Hamburg gegen Bremen: Das ewige Nordderby

Es sind Duelle, die sich ins kollektive Gedächtnis der Fußballfans eingebrannt haben. Spiele für die ganz großen Emotionen - Begeisterung und Entsetzen, Siegestaumel und tiefe Trauer. Begegnungen, die Millionen von Menschen in ihren Bann ziehen, jedes Mal aufs Neue. Unvergessene Momente der Bundesligahistorie, 90 Minuten für die Ewigkeit, die normale Partien zu Klassikern gemacht haben.

Ein Spiel und seine Geschichte: In einer neuen Serie schaut der DFB.de-Autor und Historiker Udo Muras immer freitags während der Saison in die Chronik von ganz besonderen Bundesliga-Duellen, die aktuell anstehen. Heute: HSV gegen Werder Bremen, das Topspiel am Samstag (ab 15.30 Uhr, live bei Sky).

Werder im direkten Vergleich knapp vorne

Schon als es noch keinen Fußball gab, waren Hamburg und Bremen Konkurrenten. 1418 stritten sich die beiden Hanse-Städte, wer denn den Kaufmannsbund der Hanse eigentlich gegründet habe. Ihre besten Vereine, der HSV und der SV Werder, streiten seit Jahrzehnten um die Gunst der Fans.

Wer die Nummer eins im hohen Norden ist, darüber lässt sich trefflich streiten. Denn die Bilanz aus 139 Pflichtspielen im sogenannten Nordderby ist nahezu ausgeglichen, Werder hat die Nase knapp vorn mit 50:48 Siegen bei 41 Remis.

Der HSV kann für sich mehr Deutsche Meisterschaften (sechs gegenüber vier) reklamieren und den Fakt, immer in der Bundesliga gespielt zu haben, Werder Bremen verpasste durch Abstieg eine Saison (1980/1981). Dennoch ist es die am häufigsten gespielte Bundesligapaarung, am Samstag kommt es schon zur 94. Auflage.

Nur 1980/1981 kein Duell - Bremen war zweitklassig

Die Rivalität baute sich erst sehr langsam auf, vor dem Zweiten Weltkrieg gab es nur zwei Pflichtspiele, beide gingen an den HSV. Am 13. März 1927 (1:4) stieg vor 7000 Zuschauern die Premiere in einem Vorrundenspiel um die Deutsche Meisterschaft, am 1. September 1935 ging es im Tschammer-Pokal (alte Bezeichnung für den DFB-Pokal) dramatischer zu. Nach 2:3-Rückstand gewannen die Hamburger Gäste noch 5:4. Das Drama ist das bis dato am schlechtesten besuchte aller Nord-Derbys, nur 6600 Menschen sahen zu.

Danach blieben nur noch zwei Partien unter der 10.000er-Marke, HSV-Werder war fast immer ein Kassenschlager. Seit der Saison 1947/1948 spielten sie mit einer einzigen Ausnahme, besagter Bremer Zweitligasaison 1980/1981, stets in einer Liga und bekamen in 63 gemeinsamen Spielzeiten reichlich Gelegenheit einander zu ärgern.

Auch kein Erbarmen an Weihnachten

Der HSV beherrschte das zunächst besser: Erst im ominösen 13. Nord-Derby kam Werder zum ersten Sieg - das 4:3 am 30. November 1952 war umso überraschender, als dass der HSV als souveräner Tabellenführer ins Weserstadion gereist war. Doch Nationalspieler Herbert Burdenski überwand HSV-Torwart Schnoor schon in der dritten Minute aus 30 Metern und setzte ein Signal.

Obwohl der Gast bis zur 74. Mnute 3:2 führte, hieß der Sieger Werder, für das Bering und Klinge im Schlussspurt trafen. „HSV zu verspielt, zu sensibel geworden“, titelte das Sport Magazin recht eigentümlich. Nun brachen andere Zeiten im Norden an - ein Führungswechsel. Sechsmal in Folge hieß der Sieger Werder Bremen, das selbst an Weihnachten kein Erbarmen kannte und am 26. Dezember 1954 zum dritten Mal in Serie den Rothenbaum stürmte (3:2).

Streit am Grünen Tisch

In diese Zeit fiel auch ein Scharmützel am Grünen Tisch, dass das Verhältnis der Rivalen nicht gerade verbesserte. Das verbotene Abwerbeangebot an den Bremer Nationalspieler Willy Schröder, der 15.000 D-Mark Handgeld erhalten hatte, flog auf und kostete den HSV 1953 vier Punkte.

Zum Abschluss der Werder-Serie sahen im März 1955 in diesem Oberliga-Derby unerreichte 32.000 Zuschauer einen 3:1-Heimerfolg. Wieder schlug Werder den aktuellen Tabellenführer, dem auch seine große Sturmhoffnung nicht helfen konnte: „Stopper Heye ließ Uwe Seeler keine Chance“, schrieb das Sport Magazin. HSV-Weltmeister Jupp Posipal sagte den Reportern: „Wir wollten gewinnen, uns aber nicht übernehmen.“

Zurückhaltung empfahl sich allerdings nicht in jenen Tagen, als der HSV gegen Werder ohne Chance war. Null Punkte zwischen November 1952 und März 1955 - das gab es nie wieder in diesem Derby. Kurios, dass der HSV in den Jahren, in denen die Bremer ihn demütigten, dennoch mit einer Ausnahme (1953/1954) Meister wurde.

