Gwinn: "Ich gehe mittlerweile meinen eigenen Weg"

Der 31. Oktober 1970 markiert einen Meilenstein in der Geschichte des deutschen Frauenfußballs – er wurde an diesem Tag vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) offiziell in seine Satzung aufgenommen. Seitdem sind bald 50 Jahre vergangen. Fünf Jahrzehnte, in denen viele Persönlichkeiten den Weg bereitet haben. Sie haben gestaltet, motiviert und inspiriert – damals wie heute. 50 Jahre, 50 Gesichter: In der großen Serie zum Jubiläum rückt DFB.de prägende Persönlichkeiten in den Fokus. Heute: Giulia Gwinn, Nationalspielerin des Jahres 2019.

Für Giulia Gwinn war die Sache früh klar. Sie will Fußball spielen. Sie will nicht tanzen, nicht Leichtathletik machen, nicht zum Taekwondo gehen. Diesen Plan hatten ihre Eltern für die junge Giulia. Die junge Giulia allerdings hatte ihren eigenen Plan, ihre eigenen Vorstellungen. "Mit acht Jahren hatten Mama und Papa endlich ein Einsehen und haben mir erlaubt, im Verein Fußball zu spielen", sagt Gwinn. Zum Glück muss man hinzufügen. Denn heute ist sie eine der talentiertesten Spielerinnen in Deutschland. 2019 ist sie zu Deutschlands Fußballerin des Jahres gewählt worden. Sie ist eine der zahlreichen Hoffnungsträgerinnen im deutschen Frauenfußball. Und ihre Eltern sind auch glücklich.

Im Grunde hatte Gwinn gar keine andere Möglichkeit, als Fußball zu spielen. Wie soll das gehen, wenn man zwei größere Brüder hat, die jeden Tag auf den Bolzplatz neben dem Haus gehen? Wie soll das gehen, wenn sich der gesamte Freundeskreis direkt nach der Schule trifft, um kicken zu gehen? "Ich war immer dabei, weil ich mich durch meine Brüder schon immer gut mit Jungs verstanden habe und mich eher mit ihnen getroffen habe als mit Mädchen in meinem Alter", sagt Gwinn.

"Wenn ein blöder Spruch kam, haben mich die Jungs verteidigt"

Die 20-Jährige hat bis zu ihrem 16. Lebensjahr ausschließlich mit Jungs in der Mannschaft gespielt. Erst bei der TSG Ailingen, danach beim VfB Friedrichshafen, dem FV Ravensburg und dem SV Weingarten. "Das war eine super Zeit für mich persönlich", sagt Gwinn im Rückblick. "Die Jungs haben mich immer als vollwertiges Mannschaftsmitglied angesehen. Und wenn wirklich mal ein blöder Spruch von einem Gegner kam, haben sie mich immer direkt verteidigt. Ich denke sehr gerne an diese Zeit zurück und bin dankbar dafür. Der Kontakt zu vielen ist logischerweise nach wie vor vorhanden."

Mit 16 Jahren machte Gwinn dann den nächsten Schritt. Weg aus der Heimat, weg von der Familie, weg von den Freunden. Hinein in die weite Welt des Fußballs, hinein in die Jugendabteilung des SC Freiburg. "Es ist nicht einfach, so jung sein Zuhause zu verlassen", sagt Gwinn. "Ich habe teilweise gelitten und musste mich durchbeißen. Aber rückblickend war es natürlich die richtige Entscheidung." In Freiburg ist Gwinn erwachsen geworden – der Fußball war die wichtige Konstante auf ihrem Weg in ein eigenständiges Leben. "Ich bin den Verantwortlichen dort sehr dankbar, wie sie mich in der teilweise schweren Zeit unterstützt haben", sagt Gwinn.

Auch sportlich ging es Schlag auf Schlag. Im September 2015 – mit 16 Jahren – hat sie ihr Debüt in der Frauen-Bundesliga gefeiert. Ein paar Wochen später ist ihr das erste Tor in der höchsten deutschen Spielklasse gelungen. "Es war eine sehr ereignisreiche Zeit. Ich war das Küken in der Mannschaft. Die älteren Spielerinnen haben mir sehr geholfen. Für mich ist ein Traum in Erfüllung gegangen, als ich es tatsächlich in die Bundesliga geschafft hatte."

