Golz und Tarnat: "Der Weg ist nicht zu Ende"

Genau wie ihr Verein Rot-Weiss Essen absolvieren auch Torhüter Jakob Golz (24) und Mittelfeldspieler Niklas Tarnat (24) jeweils ihre erste Saison in der 3. Liga. Die beiden Leistungsträger sind mit dem Traditionsklub von der Hafenstraße auf dem besten Weg, sich im deutschen Profifußball zu etablieren - und treten dabei in große Fußstapfen. Denn schon ihre Väter standen einst gemeinsam bei Hannover 96 unter Vertrag.

DFB.de: Seit zehn Tagen ist RWE wieder im Training. Ist es die bislang ungewöhnlichste Vorbereitung Ihrer Karriere?

Jakob Golz: Vom Zeitpunkt her auf jeden Fall. Normalerweise fahre ich in der Winterpause in den Skiurlaub, diesmal war ich bei der Familie in Hamburg. Über Weihnachten haben wir noch einmal ein paar Tage frei, um zu entspannen. Ein solches Break tut während der Vorbereitung sicherlich auch mal gut.

Niklas Tarnat: Nach unserem letzten Ligaspiel bei 1860 München hatten wir mit dem Staff und den Mitarbeitern der Geschäftsstelle schon eine kleine Jahresabschlussfeier. Ich habe dabei aus alter Gewohnheit allen schon frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr gewünscht. Und jetzt habe ich sie schon vorher wiedergesehen. (lacht) Es ist komisch, auch wegen der WM im Winter. Aber wir müssen und werden es jetzt so annehmen.

DFB.de: RWE überwintert auf Rang 13, sechs Punkte vor einem Abstiegsplatz. Wie zufrieden sind Sie mit dem bisherigen Abschneiden?

Golz: Nach unserem missglückten Saisonstart können wir definitiv zufrieden sein. Dass wir in der Liga angekommen sind, zeigen die sieben Spiele ohne Niederlage vor der Winterpause. Darauf ruhen wir uns aber nicht aus, sondern wollen so weitermachen.

DFB.de: Sie gehören beide zu den Spielern, die schon Teil des Aufstiegskaders waren und erstmals in der 3. Liga am Ball sind. Was hat Sie am meisten überrascht?

Tarnat: Überrascht ist vielleicht das falsche Wort. Aber uns wurde gleich zu Beginn deutlich vor Augen geführt, dass in der 3. Liga - im Gegensatz zur Regionalliga - jeder Fehler sofort betraft wird. Beim 1:5 zum Auftakt gegen Elversberg waren vier der ersten fünf Torschüsse des Gegners direkt drin. Die Liga ist extrem ausgeglichen, jeder kann wirklich jeden besiegen. Es hat einige Zeit gedauert, bis wir richtig angekommen sind.

Golz: Das kann ich nur unterstreichen. Die zahlreichen Gegentore waren schon sehr bitter.

DFB.de: Welche Gründe hat die Ursachenforschung dafür ergeben?

Tarnat: Die zum Teil fehlende Erfahrung hat sicherlich eine Rolle gespielt. Ein Problem war auch, dass wir vor allem durch die deutlichen Heimniederlagen zu Beginn die Euphorie des Aufstiegs nicht richtig mitnehmen konnten, obwohl uns die Fans auch in dieser Phase herausragend unterstützt haben. Ich bin froh, dass wir ihnen dieses Vertrauen mit besseren Leistungen zurückzahlen und beweisen konnten, dass unser Weg noch nicht zu Ende ist.

DFB.de: Auch für Sie persönlich lief nicht alles nach Wunsch, Herr Golz. Beispielsweise waren Sie mit einem spielentscheidenden Patzer an der 0:1-Derbyniederlage in Dortmund beteiligt. Wie gehen Sie grundsätzlich mit Fehlern um?

