Grossers Karriere: "Venedig statt Wembley"

Peter Grossers erstes Länderspiel war ein sehr wichtiges: Zum Abschluss der Qualifikation für die WM 1966 musste in Schweden unbedingt ein Sieg her. Das Vorhaben gelang. Und der Debütant hatte daran großen Anteil. Grosser bereitete den Siegtreffer von Uwe Seeler vor. Für die Endrunde der WM wurde er dennoch nicht berücksichtigt.

Überhaupt kam Grosser nach der Premiere nur noch zur Derniere, lediglich zwei Länderspiele stehen für ihn zu Buche. Zum DFB.de-Interview bittet Grosser in das "Löwen-Stüberl". In dieser legendären Vereinsgaststätte spricht er über die Umstände seiner unvollendeten Karriere als Nationalspieler, seine dreifache Münchner Fußball-"Staatsbürgerschaft" und über private Schicksalsschläge.

DFB.de: Herr Grosser, wann waren Sie das letzte Mal bei einem Heimspiel von 1860 München und haben sich richtig gefreut?

Peter Grosser: Das ist gar nicht lange her, Anfang Dezember gegen Zwickau. Da haben die Sechziger nach langer Zeit mal wieder 2:0 gewonnen und ich konnte mich über eine Superleistung der Mannschaft freuen.

DFB.de: Sie sind also bis heute ein Löwe mit Leib und Seele?

Grosser: Mein Herz schlägt für drei Vereine. Für den FC Bayern, der ursprünglich mein Verein war. Für die SpVg Unterhaching, bei der ich bis zum Ende meiner Fußballkarriere als Trainer und Funktionär tätig war. Und natürlich die Sechziger, denen ich mich mit Haut und Haaren zugehörig fühle.

DFB.de: Sie haben sechs Jahre für die Sechziger gespielt.

Grosser: Es waren sensationelle Jahre, deren Erfolge die Fans bis heute im Hinterkopf haben. DFB-Pokalsieg 1964, Europapokal-Finale 1965 und schließlich der Meistertitel 1966.

DFB.de: Wie sieht es mit Ihrer Verbundenheit mit dem FC Bayern aus? Dort sind Sie als Fußballer erwachsen geworden und haben in den fünf Jahren bis zur Gründung der Bundesliga 1963 in 134 Oberliga-Spielen 49 Tore geschossen.

Grosser: Richtig. Bis zur Einführung der Bundesliga war ich der Spieler, der die meisten Tore für den FC Bayern erzielt hatte.

DFB.de: Wie kam es überhaupt zu Ihrem Farbwechsel in München, von den Roten zu den Blauen?

Grosser: Es gab damals einen Machtkampf im Bayern-Präsidium. Ich wollte eigentlich beim FC Bayern bleiben, bin aber zwischen die präsidialen Mühlsteine geraten und bekam keinen neuen Vertrag.

DFB.de: Das erwies sich als Glücksfall für die Löwen. Sie waren als Spielmacher und Torjäger hauptverantwortlich für deren beste Zeit mit historisch großen Triumphen. Eine Entwicklung, die für Sie persönlich in der Premiere für die Nationalmannschaft gipfelte. Als die Einladung von Bundestrainer Schön kam, waren sie fast 27 Jahre alt. Haben Sie mit dieser Berufung so spät noch gerechnet?

Grosser: Ja! Zum einen wegen meiner wirklich hervorragenden Saison bei 1860 München auf dem Weg zur deutschen Meisterschaft. Zum anderen gab es viele Absagen, unter anderem von Etablierten wie Wolfgang Overath und Helmut Haller, so dass ein offensiver Mittelfeldspieler dringend benötigt wurde. In erster Linie war aber Dettmar Cramer, der Taktiker und Assistent von Bundestrainer Schön, dafür verantwortlich, dass ich doch noch meine Chance bekam.

DFB.de: Welche Erinnerungen haben Sie heute an Ihr erstes Länderspiel?

Grosser: Das erste Länderspiel war für mich, obwohl ich ja schon viel Erfahrung in der Oberliga und Bundesliga gesammelt hatte, eine große Ehre, aber auch eine furchtbar schwere Aufgabe. Der Druck war immens und ich war anfangs ziemlich gehemmt. Wir mussten ja in Stockholm gewinnen, ansonsten hätte sich Deutschland nicht für die WM '66 in England qualifiziert.

DFB.de: Erinnern Sie sich noch an einzelne Szenen?