Durchbruch bei der WM 2019 in Frankreich

Es war allerdings nur ein erster Schritt auf dem Weg nach oben. Dieser war nicht wie eine Achterbahnfahrt. Es ging nicht steil aufwärts und manchmal genauso schnell wieder herunter. Es war eher ein konstanter Aufstieg – bis in die Spitze des deutschen Frauenfußballs. Spätestens seit ihrem Debüt für die A-Nationalmannschaft im November 2017 bei einem 4:0 gegen Frankreich ist sie ganz oben angekommen. Fast schon die logische Folge war zur Saison 2019/2020 ihr Wechsel zum FC Bayern München. Ihre Zeit in Freiburg war lehrreich und wichtig, aber dann war der richtige Zeitpunkt für den nächsten Schritt gekommen. "Im Vergleich zu den Bedingungen, die ich zuvor von den Jungs kannte, waren die Bedingungen in Freiburg schon sehr professionell. Bayern München allerdings ist noch einmal eine ganz andere Welt. Der Verein bietet uns überragende Möglichkeiten", sagt sie.

Ihr Durchbruch auf der ganz großen Bühne war schließlich die Weltmeisterschaft 2019 in Frankreich. Auch wenn das Turnier für die DFB-Auswahl mit dem Ausscheiden im Viertelfinale gegen Schweden ein unglückliches Ende genommen hatte, wurde Gwinn hinterher zur besten jungen Spielerin des Turniers gewählt. Sie hatte unter anderem im ersten deutschen Gruppenspiel gegen China das entscheidende 1:0 gemacht. "Für mich persönlich lief die WM natürlich super", sagt Gwinn. "Die Auszeichnung ist eine große Ehre. Aber insgesamt waren wir hinterher sehr enttäuscht, weil wir uns viel mehr vorgenommen hatten und viel mehr möglich gewesen wäre."

Inzwischen ist Gwinn längst eine der bekanntesten deutschen Fußballerinnen. Sie beherrscht nicht nur das Spiel auf dem Rasen. Sie weiß auch, wie man mit den sozialen Netzwerken umgeht. Auf Instagram beispielsweise lässt sie inzwischen über 230.000 Menschen an ihrem Leben teilhaben. "Das ist ein wichtiger Kanal für mich, um in direkten Kontakt mit meinen Fans treten zu können", sagt Gwinn. "Deren Feedback ist mir sehr wichtig. Ich nehme das sehr ernst."

"Ein Leben ohne Fußball ist überhaupt nicht vorstellbar"

Für Gwinn haben sich alle die Mühen und die Entbehrungen, die sie auf sich genommen hat, längst ausgezahlt. Sie hat ihr Hobby zum Beruf gemacht. "Ein Leben ohne den Fußball ist für mich derzeit überhaupt nicht vorstellbar", sagt sie. "Ich bin glücklich darüber, wie es gekommen ist."

Aber ihr Weg ist natürlich noch nicht zu Ende. Ihre früheren Vorbilder im Frauenfußball haben Titel über Titel gesammelt. "Ich habe als junges Mädchen immer zu Birgit Prinz aufgeschaut", sagt Gwinn. "Auch Simone Laudehr und Alexandra Popp beeindruckten mich schon damals mit ihren Leistungen und ihrem öffentlichen Auftreten. Heute stehe ich mit ihnen teilweise zusammen auf dem Platz, gehe mittlerweile aber meinen eigenen Weg."

Aber der ganz große Titel fehlt eben noch in Gwinns Vita. Klar, sie war vor drei Jahren U 17-Europameisterin mit dem DFB-Nachwuchs. Im Finale gab es ein 3:2 nach Elfmeterschießen gegen die Spanierinnen. Ein großer Erfolg, zweifellos. Aber in naher Zukunft will sie mit dem FC Bayern nachlegen, auch mit der A-Nationalmannschaft. Gwinn wird mir ihrer Qualität ein wichtiger Mosaikstein auf dem Weg dorthin sein.

