Grindel: "Amateurfußball hat einen so hohen Stellenwert wie nie"

Der 3. Amateurfußball-Kongress des Deutschen Fußball-Bundes läuft (live auf YouTube und DFB-TV). DFB-Präsident Reinhard Grindel hat die Veranstaltung in Kassel eröffnet, DFB.de hat das Redemanuskript.

Eine der häufigsten Fragen von Journalisten an mich lautet: "Wie nahe ist der DFB eigentlich an der Basis?" Heute kann man die Frage klar beantworten: Näher geht's nicht. Hier in Kassel ist der Ort, wo alle Ebenen des Fußballs, Vertreter der Vereine, der Kreis- und Landesverbände und des DFB auf Augenhöhe gemeinsam über die Zukunft des Amateurfußballs in Deutschland diskutieren, neue Ideen entwickeln und zielführende Lösungen erarbeiten.

Im Vorfeld des Kongresses hat Tamara Dwenger vom HFC Falke Hamburg gefordert: "Amateurfußball muss eine eigenständige Rolle im DFB spielen." Dazu kann ich nur sagen: Der Amateurfußball hat einen so hohen Stellenwert im DFB wie noch nie. Das haben wir nicht zuletzt von allerhöchster Stelle vor einiger Zeit bestätigt bekommen, als kein Geringerer als Karl-Heinz Rummenigge erklärte: "Im DFB haben die Amateure das Sagen."

Wir im DFB-Präsidium vergessen nicht, wo wir herkommen und vor allem nicht, wo unsere Nationalspieler herkommen: Die haben nämlich nicht bei Bayern München oder Borussia Dortmund angefangen, Fußball zu spielen, sondern wie Joshua Kimmich beim VfB Bösingen in Württemberg und Toni Kroos beim Greifswalder SC in Vorpommern. Wir wissen ganz genau: Wenn die Bundesliga ihre Spiele am Wochenende beendet hat, haben die Fans 18 Begegnungen gesehen. Wenn aber der Fußball in Deutschland am Wochenende seinen Spielbetrieb abgeschlossen hat, dann haben die Zuschauer dort bis zu 80.000 Spiele gesehen und 95 Prozent davon auf der Kreisebene. Um die Probleme, die sich vor Ort stellen, soll es in den kommenden drei Tagen vor allem gehen.

Ich will aber gleich betonen: Es ist gut, dass in Deutschland, im Gegensatz zu anderen Ländern, Liga und Verband, Profis und Amateure, die Spitze mit der Nationalmannschaft und die Basis mit unseren 25.000 Vereinen sehr gut und vertrauensvoll zusammenarbeiten. Die Spitze in der Nationalmannschaft und unsere Partner in der Bundesliga wissen sehr genau, dass die Stärke des deutschen Fußballs von dem großen Talentpool abhängt, aus dem wir unseren Nachwuchs schöpfen, und den wir deshalb haben, weil sich so viele Ehrenamtliche an der Basis gerade in der Arbeit mit Kindern engagieren. Deshalb verfolgt auch unsere Sportliche Leitung diesen Amateurfußball-Kongress sehr genau, weil nur mit funktionierenden Vereinen an der Basis dieser Talentpool wieder größer wird und wir die Qualität unserer Trainer in den U-Mannschaften verbessern können.

Aber es gilt eben auch umgekehrt: Wenn unsere Nationalmannschaft erfolgreich ist, dann kommen mehr Kinder und Jugendliche in unsere Vereine. Insofern war das Abschneiden bei der WM in Russland gerade auch für die Vereine an unserer Basis eine große Enttäuschung.

Wir ziehen daraus die notwendigen Konsequenzen. Das bedeutet, dass unsere Verantwortlichen in der Sportlichen Leitung des DFB und die Zuständigen in der Bundesliga, gerade die für die Nachwuchsarbeit, enger zusammenrücken, gemeinsam Fehler in der Arbeit analysieren und an besseren Konzepten arbeiten. Da wird es etwa darum gehen, den jungen Spielern in den NLZ nicht alles abzunehmen, sondern sie zu mehr Selbstständigkeit anzuhalten und damit zu erreichen, dass sich so wieder mehr Spielerpersönlichkeiten herausbilden. Wir müssen Spieler entwickeln und dürfen nicht nur auf den kurzfristigen Erfolg schauen. 70 Prozent der Spieler in den NLZ sind in den ersten sechs Monaten des Jahres geboren. Auch in unseren DFB-Stützpunkten sind die Älteren aus einem Jahrgang überrepräsentiert. Allein das zeigt, dass aus dem Talentpool ungleich geschöpft wird.

Ich halte es nicht für richtig, was uns Verantwortliche von Borussia Dortmund empfehlen, dass unsere Spieler in den NLZ möglichst früh aus der Schule geholt werden sollten. Das wäre schon deshalb unverantwortlich, weil 95 Prozent derjenigen, die in einem NLZ waren, später ihr Leben nicht mit Fußball bestreiten können. Außerdem ist es für die Entwicklung eines Spielers hin zu einer Persönlichkeit wichtig, auch einmal die Erfahrung zu machen, dass es Herausforderungen gibt, bei denen kein Berater oder Betreuer helfen kann, und das sind schulische oder berufliche Prüfungen.

Die Trainingsarbeit vor Ort, in den Vereinen und Stützpunkten, müssen wir auf den Prüfstand stellen. Sieben gegen Sieben, bei dem einer den Ball hat und alle anderen gucken zu, muss vielleicht viel öfter durch Drei gegen Drei, oder Vier gegen Vier abgelöst werden, bei denen Dribblings und Eins-gegen-Eins-Situationen trainiert werden, es mehr Ballkontakte gibt und mehr an der Passsicherheit und den Basics des Fußballs gearbeitet wird.

Die Vergabe der EURO 2024 an den DFB ist gleichermaßen eine tolle Perspektive für den Fußball an der Spitze, in unseren Nationalmannschaften, als auch für unsere Vereine an der Basis. Wir haben damit in den nächsten gut fünf Jahren einen Spannungsbogen, die inhaltliche Arbeit so zu verbessern, dass unsere Mannschaft bei der EURO im eigenen Land um den Titel mitspielen kann. Gleichzeitig müssen wir bis 2024 unsere Vereine und ehrenamtlich Tätigen so stärken, dass wir den Kindern und Jugendlichen, die unter dem Eindruck eines solchen großen Ereignisses ihren Idolen nacheifern und mit Fußball anfangen wollen, auch ein attraktives und nachhaltiges Angebot machen können.