Grosser: Ja, klar. Meine Aktion unmittelbar vor dem Siegtor werde ich nie vergessen. Endlich konnte ich mich im direkten Zweikampf im Dribbling so durchsetzen, wie es die ganze Saison über geschah. Ich ging mit dem Ball am Fuß direkt Richtung Tor, zog aber zu früh ab, sodass der schwedische Torhüter den Ball gerade noch mit einer Hand abwehren konnte – direkt vor die Füße von Uwe Seeler, der zum 2:1 abschloss. Eigentlich wäre es mehr meine Art gewesen, auch noch den Torwart auszuspielen. Bis heute weiß ich nicht, warum ich das in dieser Aktion nicht getan habe. Doch immerhin hatte ich einen hohen Anteil am Sieg und damit daran, dass die Tickets nach England gelöst werden konnten. Ich bin grundsätzlich nicht neidisch, aber ich räume ein, dass es für mich schade ist, dass in vielen Rückblicken immer nur Uwes Abstauber-Tor und nicht auch meine Aktion gezeigt wurde. Meine Vorarbeit beim Debüt war eine große Geschichte, sie war aber kleiner als die Geschichte von Uwe Seeler, der nach seinem Achillessehnen-Riss erstmals nach fast einem Jahr wieder dabei war.

DFB.de: Mit Ihnen gab gegen Schweden in Stockholm ein anderer Münchner sein Länderspiel-Debüt, Franz Beckenbauer mit damals 20 Jahren…

Grosser: …und beim Franz kamen ja, im Gegensatz zu mir, tatsächlich noch ein paar weitere Länderspiele hinzu. (lacht)



Peter Grossers erstes Länderspiel war ein sehr wichtiges: Zum Abschluss der Qualifikation für die WM 1966 musste in Schweden unbedingt ein Sieg her. Das Vorhaben gelang. Und der Debütant hatte daran großen Anteil. Grosser bereitete den Siegtreffer von Uwe Seeler vor. Für die Endrunde der WM wurde er dennoch nicht berücksichtigt.

Überhaupt kam Grosser nach der Premiere nur noch zur Derniere, lediglich zwei Länderspiele stehen für ihn zu Buche. Zum DFB.de-Interview bittet Grosser in das "Löwen-Stüberl". In dieser legendären Vereinsgaststätte spricht er über die Umstände seiner unvollendeten Karriere als Nationalspieler, seine dreifache Münchner Fußball-"Staatsbürgerschaft" und über private Schicksalsschläge.

DFB.de: Herr Grosser, wann waren Sie das letzte Mal bei einem Heimspiel von 1860 München und haben sich richtig gefreut?

Peter Grosser: Das ist gar nicht lange her, Anfang Dezember gegen Zwickau. Da haben die Sechziger nach langer Zeit mal wieder 2:0 gewonnen und ich konnte mich über eine Superleistung der Mannschaft freuen.

DFB.de: Sie sind also bis heute ein Löwe mit Leib und Seele?

Grosser: Mein Herz schlägt für drei Vereine. Für den FC Bayern, der ursprünglich mein Verein war. Für die SpVg Unterhaching, bei der ich bis zum Ende meiner Fußballkarriere als Trainer und Funktionär tätig war. Und natürlich die Sechziger, denen ich mich mit Haut und Haaren zugehörig fühle.

DFB.de: Sie haben sechs Jahre für die Sechziger gespielt.

Grosser: Es waren sensationelle Jahre, deren Erfolge die Fans bis heute im Hinterkopf haben. DFB-Pokalsieg 1964, Europapokal-Finale 1965 und schließlich der Meistertitel 1966.

DFB.de: Wie sieht es mit Ihrer Verbundenheit mit dem FC Bayern aus? Dort sind Sie als Fußballer erwachsen geworden und haben in den fünf Jahren bis zur Gründung der Bundesliga 1963 in 134 Oberliga-Spielen 49 Tore geschossen.

Grosser: Richtig. Bis zur Einführung der Bundesliga war ich der Spieler, der die meisten Tore für den FC Bayern erzielt hatte.

DFB.de: Wie kam es überhaupt zu Ihrem Farbwechsel in München, von den Roten zu den Blauen?

Grosser: Es gab damals einen Machtkampf im Bayern-Präsidium. Ich wollte eigentlich beim FC Bayern bleiben, bin aber zwischen die präsidialen Mühlsteine geraten und bekam keinen neuen Vertrag.

DFB.de: Das erwies sich als Glücksfall für die Löwen. Sie waren als Spielmacher und Torjäger hauptverantwortlich für deren beste Zeit mit historisch großen Triumphen. Eine Entwicklung, die für Sie persönlich in der Premiere für die Nationalmannschaft gipfelte. Als die Einladung von Bundestrainer Schön kam, waren sie fast 27 Jahre alt. Haben Sie mit dieser Berufung so spät noch gerechnet?