Golz: Es war natürlich kein angenehmes Gefühl, dass diese Niederlage auf meine Kappe ging. Ich bin grundsätzlich allerdings ein Typ, der solche Rückschläge gut verarbeiten und wegstecken kann. Das habe ich dann ja auch bewiesen. Dass mir unser Trainer Christoph Dabrowski gleich nach dem Spiel das Vertrauen ausgesprochen hat, tat ebenfalls sehr gut.

DFB.de: Was waren aus Ihrer Sicht die wichtigsten Gründe für den folgenden Aufschwung?

Tarnat: Die nötige Qualität und ein gesundes Mannschaftsgefüge waren von Beginn an da. Als Team mussten wir aber erst verstehen, dass wir nicht mehr in der Regionalliga und damit in jedem Spiel automatisch der Favorit sind, sondern auch mal die Außenseiterrolle annehmen müssen. Das hat ein wenig gedauert. Der Trainer hat daran mit seinem Gespür für die gesamte Gruppe und mit seinen taktischen Vorgaben, die wir dann nach und nach umgesetzt haben, einen riesigen Anteil daran.

DFB.de: Wie würden Sie die Zielsetzung für den Saisonendspurt beschreiben?

Golz: Oberstes Ziel ist und bleibt der Klassenverbleib. Dafür wollen wir nach der Pause so schnell und so früh wie möglich die nötigen Punkte holen.

DFB.de: In Fußball-Deutschland wurde Rot-Weiss Essen über viele Jahre als "schlafender Riese" wahrgenommen. Teilen Sie diese Ansicht?

Tarnat: Zu 100 Prozent. Wenn ich beispielsweise zu Hause in München bin und auf RWE zu sprechen komme, dann weiß direkt jeder Bescheid. Das unterstreicht die Historie, aber auch die aktuelle Bedeutung des Vereins.

Golz: Das kann ich nur bestätigen. Welche Fanunterstützung wir schon in der Regionalliga hatten, ist in ganz Deutschland einmalig.

DFB.de: Ist der "Riese" bereits durch den Aufstieg in die 3. Liga erwacht? Oder gehört mehr dazu?

Tarnat: Ich würde sagen, er nimmt sich noch einen leichten Mittagsschlaf. Das liegt aber nicht am Verein selbst, sondern an uns Spielern - weil es uns in der Hinserie noch nicht regelmäßig gelungen ist, Feuerwerke auf dem Platz abzubrennen. Richtig erwachen wird der Riese erst, wenn es eines Tages noch eine Liga weiter nach oben geht. Dabei wollen wir dem Verein sehr gerne helfen.

DFB.de: Im Profifußball ist es eher ungewöhnlich, dass sich Teamkollegen schon seit Kindertagen kennen. Haben Sie sich schon damals gut verstanden?

Tarnat: (grinst) Das soll mal lieber Jakob beantworten.

Golz: Als unsere Väter zusammen für Hannover 96 gespielt haben, saßen wir in der Tat oft gemeinsam auf der Tribüne und waren nach den Partien auch regelmäßig unten auf dem Platz. Das war im Alter von sechs, sieben Jahren für uns natürlich etwas Besonderes. Später war der Kontakt nicht mehr so intensiv, ganz abgerissen ist er aber nie.

DFB.de: Wie war es, sich in Essen als Teamkollegen wiederzusehen?

Golz: Ich bin ja schon etwas länger hier. (lacht) Ich muss aber zugeben, dass ich mich schon gefreut habe, als mir Niklas im letzten Herbst via Instagram geschrieben hat, dass er mal bei uns vorbeikommt, um sich vorzustellen. Es war für ihn sicher nicht schlecht, dass er schon einen aus dem Team kannte.

Tarnat: Man sagt ja, dass man sich im Leben immer zweimal sieht. Das war bei uns definitiv der Fall. Dass wir schon als kleine Kinder zusammen auf dem Platz standen, wenn auch nicht im Verein, ist sehr lustig. Damals war ich auch noch größer als Jakob. Jetzt hinke ich ein paar Zentimeter hinterher. (lacht)

DFB.de: Welche persönlichen Eigenschaften und welche sportlichen Qualitäten schätzen Sie am jeweils anderen?