Der 3. Amateurfußball-Kongress des Deutschen Fußball-Bundes läuft (live auf YouTube und DFB-TV). DFB-Präsident Reinhard Grindel hat die Veranstaltung in Kassel eröffnet, DFB.de hat das Redemanuskript.

Eine der häufigsten Fragen von Journalisten an mich lautet: "Wie nahe ist der DFB eigentlich an der Basis?" Heute kann man die Frage klar beantworten: Näher geht's nicht. Hier in Kassel ist der Ort, wo alle Ebenen des Fußballs, Vertreter der Vereine, der Kreis- und Landesverbände und des DFB auf Augenhöhe gemeinsam über die Zukunft des Amateurfußballs in Deutschland diskutieren, neue Ideen entwickeln und zielführende Lösungen erarbeiten.

Im Vorfeld des Kongresses hat Tamara Dwenger vom HFC Falke Hamburg gefordert: "Amateurfußball muss eine eigenständige Rolle im DFB spielen." Dazu kann ich nur sagen: Der Amateurfußball hat einen so hohen Stellenwert im DFB wie noch nie. Das haben wir nicht zuletzt von allerhöchster Stelle vor einiger Zeit bestätigt bekommen, als kein Geringerer als Karl-Heinz Rummenigge erklärte: "Im DFB haben die Amateure das Sagen."

Wir im DFB-Präsidium vergessen nicht, wo wir herkommen und vor allem nicht, wo unsere Nationalspieler herkommen: Die haben nämlich nicht bei Bayern München oder Borussia Dortmund angefangen, Fußball zu spielen, sondern wie Joshua Kimmich beim VfB Bösingen in Württemberg und Toni Kroos beim Greifswalder SC in Vorpommern. Wir wissen ganz genau: Wenn die Bundesliga ihre Spiele am Wochenende beendet hat, haben die Fans 18 Begegnungen gesehen. Wenn aber der Fußball in Deutschland am Wochenende seinen Spielbetrieb abgeschlossen hat, dann haben die Zuschauer dort bis zu 80.000 Spiele gesehen und 95 Prozent davon auf der Kreisebene. Um die Probleme, die sich vor Ort stellen, soll es in den kommenden drei Tagen vor allem gehen.

Ich will aber gleich betonen: Es ist gut, dass in Deutschland, im Gegensatz zu anderen Ländern, Liga und Verband, Profis und Amateure, die Spitze mit der Nationalmannschaft und die Basis mit unseren 25.000 Vereinen sehr gut und vertrauensvoll zusammenarbeiten. Die Spitze in der Nationalmannschaft und unsere Partner in der Bundesliga wissen sehr genau, dass die Stärke des deutschen Fußballs von dem großen Talentpool abhängt, aus dem wir unseren Nachwuchs schöpfen, und den wir deshalb haben, weil sich so viele Ehrenamtliche an der Basis gerade in der Arbeit mit Kindern engagieren. Deshalb verfolgt auch unsere Sportliche Leitung diesen Amateurfußball-Kongress sehr genau, weil nur mit funktionierenden Vereinen an der Basis dieser Talentpool wieder größer wird und wir die Qualität unserer Trainer in den U-Mannschaften verbessern können.

Aber es gilt eben auch umgekehrt: Wenn unsere Nationalmannschaft erfolgreich ist, dann kommen mehr Kinder und Jugendliche in unsere Vereine. Insofern war das Abschneiden bei der WM in Russland gerade auch für die Vereine an unserer Basis eine große Enttäuschung.

Wir ziehen daraus die notwendigen Konsequenzen. Das bedeutet, dass unsere Verantwortlichen in der Sportlichen Leitung des DFB und die Zuständigen in der Bundesliga, gerade die für die Nachwuchsarbeit, enger zusammenrücken, gemeinsam Fehler in der Arbeit analysieren und an besseren Konzepten arbeiten. Da wird es etwa darum gehen, den jungen Spielern in den NLZ nicht alles abzunehmen, sondern sie zu mehr Selbstständigkeit anzuhalten und damit zu erreichen, dass sich so wieder mehr Spielerpersönlichkeiten herausbilden. Wir müssen Spieler entwickeln und dürfen nicht nur auf den kurzfristigen Erfolg schauen. 70 Prozent der Spieler in den NLZ sind in den ersten sechs Monaten des Jahres geboren. Auch in unseren DFB-Stützpunkten sind die Älteren aus einem Jahrgang überrepräsentiert. Allein das zeigt, dass aus dem Talentpool ungleich geschöpft wird.

Ich halte es nicht für richtig, was uns Verantwortliche von Borussia Dortmund empfehlen, dass unsere Spieler in den NLZ möglichst früh aus der Schule geholt werden sollten. Das wäre schon deshalb unverantwortlich, weil 95 Prozent derjenigen, die in einem NLZ waren, später ihr Leben nicht mit Fußball bestreiten können. Außerdem ist es für die Entwicklung eines Spielers hin zu einer Persönlichkeit wichtig, auch einmal die Erfahrung zu machen, dass es Herausforderungen gibt, bei denen kein Berater oder Betreuer helfen kann, und das sind schulische oder berufliche Prüfungen.

Die Trainingsarbeit vor Ort, in den Vereinen und Stützpunkten, müssen wir auf den Prüfstand stellen. Sieben gegen Sieben, bei dem einer den Ball hat und alle anderen gucken zu, muss vielleicht viel öfter durch Drei gegen Drei, oder Vier gegen Vier abgelöst werden, bei denen Dribblings und Eins-gegen-Eins-Situationen trainiert werden, es mehr Ballkontakte gibt und mehr an der Passsicherheit und den Basics des Fußballs gearbeitet wird.