Grosser: Ja! Zum einen wegen meiner wirklich hervorragenden Saison bei 1860 München auf dem Weg zur deutschen Meisterschaft. Zum anderen gab es viele Absagen, unter anderem von Etablierten wie Wolfgang Overath und Helmut Haller, so dass ein offensiver Mittelfeldspieler dringend benötigt wurde. In erster Linie war aber Dettmar Cramer, der Taktiker und Assistent von Bundestrainer Schön, dafür verantwortlich, dass ich doch noch meine Chance bekam.

DFB.de: Welche Erinnerungen haben Sie heute an Ihr erstes Länderspiel?

Grosser: Das erste Länderspiel war für mich, obwohl ich ja schon viel Erfahrung in der Oberliga und Bundesliga gesammelt hatte, eine große Ehre, aber auch eine furchtbar schwere Aufgabe. Der Druck war immens und ich war anfangs ziemlich gehemmt. Wir mussten ja in Stockholm gewinnen, ansonsten hätte sich Deutschland nicht für die WM '66 in England qualifiziert.

DFB.de: Erinnern Sie sich noch an einzelne Szenen?

Grosser: Ja, klar. Meine Aktion unmittelbar vor dem Siegtor werde ich nie vergessen. Endlich konnte ich mich im direkten Zweikampf im Dribbling so durchsetzen, wie es die ganze Saison über geschah. Ich ging mit dem Ball am Fuß direkt Richtung Tor, zog aber zu früh ab, sodass der schwedische Torhüter den Ball gerade noch mit einer Hand abwehren konnte – direkt vor die Füße von Uwe Seeler, der zum 2:1 abschloss. Eigentlich wäre es mehr meine Art gewesen, auch noch den Torwart auszuspielen. Bis heute weiß ich nicht, warum ich das in dieser Aktion nicht getan habe. Doch immerhin hatte ich einen hohen Anteil am Sieg und damit daran, dass die Tickets nach England gelöst werden konnten. Ich bin grundsätzlich nicht neidisch, aber ich räume ein, dass es für mich schade ist, dass in vielen Rückblicken immer nur Uwes Abstauber-Tor und nicht auch meine Aktion gezeigt wurde. Meine Vorarbeit beim Debüt war eine große Geschichte, sie war aber kleiner als die Geschichte von Uwe Seeler, der nach seinem Achillessehnen-Riss erstmals nach fast einem Jahr wieder dabei war.

DFB.de: Mit Ihnen gab gegen Schweden in Stockholm ein anderer Münchner sein Länderspiel-Debüt, Franz Beckenbauer mit damals 20 Jahren…

Grosser: …und beim Franz kamen ja, im Gegensatz zu mir, tatsächlich noch ein paar weitere Länderspiele hinzu. (lacht)

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DFB.de: In Stockholm haben Sie die Weichen mitgestellt, dass die Nationalmannschaft sich für die WM in England qualifizieren und dort Vize-Weltmeister wurde. Doch für den WM-Kader 1966 wurden Sie nicht nominiert. Wie denken Sie heute darüber?

Grosser: Zwei Wochen nach dem Sieg in Schweden haben wir gegen Österreich gespielt, und meine Hoffnung war groß, dass ich wieder zum Einsatz kommen würde. Als ich dann für 90 Minuten auf der Bank schmoren musste, ahnte ich, dass es für mich nicht einfach werden würde, viele Spiele in der Nationalmannschaft zu machen.

DFB.de: Ihr zweites Länderspiel bestritten Sie in Belfast beim 2:0-Sieg gegen Nordirland kurz vor der WM 1966. Sie müssen doch auf eine Einladung gehofft haben?

Grosser: Jetzt wird's interessant. Beim vorletzten WM-Test gegen Rumänien wurde die Mannschaft für die WM eingekleidet, ich aber habe keine Einladung erhalten. Damit war für mich alles klar und das Thema durch. Ich wurde mit den Sechzigern Deutscher Meister und fuhr danach sofort in den Urlaub nach Venedig. Gleich nach meiner Rückkehr rief Helmut Schön, der wegen meiner Nichtnominierung in der Kritik stand, mich an und sagte, er wolle mich doch noch für den WM-Kader nominieren und ich sollte zum letzten WM-Lehrgang nach Barsinghausen kommen. Dafür war ich mir aber zu schade, ich war auch zu stur. Wembley hatte ich abgeschrieben und in Venedig nur am Strand gelegen, im Meer gebadet und mich erholt.

