Gosens: "Wollen mit unserer Stiftung beim Träumen unterstützen"

Robin Gosens "Träumen lohnt sich"-Stiftung startete vergangenes Wochenende mit einem dreitägigen Camp, das er gemeinsam mit der DFB-Stiftung Sepp Herberger organisiert hatte. Die Stiftung entspricht seinem Lebensmotto. Nichts ist aufgesetzt, die Stiftung und das Camp, das sind 100 Prozent Robin Gosens. Am Treffen in Spandau nahmen 20 junge Spielerinnen und Spieler im Alter zwischen 15 und 18 Jahren teil. Der gemeinsame Nenner: der große Traum von einer erfolgreichen Fußballkarriere. Im Johannesstift in Berlin-Spandau sprachen wir mit dem 27 Jahre alten Nationalspieler über seine Karriere, die Idee seiner Stiftung und die ganz großen Träume.

DFB.de: Herr Gosens, 20 junge Spieler und Spielerinnen zwischen 15 und 18 Jahren nehmen hier am Camp teil. Gemeinsamer Nenner: der große Traum von einer erfolgreichen Fußballkarriere. Die jungen Menschen liegen Ihnen am Herzen, oder?

Robin Gosens: Ich kenne die Jungen und Mädchen jetzt erst ein paar Stunden, wir haben uns hier zum allerersten Mal getroffen. Es ist eine kurze Zeit, aber ich fühle mich in der Tat schon ganz gut mit ihnen verbunden.

DFB.de: Einige spielen in der Junioren-Bundesliga, manche sind sogar schon mit dem Adler auf der Brust aufgelaufen. Manche der jungen Talente wurden aber bislang noch in kein Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) eingeladen. Lohnt sich der zweite Blick?

Gosens: Mein Karriereverlauf ist ein Beleg dafür. Ich hatte auch meine erste Chance vermasselt, damals ein Probetraining bei Borussia Dortmund. Ich und andere, etwa Miro Klose oder Jonas Hector, sind ein Beleg dafür, dass man auch über einen Umweg sein Ziel erreichen kann.

DFB.de: Sie wurden recht jung vom niederländischen Erstdivisionär Vitesse Arnheim verpflichtet. Peter Bosz hat Sie damals ins Training der ersten Mannschaft geholt. Auf den Durchbruch mussten Sie warten. Waren Sie enttäuscht?

Gosens: Ja, klar. Auf der einen Seite funktioniert so das Fußball-Business. Man muss damit leben, dass der Coach auf einen anderen Spieler setzt. Peter hat mir damals das Gefühl gegeben, dass ich Qualität habe. Entschieden hat er sich für einen anderen Spieler. Das ist völlig okay. Das halte ich ihm bestimmt nicht mehr vor. (lacht)

DFB.de: Nach Zwischenstopps beim niederländischen Zweitligisten FC Dordrecht und beim Erstligisten Heracles Almelo wechselten Sie in die Serie A zu Atalanta Bergamo. Nach einer Niederlage im Europa-League-Spiel bei Borussia Dortmund, das war im Februar 2018, stand Ihr Trainer Gan Piero Gasperini in der Umkleide vor Ihnen und brüllte auf Sie ein, auf Italienisch, Sie verstanden vielleicht ein Drittel. War das eine Zeit, wo Sie eher Albträume statt Träume hatten?

Gosens: Ja, absolut. Direkt nach dem Kabinenanpfiff habe ich meinen Vater angerufen. Ich war völlig am Boden zerstört. Ein Fußballleben verläuft in Extremen. Sie sprechen von Albträumen und Träumen, dahinter stecken Erfolg und Misserfolg, Siege und Niederlagen. Als Profi muss man damit klarkommen, sonst packt man es nicht. Ich musste Widerstände überwinden - alles mit dem Ziel, meinen großen Kindheitstraum zu erfüllen. Ich wollte schon als kleiner Junge später mal Nationalspieler werden.

DFB.de: Sie sind bekannt und bei den Fans beliebt dafür, dass Sie im Interview auch schon mal die überraschende oder sogar unangenehme Antwort geben. Lohnt es sich also, mutig zu sein?