Die Vergabe der EURO 2024 an den DFB ist gleichermaßen eine tolle Perspektive für den Fußball an der Spitze, in unseren Nationalmannschaften, als auch für unsere Vereine an der Basis. Wir haben damit in den nächsten gut fünf Jahren einen Spannungsbogen, die inhaltliche Arbeit so zu verbessern, dass unsere Mannschaft bei der EURO im eigenen Land um den Titel mitspielen kann. Gleichzeitig müssen wir bis 2024 unsere Vereine und ehrenamtlich Tätigen so stärken, dass wir den Kindern und Jugendlichen, die unter dem Eindruck eines solchen großen Ereignisses ihren Idolen nacheifern und mit Fußball anfangen wollen, auch ein attraktives und nachhaltiges Angebot machen können.

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Deshalb ist es genau richtig, dass das Thema Nummer eins bei diesem Kongress "Vereinsfußball 2024" lautet, wozu für mich ganz eng das zweite Thema gehört, "Rahmenbedingungen des Vereinsfußballs", denn ohne gute Rahmenbedingungen können sich unsere Ehrenamtlichen in den Vereinen abmühen wie sie wollen, ihre Arbeit wird nicht zu optimalen Ergebnissen führen. Und damit meine ich Rahmenbedingungen, die der DFB schaffen muss, aber auch Rahmenbedingungen, für die der Bund, die Länder und Kommunen zuständig sind.

Deshalb ist auch das dritte Thema von großer Bedeutung, die Frage nach der "Verbandsentwicklung 2024", denn wenn sich der DFB und seine Landesverbände modern und leistungsfähig aufstellen, können wir auch bessere Rahmenbedingungen für unsere Vereine schaffen. Und zu diesen Rahmenbedingungen, gehören ebenso die Themen vier und fünf, die Qualifizierung und Digitalisierung im Fußball.

Die großen Herausforderungen für den Vereinsfußball 2024 sind für mich

  • die Sicherung und die Qualität des ehrenamtlichen Nachwuchses,

  • eine bessere Infrastruktur für unsere Vereine, d.h. mehr Fußballplätze trotz einer zunehmenden Konkurrenz um die Flächen in unseren Großstädten,

  • eine enge Zusammenarbeit zwischen Schule und Verein,

  • die sinnvolle Nutzung der Digitalisierung für unsere Kommunikation in und mit den Vereinen und

  • endlich ein Bürokratieabbau für den Sport​.

Ich weiß sehr genau um die Existenzsorgen von Vereinen, gerade im ländlichen Raum, die Diskussionen um Mannschaftszahlen, um Jugendspielgemeinschaften und Jugendfördervereine. Aber bei meinen vielen Besuchen an der Basis, ich bin jeden Monat bei einem Verein und einem Fußballkreis unterwegs, treffe ich auch immer wieder auf Klubs, sowohl in der Stadt als auch in der dörflichen Gemeinde, bei denen die Mannschaftszahlen steigen, bei denen jede Mannschaft zwei Trainer hat und auch Mädchen in großer Zahl zum Fußball kommen.

Der Hauptgrund für eine solch positive Entwicklung ist fast immer gleich: eine unglaublich aktive Jugendabteilung, mehrere sehr engagierte Trainer und Betreuer, eine sehr erfolgreiche Elternarbeit oder eine gute Kooperation zwischen Schule und Verein. Das sind die Erfolgsfaktoren und ich wünsche mir, dass auf diesem Kongress ein reger Austausch stattfindet, über vorbildliche Initiativen, wie es gelungen ist, Kinder in den Verein zu holen und vor allem im Verein zu halten.

Ich glaube, dass es klug wäre, eine Best-Practise-Datenbank aufzubauen, vielleicht auf FUSSBALL.DE, wo Vereine sich über vorbildliche Vereinsaktivitäten informieren und diese vielleicht auch übernehmen können.

Wir müssen in den kommenden drei Tagen auch darüber diskutieren, was die Vereine selbst tun können, um ihre ehrenamtliche Basis zu sichern. Ohne dass die Vereine selbst sich mehr mit ihrer eigenen Lage beschäftigen und nach eigenen Antworten suchen, bevor sie nach Unterstützung vom Kreis oder Landesverband rufen, wird es nicht gehen. Dazu gehört immer wieder die persönliche Ansprache interessierter, aber noch nicht ehrenamtlich aktiver Mitglieder und gesellige Veranstaltungen zur Stärkung des "Wir-Gefühls". Dazu gehört es, Weiterbildungsmaßnahmen zu organisieren oder auch finanzielle Anreize zu schaffen, wie Beitragsbefreiungen.

Alles das kann ein Instrument sein, um Ehrenamtliche zu gewinnen. Nur zehn Prozent der Vereine haben einen Ehrenamtsbeauftragten, der sich für diese Arbeit besonders gefordert und verpflichtet fühlt und nur drei Prozent haben eine Strategie für die Rekrutierung von Ehrenamtlichen entwickelt. Das alles kann helfen, die Zukunft des Vereins zu sichern. Und dort, wo es gut läuft, wo besonders moderne und zielgerichtete Lösungen gefunden wurden, um die ehrenamtliche Basis zu stärken, sollten wir darüber nachdenken, ob wir als DFB nicht mit der Vergabe eines Ehrenamtsinnovationspreises vorbildliches Engagement besonders auszeichnen sollten.

Vereinsfußball 2024 das wird gleichwohl bedeuten, dass wir das Ehrenamt, das völlig unersetzlich ist, durch ein engmaschigeres hauptamtliches Netz unterstützen müssen. Wir brauchen eine langfristige Weiterentwicklung unserer Verbandsorganisation hin zu einer wirksamen Dienstleistungsorganisation für Vereine. Wir brauchen auf Landesebene, langfristig wahrscheinlich auch in den Bezirken und Kreisen, Vereinsberater, die einen Handwerkskasten an Unterstützungshilfen für die Vereine bereithalten, wenn diese einmal nicht weiterwissen. Das war schon eine der zentralen Forderungen beim letzten Kongress im Jahr 2012 und wir haben hier mit dem Masterplan eine ganze Reihe von wichtigen Maßnahmen ergriffen. Es gibt in jedem Landesverband Masterplan- und Social Media-Beauftragte, die den Vereinen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Mit den Vereins- und Kreisdialogen, den Vorstands- und Führungsspielertreffs haben wir wichtige Instrumente entwickelt, damit Verband und Verein vor Ort sich besser austauschen. Wir haben hier wirklich für einen Quantensprung in der Verbandskommunikation gesorgt.