Kantersiege eine absolute Seltenheit

Torreich und hart umkämpft waren die Duelle meist, Kantersiege waren absolute Seltenheit. So fällt der 5. August 1959 aus dem Rahmen, als der HSV noch in der Vorqualifikation zum DFB-Pokal die Bremer am Rothenbaum mit 9:1 überfuhr. An einem regnerischen Mittwochabend kassierte Werder die höchste Niederlage seit über 30 Jahren. Uwe Seeler hatte daran mit drei Toren seinen Anteil, Kamerad Klaus Neisner (4) übertraf ihn sogar noch.

Werder haderte mit Torwart Heini Kokartis, dem das Sport Magazin „einen schwarzen Tag“ attestierte. Natürlich war dies das höchste Derbyresultat aller Zeiten. Für die Bremer mag es ein kleiner Trost gewesen sein, dem kommenden Meister unterlegen gewesen zu sein.

Auf 30.000 Zuschauer verzichtet

Dessen Überlegenheit bekamen sie auch im Punktspiel am 2. April 1960 noch mal zu spüren, als es der HSV etwas gnädiger machte (5:2). Erst ein Doppelschlag von Uwe Seeler entschied die bis zur 62. Minute noch offene Partie, die vor nur 20.000 Zuschauern stattfand trotz riesigen Interesses. „Der HSV verzichtete auf weitere 30.000 Zuschauer, die ins Volksparkstadion gekommen wären, um der Mannschaft den Platzvorteil am Rothenbaum nicht zu nehmen“, schreibt das Sport Magazin.

Es sind die letzten Tage des Amateurfußballs, noch ist Geld nicht alles und die Mehreinnahmen durch den Umzug in ein neues und weit größeres Stadion weniger wert als Punkte. Der kommende Bundestrainer Helmut Schön hat noch ein Ticket bekommen und lobt: „Es war ein gutes Spiel mit einem enormen Tempo.“

HSV-Heimniederlage bei Rekordkulisse

Ein Jahr vor Bundesligastart zieht man dann doch in den Volkspark und setzt einen neuen Rekordwert fürs Derby: 47.000 sehen am 14. Oktober 1962 ein 1:1. Als die Oberligazeit endet, liegt Werder nach Siegen in dieser Epoche knapp vorn (13:12), obwohl es nie Oberligameister geworden war - während dem HSV das fast jedes Jahr geglückt war.

In der Bundesliga baute Werder die Bilanz zu seinen Gunsten aus und überstand die ersten vier Jahre ohne Derbyniederlage. Im September 1964 kam es im Weserstadion im 39. Derby übrigens zum ersten 0:0. Im Rückspiel wurde der HSV bei Dauerregen regelrecht nass gemacht und quittierte seine höchste Heimniederlage gegen Werder (0:4), damals auf dem Weg zur Deutschen Meisterschaft.

Klaus Matischak sorgte mit einem Doppelschlag für eine klare Pausenführung, das Eigentor von Uwe Seelers Bruder Dieter für die Entscheidung, das 0:4 markierte Pico Schütz aus 22 Metern. Hinterher wunderte er sich: „So leicht haben wir uns den Gang ins Volksparkstadion nicht vorgestellt.“ Ausgerechnet bei dieser Partie meldete der HSV Rekordbesuch: 55.000!

Dörfel-Brüder sorgen für ersten HSV-Sieg in der Bundesliga

Dabei war es das erste torlose Hamburger Bundesliga-Heimspiel überhaupt, und Stopper Willi Giesmann schob Frust: „Bei uns wissen einige Spieler überhaupt nicht um die Ehre, in einer HSV-Mannschaft spielen zu dürfen.“ Noch drei teils deftige Hamburger Niederlagen folgten, ehe sich das Blatt 1967/1968 wendete. Beide Spiele gewann der HSV, das 4:1 im Weserstadion beendete gleich zu Saisonbeginn am 19. August dessen Serie von acht sieglosen Derbys.

Nach dem ersten Bundesligasieg des HSV gegen Werder sah es zunächst nicht aus, Rupp brachte Werder in Führung. Doch der überragende Hans Schulz glich noch vor der Pause aus, dann trafen die Dörfel-Brüder und Jürgen Kurbjuhn binnen 22 Minuten. Das 1:4 von Charly Dörfel war ein Fallrückzieher und symbolisierte die Genugtuung im HSV-Lager nach all dem Derby-Frust zuvor. Mehrmals stürmten euphorische HSV-Fans während des Spiels den Rasen.

