagt die DFB-Vizepräsidentin für Gleichstellung, Frauen- und Mädchenfußball, die im März 2022 auch diese Funktion aufgeben wird. "Dieser Abschied kommt ja zum Glück nicht überraschend für mich, sondern ist lange geplant. Dennoch ist etwas Wehmut dabei. Es war zum Beispiel ein komisches Gefühl, als ich mich kürzlich in Braunschweig vor dem Heimspiel gegen die Türkei zum letzten Mal auf meinen Stammplatz im Mannschaftsbus gesetzt habe."

Dr. Rainer Koch, 1. DFB-Vizepräsident Amateure/Regional- und Landesverbände, würdigt seine langjährige Kollegin aus dem DFB-Präsidium: "Hannelore Ratzeburg ist seit 1982 Leiterin der Delegation der deutschen Frauen-Nationalmannschaft. Schon vorher hat sie sich sehr für die Belange des Frauenfußballs eingesetzt. Das ist nicht irgendein Spiel für sie, sondern ein ganz besonderes. Sie hat über Jahrzehnte unendlich viel Dampf gemacht. Seit der Geburtsstunde des Frauenfußballs in Deutschland 1970 hat sie nie locker gelassen und die Entwicklung vorangetrieben. Bezeichnend für ihre Leidenschaft ist, dass sie jetzt zum Ende ihrer Amtszeit nicht nachgiebiger bei den Themen geworden ist, sondern sich weiterhin für die nächsten Schritte einsetzt, die nun anstehen."

Voss-Tecklenburg: "Die Leistung ist nicht in Worte zu fassen"

Auch Martina Voss-Tecklenburg nutzt die Gelegenheit, um sich bei Ratzeburg zu bedanken. "Was Hannelore Ratzeburg für den Frauenfußball geleistet hat, ist nicht in Worte zu fassen - das ist eine Lebensleistung", betont die Bundestrainerin. "Sie hat mir persönlich in schwierigen Momenten geholfen. Wir werden erst merken, was wir an ihr hatten, wenn sie nicht mehr da ist. Was sie geleistet hat, spricht für sich."

Voss-Tecklenburg weiter: "Was mich total beeindruckt, ist ihr Langzeitgedächtnis. Sie weiß von Spielen, Orten, U-Teams - wann und wo sie war. Das zeigt, wie sie das Fußballleben gelebt hat. Sie hatte Freude daran, sich auch mal gegen den Wind zu stellen und sich Kritik gefallen zu lassen. Alles das wird am Ende fehlen. Aber ich bin sicher, dass wir Menschen haben, die sie zwar nicht Eins-zu-Eins ersetzen können, aber die Vorbereitungen, die sie getroffen hat, weiterführen werden. Sie ist eine Pionierin."

Seit 1977 im DFB für Frauenfußball engagiert

Ratzeburgs Vita ist geprägt vom Fußball. Sie spielte selbst, machte die C-Lizenz und trainierte eine Mädchenmannschaft, war Schiedsrichterin und Abteilungsleiterin im Verein. Besonders beim Hamburger Fußball-Verband erkannte man ihr Potenzial frühzeitig. Dort wurde sie 1974 zur Vorsitzenden des Ausschusses "Frauen- und Mädchenfußball" und 1980 in das Präsidium des HFV gewählt. Darüber hinaus wurde sie 1977 vom Bundestag in den DFB-Spielausschuss gewählt. Es war der Beginn einer steilen und beachtlichen Karriere, die sie 2007 zur Vizepräsidentin des DFB machte, mit den klaren Schwerpunkten Frauen- und Mädchenfußball.

Hannelore Ratzeburg hat in ihrer Funktionärskarriere wegweisende Entscheidungen getroffen oder zumindest angestoßen: Auf ihre Initiative hin wurde seit 1980 der DFB-Pokal der Frauen ausgerichtet. Außerdem hatte sie großen Einfluss darauf, dass eine Frauen-Nationalmannschaft sowie die Frauen-Bundesliga ins Leben gerufen wurden. Sie hat eine Talentförderung für junge Fußballerinnen etabliert und professionalisiert. Sie hat sich dafür stark gemacht, dass es Juniorinnen-Weltmeisterschaften gibt. Sie hat durchgesetzt, dass in den höchsten deutschen Frauen-Spielklassen ausschließlich Schiedsrichterinnen zum Einsatz kommen.

Viele konnten mit diesen Ideen nichts anfangen, für Ratzeburg waren es die normalsten Dinge der Welt. Warum sollte ein Frauenfußballspiel nicht von einer Schiedsrichterin geleitet werden? Sie ist auch stolz darauf, dass alle weiblichen Nationalmannschaften des DFB von Frauen trainiert werden: "Für mich ist das nur logisch. Und trotzdem ist diese Konstellation meines Wissens nach weltweit einmalig."