Es ist nur wichtig, dass auf Kreis- und Landesebene die Anregungen der Basis auch weiterverfolgt und nach Möglichkeit umgesetzt werden. Dabei hat für mich nicht nur die DFB- oder Landesebene, sondern auch der Fußballkreis eine ganz wichtige Bedeutung, eine Koordinations- und Scharnierfunktion. Der Kreisvorsitzende darf nicht nur derjenige sein, der unsere formschönen Jubiläumsplaketten zum 100. Vereinsgeburtstag überreicht. Unsere Kreise müssen sich als Dienstleister für ihre Vereine verstehen. Wir müssen hinschauen, wenn es bei einem Verein nicht so gut läuft und bei Bedarf auch helfen, bei Konflikten vermitteln oder besonders Engagierte und Qualifizierte in die Arbeit auf Kreisebene einbeziehen.

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Dienstleister zu sein bedeutet zum Beispiel die Bereitschaft von Staffelleitern, kurzfristig Spiele zu verlegen, wenn sich eine zu harte Konkurrenz zu Bundesligaspielen ergeben sollte. Wobei ich auch darauf verweisen will, dass es auch Obleutetagungen gibt, auf denen zu Saisonbeginn vereinbart wird, dass es zu keinen Spielverlegungen kommen darf, was ich unter dem Stichwort Flexibilisierung des Spielbetriebs nicht ganz verstehen kann. Immer öfter höre ich zum Beispiel, dass der Freitagabend als Spieltermin im Amateurbereich an Beliebtheit gewinnt.

Grundsätzlich verstehen wir im DFB, dass der Montagabend von vielen Fans als Spieltermin sehr kritisch gesehen wird. Es gehört aber zur Wahrheit, dass gerade in der Bundesliga der Montagabend nicht allein kommerzielle Gründe hatte, sondern die Bundesligavereine damit auch Rücksicht auf den Sonntag als Spieltag der Amateure nehmen wollten. Ein Gesichtspunkt übrigens, der von den Ultras beharrlich ignoriert wird. Deshalb bleibt die Forderung des DFB: Wenn jetzt am Spielplan der Bundesliga und 2. Liga gearbeitet wird, darf das nicht zu einer zusätzlichen Belastung der Amateure am Sonntagnachmittag führen!

Flexibilisierung des Spielbetriebs heißt auch, mehr 7er oder 9er-Mannschaften zuzulassen. Wir müssen uns auf diesem Amateurfußball-Kongress auch ganz grundsätzlich mit der Frage befassen, welche Zuständigkeiten und Aufgaben haben eigentlich die einzelnen Ebenen des Fußballs. Ist Fußball für Ältere eigentlich wirklich ein Thema für den DFB oder nicht eher der Landesverbände und kann über Fragen der Flexibilisierung des Spielbetriebs nicht auch von Kreis zu Kreis unterschiedlich vorgegangen werden.

Vereinsfußball 2024 heißt auch, dass die Zahl der Kinder mit Migrationsgeschichte zunehmen wird. Wenn wir diese Kinder, gerade Mädchen, erfolgreich in unsere Vereine integrieren wollen, dann brauchen wir auch mehr Ehrenamtliche mit Migrationsgeschichte. Es ist völlig klar, dass die Eltern ihre Kinder eher zu uns in die Vereine gehen lassen, wenn sie wissen, dass dort Menschen arbeiten, die um den kulturellen Hintergrund ihrer Kinder wissen und diesen teilen. Wir haben mit großem Erfolg ein Leadership-Programm für Frauen im Ehrenamt aufgelegt. Wir sollten das auch für Ehrenamtliche mit Migrationsgeschichte tun.

Vereinsfußball 2024 bedeutet, dass Kinder und Jugendliche durch die wachsende Zahl an Ganztagsschulen weniger Freizeit haben als früher. Wenn wir Kinder begeistern wollen, wettbewerbsmäßig im Verein Fußball zu spielen, brauchen wir mehr Kooperationen zwischen Schulen und Vereinen. Mit der Schulung von Lehrkräften haben wir Hemmschwellen gegenüber dem Fußballtraining in der Schule abgebaut. Junior-Coaches helfen uns, Angebote für Arbeitsgemeinschaften am Nachmittag zu machen. Teilweise kommen sie dann auch als Übungsleiter in unsere Vereine.

Wenn wir an Kinder herankommen wollen, dann müssen wir die Angebote in den Schulen intensivieren, gerade in solchen Fällen, in denen Schule und Verein ohnehin denselben Sportplatz nutzen. In diesem Bereich und im gesamten Vereinswesen können FSJ'ler und BuFDis uns eine sehr wichtige Hilfe sein. Immer mehr Vereine und auch Verbände nutzen diese Freiwilligen, um ganztags Angebote zu machen und mit ihnen die Arbeit der Ehrenamtlichen zu unterstützen. Die Zahl der BuFDi-Stellen ist begrenzt. Ich hielte es für ein wichtiges Signal des Bundes, aus Anlass der EURO 2024 in den Jahren 2023, 24 und 25 besondere Stellen für Fußballvereine zu schaffen, um so den zu erwartenden Boom zu steuern und bewältigen zu können.

Vereinsfußball 2024 besteht nicht nur aus Spielern, Trainern und Betreuern, sondern auch aus Schiedsrichtern. Schiedsrichter zu finden, mögliche Interessenten anzusprechen, bleibt eine Aufgabe der Vereine. Sie wissen, wer sich als Spieler vielleicht wegen einer Verletzung zurückzieht, aber dem aktiven Fußball treu bleiben möchte. Sie wissen, welcher Jugendlicher aus der U 17 oder U 19 ansprechbar wäre, nebenbei auch als Unparteiischer zu pfeifen. Das kann ein Verband nicht leisten.