Kurios: Matchwinner Hans Schulz war der Sohn von Werders Ligaobmann Fred Schulz, der sich später wand: „Ich möchte zu der Leistung meines Sohnes gar nichts sagen. Nur soviel: Ich weiß dass er nach dem Weggang aus Bremen darauf gebrannt hat, im Weserstadion noch mal ein großes Spiel zu zeigen.“ Eine weitere Besonderheit bot dieses Spiel: Es sah die erste Auswechslung der Bundesliga-Geschichte. Als sich HSV Torwart Arkoc Öczan nach 18 Minuten den kleinen Finger brach, durfte Ersatzkeeper Schwerin ins Tor. Die Regel war gerade erst eingeführt worden.

Nachwehen des Bundesliga-Skandals spürbar

Nun drehte sich das Blatt in diesem Derby: Zehn Duelle lang blieb der HSV ungeschlagen, darunter allerdings eine kuriose Remisserie von fünf Spielen zwischen 1. Februar 1969 und 17. April 1971. Erst in einem Pokalspiel riss im Februar 1972 die Bremer Pechserie, im Weserstadion hieß es 4:2 - und weil es im damals üblichen Rückspiel nur ein 0:1 (durch Seelers letztes Derbytor) setzte, zog Werder ins Viertelfinale ein.

Die Nachwehen des Bundesliga-Skandals bekam auch das Derby zu spüren, Werders 4:0-Heimsieg im Juni 1972 fand vor der geringsten Kulisse (8000) in der Bundesliga statt. Wer kam, sah gleich zwei Elfmetertore von Werder-Verteidiger Horst-Dieter Höttges.

In den Siebzigern hatten beide Klubs ihre Krisen und mit der Meisterschaft wenig zu tun. Der HSV tröstete seinen Anhang allerdings mit nationalem (1976) und internationalem Pokalsieg (1977) und avancierte Ende des Jahrzehnts zur unumstrittenen Nummer eins im Norden.

0:5 in Hamburg und der Abstieg

Erst recht, als er unter Trainer Branco Zebec 1979 erstmals Bundesliga-Meister wurde. Werder trotzte ihm in dieser Saison dennoch zwei Remis ab. Besonders ärgerlich das 2:2 im Volkspark im März 1979, als Benno Möhlmann und Uwe Reinders noch in den letzten sieben Minuten zwei Tore für die Gäste schossen.

Im Jahr darauf war Werder dazu nicht mehr in der Lage, unterlag in Hamburg 0:5 (drei Tore von Horst Hrubesch) und spielte wie ein Absteiger - der man im Mai 1980 auch definitiv war. Erstmals seit 1947 trat eine längere (Zwangs-) Pause ein im Nordderby. Doch seit 28. November 1981 (3:2 für Werder) findet es jedes Jahr zweimal statt.

Trauriger Tiefpunkt: Fan stirbt auf Weg zum Stadion

1982/1983 schrieb es gleich doppelt Geschichte: Vor dem Pokalspiel in Hamburg starb erstmals in Deutschland ein Fan auf dem Weg zum Stadion durch eine Hooligan-Attacke, der 16-jährige Bremer Adrian Maleika wurde Opfer eines feigen Steinwurfes.

Am 29. Januar 1983 riss in Bremen die längste Serie der Bundesliga-Historie: Erstmals nach 36 Spielen und 378 Tagen verlor Meister HSV wieder ein Spiel (2:3), und erneut schoss der spätere HSV-Trainer Benno Möhlmann ein wichtiges Tor (3:1). Auch Frank Neubarth und Rudi Völler trafen gegen die Happel-Elf. Horst Hrubesch war beeindruckt: „Werder hat das Zeug zum Deutschen Meister.“

Dessen Trainer Otto Rehhagel prophezeite gönnerhaft: „Der HSV kann die Niederlage verschmerzen.“ Doch am Ende fehlten Werder nur acht Tore zum Titel, den der HSV im Juni verteidigte. Kurz zuvor hatte er bereits den Europacup gewonnen. Obwohl Werder 1983 seine womöglich beste Bundesligaelf überhaupt hatte, blieb der HSV die Eins im Norden.

Jakobs am Haken - das Karriereende

In Bremen konnte er allerdings erst wieder gewinnen, als Werder ihn abgelöst hatte. Nach dem vorzeitigen Gewinn der Meisterschaft fehlte den übermüdeten Werderanern im Mai 1988 beim 1:4 schlicht die letzte Motivation.

Am 20. September 1989 schrieb das Derby wieder ein trauriges Kapitel Bundesliga-Historie: HSV-Abwehrchef Ditmar Jakobs blieb nach einer Rettungsaktion an einem Karabinerhaken im Netz hängen. Man musste ihn nach 20 Minuten mit einem Skalpell befreien, Nervenbahnen am Rücken wurden dabei durchtrennt.

Der Vizeweltmeister von 1986 konnte nie mehr spielen und leidet bis heute unter den Folgen des Unfalls. Auch das Resultat (4:0 für den HSV) fiel aus dem Rahmen, zwischen 1989 und 1993 verlor Werder nur zwei Nordderbys und war wieder obenauf.