Gosens: Auch "auf die Fresse fallen" gehört dazu. Fehler gehören dazu. Und dann braucht es Menschen im eigenen Umfeld, die dir auch Fehler verzeihen. Mein Eindruck ist, in den NLZ werden Fehler nicht immer verziehen. Sobald du aus dem Muster fällst, läufst du Gefahr, schnell aussortiert zu werden. Junge Spielerinnen und Spieler müssen eigene Wege gehen dürfen, dazu gehört sicher auch Mut. Ich habe in den NLZ manchmal das Gefühl, dass die jungen Talente fehlerfrei leben müssen. Aus meiner Sicht eine falsche Entwicklung.

DFB.de: Haben Sie es denn auch selbst erlebt, dass Sie etwa für Ihre Klarheit in Interviews kritisiert wurden?

Gosens: Berater oder andere Menschen aus dem Umfeld fragen dann: "Mensch Robin, warum tust du dir den Stress an, warum bietest du diese Angriffsfläche?" Und ich denke mir, wenn ich schon diese Reichweite als Profisportler habe, dann sollte ich die Leute doch nicht mit belanglosen Dingen langweilen. Dabei halte ich mich daran: Ich äußere mich nur zu Themen, von denen ich Ahnung habe.

DFB.de: Ex-Nationalspielerin Tabea Kemme sagte hier beim Camp in einer Gesprächsrunde mit den Talenten: "Ich war immer bei mir und bin mir treu geblieben. Das ist die größte Trophäe meiner Karriere."

Gosens: Da ähneln Tabea und ich uns sehr. Klar, meistens werden Erfolge an Trophäen gemessen. In einem so schwierigen Business, in dem so viele Menschen etwas von dir wollen, und so viele Menschen dir etwas vorgaukeln, ist es der größte Erfolg, nach der Karriere zu sagen, ich habe mich nicht verbiegen lassen, auch wenn es mein täglicher Antrieb ist, sportlich das Maximale herauszuholen und so viel zu gewinnen wie nur möglich.

DFB.de: Ihr Marktwert hat sich binnen eines Jahres auf 35 Millionen Euro verdoppelt. Und 2017 lag Ihr Marktwert noch bei 1 Million Euro. Wie gehen Sie damit um?

Gosens: Diese Zahlen kann ich nicht begreifen. Dabei habe ich es schon probiert. Ich habe versucht, mir 35 Millionen Euro vorzustellen, die Menge an Geld, was man dafür kaufen könnte. Kann ich als Mensch in Geld gemessen werden? Meine Antwort ist ein klares "Nein". Und deshalb machen mir diese Zahlen keinen Druck. Schließlich kann ich nicht mehr als mein Bestes geben, egal ob ich jetzt angeblich eine oder 100 Millionen wert bin. Ich trainiere jeden Tag mit voller Überzeugung, versuche, mich für das Team, für das ich spiele, zu zerreißen und den Verein zu respektieren. Mit 100 Prozent. Mehr geht nicht.

DFB.de: Beim Camp "Träumen lohnt sich" hier in Berlin-Spandau ging es auch um Selbstachtsamkeit. Können Sie etwas damit anfangen?

Gosens: Ja, auch wenn das für mich ein Prozess gewesen ist, der sich erstmal entwickeln musste. Als es in Bergamo zu Beginn schwierig lief, habe ich mit einem Mental-Coach gearbeitet. Der fragte mich irgendwann: "Robin, das Mannschaftstraining, das Krafttraining, die Laufeinheiten, der Italienisch-Unterricht - für wen machst du das eigentlich?" Und mein erster Impuls war es, zu antworten: "Für den Trainer, denn der entscheidet, ob ich spiele oder nicht." Dieser Moment war mein persönlicher "Game Changer". Ich verstand plötzlich, dass ich alles, was ich tue, für mich machen muss. Mir muss es erstmal gut gehen. Nur dann kann ich andere überzeugen. Aber solange ich nicht auf mich selbst achtgebe, kann ich keine Leistung bringen, weil ich dann nur den Zielen anderer Menschen hinterherhechele.

DFB.de: Bei einer Kreativitätsübung gingen die Jugendlichen durch den Raum und sollten Dinge bewusst laut falsch benennen. Also vor einem Stuhl stehen, drauf deuten und "Leguan" sagen. Oder auf einen Notizblock deuten und "Spülbecken" sagen. Wie wichtig ist Kreativität im Spitzenfußball?