Aber die Kreisverbände dürfen sich natürlich nicht nur an den Einnahmen aus Strafen erfreuen, wenn das Schiedsrichter-Soll nicht erfüllt ist, sondern müssen auch immer wieder Kurse anbieten, damit Interessenten ihren Schein machen können. Die Wahrheit ist, dass eigentlich genug neue Schiedsrichter in jeder Saison anfangen. Es hören nur zu viele nach kurzer Zeit wieder auf. Hier wirken wir mit dem Schiedsrichter-Paten entgegen, auch das ist ein Instrument aus dem Masterplan. Ich finde auch die Idee eines Schiedsrichter-Praktikums gut, bei dem sich vor allem junge Menschen einmal bei Jugendspielen ausprobieren können, ob die Schiedsrichterei etwas für sie ist.

Die Rahmenbedingungen des Vereinsfußballs verbessern, das ist eine Forderung an uns als DFB, aber auch an staatliche Institutionen und unsere Partner. Nach dem letzten Amateurfußballkongress 2012 haben wir viele Forderungen der damaligen Teilnehmer erfüllt.

Eine wichtige Forderung war, den 1,7 Millionen ehrenamtlich Tätigen Respekt und Anerkennung zu verschaffen und gleichzeitig für ehrenamtliches Engagement zu werben. Mit unserer Kampagne "Unsere Amateure. Echte Profis" haben wir als DFB ein klares Statement für den Vereinsfußball und die Menschen abgegeben, die vor Ort die Mannschaften organisieren und betreuen. Die Kampagne zollt den Ehrenamtlichen die Anerkennung für ihre Leistung, die sie verdienen. Wir haben in der Kampagne die gesellschaftliche Kraft des Amateurfußballs hervorgehoben, wenn es um Themen wie Integration, Fair Play und Wertevermittlung geht.

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Ich bin zuversichtlich, dass wir gemeinsam mit unserem neuen Automobilpartner VW an Konzepten zur Stärkung des Ehrenamtes arbeiten werden, weil das einer der Schwerpunktthemen ist, denen sich VW im Rahmen der Partnerschaft zuwenden will. Wichtig finde ich auch, dass wir als DFB bei Unternehmen von Industrie, Handel und Handwerk, bei Behörden und öffentlichen Einrichtungen dafür werben, ganz konkret ehrenamtlich Tätige bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Ich habe im vergangenen Jahr auf Veranstaltungen vor vielen tausend Unternehmern gesprochen und genau darum gebeten, dass sie Mitarbeiter, die ehrenamtlich engagiert sind, in ihrer Arbeit bestärken und es damit keine Hemmschwelle gibt, "Ja" zu einer Aufgabe im Verein zu sagen, weil man Beruf und Ehrenamt gut miteinander verbinden kann. Auch so kann man einen Beitrag zur Unterstützung des ehrenamtlichen Engagements leisten.

Wir haben mit FUSSBALL.DE dem Amateurfußball eine digitale Heimat gegeben. Spieler, Trainer und Schiedsrichter von der Kreisklasse bis zur Regionalliga, von dem Bambini bis zu den Alten Herren, können sich dort präsentieren, es kann auf Ergebnisse zugegriffen werden und mit vielen zusätzlichen Angeboten wird die Organisation des Spielbetriebs erheblich erleichtert und die Ehrenamtlichen auch ein Stück entlastet. Besonders wichtig finde ich, dass durch FUSSBALL.DE auf eine Vielzahl von E-Learning-Programmen und Lehrmaterialien zugegriffen werden kann, wodurch der DFB Trainern, Kassenwarten oder Schiedsrichtern unmittelbar Hilfen anbietet. Damit haben wir über den digitalen Verbreitungsweg die Handwerkskästen zur Unterstützung des Ehrenamts zur Verfügung gestellt, die 2012 hier in Kassel gefordert wurden.

Zur Anerkennungskultur gehören eine Vielzahl von Aktionen, bei denen wir "Danke an das Ehrenamt" sagen. Das gilt für den entsprechenden Bundesligaspieltag, das gilt für den Club 100 und viele Veranstaltungen auf Kreisebene. Auch mit dem "Finaltag der Amateure" haben wir einen Event etabliert, der dem Amateurfußball bundesweit eine sehr beachtliche Aufmerksamkeit verschafft. Häufig wird eine direkte finanzielle Unterstützung des DFB für einzelne Vereine gefordert. Das darf der DFB schon aus gemeinnützigkeitsrechtlichen Gründen nicht. Aufgabe eines Dachverbandes in föderalen Strukturen ist es, gute Rahmenbedingungen zu schaffen und nicht gezielt einem Verein Gelder zu geben, weil damit womöglich auch in den sportlichen Wettbewerb eingegriffen würde.

Unter meiner Verantwortung als DFB-Präsident haben wir die Zuschüsse für unsere Landesverbände mehr als verdoppelt. Darüber hinaus finanzieren wir die Maßnahmen für den Masterplan und unterstützen die Landespokale sowie das Marketing der Landesverbände. Hinzu kommen die Investitionen in FUSSBALL.DE und das DFB.net, die Ausbildung zum Junior Coach und das DFB-Mobil, die Mittel für die 366 DFB-Stützpunkte, die Eliteschulen des Fußballs und die besonderen Mittel für den Frauen- und Mädchenfußball. Mit den Werkzeugen des DFBnet können Aufgaben wie Passanträge, Platzreservierungen, Schiedsrichteransetzungen, Verwaltung der Spielberechtigungen, Sperren komfortabel online erledigt werden. Organisierter Fußball ist auch deshalb preiswert, weil der DFB und die Landesverbände Leistungen übernehmen und auch dadurch die Vereine unterstützen.