Seltsam ereignislose Duelle in 90er-Jahren

Das 5:0 am 29. Mai 1993 im Weserstadion hatte allerdings ein „Gschmäckle“, weil der HSV mit etlichen Reservisten antrat, Torwart Nils Bahr erfuhr erst 20 Minuten vor Anpfiff durch Trainer Benno Möhlmann, einer Werder-Legende, von seinem Einsatz. Werder zog prompt mit diesem Kantersieg am 33. Spieltag an den Bayern vorbei, weshalb deren Vizepräsident Karl-Heinz Rummenigge von „einer ganz üblen norddeutschen Provinzposse“ sprach. Es half nichts: Werder Bremen wurde prompt Meister.

Es folgten zwei HSV-Siege in Bremen, noch heute schwärmen Fans vom 4:1 (nach 0:1) am 6. Oktober 1994 - übrigens einem Donnerstag. Die HSV-Legionäre Letchkov, Houbtchev und Zarate trafen direkt ins Bremer Herz. Und der nach München wechselnde Otto Rehhagel verlor sein letztes Heimderby, was in seiner Ära selten vorgekommen war (zehn Siege, zwei Remis, drei Niederlagen).

Es folgten dürre Jahre. Werder wartete elf Jahre auf die Meisterschaft, der HSV gewann sie gar nicht mehr. Auch die Derbys waren zwischen 1994 und 2000 waren seltsam ereignislos, allein fünf 0:0 stehen in den Annalen. Dass sich Werder nach der Jahrtausendwende wieder zu einer Spitzenmannschaft mauserte, schlägt sich darin aber auch nieder: Am 22. September 2001 wurde der Rekordauswärtssieg von 1965 (4:0) eingestellt. Während Werder-Trainer Thomas Schaaf euphorisiert von einer „Traumelf“ sprach, fragte der Kicker besorgt: „Steigt der HSV ab?“

Kantersieg der Bremer lässt die Bayern schimpfen

Das geschah bekanntlich noch immer nicht, auch wenn es sich zuweilen so anfühlte. Im Mai 2004 wiederholte sich das Schauspiel von 1993: Wieder kam Werder zu Hause zu einem leichten Sieg (6:0) über desolate Hamburger, wieder stand der Ersatztorwart im Kasten und wieder schimpften die Bayern. Rummenigge war erneut Wortführer: „Es ist ein Riesenschaden für den deutschen Fußball entstanden.“ Im Wissen um die gelebte Rivalität beider Fanlager und auch der Mannschaften fehlt jedoch der Glaube, dass sich diese Klubs etwas schenken könnten.

So war es auch alles andere als Absicht, als der Ex-Bremer Ailton am letzten Spieltag der Saison 2005/2006 freistehend eine Riesenchance für den HSV vergab. So gewann Werder in Hamburg das Endspiel um die Champions-League-Teilnahme mit 2:1. Miroslav Klose schoss das millionenschwere Siegtor und sicherte sich zudem die Kanone für den besten Torschützen der Saison. Das Spiel hatte wegweisende Bedeutung für die nächste Zukunft: Immer wenn es besonders wichtig wurde, lachte fortan Werder Bremen.

Im Dezember 2007 ging es für den HSV "nur" um die Chance auf die Herbstmeisterschaft, aber auch das wäre den Fans eines so nach Titeln dürstenden Klubs einiges wert gewesen - doch Werder gewann 2:1. Dann kam das legendäre Frühjahr 2009, als sich die beiden binnen 19 Tagen viermal gegenüberstanden. In der Liga (2:0 für Werder), im DFB-Pokal (4:2 nach Elfmeterschießen für Werder, Tim Wiese hält in Hamburg drei Elfmeter) und vor allem im UEFA-Cup-Halbfinale, das Werder nach 0:1-Heimpleite dennoch gewann.

Die berühmteste Papierkugel der Fußballgeschichte

Die Auswärtstore bei diesem 3:2 in Hamburg gaben den Ausschlag, wenngleich sich eigentlich fast alles auf eine Papierkugel reduzieren lässt. Das Überbleibsel einer Fan-Choreographie war der Star des Abends an jenem 7. Mai 2009. Denn sie verursachte einen Eckstoß, weil der Ball versprang und vom HSVer Gravgaard nicht mehr zu kontrollieren war. Aus der Ecke entstand prompt das entscheidende 1:3 durch Frank Baumann.

Zum Schaden kam für den HSV nun noch der Spott. Beim Bundesligaspiel in Bremen drei Tage später hüpfte eine überdimensionale Papierkugel durch die Reihen der Werder-Fans, während das Original von Sat.1 aufgetrieben wurde und trotz einiger Zweifel an seiner Echtheit Eingang ins Werder-Museum fand. Bremens Torsten Frings sagte nach dem Vier-Spiele-Derby-Marathon: „Der HSV hat nur noch getreten. Wir wollten sie mit Spielintelligenz düpieren.“

Das gelang seitdem nur noch einmal - im Hinspiel dieser Saison gewann Werder 3:2. In Erinnerung blieben die Hamburger Aufholjagd von 0:2 auf 2:2 und die Standpauke für HSV-Spieler Piotr Trochowski, den Trainer Armin Veh nach dessen spielentscheidendem Ballverlust noch auf dem Feld zusammenfaltete. Verständlich, dieses Derby will einfach keiner verlieren.