Gosens: Kreativität ist ein eminent wichtiger Bestandteil meines Profidaseins. Du kannst im Verlaufe eines Spiels die wenigsten Situationen vorhersehen, sondern musst dich auf immer wieder neue Situationen einstellen. Durch Kreativität blitzschnell Lösungen finden - darum geht es. Und außerhalb des Feldes, wie jetzt bei meiner Stiftungsarbeit, will ich Leute erreichen, Reichweite erzielen und hier vor Ort die Jugendlichen inspirieren und ein Feuer entfachen. Dabei kommt es auch auf Kreativität an.

DFB.de: Was ist das Ziel Ihrer Stiftung?

Gosens: Gemeinsam mit meiner Partnerin Rabea möchte ich mit unserer Stiftung junge Menschen bei ihren eigenen Träumen unterstützen. Wir möchten Kinder und Jugendliche mit einer Vergangenheit der Flucht, aus sozial schwachen Familien sowie mit jeglicher Beeinträchtigung, die ihre Träume aufgegeben haben, durch äußere Einflüsse aus diesen gerissen wurden oder sich aufgrund einer vermeintlich aussichtslosen Lage nicht trauen, an diese zu glauben, darin unterstützen, ihre Träume wiederzuentdecken oder komplett neu zu träumen. Denn träumen lohnt sich.

DFB.de: Sie haben in den vergangenen beiden Saisons in der Serie A 20 Tore geschossen und 14 Treffer direkt vorbereitet. Was macht Sie vor dem Tor so stark?

Gosens: Technisch bin ich vielleicht nicht der allerfähigste Spieler, da kann ich mich schon einschätzen. Aber ich habe diesen Offensivdrang, ich will die Bude machen. Meine Torgefährlichkeit ist sicher ein wenig ein Alleinstellungsmerkmal auf meiner Position. Wichtig ist: Ich glaube immer daran, das Tor zu erzielen.

DFB.de: Peter Holzer, seines Zeichens Vorsitzender des Aufsichtsrates von Eintracht Frankfurt, hat gerade Atalanta Bergamo als Vorbild für die Eintracht ausgerufen. Weil der Klub sehr konsequent seinen Weg gehe. Atalanta spielt zum dritten Jahr in Folge in der Champions League. Dreimal hintereinander stand man in der Tabelle am Ende auf dem dritten Platz. Geht es noch höher?

Gosens: Mein persönliches Ziel ist es immer, die Vorjahresposition noch zu toppen. Da bleibt für uns nur Platz zwei oder die Scudetto. Das ist mein Anspruch. Und wir haben auch die Qualität in der Truppe, um dieses Ziel zu erreichen. Für den Ligatitel müsste aber wirklich alles passen. Wenn wir zum vierten Mal in Folge in die Champions League einziehen, hätten wir unser Soll auf jeden Fall auch erfüllt. Aber man sollte auch mal träumen.

DFB.de: Saisonstart ist gegen den FC Turin, Bologna und Sampdoria Genua. Da kann man nach drei Spieltagen auch mal Tabellenführer sein.

Gosens: Das sind wegweisende Spiele. Wenn wir da performen, können wir auch neun Punkte holen.

DFB.de: Zum Abschluss - wie zufrieden sind Sie mit dem Camp hier?

Gosens: Absolut zufrieden. Ich wäre gerne das ganze Wochenende dabei gewesen, aber wir befinden uns mitten in der Saisonvorbereitung. Nach unserem Testspiel gegen einen Zweitligisten bin ich direkt zum Flughafen und hier nach Berlin gekommen. Unser Angebot kann für diese Jugendlichen sehr wertvoll sein. Von uns bekommen sie ein Handwerkzeug, um ihren Traum vom Profifußball zu erfüllen. Und sie bekommen Anleitungen, wie man einen Plan B entwickelt, falls der ganz große Traum platzt. Ich denke, wir können dazu beitragen, dass unsere Jungen und Mädchen nach dem Camp stärker und weniger ausgeliefert sind. Es lohnt sich zu träumen. Und vielleicht muss man einen Umweg gehen. Oder sich vielleicht einen ganz anderen Traum erfüllen. Ich bin sehr zufrieden, dass ich gemeinsam mit der DFB-Stiftung Sepp Herberger etwas tun kann, damit Jugendliche sich ihren Traum erfüllen können.