Ich kenne die Klage über Gebühren, Beiträge und Ordnungsgelder, die von den Vereinen an unsere Landesverbände gezahlt werden müssen. Und wir können gerne darüber sprechen, ob die in jedem Fall sinnvoll sind oder es da auch zu Veränderungen kommen müsste, zumal sie von Landesverband zu Landesverband abweichen. Aber die Vereine müssen wissen: Die Klubs im Amateurfußball beteiligen sich nur mit im Schnitt 30 Prozent an der Finanzierung der 21 DFB-Landesverbände. Den Rest erhalten die Verbände vom DFB, der DFL, den Sponsoren oder dem Land. Die jährliche Nettoleistung durch die Verbände für den gemeinnützigen Fußball beträgt 80 Millionen Euro. Das zeigt, in welchem Maße die Amateurvereine von ihren Verbänden profitieren. In anderen Sportarten, in der Leichtathletik, beim Turnen oder Schwimmen ist es genau umgekehrt: Da finanzieren die Vereine ihre Landesverbände und die Landesverbände finanzieren den Dachverband.

Besonders erwähnen will ich aber auch die Maßnahmen, wo Mittel Vereinen unmittelbar zu Gute kommen, weil es Gelder für die Nachwuchsförderung und damit einen gemeinnützigen Zweck sind: das Bonussystem für Amateurvereine, die Junioren-Nationalspieler ausgebildet haben und die Ausbildungshonorierung der DFL für Vereine, deren frühere Spieler erstmals einen Profivertrag in der Bundesliga oder 2. Liga erhalten. Hier wird auch in finanzieller Hinsicht anerkannt, dass es ohne die gute Arbeit an der Basis in unseren Vereinen vor Ort eben keine Spitzenspieler in der Bundesliga und unseren Nationalmannschaften geben würde. Der DFB ist es gewesen, der durchgesetzt hat, dass Vereine entschädigt werden, bei denen die Spieler ab dem sechsten Lebensjahr gespielt haben. Das bedeutet: Das Geld kommt an der Basis bei den kleineren Vereinen an.

Ich will aber auch hervorheben, dass nach dem neuesten Sportentwicklungsbericht der Sporthochschule Köln die Zahl der Vereine zunimmt, die über zu hohe Zahlungen an Amateurfußballer klagen. Man kann mit gutem Recht darüber streiten, ob Neymar 222 Millionen Euro wert ist. Aber dass schon in der Kreisliga, spätestens in der Bezirksliga Geld für Spieler gezahlt wird, ist mindestens genauso absurd. Die Vereine sollten lieber in die Jugendarbeit investieren. Wenn die es dann in die 1. Mannschaft schaffen, bringen die Freunde mit und die Zuschauerzahlen steigen. Der Bericht sagt übrigens auch: "Weiterführende statistische Analysen haben ergeben, dass Finanzprobleme in den Vereinen geringer ausfallen, die über einen höheren Anteil von Frauen im Vorstand verfügen."

Die entscheidende Rahmenbedingung für den Vereinsfußball und die Zukunftsfähigkeit des Fußballs, vor allem in den großen Städten, ist die Infrastruktur. Der Kampf um die Flächen in unseren Städten wird immer härter. Wir haben zu wenig Fußballplätze und hier vor allem Kunstrasenplätze. Kunstrasenplätze, die heute übrigens alle ökologischen Anforderungen erfüllen. Es geht darum, dass unsere Kinder und Jugendlichen kontinuierlich über das ganze Jahr hinweg trainieren können. Wir wissen aus Studien der Sporthochschule Köln, dass neben der Qualität des Trainers eine gute Infrastruktur darüber entscheidet, ob ein Kind beim Fußball bleibt oder nicht.

Unser Freund Gerd Liesegang aus Berlin, der dort die Szene kennt wie kein Zweiter, hat vor Kurzem darauf hingewiesen, dass 5000 Kinder allein auf den Wartelisten der Fußballvereine in Berlin stehen. In Hamburg oder München ist die Lage nicht viel besser, selbst in Kiel gibt es Aufnahmestopps bei Fußballvereinen. Nicht selten warten dort Kinder auf einen Platz, die mit ihren Eltern aus dem ländlichen Raum in die große Stadt gezogen sind und dort jetzt nicht weiterspielen. Im ländlichen Raum fehlen sie und tragen dazu bei, dass mit JSGen die Mannschaften stabilisiert werden und in der großen Stadt fehlt der Platz.

Wenn man Kindern nach einer Sichtung, wie sie Vereine mit Wartelisten vornehmen, sagt, dass sie nicht gut genug für den Fußball sind, ist die Gefahr groß, dass sie ein für allemal den Spaß am Fußball verlieren. Talente können so unentdeckt bleiben, weil die Mannschaften einfach voll sind. Aber viel dramatischer ist es doch, dass Kinder, bevor sie das erste Mal das Trikot ihres Wunschvereins überstreifen dürfen, gesagt bekommen, sie seien zu schlecht für den Fußball. Diese Enttäuschung müssen wir den Kindern doch ersparen!

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Wahrscheinlich wäre unsere Statistik für die Zahl der Mannschaften völlig stabil, wenn alle Kinder Fußball spielen könnten, die Fußball spielen wollen. Das ist alles ein Unding. Selbstverständlich erkennt der DFB die Problemlage der Städte an, dass es die Notwendigkeit zum Wohnungsbau gibt. Aber zu einem sozialen Gemeinwesen gehören auch Freizeitflächen. Wir müssen darauf bestehen, dass die Landes- und Stadtsportbünde an der Stadtplanung beteiligt werden. Wer sich heute weigert, in Fußballplätze zu investieren, zahlt das in 30, 40 Jahren doppelt und dreifach im Gesundheitswesen für die Spätfolgen adipöser Kinder.

Laut dem Bericht der Sporthochschule Köln ist in letzter Zeit die Zahl der Vereine gestiegen, die für die Nutzung kommunaler Sportanlagen auch noch Gebühren zahlen müssen. Das geht nun beim besten Willen nicht: Die Vereine entlasten die Kommunen bei der Jugendarbeit und zum Dank dafür dürfen sie immer mehr an die Kommune bezahlen. Diese Gebühren gehören abgeschafft – so stärkt man das Ehrenamt!

Deshalb habe ich mich jetzt aufgemacht und werde bis zum Sommer als erste Maßnahme mit allen zehn Oberbürgermeistern der Ausrichterstädte der EURO 2024 sprechen, was sie für den Amateurfußball in ihrer Stadt tun können. Es kann nicht sein, dass sich die Städte dankbar die zusätzlichen Steuereinnahmen einstecken, gerne den weltweiten Imagegewinn durch die EURO mitnehmen, aber nichts an den Fußball zurückgeben. Und deshalb ist unsere Forderung klar: Alle Ausrichterstädte müssen Fußballplätze bauen, daran führt kein Weg vorbei! Und wir werden mit ihnen auch über andere Maßnahmen sprechen, etwa in der Vereinsberatung, wie sie etwas für die Vereine tun können.