Verdienstorden von Köhler: "Sie ist Pionierin und Symbol"

Die 70-Jährige macht das alles aus absoluter Überzeugung. Sie organisiert lieber aus dem Hintergrund heraus, sie braucht nicht das Rampenlicht. Obwohl sie nicht in den Vordergrund drängt, bleibt ihr Engagement nicht ungewürdigt: 2009 bekam sie vom damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland verliehen. "Sie ist Pionierin und Symbol der rasanten Entwicklungsgeschichte des Frauenfußballs", begründete Köhler.

Zwei Jahre später erhielt Hannelore Ratzeburg von der hessischen Landesregierung den renommierten Elisabeth-Selbert-Preis. Hessens Sozialminister Stefan Grüttner ordnete dies so ein: "Der große Enthusiasmus von Hannelore Ratzeburg und ihre Hartnäckigkeit haben den Frauenfußball zu dem gemacht, was er heute ist. Damit hat sie, wie die Namensgeberin des Elisabeth-Selbert-Preises, ein Stück Gleichberechtigungsgeschichte geschrieben."

Abschied in Portugal: "Wir brauchen einen Sieg"

Ratzeburg nimmt diese Lobeshymnen wahr. Aber manchmal sind sie ihr unangenehm. Alles, was sie initiiert, macht sie für den Frauenfußball. Das war schon immer so, seit mehr as 40 Jahren, das wird sich in den letzten Tagen ihrer offiziellen Tätigkeit auch nicht mehr ändern.

Obwohl ihr Abschied unmittelbar bevorsteht, hat Ratzeburg vor allem das heutige WM-Qualifikationsspiel in Portugal im Blick. "Das ist eine sehr wichtige Begegnung für die Mannschaft", sagt sie. "Portugal liegt in der Tabelle nur zwei Punkte hinter uns. Wir brauchen einen Sieg, dann hätten wir ein gutes Jahr zu einem erfolgreichen Ende gebracht und einen großen Schritt in Richtung Weltmeisterschaft gemacht."

Und ganz nebenbei wäre es auch für Ratzeburg selbst das würdige Ende einer großen Ära. Verdient hat sie es.

[sw]

Eine Ära geht zu Ende. Nach mehr als 40 Jahren Engagement für den Frauenfußball ist die Länderspielreise zum WM-Qualifikationsspiel in Portugal, das heute (ab 19 Uhr, live im Stream des ZDF) steigt, der letzte Einsatz für Hannelore Ratzeburg als Delegationsleiterin der DFB-Auswahl. "Ich blicke mit Stolz auf den Weg zurück, den wir gemeinsam gegangen sind", sagt die DFB-Vizepräsidentin für Gleichstellung, Frauen- und Mädchenfußball, die im März 2022 auch diese Funktion aufgeben wird. "Dieser Abschied kommt ja zum Glück nicht überraschend für mich, sondern ist lange geplant. Dennoch ist etwas Wehmut dabei. Es war zum Beispiel ein komisches Gefühl, als ich mich kürzlich in Braunschweig vor dem Heimspiel gegen die Türkei zum letzten Mal auf meinen Stammplatz im Mannschaftsbus gesetzt habe."

Dr. Rainer Koch, 1. DFB-Vizepräsident Amateure/Regional- und Landesverbände, würdigt seine langjährige Kollegin aus dem DFB-Präsidium: "Hannelore Ratzeburg ist seit 1982 Leiterin der Delegation der deutschen Frauen-Nationalmannschaft. Schon vorher hat sie sich sehr für die Belange des Frauenfußballs eingesetzt. Das ist nicht irgendein Spiel für sie, sondern ein ganz besonderes. Sie hat über Jahrzehnte unendlich viel Dampf gemacht. Seit der Geburtsstunde des Frauenfußballs in Deutschland 1970 hat sie nie locker gelassen und die Entwicklung vorangetrieben. Bezeichnend für ihre Leidenschaft ist, dass sie jetzt zum Ende ihrer Amtszeit nicht nachgiebiger bei den Themen geworden ist, sondern sich weiterhin für die nächsten Schritte einsetzt, die nun anstehen."

Voss-Tecklenburg: "Die Leistung ist nicht in Worte zu fassen"

Auch Martina Voss-Tecklenburg nutzt die Gelegenheit, um sich bei Ratzeburg zu bedanken. "Was Hannelore Ratzeburg für den Frauenfußball geleistet hat, ist nicht in Worte zu fassen - das ist eine Lebensleistung", betont die Bundestrainerin. "Sie hat mir persönlich in schwierigen Momenten geholfen. Wir werden erst merken, was wir an ihr hatten, wenn sie nicht mehr da ist. Was sie geleistet hat, spricht für sich."