[sw]

Der 31. Oktober 1970 markiert einen Meilenstein in der Geschichte des deutschen Frauenfußballs – er wurde an diesem Tag vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) offiziell in seine Satzung aufgenommen. Seitdem sind bald 50 Jahre vergangen. Fünf Jahrzehnte, in denen viele Persönlichkeiten den Weg bereitet haben. Sie haben gestaltet, motiviert und inspiriert – damals wie heute. 50 Jahre, 50 Gesichter: In der großen Serie zum Jubiläum rückt DFB.de prägende Persönlichkeiten in den Fokus. Heute: Giulia Gwinn, Nationalspielerin des Jahres 2019.

Für Giulia Gwinn war die Sache früh klar. Sie will Fußball spielen. Sie will nicht tanzen, nicht Leichtathletik machen, nicht zum Taekwondo gehen. Diesen Plan hatten ihre Eltern für die junge Giulia. Die junge Giulia allerdings hatte ihren eigenen Plan, ihre eigenen Vorstellungen. "Mit acht Jahren hatten Mama und Papa endlich ein Einsehen und haben mir erlaubt, im Verein Fußball zu spielen", sagt Gwinn. Zum Glück muss man hinzufügen. Denn heute ist sie eine der talentiertesten Spielerinnen in Deutschland. 2019 ist sie zu Deutschlands Fußballerin des Jahres gewählt worden. Sie ist eine der zahlreichen Hoffnungsträgerinnen im deutschen Frauenfußball. Und ihre Eltern sind auch glücklich.

Im Grunde hatte Gwinn gar keine andere Möglichkeit, als Fußball zu spielen. Wie soll das gehen, wenn man zwei größere Brüder hat, die jeden Tag auf den Bolzplatz neben dem Haus gehen? Wie soll das gehen, wenn sich der gesamte Freundeskreis direkt nach der Schule trifft, um kicken zu gehen? "Ich war immer dabei, weil ich mich durch meine Brüder schon immer gut mit Jungs verstanden habe und mich eher mit ihnen getroffen habe als mit Mädchen in meinem Alter", sagt Gwinn.

"Wenn ein blöder Spruch kam, haben mich die Jungs verteidigt"

Die 20-Jährige hat bis zu ihrem 16. Lebensjahr ausschließlich mit Jungs in der Mannschaft gespielt. Erst bei der TSG Ailingen, danach beim VfB Friedrichshafen, dem FV Ravensburg und dem SV Weingarten. "Das war eine super Zeit für mich persönlich", sagt Gwinn im Rückblick. "Die Jungs haben mich immer als vollwertiges Mannschaftsmitglied angesehen. Und wenn wirklich mal ein blöder Spruch von einem Gegner kam, haben sie mich immer direkt verteidigt. Ich denke sehr gerne an diese Zeit zurück und bin dankbar dafür. Der Kontakt zu vielen ist logischerweise nach wie vor vorhanden."

Mit 16 Jahren machte Gwinn dann den nächsten Schritt. Weg aus der Heimat, weg von der Familie, weg von den Freunden. Hinein in die weite Welt des Fußballs, hinein in die Jugendabteilung des SC Freiburg. "Es ist nicht einfach, so jung sein Zuhause zu verlassen", sagt Gwinn. "Ich habe teilweise gelitten und musste mich durchbeißen. Aber rückblickend war es natürlich die richtige Entscheidung." In Freiburg ist Gwinn erwachsen geworden – der Fußball war die wichtige Konstante auf ihrem Weg in ein eigenständiges Leben. "Ich bin den Verantwortlichen dort sehr dankbar, wie sie mich in der teilweise schweren Zeit unterstützt haben", sagt Gwinn.

Auch sportlich ging es Schlag auf Schlag. Im September 2015 – mit 16 Jahren – hat sie ihr Debüt in der Frauen-Bundesliga gefeiert. Ein paar Wochen später ist ihr das erste Tor in der höchsten deutschen Spielklasse gelungen. "Es war eine sehr ereignisreiche Zeit. Ich war das Küken in der Mannschaft. Die älteren Spielerinnen haben mir sehr geholfen. Für mich ist ein Traum in Erfüllung gegangen, als ich es tatsächlich in die Bundesliga geschafft hatte."