DFB.de: Sind Sie im Nachhinein enttäuscht, dass es nur bei zwei Länderspielen geblieben ist?

Grosser: Im Rückblick bereue ich, das Angebot von Schön nicht angenommen zu haben. Ich hätte wirklich mitfahren sollen nach England, auch wenn sich dort für mich nur ganz geringe WM-Einsatzchancen ergeben hätten. Man weiß aber nie – vielleicht wäre ich in Wembley am Ende doch dabei gewesen.

DFB.de: Stattdessen heißt es als Fazit Ihrer Nationalteamkarriere: Venedig statt Wembley?

Grosser: Venedig statt Wembley – das hört sich super an – und trifft es genau.

DFB.de: Nach dem Ende Ihrer Profikarriere wurde die Spvgg. Unterhaching für Sie zur dritten sportlichen Heimat. Wie denken Sie über die insgesamt 21 Jahre dort, als sie den damaligen Amateurklub bis in die Bundesliga führten?

Grosser: Das ist und bleibt eine phänomenale Geschichte. Die Hachinger habe ich in der A-Klasse übernommen. Damals musste jeder Spieler vor dem Anpfiff zwei Mark für die Trikotwäsche rausrücken. Ich weiß heute noch nicht, warum ich mich zu diesem Trainerjob für zunächst ein Jahr habe überreden lassen. Und daraus hat sich dann eine einzigartige Erfolgsgeschichte entwickelt.

DFB.de: Die sie später als Vizepräsident bis in die Bundesliga beeinflusst haben. Was waren die Zutaten dieses märchenhaften Aufstiegs?

Grosser: Wir haben nach und nach immer profihaftere Strukturen eingeführt, mit der klaren Zielsetzung: 2. Bundesliga. Bis schließlich sogar der Bundesliga-Aufstieg nicht mehr zu verhindern war. Es waren 21 phantastische Jahre, wobei ich 20 Jahre lang auch noch offizieller Schiedsrichter-Betreuer war, verbunden mit vielen wunderbaren menschlichen Begegnungen. Jahre, die für mich persönlich aber auch durch furchtbare Schicksalsschläge gekennzeichnet waren.

DFB.de: Sie meinen den Tod Ihrer beiden Söhne. 1979 war Peter, der Jüngere, mit 19 Jahren bei einem Verkehrsunfall gestorben. 2008 erlag Thomas beim Fußballtraining in der Halle mit 42 Jahren einem Herzstillstand. Wie gehen Sie mit diesen Tragödien um?

Grosser: Wenn einem so etwas Schreckliches passiert, dann bringt einen im Leben kaum noch etwas aus dem Gleichgewicht. Alles andere wird klein. Jeder geht damit so um, wie er psychisch gestrickt ist. Für mich ging es vor allem darum, der wunderbaren Familie von Thomas, meiner Schiegertochter und deren drei kleinen Kindern, zu helfen.

DFB.de: Woher nahmen Sie die Kraft dafür?

Grosser: Ich kann das heute noch gar nicht richtig begreifen. Doch es bleibt einem eigentlich gar nichts anderes übrig, als diese wahrlich nicht leichte Aufgabe irgendwie zu meistern.

DFB.de: War es auch dem Andenken Ihrer beiden Söhne geschuldet, dass Sie ihren 80. Geburtstag im ganz kleinen Kreis gefeiert haben?

Grosser: Ich war nie ein Feierbiest. Und nach allem, was passiert ist, war mir auch an meinem 80. Geburtstag nicht nach Feiern zu Mute. Heute ist außerdem ein ganz anderes Datum für unsere Familie von besonderer Bedeutung.

DFB.de: Nämlich?

Grosser: Der Geburtstag von Thomas' Zwillingen. Der 22. Februar 2002, als gleich zwei Kinder zur Welt kamen.

DFB.de: Sie wirken weitaus jünger als ein 80-Jähriger. Treiben Sie noch regelmäßig Sport?

Grosser: Joggen geht wegen meiner kaputten Knie leider nicht mehr. Doch ich fahre viel Rad und mache regelmäßig eine spezielle Gymnastik.

DFB.de: Wie verbringen Sie das bevorstehende Weihnachtsfest?

Grosser: Am Heiligen Abend sind Bescherung und Essen im Familienkreis bei der Schwiegertochter angesagt. Am nächsten Tag fährt sie mit ihren drei Kindern traditionell in die Berge zum Skifahren – und ich habe meine Ruhe.

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