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Es sind Duelle, die sich ins kollektive Gedächtnis der Fußballfans eingebrannt haben. Spiele für die ganz großen Emotionen - Begeisterung und Entsetzen, Siegestaumel und tiefe Trauer. Begegnungen, die Millionen von Menschen in ihren Bann ziehen, jedes Mal aufs Neue. Unvergessene Momente der Bundesligahistorie, 90 Minuten für die Ewigkeit, die normale Partien zu Klassikern gemacht haben.

Ein Spiel und seine Geschichte: In einer neuen Serie schaut der DFB.de-Autor und Historiker Udo Muras immer freitags während der Saison in die Chronik von ganz besonderen Bundesliga-Duellen, die aktuell anstehen. Heute: HSV gegen Werder Bremen, das Topspiel am Samstag (ab 15.30 Uhr, live bei Sky).

Werder im direkten Vergleich knapp vorne

Schon als es noch keinen Fußball gab, waren Hamburg und Bremen Konkurrenten. 1418 stritten sich die beiden Hanse-Städte, wer denn den Kaufmannsbund der Hanse eigentlich gegründet habe. Ihre besten Vereine, der HSV und der SV Werder, streiten seit Jahrzehnten um die Gunst der Fans.

Wer die Nummer eins im hohen Norden ist, darüber lässt sich trefflich streiten. Denn die Bilanz aus 139 Pflichtspielen im sogenannten Nordderby ist nahezu ausgeglichen, Werder hat die Nase knapp vorn mit 50:48 Siegen bei 41 Remis.

Der HSV kann für sich mehr Deutsche Meisterschaften (sechs gegenüber vier) reklamieren und den Fakt, immer in der Bundesliga gespielt zu haben, Werder Bremen verpasste durch Abstieg eine Saison (1980/1981). Dennoch ist es die am häufigsten gespielte Bundesligapaarung, am Samstag kommt es schon zur 94. Auflage.

Nur 1980/1981 kein Duell - Bremen war zweitklassig

Die Rivalität baute sich erst sehr langsam auf, vor dem Zweiten Weltkrieg gab es nur zwei Pflichtspiele, beide gingen an den HSV. Am 13. März 1927 (1:4) stieg vor 7000 Zuschauern die Premiere in einem Vorrundenspiel um die Deutsche Meisterschaft, am 1. September 1935 ging es im Tschammer-Pokal (alte Bezeichnung für den DFB-Pokal) dramatischer zu. Nach 2:3-Rückstand gewannen die Hamburger Gäste noch 5:4. Das Drama ist das bis dato am schlechtesten besuchte aller Nord-Derbys, nur 6600 Menschen sahen zu.

Danach blieben nur noch zwei Partien unter der 10.000er-Marke, HSV-Werder war fast immer ein Kassenschlager. Seit der Saison 1947/1948 spielten sie mit einer einzigen Ausnahme, besagter Bremer Zweitligasaison 1980/1981, stets in einer Liga und bekamen in 63 gemeinsamen Spielzeiten reichlich Gelegenheit einander zu ärgern.

Auch kein Erbarmen an Weihnachten

Der HSV beherrschte das zunächst besser: Erst im ominösen 13. Nord-Derby kam Werder zum ersten Sieg - das 4:3 am 30. November 1952 war umso überraschender, als dass der HSV als souveräner Tabellenführer ins Weserstadion gereist war. Doch Nationalspieler Herbert Burdenski überwand HSV-Torwart Schnoor schon in der dritten Minute aus 30 Metern und setzte ein Signal.

Obwohl der Gast bis zur 74. Mnute 3:2 führte, hieß der Sieger Werder, für das Bering und Klinge im Schlussspurt trafen. „HSV zu verspielt, zu sensibel geworden“, titelte das Sport Magazin recht eigentümlich. Nun brachen andere Zeiten im Norden an - ein Führungswechsel. Sechsmal in Folge hieß der Sieger Werder Bremen, das selbst an Weihnachten kein Erbarmen kannte und am 26. Dezember 1954 zum dritten Mal in Serie den Rothenbaum stürmte (3:2).

Streit am Grünen Tisch

In diese Zeit fiel auch ein Scharmützel am Grünen Tisch, dass das Verhältnis der Rivalen nicht gerade verbesserte. Das verbotene Abwerbeangebot an den Bremer Nationalspieler Willy Schröder, der 15.000 D-Mark Handgeld erhalten hatte, flog auf und kostete den HSV 1953 vier Punkte.

Zum Abschluss der Werder-Serie sahen im März 1955 in diesem Oberliga-Derby unerreichte 32.000 Zuschauer einen 3:1-Heimerfolg. Wieder schlug Werder den aktuellen Tabellenführer, dem auch seine große Sturmhoffnung nicht helfen konnte: „Stopper Heye ließ Uwe Seeler keine Chance“, schrieb das Sport Magazin. HSV-Weltmeister Jupp Posipal sagte den Reportern: „Wir wollten gewinnen, uns aber nicht übernehmen.“

Zurückhaltung empfahl sich allerdings nicht in jenen Tagen, als der HSV gegen Werder ohne Chance war. Null Punkte zwischen November 1952 und März 1955 - das gab es nie wieder in diesem Derby. Kurios, dass der HSV in den Jahren, in denen die Bremer ihn demütigten, dennoch mit einer Ausnahme (1953/1954) Meister wurde.