Durchbruch bei der WM 2019 in Frankreich

Es war allerdings nur ein erster Schritt auf dem Weg nach oben. Dieser war nicht wie eine Achterbahnfahrt. Es ging nicht steil aufwärts und manchmal genauso schnell wieder herunter. Es war eher ein konstanter Aufstieg – bis in die Spitze des deutschen Frauenfußballs. Spätestens seit ihrem Debüt für die A-Nationalmannschaft im November 2017 bei einem 4:0 gegen Frankreich ist sie ganz oben angekommen. Fast schon die logische Folge war zur Saison 2019/2020 ihr Wechsel zum FC Bayern München. Ihre Zeit in Freiburg war lehrreich und wichtig, aber dann war der richtige Zeitpunkt für den nächsten Schritt gekommen. "Im Vergleich zu den Bedingungen, die ich zuvor von den Jungs kannte, waren die Bedingungen in Freiburg schon sehr professionell. Bayern München allerdings ist noch einmal eine ganz andere Welt. Der Verein bietet uns überragende Möglichkeiten", sagt sie.

Ihr Durchbruch auf der ganz großen Bühne war schließlich die Weltmeisterschaft 2019 in Frankreich. Auch wenn das Turnier für die DFB-Auswahl mit dem Ausscheiden im Viertelfinale gegen Schweden ein unglückliches Ende genommen hatte, wurde Gwinn hinterher zur besten jungen Spielerin des Turniers gewählt. Sie hatte unter anderem im ersten deutschen Gruppenspiel gegen China das entscheidende 1:0 gemacht. "Für mich persönlich lief die WM natürlich super", sagt Gwinn. "Die Auszeichnung ist eine große Ehre. Aber insgesamt waren wir hinterher sehr enttäuscht, weil wir uns viel mehr vorgenommen hatten und viel mehr möglich gewesen wäre."

Inzwischen ist Gwinn längst eine der bekanntesten deutschen Fußballerinnen. Sie beherrscht nicht nur das Spiel auf dem Rasen. Sie weiß auch, wie man mit den sozialen Netzwerken umgeht. Auf Instagram beispielsweise lässt sie inzwischen über 230.000 Menschen an ihrem Leben teilhaben. "Das ist ein wichtiger Kanal für mich, um in direkten Kontakt mit meinen Fans treten zu können", sagt Gwinn. "Deren Feedback ist mir sehr wichtig. Ich nehme das sehr ernst."

"Ein Leben ohne Fußball ist überhaupt nicht vorstellbar"

Für Gwinn haben sich alle die Mühen und die Entbehrungen, die sie auf sich genommen hat, längst ausgezahlt. Sie hat ihr Hobby zum Beruf gemacht. "Ein Leben ohne den Fußball ist für mich derzeit überhaupt nicht vorstellbar", sagt sie. "Ich bin glücklich darüber, wie es gekommen ist."

Aber ihr Weg ist natürlich noch nicht zu Ende. Ihre früheren Vorbilder im Frauenfußball haben Titel über Titel gesammelt. "Ich habe als junges Mädchen immer zu Birgit Prinz aufgeschaut", sagt Gwinn. "Auch Simone Laudehr und Alexandra Popp beeindruckten mich schon damals mit ihren Leistungen und ihrem öffentlichen Auftreten. Heute stehe ich mit ihnen teilweise zusammen auf dem Platz, gehe mittlerweile aber meinen eigenen Weg."

Aber der ganz große Titel fehlt eben noch in Gwinns Vita. Klar, sie war vor drei Jahren U 17-Europameisterin mit dem DFB-Nachwuchs. Im Finale gab es ein 3:2 nach Elfmeterschießen gegen die Spanierinnen. Ein großer Erfolg, zweifellos. Aber in naher Zukunft will sie mit dem FC Bayern nachlegen, auch mit der A-Nationalmannschaft. Gwinn wird mir ihrer Qualität ein wichtiger Mosaikstein auf dem Weg dorthin sein.

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