[th]

Robin Gosens "Träumen lohnt sich"-Stiftung startete vergangenes Wochenende mit einem dreitägigen Camp, das er gemeinsam mit der DFB-Stiftung Sepp Herberger organisiert hatte. Die Stiftung entspricht seinem Lebensmotto. Nichts ist aufgesetzt, die Stiftung und das Camp, das sind 100 Prozent Robin Gosens. Am Treffen in Spandau nahmen 20 junge Spielerinnen und Spieler im Alter zwischen 15 und 18 Jahren teil. Der gemeinsame Nenner: der große Traum von einer erfolgreichen Fußballkarriere. Im Johannesstift in Berlin-Spandau sprachen wir mit dem 27 Jahre alten Nationalspieler über seine Karriere, die Idee seiner Stiftung und die ganz großen Träume.

DFB.de: Herr Gosens, 20 junge Spieler und Spielerinnen zwischen 15 und 18 Jahren nehmen hier am Camp teil. Gemeinsamer Nenner: der große Traum von einer erfolgreichen Fußballkarriere. Die jungen Menschen liegen Ihnen am Herzen, oder?

Robin Gosens: Ich kenne die Jungen und Mädchen jetzt erst ein paar Stunden, wir haben uns hier zum allerersten Mal getroffen. Es ist eine kurze Zeit, aber ich fühle mich in der Tat schon ganz gut mit ihnen verbunden.

DFB.de: Einige spielen in der Junioren-Bundesliga, manche sind sogar schon mit dem Adler auf der Brust aufgelaufen. Manche der jungen Talente wurden aber bislang noch in kein Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) eingeladen. Lohnt sich der zweite Blick?

Gosens: Mein Karriereverlauf ist ein Beleg dafür. Ich hatte auch meine erste Chance vermasselt, damals ein Probetraining bei Borussia Dortmund. Ich und andere, etwa Miro Klose oder Jonas Hector, sind ein Beleg dafür, dass man auch über einen Umweg sein Ziel erreichen kann.

DFB.de: Sie wurden recht jung vom niederländischen Erstdivisionär Vitesse Arnheim verpflichtet. Peter Bosz hat Sie damals ins Training der ersten Mannschaft geholt. Auf den Durchbruch mussten Sie warten. Waren Sie enttäuscht?

Gosens: Ja, klar. Auf der einen Seite funktioniert so das Fußball-Business. Man muss damit leben, dass der Coach auf einen anderen Spieler setzt. Peter hat mir damals das Gefühl gegeben, dass ich Qualität habe. Entschieden hat er sich für einen anderen Spieler. Das ist völlig okay. Das halte ich ihm bestimmt nicht mehr vor. (lacht)

DFB.de: Nach Zwischenstopps beim niederländischen Zweitligisten FC Dordrecht und beim Erstligisten Heracles Almelo wechselten Sie in die Serie A zu Atalanta Bergamo. Nach einer Niederlage im Europa-League-Spiel bei Borussia Dortmund, das war im Februar 2018, stand Ihr Trainer Gan Piero Gasperini in der Umkleide vor Ihnen und brüllte auf Sie ein, auf Italienisch, Sie verstanden vielleicht ein Drittel. War das eine Zeit, wo Sie eher Albträume statt Träume hatten?

Gosens: Ja, absolut. Direkt nach dem Kabinenanpfiff habe ich meinen Vater angerufen. Ich war völlig am Boden zerstört. Ein Fußballleben verläuft in Extremen. Sie sprechen von Albträumen und Träumen, dahinter stecken Erfolg und Misserfolg, Siege und Niederlagen. Als Profi muss man damit klarkommen, sonst packt man es nicht. Ich musste Widerstände überwinden - alles mit dem Ziel, meinen großen Kindheitstraum zu erfüllen. Ich wollte schon als kleiner Junge später mal Nationalspieler werden.

DFB.de: Sie sind bekannt und bei den Fans beliebt dafür, dass Sie im Interview auch schon mal die überraschende oder sogar unangenehme Antwort geben. Lohnt es sich also, mutig zu sein?