Tarnat: Jakob ist als Torwart ein sehr guter Fußballer. Man kann mit ihm immer spielerische Lösungen suchen. Dass er ab und zu auch mal Bälle fangen kann, hat er ebenfalls in dieser Saison bewiesen. Dazu hat er großen Anteil an der guten Stimmung in der Kabine.

Golz: Als Mitspieler schätze ich an Niki besonders, dass er sich immer zeigt und den Ball haben will. Sein Einfluss auf dem Platz wird von außen oft unterschätzt, dabei ist er ein sehr wichtiger Faktor für unser Spiel. Außerdem bringt er sich manchmal als Mannschafts-DJ ein.

DFB.de: Wollten Sie Ihren Vätern nacheifern und schon immer Profifußballer werden?

Golz: In meinen Fragebogen in der Grundschule habe ich eingetragen, dass ich Tennisspieler werden möchte. Ich habe es später auch versucht, bin dann aber doch beim Fußball geblieben. Wahrscheinlich war die Entscheidung nicht ganz falsch.

Tarnat: Ich fand es schon cool, meinen Papa im TV zu sehen und auch selbst ein Trikot zu tragen. Der Wunsch, selbst Profi werden zu wollen, hat sich aber erst wesentlich später entwickelt, vor allem während unserer Zeit in England. Dort wurde mein Interesse am Fußball deutlich intensiver.

DFB.de: Genau wie Ihr Vater Richard, der mehr als 450 Bundesligaspiele bestritten hat, wurden Sie Torhüter, Herr Golz. Kam keine andere Position in Frage?

Golz: Zu Beginn meiner Jugendzeit habe ich alle möglichen Positionen auf dem Feld gespielt - vom Innenverteidiger bis zum Stürmer. Ab der U 12 beim HSV war ich dann im Tor. Dabei blieb es dann auch, obwohl ich in der U 17 wegen einiger verletzungsbedingter Ausfälle in einem Test- und einem Pokalspiel noch einmal im Feld spielen durfte und in den beiden Partien dann auch noch insgesamt drei Tore erzielt habe. Trotz der guten Quote war es aber keine ernsthafte Option mehr, die Position zu wechseln.

DFB.de: Als zentraler Mittelfeldspieler nehmen Sie dagegen eine andere Rolle ein als Ihr Vater Michael, Herr Tarnat. Hat sich das so ergeben und war es eine bewusste Entscheidung?

Tarnat: Meine Mama sagt immer, ich habe das Talent von ihr geerbt und spiele deshalb im Zentrum. (lacht) In der Allstars-Mannschaft des FC Bayern läuft mein Papa inzwischen aber auch nicht mehr als Außenverteidiger auf, sondern ebenfalls auf der Sechs. Bei mir liegt es wohl daran, dass ich noch nie der schnellste Spieler war. Ich bin eher ein Typ, der viel denkt und versucht, das Spiel zu lenken. Das kommt in der Mitte am besten zur Geltung.

DFB.de: Nehmen Sie sich Ratschläge Ihrer Väter zu Herzen?

Golz: Da er häufiger bei unseren Spielen vor Ort ist oder sich die Partien im Fernsehen anschaut, sprechen wir natürlich darüber. Das Feedback ist mir auch wichtig. Schließlich hat er selbst das eine oder andere Spiel bestritten und weiß genau, wovon er spricht.

Tarnat: Wer in einer Fußballerfamilie aufwächst, für den hat das Wort der Eltern ein besonders großes Gewicht. Er hat das alles selbst auch erlebt, den Beruf erlernt und über viele Jahre ausgeübt. Da man hört man natürlich hin.

DFB.de: Sie sind beide 24 Jahre, absolvieren Ihre sechste Saison im Profibereich und sind Stammspieler. Sehen Sie sich an der Hafenstraße bereits in einer Führungsrolle?