Voss-Tecklenburg weiter: "Was mich total beeindruckt, ist ihr Langzeitgedächtnis. Sie weiß von Spielen, Orten, U-Teams - wann und wo sie war. Das zeigt, wie sie das Fußballleben gelebt hat. Sie hatte Freude daran, sich auch mal gegen den Wind zu stellen und sich Kritik gefallen zu lassen. Alles das wird am Ende fehlen. Aber ich bin sicher, dass wir Menschen haben, die sie zwar nicht Eins-zu-Eins ersetzen können, aber die Vorbereitungen, die sie getroffen hat, weiterführen werden. Sie ist eine Pionierin."

Seit 1977 im DFB für Frauenfußball engagiert

Ratzeburgs Vita ist geprägt vom Fußball. Sie spielte selbst, machte die C-Lizenz und trainierte eine Mädchenmannschaft, war Schiedsrichterin und Abteilungsleiterin im Verein. Besonders beim Hamburger Fußball-Verband erkannte man ihr Potenzial frühzeitig. Dort wurde sie 1974 zur Vorsitzenden des Ausschusses "Frauen- und Mädchenfußball" und 1980 in das Präsidium des HFV gewählt. Darüber hinaus wurde sie 1977 vom Bundestag in den DFB-Spielausschuss gewählt. Es war der Beginn einer steilen und beachtlichen Karriere, die sie 2007 zur Vizepräsidentin des DFB machte, mit den klaren Schwerpunkten Frauen- und Mädchenfußball.

Hannelore Ratzeburg hat in ihrer Funktionärskarriere wegweisende Entscheidungen getroffen oder zumindest angestoßen: Auf ihre Initiative hin wurde seit 1980 der DFB-Pokal der Frauen ausgerichtet. Außerdem hatte sie großen Einfluss darauf, dass eine Frauen-Nationalmannschaft sowie die Frauen-Bundesliga ins Leben gerufen wurden. Sie hat eine Talentförderung für junge Fußballerinnen etabliert und professionalisiert. Sie hat sich dafür stark gemacht, dass es Juniorinnen-Weltmeisterschaften gibt. Sie hat durchgesetzt, dass in den höchsten deutschen Frauen-Spielklassen ausschließlich Schiedsrichterinnen zum Einsatz kommen.

Viele konnten mit diesen Ideen nichts anfangen, für Ratzeburg waren es die normalsten Dinge der Welt. Warum sollte ein Frauenfußballspiel nicht von einer Schiedsrichterin geleitet werden? Sie ist auch stolz darauf, dass alle weiblichen Nationalmannschaften des DFB von Frauen trainiert werden: "Für mich ist das nur logisch. Und trotzdem ist diese Konstellation meines Wissens nach weltweit einmalig."

Verdienstorden von Köhler: "Sie ist Pionierin und Symbol"

Die 70-Jährige macht das alles aus absoluter Überzeugung. Sie organisiert lieber aus dem Hintergrund heraus, sie braucht nicht das Rampenlicht. Obwohl sie nicht in den Vordergrund drängt, bleibt ihr Engagement nicht ungewürdigt: 2009 bekam sie vom damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland verliehen. "Sie ist Pionierin und Symbol der rasanten Entwicklungsgeschichte des Frauenfußballs", begründete Köhler.

Zwei Jahre später erhielt Hannelore Ratzeburg von der hessischen Landesregierung den renommierten Elisabeth-Selbert-Preis. Hessens Sozialminister Stefan Grüttner ordnete dies so ein: "Der große Enthusiasmus von Hannelore Ratzeburg und ihre Hartnäckigkeit haben den Frauenfußball zu dem gemacht, was er heute ist. Damit hat sie, wie die Namensgeberin des Elisabeth-Selbert-Preises, ein Stück Gleichberechtigungsgeschichte geschrieben."

Abschied in Portugal: "Wir brauchen einen Sieg"

Ratzeburg nimmt diese Lobeshymnen wahr. Aber manchmal sind sie ihr unangenehm. Alles, was sie initiiert, macht sie für den Frauenfußball. Das war schon immer so, seit mehr as 40 Jahren, das wird sich in den letzten Tagen ihrer offiziellen Tätigkeit auch nicht mehr ändern.

Obwohl ihr Abschied unmittelbar bevorsteht, hat Ratzeburg vor allem das heutige WM-Qualifikationsspiel in Portugal im Blick. "Das ist eine sehr wichtige Begegnung für die Mannschaft", sagt sie. "Portugal liegt in der Tabelle nur zwei Punkte hinter uns. Wir brauchen einen Sieg, dann hätten wir ein gutes Jahr zu einem erfolgreichen Ende gebracht und einen großen Schritt in Richtung Weltmeisterschaft gemacht."

Und ganz nebenbei wäre es auch für Ratzeburg selbst das würdige Ende einer großen Ära. Verdient hat sie es.

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