Gosens: Auch "auf die Fresse fallen" gehört dazu. Fehler gehören dazu. Und dann braucht es Menschen im eigenen Umfeld, die dir auch Fehler verzeihen. Mein Eindruck ist, in den NLZ werden Fehler nicht immer verziehen. Sobald du aus dem Muster fällst, läufst du Gefahr, schnell aussortiert zu werden. Junge Spielerinnen und Spieler müssen eigene Wege gehen dürfen, dazu gehört sicher auch Mut. Ich habe in den NLZ manchmal das Gefühl, dass die jungen Talente fehlerfrei leben müssen. Aus meiner Sicht eine falsche Entwicklung.

DFB.de: Haben Sie es denn auch selbst erlebt, dass Sie etwa für Ihre Klarheit in Interviews kritisiert wurden?

Gosens: Berater oder andere Menschen aus dem Umfeld fragen dann: "Mensch Robin, warum tust du dir den Stress an, warum bietest du diese Angriffsfläche?" Und ich denke mir, wenn ich schon diese Reichweite als Profisportler habe, dann sollte ich die Leute doch nicht mit belanglosen Dingen langweilen. Dabei halte ich mich daran: Ich äußere mich nur zu Themen, von denen ich Ahnung habe.

DFB.de: Ex-Nationalspielerin Tabea Kemme sagte hier beim Camp in einer Gesprächsrunde mit den Talenten: "Ich war immer bei mir und bin mir treu geblieben. Das ist die größte Trophäe meiner Karriere."

Gosens: Da ähneln Tabea und ich uns sehr. Klar, meistens werden Erfolge an Trophäen gemessen. In einem so schwierigen Business, in dem so viele Menschen etwas von dir wollen, und so viele Menschen dir etwas vorgaukeln, ist es der größte Erfolg, nach der Karriere zu sagen, ich habe mich nicht verbiegen lassen, auch wenn es mein täglicher Antrieb ist, sportlich das Maximale herauszuholen und so viel zu gewinnen wie nur möglich.

DFB.de: Ihr Marktwert hat sich binnen eines Jahres auf 35 Millionen Euro verdoppelt. Und 2017 lag Ihr Marktwert noch bei 1 Million Euro. Wie gehen Sie damit um?

Gosens: Diese Zahlen kann ich nicht begreifen. Dabei habe ich es schon probiert. Ich habe versucht, mir 35 Millionen Euro vorzustellen, die Menge an Geld, was man dafür kaufen könnte. Kann ich als Mensch in Geld gemessen werden? Meine Antwort ist ein klares "Nein". Und deshalb machen mir diese Zahlen keinen Druck. Schließlich kann ich nicht mehr als mein Bestes geben, egal ob ich jetzt angeblich eine oder 100 Millionen wert bin. Ich trainiere jeden Tag mit voller Überzeugung, versuche, mich für das Team, für das ich spiele, zu zerreißen und den Verein zu respektieren. Mit 100 Prozent. Mehr geht nicht.

DFB.de: Beim Camp "Träumen lohnt sich" hier in Berlin-Spandau ging es auch um Selbstachtsamkeit. Können Sie etwas damit anfangen?

Gosens: Ja, auch wenn das für mich ein Prozess gewesen ist, der sich erstmal entwickeln musste. Als es in Bergamo zu Beginn schwierig lief, habe ich mit einem Mental-Coach gearbeitet. Der fragte mich irgendwann: "Robin, das Mannschaftstraining, das Krafttraining, die Laufeinheiten, der Italienisch-Unterricht - für wen machst du das eigentlich?" Und mein erster Impuls war es, zu antworten: "Für den Trainer, denn der entscheidet, ob ich spiele oder nicht." Dieser Moment war mein persönlicher "Game Changer". Ich verstand plötzlich, dass ich alles, was ich tue, für mich machen muss. Mir muss es erstmal gut gehen. Nur dann kann ich andere überzeugen. Aber solange ich nicht auf mich selbst achtgebe, kann ich keine Leistung bringen, weil ich dann nur den Zielen anderer Menschen hinterherhechele.

DFB.de: Bei einer Kreativitätsübung gingen die Jugendlichen durch den Raum und sollten Dinge bewusst laut falsch benennen. Also vor einem Stuhl stehen, drauf deuten und "Leguan" sagen. Oder auf einen Notizblock deuten und "Spülbecken" sagen. Wie wichtig ist Kreativität im Spitzenfußball?