Kantersiege eine absolute Seltenheit

Torreich und hart umkämpft waren die Duelle meist, Kantersiege waren absolute Seltenheit. So fällt der 5. August 1959 aus dem Rahmen, als der HSV noch in der Vorqualifikation zum DFB-Pokal die Bremer am Rothenbaum mit 9:1 überfuhr. An einem regnerischen Mittwochabend kassierte Werder die höchste Niederlage seit über 30 Jahren. Uwe Seeler hatte daran mit drei Toren seinen Anteil, Kamerad Klaus Neisner (4) übertraf ihn sogar noch.

Werder haderte mit Torwart Heini Kokartis, dem das Sport Magazin „einen schwarzen Tag“ attestierte. Natürlich war dies das höchste Derbyresultat aller Zeiten. Für die Bremer mag es ein kleiner Trost gewesen sein, dem kommenden Meister unterlegen gewesen zu sein.

Auf 30.000 Zuschauer verzichtet

Dessen Überlegenheit bekamen sie auch im Punktspiel am 2. April 1960 noch mal zu spüren, als es der HSV etwas gnädiger machte (5:2). Erst ein Doppelschlag von Uwe Seeler entschied die bis zur 62. Minute noch offene Partie, die vor nur 20.000 Zuschauern stattfand trotz riesigen Interesses. „Der HSV verzichtete auf weitere 30.000 Zuschauer, die ins Volksparkstadion gekommen wären, um der Mannschaft den Platzvorteil am Rothenbaum nicht zu nehmen“, schreibt das Sport Magazin.

Es sind die letzten Tage des Amateurfußballs, noch ist Geld nicht alles und die Mehreinnahmen durch den Umzug in ein neues und weit größeres Stadion weniger wert als Punkte. Der kommende Bundestrainer Helmut Schön hat noch ein Ticket bekommen und lobt: „Es war ein gutes Spiel mit einem enormen Tempo.“

HSV-Heimniederlage bei Rekordkulisse

Ein Jahr vor Bundesligastart zieht man dann doch in den Volkspark und setzt einen neuen Rekordwert fürs Derby: 47.000 sehen am 14. Oktober 1962 ein 1:1. Als die Oberligazeit endet, liegt Werder nach Siegen in dieser Epoche knapp vorn (13:12), obwohl es nie Oberligameister geworden war - während dem HSV das fast jedes Jahr geglückt war.

In der Bundesliga baute Werder die Bilanz zu seinen Gunsten aus und überstand die ersten vier Jahre ohne Derbyniederlage. Im September 1964 kam es im Weserstadion im 39. Derby übrigens zum ersten 0:0. Im Rückspiel wurde der HSV bei Dauerregen regelrecht nass gemacht und quittierte seine höchste Heimniederlage gegen Werder (0:4), damals auf dem Weg zur Deutschen Meisterschaft.

Klaus Matischak sorgte mit einem Doppelschlag für eine klare Pausenführung, das Eigentor von Uwe Seelers Bruder Dieter für die Entscheidung, das 0:4 markierte Pico Schütz aus 22 Metern. Hinterher wunderte er sich: „So leicht haben wir uns den Gang ins Volksparkstadion nicht vorgestellt.“ Ausgerechnet bei dieser Partie meldete der HSV Rekordbesuch: 55.000!

Dörfel-Brüder sorgen für ersten HSV-Sieg in der Bundesliga

Dabei war es das erste torlose Hamburger Bundesliga-Heimspiel überhaupt, und Stopper Willi Giesmann schob Frust: „Bei uns wissen einige Spieler überhaupt nicht um die Ehre, in einer HSV-Mannschaft spielen zu dürfen.“ Noch drei teils deftige Hamburger Niederlagen folgten, ehe sich das Blatt 1967/1968 wendete. Beide Spiele gewann der HSV, das 4:1 im Weserstadion beendete gleich zu Saisonbeginn am 19. August dessen Serie von acht sieglosen Derbys.

Nach dem ersten Bundesligasieg des HSV gegen Werder sah es zunächst nicht aus, Rupp brachte Werder in Führung. Doch der überragende Hans Schulz glich noch vor der Pause aus, dann trafen die Dörfel-Brüder und Jürgen Kurbjuhn binnen 22 Minuten. Das 1:4 von Charly Dörfel war ein Fallrückzieher und symbolisierte die Genugtuung im HSV-Lager nach all dem Derby-Frust zuvor. Mehrmals stürmten euphorische HSV-Fans während des Spiels den Rasen.