Man muss das immer wieder hervorheben: Es gibt auf Bundesebene, auch durch den Einsatz des DFB, sehr wohl Programme für eine Unterstützung beim Bau von Sportstätten. Durch einen Beschluss des Haushaltsausschusses des Bundestages sind die Mittel für 2019 gerade von 100 auf 200 Millionen Euro verdoppelt worden. Auch in einigen Ländern, wie zum Beispiel Nordrhein-Westfalen, tut sich einiges. Aber die Kommunen, gerade im ländlichen Raum, müssen auch einmal genau untersuchen, welche Geldtöpfe sie möglicherweise in Anspruch nehmen können und entsprechende Wünsche der Vereine und Fußballkreise nicht immer gleich mit dem Hinweis auf leere Haushaltskassen ablehnen. Gerade der Finanzierungsanteil von finanzschwachen Städten und Gemeinden ist bei diesen Bundesprogrammen relativ gering, so dass man schon mit geringem Aufwand viel bewegen kann. Man muss sich nur einmal die Mühe machen, die entsprechenden Finanzierungsquellen auch zu finden.

Wir sind als DFB gegenüber den politischen Stellen des Bundes gerade in der letzten Zeit als Anwalt des Amateurfußballs aufgetreten und haben durchaus für bessere Rahmenbedingungen gesorgt: Wir haben den Altanlagenbonus für Kunstrasenplätze in der Lärmschutz-VO für Sportanlagen erhalten. Wir haben verhindert, dass viele Vereine mit einer Mannschaft in den höheren Klassen automatisch in den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb fallen. Wir haben eine praxisgerechte Lösung für den Mindestlohn für Vertragsspieler erreicht.

Gleichwohl bleibt der Bürokratieabbau im Vereinssport auf der Tagesordnung. Es ist höchste Zeit, das ganze Gemeinnützigkeitsrecht vereinsfreundlich umzugestalten. Auch das wäre eine wichtige Maßnahme, um Hemmschwellen zu senken, ein Ehrenamt zu übernehmen. Denn es gilt festzuhalten: Das Steuerrecht für die Vereine macht vielleicht kurzfristig Finanzminister reicher, aber es macht unsere Städte und Gemeinden langfristig ärmer, und das ist keine gute Entwicklung unseres Gemeinwesens!

Die Qualifizierung unserer ehrenamtlichen Mitarbeiter, vor allem unserer Trainer, aber auch von Schiedsrichtern, Kassenwarten und Vereinsvorsitzenden wird uns auf diesem Kongress beschäftigen. Die Anforderungen an unsere Trainer werden immer größer. Sie müssen nicht nur über fachlichen Kompetenz verfügen, gefragt ist auch mehr und mehr ihre soziale Kompetenz, bis hin zur Elternarbeit. Die Dienstleistungserwartung der Eltern wird immer größer. Sie erwarten nicht nur, dass der Trainer aus ihrem Kind möglichst zügig einen Bundesligaprofi macht, für ein wirtschaftlich unbeschwertes Leben. Sondern die Trainer sollen nach Möglichkeit auch noch sämtliche häuslichen Erziehungsdefizite ausgleichen und für so viel Bewegung sorgen, dass der Besuch bei McDonalds ohne schlechtes Gewissen absolviert werden kann. Und das Ganze, bitteschön, für nicht mehr als drei Euro Monatsbeitrag. So wird sich das auf Dauer in unseren Vereinen nicht machen lassen.

Qualifizierung von Ehrenamtlern hat ihren Preis. Und wenn ich mir anschaue, was in anderen Sportarten für Mitgliedsbeiträge genommen werden, oder was für Preise in kommerziellen Freizeiteinrichtungen aufgerufen werden, dann kann ich nur sagen: Wir verkaufen uns zu billig. Ich kenne eine Reihe von Vereinen, die für klar definierte Qualifizierungs- oder auch Infrastrukturmaßnahmen zum Teil beachtliche Erhöhungen der Mitgliedsbeiträge vorgenommen haben, und das hat nicht zu massenhaften Austritten geführt. Die Mitglieder haben es mitgemacht, insbesondere wenn ihnen vermittelt wurde, wofür das zusätzliche Geld eingesetzt wird. Für einkommensschwache Familien gibt es das Bildungs- und Teilhabepaket. Auch darüber kann der Mitgliedsbeitrag finanziert werden.

Auch beim Sponsoring spielt die Qualifizierung eine immer größere Rolle. Es gibt Sponsoren, die Bank oder die Sparkasse, die nicht einfach so einen Fußballverein unterstützen. Ich kenne aber zum Beispiel einen Fußballkreis, der mit einer Volksbank einen Vertrag gemacht hat, dass sie jede Saison die Finanzierung für 20 C-Trainer-Scheine übernehmen. Auch so kann man Qualifizierung finanzieren.

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Die Digitalisierung bietet große Chancen für die Verbands- und Vereinsarbeit. Sie vereinfacht und verbilligt die Kommunikation innerhalb des Vereins und bringt DFB einerseits und Verein und Ehrenamtliche andererseits durch Onlineangebote sehr eng zusammen. Das müssen wir viel mehr nutzen und die Angebotspalette des DFB weiter ausbauen.

Unter dem Stichwort Digitalisierung des Fußballs diskutieren wir auch über "e.football". Wir sind uns einig im DFB und den Landesverbänden, dass wir bei sportartenbezogenen Spielen, wie FIFA19, das Spielen nach dem Training im Vereinsheim oder auch Turniere unter dem Dach des Vereins, unserer Landesverbände und des DFB zulassen und fördern wollen. Wir wollen diejenigen, die neben dem aktiven Fußball diese sportartenbezogenen Spiele betreiben möchten, nicht vertreiben. Vielleicht führt das auch zu einer Belebung unserer Klubheime und zu einer größeren Präsenz von jungen Menschen in der täglichen Vereinsarbeit. Sicher hofft der eine oder andere von uns auch, dass ein FIFA19-Spieler beim richtigen Fußball hängen bleibt.