Gosens: Kreativität ist ein eminent wichtiger Bestandteil meines Profidaseins. Du kannst im Verlaufe eines Spiels die wenigsten Situationen vorhersehen, sondern musst dich auf immer wieder neue Situationen einstellen. Durch Kreativität blitzschnell Lösungen finden - darum geht es. Und außerhalb des Feldes, wie jetzt bei meiner Stiftungsarbeit, will ich Leute erreichen, Reichweite erzielen und hier vor Ort die Jugendlichen inspirieren und ein Feuer entfachen. Dabei kommt es auch auf Kreativität an.

DFB.de: Was ist das Ziel Ihrer Stiftung?

Gosens: Gemeinsam mit meiner Partnerin Rabea möchte ich mit unserer Stiftung junge Menschen bei ihren eigenen Träumen unterstützen. Wir möchten Kinder und Jugendliche mit einer Vergangenheit der Flucht, aus sozial schwachen Familien sowie mit jeglicher Beeinträchtigung, die ihre Träume aufgegeben haben, durch äußere Einflüsse aus diesen gerissen wurden oder sich aufgrund einer vermeintlich aussichtslosen Lage nicht trauen, an diese zu glauben, darin unterstützen, ihre Träume wiederzuentdecken oder komplett neu zu träumen. Denn träumen lohnt sich.

DFB.de: Sie haben in den vergangenen beiden Saisons in der Serie A 20 Tore geschossen und 14 Treffer direkt vorbereitet. Was macht Sie vor dem Tor so stark?

Gosens: Technisch bin ich vielleicht nicht der allerfähigste Spieler, da kann ich mich schon einschätzen. Aber ich habe diesen Offensivdrang, ich will die Bude machen. Meine Torgefährlichkeit ist sicher ein wenig ein Alleinstellungsmerkmal auf meiner Position. Wichtig ist: Ich glaube immer daran, das Tor zu erzielen.

DFB.de: Peter Holzer, seines Zeichens Vorsitzender des Aufsichtsrates von Eintracht Frankfurt, hat gerade Atalanta Bergamo als Vorbild für die Eintracht ausgerufen. Weil der Klub sehr konsequent seinen Weg gehe. Atalanta spielt zum dritten Jahr in Folge in der Champions League. Dreimal hintereinander stand man in der Tabelle am Ende auf dem dritten Platz. Geht es noch höher?

Gosens: Mein persönliches Ziel ist es immer, die Vorjahresposition noch zu toppen. Da bleibt für uns nur Platz zwei oder die Scudetto. Das ist mein Anspruch. Und wir haben auch die Qualität in der Truppe, um dieses Ziel zu erreichen. Für den Ligatitel müsste aber wirklich alles passen. Wenn wir zum vierten Mal in Folge in die Champions League einziehen, hätten wir unser Soll auf jeden Fall auch erfüllt. Aber man sollte auch mal träumen.

DFB.de: Saisonstart ist gegen den FC Turin, Bologna und Sampdoria Genua. Da kann man nach drei Spieltagen auch mal Tabellenführer sein.

Gosens: Das sind wegweisende Spiele. Wenn wir da performen, können wir auch neun Punkte holen.

DFB.de: Zum Abschluss - wie zufrieden sind Sie mit dem Camp hier?

Gosens: Absolut zufrieden. Ich wäre gerne das ganze Wochenende dabei gewesen, aber wir befinden uns mitten in der Saisonvorbereitung. Nach unserem Testspiel gegen einen Zweitligisten bin ich direkt zum Flughafen und hier nach Berlin gekommen. Unser Angebot kann für diese Jugendlichen sehr wertvoll sein. Von uns bekommen sie ein Handwerkzeug, um ihren Traum vom Profifußball zu erfüllen. Und sie bekommen Anleitungen, wie man einen Plan B entwickelt, falls der ganz große Traum platzt. Ich denke, wir können dazu beitragen, dass unsere Jungen und Mädchen nach dem Camp stärker und weniger ausgeliefert sind. Es lohnt sich zu träumen. Und vielleicht muss man einen Umweg gehen. Oder sich vielleicht einen ganz anderen Traum erfüllen. Ich bin sehr zufrieden, dass ich gemeinsam mit der DFB-Stiftung Sepp Herberger etwas tun kann, damit Jugendliche sich ihren Traum erfüllen können.

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