Tarnat: Da antworte ich mal für Jakob. (lacht) Er ist unser erster Torwart und damit der erste Mann in unserer Achse. Wenn er nicht so lautstark auf dem Platz wäre, dann hätten wir ein großes Problem. Von daher ist die Antwort klar. Er weiß allerdings auch, dass er noch reifen und besser werden kann.

Golz: Niklas hat von der zentralen Achse gesprochen, die für das Team sehr wichtig ist. Zu dieser Achse gehört er als Sechser auch. Entsprechend übernimmt er viel Verantwortung.

DFB.de: Der Verein will sich zunächst in der 3. Liga etablieren, strebt aber mittelfristig höhere Ziele an. Sehen Sie die Spielklasse auch als Sprungbrett?

Golz: Jeder Spieler sollte ambitioniert und nie zufrieden sein. Wir sehen uns und den Verein nicht am Ende seiner Entwicklung und wollen weiter nach oben, ganz klar.

DFB.de: Welche persönlichen Ziele verfolgen Sie grundsätzlich?

Golz: Ich halte nicht viel davon, ein festes Ziel zu verfolgen. Jeder will so weit wie möglich nach oben kommen. Sollte ich eines Tages 300 Spiele für RWE bestritten haben, wäre das sicherlich auch nicht so verkehrt.

Tarnat: Im Fußball kann man nie vorhersagen, wohin der Weg führt. Neben Talent und Ehrgeiz benötigt auch jeder das nötige Glück, um zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Mit Rot-Weiss noch einmal aufzusteigen, hätte mit Sicherheit seinen Reiz.

DFB.de: Was wünschen Sie sich für das neue Jahr?

Golz: Sportlich, dass wir so früh wie möglich den Klassenverbleib sichern. Persönlich, dass ich gesund und fit bleibe, möglichst viele Spiele bestreiten darf.

Tarnat: Das Mannschaftsziel ist auch mein persönliches Ziel. Das Wichtigste aber ist die Gesundheit für die Familie. Dazu würde ich mir wünschen, dass sich die politische Lage in der Welt wieder deutlich beruhigt und alle Menschen in Frieden leben können.

[mspw]

Genau wie ihr Verein Rot-Weiss Essen absolvieren auch Torhüter Jakob Golz (24) und Mittelfeldspieler Niklas Tarnat (24) jeweils ihre erste Saison in der 3. Liga. Die beiden Leistungsträger sind mit dem Traditionsklub von der Hafenstraße auf dem besten Weg, sich im deutschen Profifußball zu etablieren - und treten dabei in große Fußstapfen. Denn schon ihre Väter standen einst gemeinsam bei Hannover 96 unter Vertrag.

DFB.de: Seit zehn Tagen ist RWE wieder im Training. Ist es die bislang ungewöhnlichste Vorbereitung Ihrer Karriere?

Jakob Golz: Vom Zeitpunkt her auf jeden Fall. Normalerweise fahre ich in der Winterpause in den Skiurlaub, diesmal war ich bei der Familie in Hamburg. Über Weihnachten haben wir noch einmal ein paar Tage frei, um zu entspannen. Ein solches Break tut während der Vorbereitung sicherlich auch mal gut.

Niklas Tarnat: Nach unserem letzten Ligaspiel bei 1860 München hatten wir mit dem Staff und den Mitarbeitern der Geschäftsstelle schon eine kleine Jahresabschlussfeier. Ich habe dabei aus alter Gewohnheit allen schon frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr gewünscht. Und jetzt habe ich sie schon vorher wiedergesehen. (lacht) Es ist komisch, auch wegen der WM im Winter. Aber wir müssen und werden es jetzt so annehmen.

DFB.de: RWE überwintert auf Rang 13, sechs Punkte vor einem Abstiegsplatz. Wie zufrieden sind Sie mit dem bisherigen Abschneiden?

Golz: Nach unserem missglückten Saisonstart können wir definitiv zufrieden sein. Dass wir in der Liga angekommen sind, zeigen die sieben Spiele ohne Niederlage vor der Winterpause. Darauf ruhen wir uns aber nicht aus, sondern wollen so weitermachen.