Kurios: Matchwinner Hans Schulz war der Sohn von Werders Ligaobmann Fred Schulz, der sich später wand: „Ich möchte zu der Leistung meines Sohnes gar nichts sagen. Nur soviel: Ich weiß dass er nach dem Weggang aus Bremen darauf gebrannt hat, im Weserstadion noch mal ein großes Spiel zu zeigen.“ Eine weitere Besonderheit bot dieses Spiel: Es sah die erste Auswechslung der Bundesliga-Geschichte. Als sich HSV Torwart Arkoc Öczan nach 18 Minuten den kleinen Finger brach, durfte Ersatzkeeper Schwerin ins Tor. Die Regel war gerade erst eingeführt worden.

Nachwehen des Bundesliga-Skandals spürbar

Nun drehte sich das Blatt in diesem Derby: Zehn Duelle lang blieb der HSV ungeschlagen, darunter allerdings eine kuriose Remisserie von fünf Spielen zwischen 1. Februar 1969 und 17. April 1971. Erst in einem Pokalspiel riss im Februar 1972 die Bremer Pechserie, im Weserstadion hieß es 4:2 - und weil es im damals üblichen Rückspiel nur ein 0:1 (durch Seelers letztes Derbytor) setzte, zog Werder ins Viertelfinale ein.

Die Nachwehen des Bundesliga-Skandals bekam auch das Derby zu spüren, Werders 4:0-Heimsieg im Juni 1972 fand vor der geringsten Kulisse (8000) in der Bundesliga statt. Wer kam, sah gleich zwei Elfmetertore von Werder-Verteidiger Horst-Dieter Höttges.

In den Siebzigern hatten beide Klubs ihre Krisen und mit der Meisterschaft wenig zu tun. Der HSV tröstete seinen Anhang allerdings mit nationalem (1976) und internationalem Pokalsieg (1977) und avancierte Ende des Jahrzehnts zur unumstrittenen Nummer eins im Norden.

0:5 in Hamburg und der Abstieg

Erst recht, als er unter Trainer Branco Zebec 1979 erstmals Bundesliga-Meister wurde. Werder trotzte ihm in dieser Saison dennoch zwei Remis ab. Besonders ärgerlich das 2:2 im Volkspark im März 1979, als Benno Möhlmann und Uwe Reinders noch in den letzten sieben Minuten zwei Tore für die Gäste schossen.

Im Jahr darauf war Werder dazu nicht mehr in der Lage, unterlag in Hamburg 0:5 (drei Tore von Horst Hrubesch) und spielte wie ein Absteiger - der man im Mai 1980 auch definitiv war. Erstmals seit 1947 trat eine längere (Zwangs-) Pause ein im Nordderby. Doch seit 28. November 1981 (3:2 für Werder) findet es jedes Jahr zweimal statt.

Trauriger Tiefpunkt: Fan stirbt auf Weg zum Stadion

1982/1983 schrieb es gleich doppelt Geschichte: Vor dem Pokalspiel in Hamburg starb erstmals in Deutschland ein Fan auf dem Weg zum Stadion durch eine Hooligan-Attacke, der 16-jährige Bremer Adrian Maleika wurde Opfer eines feigen Steinwurfes.

Am 29. Januar 1983 riss in Bremen die längste Serie der Bundesliga-Historie: Erstmals nach 36 Spielen und 378 Tagen verlor Meister HSV wieder ein Spiel (2:3), und erneut schoss der spätere HSV-Trainer Benno Möhlmann ein wichtiges Tor (3:1). Auch Frank Neubarth und Rudi Völler trafen gegen die Happel-Elf. Horst Hrubesch war beeindruckt: „Werder hat das Zeug zum Deutschen Meister.“

Dessen Trainer Otto Rehhagel prophezeite gönnerhaft: „Der HSV kann die Niederlage verschmerzen.“ Doch am Ende fehlten Werder nur acht Tore zum Titel, den der HSV im Juni verteidigte. Kurz zuvor hatte er bereits den Europacup gewonnen. Obwohl Werder 1983 seine womöglich beste Bundesligaelf überhaupt hatte, blieb der HSV die Eins im Norden.

Jakobs am Haken - das Karriereende

In Bremen konnte er allerdings erst wieder gewinnen, als Werder ihn abgelöst hatte. Nach dem vorzeitigen Gewinn der Meisterschaft fehlte den übermüdeten Werderanern im Mai 1988 beim 1:4 schlicht die letzte Motivation.

Am 20. September 1989 schrieb das Derby wieder ein trauriges Kapitel Bundesliga-Historie: HSV-Abwehrchef Ditmar Jakobs blieb nach einer Rettungsaktion an einem Karabinerhaken im Netz hängen. Man musste ihn nach 20 Minuten mit einem Skalpell befreien, Nervenbahnen am Rücken wurden dabei durchtrennt.

Der Vizeweltmeister von 1986 konnte nie mehr spielen und leidet bis heute unter den Folgen des Unfalls. Auch das Resultat (4:0 für den HSV) fiel aus dem Rahmen, zwischen 1989 und 1993 verlor Werder nur zwei Nordderbys und war wieder obenauf.