Trotzdem will ich aus meiner Sorge keinen Hehl machen, dass digitale Freizeitangebote sich zur wahrscheinlich größten Konkurrenz für den aktiven Sport entwickeln werden. Ich bleibe auch dabei: Wir sind als DFB zuvörderst für den Fußball auf dem grünen Rasen da, das ist unsere Aufgabe und den kann kein digitales Spiel ersetzen. Wir müssen um unserer eigenen Zukunft als Fußballverband schon aufpassen, wie sich das Freizeitverhalten unserer Kinder entwickelt. Horst Hrubesch hat doch zu Recht gewarnt, uns fehle im Jugendbereich die Kreativität, wir bräuchten wieder mehr Straßenfußballer und ihre Mentalität. Das kann dann nicht bedeuten, dass wir uns schwerpunktmäßig um eine Form des Fußballs kümmern, bei der man den Fuß gerade nicht vor die Tür, geschweige denn auf die Straße oder einen Fußballplatz setzen muss.

Es ist wichtig, dass man jungen Spielern vor Augen führt, dass sie auf die Mannschaft angewiesen sind. Ohne das Team kann man nicht Fußball spielen. Das Team kann aber auf einen einzelnen Spieler verzichten. So entsteht Mannschaftsgefühl. Mit dieser Erkenntnis wachsen Teams zusammen. Beim "e.Sport" wird dieser Grundsatz gerade auf den Kopf gestellt. Sportwissenschaftler mahnen uns, dass der Sport die letzte Möglichkeit der Körpererfahrung für junge Menschen ist. Noch mal: Ich bin nicht so naiv zu glauben, dass man die Entwicklung, dass aus vielen unserer Kinder Dauer-Gamer werden, aufhalten kann. Aber ich finde, dass wir als Sportvereine diese Entwicklung nicht noch beschleunigen müssen.

Und ich will eines auch festhalten: Wir müssen in der Sprache präzise sein. Dass der sogenannte "E-Sport" laut Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD als gemeinnützig anerkannt werden soll, ist ein Schlag ins Gesicht aller Sportvereine, denen die steuerrechtliche Bürokratie jeden Tag zu schaffen macht. Unter "E-Sport" versteht die sogenannte "Gaming-Industrie" nämlich nichts anderes als Killerspiele und Ego-Shooter-Games. Die Werte des Sports gelten aber universell. In der analogen Welt darf nichts anderes gelten als in der digitalen Welt. Und deshalb sind wir uns als DFB mit dem DOSB und übrigens auch mit dem IOC einig, dass das Töten von Menschen, das Schießen, bei dem nicht, wie beim Biathlon, eine Scheibe fällt, sondern virtuell Blut spritzt, mit den Werten des Sports unvereinbar ist und deshalb nicht gemeinnützig werden darf.

Was wir brauchen ist eine Klarstellung, dazu reicht aber ein Erlass des Bundesfinanzministeriums, dass es mit dem Recht der Gemeinnützigkeit vereinbar ist, dass wir als Vereine und Verbände sportartenbezogene Spiele durchführen und dazu auch kostenwirksame Veranstaltungen organisieren dürfen. Aber auf diese klare sportpolitische Unterscheidung müssen wir bestehen: Sportartenbezogene Spiele sind förderungswürdig, Killerspiele sind abzulehnen. Daran geht kein Weg vorbei. Es geht der "Gaming-Industrie" darum, dass Kinder, die zu Hause ein Killerspiel spielen, sich dafür nicht gegenüber ihren Eltern rechtfertigen müssen, sondern sagen können: "Was willst du denn? Ich mach' doch Sport!" Da dürfen wir als DFB zumindest sagen: Unter Sport verstehen wir etwas anderes.

Liebe Freunde, ich freue mich auf die nächsten drei Tage. Auf unseren Dialog, bei dem Spitze und Basis des DFB an einem Tisch sitzen und vor allem darüber nachdenken, wie wir auf allen Ebenen dem Ehrenamt helfen können. Dazu wird auch gehören, dass wir die bisherigen Instrumente etwa des Masterplans auf den Prüfstand stellen und fragen, sind wir da auf einem richtigen Weg oder müssen wir an der einen oder anderen Stelle umsteuern? Wie können wir Anreize schaffen für das ehrenamtliche Engagement? Wie können wir vor allem junge Menschen gewinnen mitzumachen? Wie gelingt es im Verein, eine Kultur des freiwilligen Engagements zu entwickeln?

Diese Fragen werden wir erörtern und wir werden viele Lösungsansätze, aber keine Patentrezepte finden. Am Ende muss jeder Verein für sich selbst, mit Blick auf seine spezifische Situation, eine Zukunftsstrategie entwickeln und sich fragen: Wo wollen wir hin? Wir müssen auf unsere Mitglieder in den Vereinen zugehen und sie zu Mitarbeitern machen. Dazu habe ich beschrieben, wie wir als DFB helfen, für die Vereinsarbeit gute Rahmenbedingungen zu schaffen.

Aber am Ende bleibt eines: Der Ehrenamtler muss sein Engagement für sich selbst als Bereicherung empfinden. Er muss es als sein Glück empfinden, jungen Menschen beim Training etwas im Fußball und vielleicht sogar für ihr Leben beigebracht zu haben. Vereine sind nicht unmodern. Sie sind für viele in einer globalisierten Welt ein Stück Heimat. Heimat ist nicht da, wo das Handy drei Balken hat. Heimat ist da, wo man mit Freunden und Freude zusammen die enorme Integrationskraft des Fußballs spürt.

Am Ende geht es mir als DFB-Präsident genau wie dem Ehrenamtler vor Ort im Verein. Wir machen unsere Arbeit, weil wir ein Ziel haben: dass es noch in vielen Jahren Kinder gibt, die mit dem Fußball anfangen, in Vereinen, in denen es Spaß macht, aktiv zu sein und so unser phantastischer Sport eine gute Zukunft hat!

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