DFB.de: Sie gehören beide zu den Spielern, die schon Teil des Aufstiegskaders waren und erstmals in der 3. Liga am Ball sind. Was hat Sie am meisten überrascht?

Tarnat: Überrascht ist vielleicht das falsche Wort. Aber uns wurde gleich zu Beginn deutlich vor Augen geführt, dass in der 3. Liga - im Gegensatz zur Regionalliga - jeder Fehler sofort betraft wird. Beim 1:5 zum Auftakt gegen Elversberg waren vier der ersten fünf Torschüsse des Gegners direkt drin. Die Liga ist extrem ausgeglichen, jeder kann wirklich jeden besiegen. Es hat einige Zeit gedauert, bis wir richtig angekommen sind.

Golz: Das kann ich nur unterstreichen. Die zahlreichen Gegentore waren schon sehr bitter.

DFB.de: Welche Gründe hat die Ursachenforschung dafür ergeben?

Tarnat: Die zum Teil fehlende Erfahrung hat sicherlich eine Rolle gespielt. Ein Problem war auch, dass wir vor allem durch die deutlichen Heimniederlagen zu Beginn die Euphorie des Aufstiegs nicht richtig mitnehmen konnten, obwohl uns die Fans auch in dieser Phase herausragend unterstützt haben. Ich bin froh, dass wir ihnen dieses Vertrauen mit besseren Leistungen zurückzahlen und beweisen konnten, dass unser Weg noch nicht zu Ende ist.

DFB.de: Auch für Sie persönlich lief nicht alles nach Wunsch, Herr Golz. Beispielsweise waren Sie mit einem spielentscheidenden Patzer an der 0:1-Derbyniederlage in Dortmund beteiligt. Wie gehen Sie grundsätzlich mit Fehlern um?

Golz: Es war natürlich kein angenehmes Gefühl, dass diese Niederlage auf meine Kappe ging. Ich bin grundsätzlich allerdings ein Typ, der solche Rückschläge gut verarbeiten und wegstecken kann. Das habe ich dann ja auch bewiesen. Dass mir unser Trainer Christoph Dabrowski gleich nach dem Spiel das Vertrauen ausgesprochen hat, tat ebenfalls sehr gut.

DFB.de: Was waren aus Ihrer Sicht die wichtigsten Gründe für den folgenden Aufschwung?

Tarnat: Die nötige Qualität und ein gesundes Mannschaftsgefüge waren von Beginn an da. Als Team mussten wir aber erst verstehen, dass wir nicht mehr in der Regionalliga und damit in jedem Spiel automatisch der Favorit sind, sondern auch mal die Außenseiterrolle annehmen müssen. Das hat ein wenig gedauert. Der Trainer hat daran mit seinem Gespür für die gesamte Gruppe und mit seinen taktischen Vorgaben, die wir dann nach und nach umgesetzt haben, einen riesigen Anteil daran.

DFB.de: Wie würden Sie die Zielsetzung für den Saisonendspurt beschreiben?

Golz: Oberstes Ziel ist und bleibt der Klassenverbleib. Dafür wollen wir nach der Pause so schnell und so früh wie möglich die nötigen Punkte holen.

DFB.de: In Fußball-Deutschland wurde Rot-Weiss Essen über viele Jahre als "schlafender Riese" wahrgenommen. Teilen Sie diese Ansicht?

Tarnat: Zu 100 Prozent. Wenn ich beispielsweise zu Hause in München bin und auf RWE zu sprechen komme, dann weiß direkt jeder Bescheid. Das unterstreicht die Historie, aber auch die aktuelle Bedeutung des Vereins.

Golz: Das kann ich nur bestätigen. Welche Fanunterstützung wir schon in der Regionalliga hatten, ist in ganz Deutschland einmalig.

DFB.de: Ist der "Riese" bereits durch den Aufstieg in die 3. Liga erwacht? Oder gehört mehr dazu?