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Seltsam ereignislose Duelle in 90er-Jahren

Das 5:0 am 29. Mai 1993 im Weserstadion hatte allerdings ein „Gschmäckle“, weil der HSV mit etlichen Reservisten antrat, Torwart Nils Bahr erfuhr erst 20 Minuten vor Anpfiff durch Trainer Benno Möhlmann, einer Werder-Legende, von seinem Einsatz. Werder zog prompt mit diesem Kantersieg am 33. Spieltag an den Bayern vorbei, weshalb deren Vizepräsident Karl-Heinz Rummenigge von „einer ganz üblen norddeutschen Provinzposse“ sprach. Es half nichts: Werder Bremen wurde prompt Meister.

Es folgten zwei HSV-Siege in Bremen, noch heute schwärmen Fans vom 4:1 (nach 0:1) am 6. Oktober 1994 - übrigens einem Donnerstag. Die HSV-Legionäre Letchkov, Houbtchev und Zarate trafen direkt ins Bremer Herz. Und der nach München wechselnde Otto Rehhagel verlor sein letztes Heimderby, was in seiner Ära selten vorgekommen war (zehn Siege, zwei Remis, drei Niederlagen).

Es folgten dürre Jahre. Werder wartete elf Jahre auf die Meisterschaft, der HSV gewann sie gar nicht mehr. Auch die Derbys waren zwischen 1994 und 2000 waren seltsam ereignislos, allein fünf 0:0 stehen in den Annalen. Dass sich Werder nach der Jahrtausendwende wieder zu einer Spitzenmannschaft mauserte, schlägt sich darin aber auch nieder: Am 22. September 2001 wurde der Rekordauswärtssieg von 1965 (4:0) eingestellt. Während Werder-Trainer Thomas Schaaf euphorisiert von einer „Traumelf“ sprach, fragte der Kicker besorgt: „Steigt der HSV ab?“

Kantersieg der Bremer lässt die Bayern schimpfen

Das geschah bekanntlich noch immer nicht, auch wenn es sich zuweilen so anfühlte. Im Mai 2004 wiederholte sich das Schauspiel von 1993: Wieder kam Werder zu Hause zu einem leichten Sieg (6:0) über desolate Hamburger, wieder stand der Ersatztorwart im Kasten und wieder schimpften die Bayern. Rummenigge war erneut Wortführer: „Es ist ein Riesenschaden für den deutschen Fußball entstanden.“ Im Wissen um die gelebte Rivalität beider Fanlager und auch der Mannschaften fehlt jedoch der Glaube, dass sich diese Klubs etwas schenken könnten.

So war es auch alles andere als Absicht, als der Ex-Bremer Ailton am letzten Spieltag der Saison 2005/2006 freistehend eine Riesenchance für den HSV vergab. So gewann Werder in Hamburg das Endspiel um die Champions-League-Teilnahme mit 2:1. Miroslav Klose schoss das millionenschwere Siegtor und sicherte sich zudem die Kanone für den besten Torschützen der Saison. Das Spiel hatte wegweisende Bedeutung für die nächste Zukunft: Immer wenn es besonders wichtig wurde, lachte fortan Werder Bremen.

Im Dezember 2007 ging es für den HSV "nur" um die Chance auf die Herbstmeisterschaft, aber auch das wäre den Fans eines so nach Titeln dürstenden Klubs einiges wert gewesen - doch Werder gewann 2:1. Dann kam das legendäre Frühjahr 2009, als sich die beiden binnen 19 Tagen viermal gegenüberstanden. In der Liga (2:0 für Werder), im DFB-Pokal (4:2 nach Elfmeterschießen für Werder, Tim Wiese hält in Hamburg drei Elfmeter) und vor allem im UEFA-Cup-Halbfinale, das Werder nach 0:1-Heimpleite dennoch gewann.

Die berühmteste Papierkugel der Fußballgeschichte

Die Auswärtstore bei diesem 3:2 in Hamburg gaben den Ausschlag, wenngleich sich eigentlich fast alles auf eine Papierkugel reduzieren lässt. Das Überbleibsel einer Fan-Choreographie war der Star des Abends an jenem 7. Mai 2009. Denn sie verursachte einen Eckstoß, weil der Ball versprang und vom HSVer Gravgaard nicht mehr zu kontrollieren war. Aus der Ecke entstand prompt das entscheidende 1:3 durch Frank Baumann.

Zum Schaden kam für den HSV nun noch der Spott. Beim Bundesligaspiel in Bremen drei Tage später hüpfte eine überdimensionale Papierkugel durch die Reihen der Werder-Fans, während das Original von Sat.1 aufgetrieben wurde und trotz einiger Zweifel an seiner Echtheit Eingang ins Werder-Museum fand. Bremens Torsten Frings sagte nach dem Vier-Spiele-Derby-Marathon: „Der HSV hat nur noch getreten. Wir wollten sie mit Spielintelligenz düpieren.“

Das gelang seitdem nur noch einmal - im Hinspiel dieser Saison gewann Werder 3:2. In Erinnerung blieben die Hamburger Aufholjagd von 0:2 auf 2:2 und die Standpauke für HSV-Spieler Piotr Trochowski, den Trainer Armin Veh nach dessen spielentscheidendem Ballverlust noch auf dem Feld zusammenfaltete. Verständlich, dieses Derby will einfach keiner verlieren.