Tarnat: Ich würde sagen, er nimmt sich noch einen leichten Mittagsschlaf. Das liegt aber nicht am Verein selbst, sondern an uns Spielern - weil es uns in der Hinserie noch nicht regelmäßig gelungen ist, Feuerwerke auf dem Platz abzubrennen. Richtig erwachen wird der Riese erst, wenn es eines Tages noch eine Liga weiter nach oben geht. Dabei wollen wir dem Verein sehr gerne helfen.

DFB.de: Im Profifußball ist es eher ungewöhnlich, dass sich Teamkollegen schon seit Kindertagen kennen. Haben Sie sich schon damals gut verstanden?

Tarnat: (grinst) Das soll mal lieber Jakob beantworten.

Golz: Als unsere Väter zusammen für Hannover 96 gespielt haben, saßen wir in der Tat oft gemeinsam auf der Tribüne und waren nach den Partien auch regelmäßig unten auf dem Platz. Das war im Alter von sechs, sieben Jahren für uns natürlich etwas Besonderes. Später war der Kontakt nicht mehr so intensiv, ganz abgerissen ist er aber nie.

DFB.de: Wie war es, sich in Essen als Teamkollegen wiederzusehen?

Golz: Ich bin ja schon etwas länger hier. (lacht) Ich muss aber zugeben, dass ich mich schon gefreut habe, als mir Niklas im letzten Herbst via Instagram geschrieben hat, dass er mal bei uns vorbeikommt, um sich vorzustellen. Es war für ihn sicher nicht schlecht, dass er schon einen aus dem Team kannte.

Tarnat: Man sagt ja, dass man sich im Leben immer zweimal sieht. Das war bei uns definitiv der Fall. Dass wir schon als kleine Kinder zusammen auf dem Platz standen, wenn auch nicht im Verein, ist sehr lustig. Damals war ich auch noch größer als Jakob. Jetzt hinke ich ein paar Zentimeter hinterher. (lacht)

DFB.de: Welche persönlichen Eigenschaften und welche sportlichen Qualitäten schätzen Sie am jeweils anderen?

Tarnat: Jakob ist als Torwart ein sehr guter Fußballer. Man kann mit ihm immer spielerische Lösungen suchen. Dass er ab und zu auch mal Bälle fangen kann, hat er ebenfalls in dieser Saison bewiesen. Dazu hat er großen Anteil an der guten Stimmung in der Kabine.

Golz: Als Mitspieler schätze ich an Niki besonders, dass er sich immer zeigt und den Ball haben will. Sein Einfluss auf dem Platz wird von außen oft unterschätzt, dabei ist er ein sehr wichtiger Faktor für unser Spiel. Außerdem bringt er sich manchmal als Mannschafts-DJ ein.

DFB.de: Wollten Sie Ihren Vätern nacheifern und schon immer Profifußballer werden?

Golz: In meinen Fragebogen in der Grundschule habe ich eingetragen, dass ich Tennisspieler werden möchte. Ich habe es später auch versucht, bin dann aber doch beim Fußball geblieben. Wahrscheinlich war die Entscheidung nicht ganz falsch.

Tarnat: Ich fand es schon cool, meinen Papa im TV zu sehen und auch selbst ein Trikot zu tragen. Der Wunsch, selbst Profi werden zu wollen, hat sich aber erst wesentlich später entwickelt, vor allem während unserer Zeit in England. Dort wurde mein Interesse am Fußball deutlich intensiver.

DFB.de: Genau wie Ihr Vater Richard, der mehr als 450 Bundesligaspiele bestritten hat, wurden Sie Torhüter, Herr Golz. Kam keine andere Position in Frage?

Golz: Zu Beginn meiner Jugendzeit habe ich alle möglichen Positionen auf dem Feld gespielt - vom Innenverteidiger bis zum Stürmer. Ab der U 12 beim HSV war ich dann im Tor. Dabei blieb es dann auch, obwohl ich in der U 17 wegen einiger verletzungsbedingter Ausfälle in einem Test- und einem Pokalspiel noch einmal im Feld spielen durfte und in den beiden Partien dann auch noch insgesamt drei Tore erzielt habe. Trotz der guten Quote war es aber keine ernsthafte Option mehr, die Position zu wechseln.

DFB.de: Als zentraler Mittelfeldspieler nehmen Sie dagegen eine andere Rolle ein als Ihr Vater Michael, Herr Tarnat. Hat sich das so ergeben und war es eine bewusste Entscheidung?

Tarnat: Meine Mama sagt immer, ich habe das Talent von ihr geerbt und spiele deshalb im Zentrum. (lacht) In der Allstars-Mannschaft des FC Bayern läuft mein Papa inzwischen aber auch nicht mehr als Außenverteidiger auf, sondern ebenfalls auf der Sechs. Bei mir liegt es wohl daran, dass ich noch nie der schnellste Spieler war. Ich bin eher ein Typ, der viel denkt und versucht, das Spiel zu lenken. Das kommt in der Mitte am besten zur Geltung.

DFB.de: Nehmen Sie sich Ratschläge Ihrer Väter zu Herzen?

Golz: Da er häufiger bei unseren Spielen vor Ort ist oder sich die Partien im Fernsehen anschaut, sprechen wir natürlich darüber. Das Feedback ist mir auch wichtig. Schließlich hat er selbst das eine oder andere Spiel bestritten und weiß genau, wovon er spricht.

Tarnat: Wer in einer Fußballerfamilie aufwächst, für den hat das Wort der Eltern ein besonders großes Gewicht. Er hat das alles selbst auch erlebt, den Beruf erlernt und über viele Jahre ausgeübt. Da man hört man natürlich hin.

DFB.de: Sie sind beide 24 Jahre, absolvieren Ihre sechste Saison im Profibereich und sind Stammspieler. Sehen Sie sich an der Hafenstraße bereits in einer Führungsrolle?

Tarnat: Da antworte ich mal für Jakob. (lacht) Er ist unser erster Torwart und damit der erste Mann in unserer Achse. Wenn er nicht so lautstark auf dem Platz wäre, dann hätten wir ein großes Problem. Von daher ist die Antwort klar. Er weiß allerdings auch, dass er noch reifen und besser werden kann.

Golz: Niklas hat von der zentralen Achse gesprochen, die für das Team sehr wichtig ist. Zu dieser Achse gehört er als Sechser auch. Entsprechend übernimmt er viel Verantwortung.

DFB.de: Der Verein will sich zunächst in der 3. Liga etablieren, strebt aber mittelfristig höhere Ziele an. Sehen Sie die Spielklasse auch als Sprungbrett?

Golz: Jeder Spieler sollte ambitioniert und nie zufrieden sein. Wir sehen uns und den Verein nicht am Ende seiner Entwicklung und wollen weiter nach oben, ganz klar.

DFB.de: Welche persönlichen Ziele verfolgen Sie grundsätzlich?

Golz: Ich halte nicht viel davon, ein festes Ziel zu verfolgen. Jeder will so weit wie möglich nach oben kommen. Sollte ich eines Tages 300 Spiele für RWE bestritten haben, wäre das sicherlich auch nicht so verkehrt.

Tarnat: Im Fußball kann man nie vorhersagen, wohin der Weg führt. Neben Talent und Ehrgeiz benötigt auch jeder das nötige Glück, um zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Mit Rot-Weiss noch einmal aufzusteigen, hätte mit Sicherheit seinen Reiz.

DFB.de: Was wünschen Sie sich für das neue Jahr?

Golz: Sportlich, dass wir so früh wie möglich den Klassenverbleib sichern. Persönlich, dass ich gesund und fit bleibe, möglichst viele Spiele bestreiten darf.

Tarnat: Das Mannschaftsziel ist auch mein persönliches Ziel. Das Wichtigste aber ist die Gesundheit für die Familie. Dazu würde ich mir wünschen, dass sich die politische Lage in der Welt wieder deutlich beruhigt und alle Menschen in Frieden leben können.

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