Golz übers Abstiegsfinale 1999: "Ewig und drei Tage gefeiert"

34 Spieltage, 34 besondere Begegnungen, 34 Zeitzeugen. Auf DFB.de erinnern sich prägende Figuren der Bundesligageschichte an ganz spezielle Duelle, passend zum jeweils aktuellen Spieltag der Saison 2013/2014.

Heute: Richard Golz im DFB.de-Gespräch mit Autor Udo Muras über das Abstiegsdrama in der Saison 1998/1999, das Duell zwischen dem SC Freiburg und dem 1. FC Nürnberg, die an diesem Samstag (ab 15.30 Uhr, live bei Sky) wieder aufeinander treffen. Freiburgs Torhüter Golz avancierte damals zum Helden - das historische Interview.

Am 29. Mai 1999 ereignete sich das dramatischste "Abstiegsfinale" der Bundesligahistorie. Fünf Mannschaften konnte es theoretisch noch erwischen, im Laufe des Nachmittags nahmen drei verschiedene den 16. Platz ein. Am Ende erwischte es denjenigen mit den zuvor besten Karten: den 1. FC Nürnberg. Dass es so weit kam, lag auch an Freiburgs Torwart Richard Golz. Vor der Neuauflage des Spiels erinnert sich der aktuelle Torwarttrainer von Hertha BSC noch mal an den auch für ihn großen Tag.

DFB.de: Diesmal ist es ein Duell zweier siegloser Mannschaften. 1999 war es eine Art Endspiel um den Klassenverbleib. Was fällt Ihnen spontan zu dem historischen Spiel zwischen Nürnberg und Ihrem SC ein, Herr Golz?

Richard Golz: Als erstes die Szene mit Frank Baumann natürlich, als er kurz vor Schluss den Ausgleich auf dem Fuß hatte. Und dass uns die Nürnberger schon vor dem Spiel zur Klassenerhaltsfeier eingeladen haben. Zwar nicht offiziell, aber sicher war es ernst gemeint. Sie waren ziemlich locker und gelöst.

DFB.de: Zur Szene mit Baumann kommen wir noch. Zunächst zur Ausgangslage: Nürnberg hätte ein Punkt gereicht, Ihnen wahrscheinlich auch. Frankfurt hätte dann fünf Tore aufholen müssen. Dann gab es auch noch Rostock und Stuttgart. Die Spannung war riesig. Gab es eigentlich eine Extraprämie in Form von Geld oder mehr Urlaub für die Freiburger?

Golz: Nein, gab es nicht. Der Klassenerhalt war Ansporn genug, wir waren ja gerade erst aufgestiegen.

DFB.de: Es fing ja gut an. Ali Günes schoss schon vor der Pause zwei Tore…

Golz: Das war eine komische Sache, der Ali hat ja eigentlich nicht so viele Tore gemacht - und ausgerechnet an dem Tag seine Saisonausbeute verdoppelt.

DFB.de: Umso besser für Sie. Der SC schien in Sicherheit, Nürnberg - auch wegen der anderen Ergebnisse - dagegen plötzlich in Gefahr. Wann spürten Sie, dass es noch mal dramatisch werden würde?

Golz: Wir erfuhren ja die Ergebnisse nicht, aber ab der 70. Minute veränderte sich die Stimmung im Stadion. Die Zuschauer wurden unruhig…

DFB.de: Weil Frankfurt führte und Rostock auch. Ihr Mitspieler Ralf Kohl erzählte, auf dem Platz hätten Gespräche stattgefunden, ob man es nicht einfach beim 0:2 belassen solle - weil das ja beiden Teams gereicht hätte zu dem Zeitpunkt.

Golz: Davon habe ich nichts mitbekommen. Aber sicher mussten wir ja nicht auf Biegen und Brechen auf das dritte Tor spielen. Und auch die Nürnberger waren sich sicher, dass es reichen würde. Dann machten sie sogar noch ein Tor.

DFB.de: Das 1:2 von Nikl fiel in der 85. Minute. Aber der Club brauchte - im Nachhinein gesehen - doch einen Punkt. Die Chance bot sich in der 86. Minute. Erzählen Sie doch bitte noch mal von Frank Baumann!

Golz: Also: Zuvor war der Ball an den Pfosten geknallt, und der Abpraller berührte mich. Dadurch setzte der Ball noch mal auf. Es war einer dieser Bälle, die man nicht unterschätzen sollte. Ich weiß nicht, ob Baumann noch Zeit hatte, ihn anzunehmen, aber ich behaupte: Ja, man kann den schon machen, aber es hätte auch Kandidaten gegeben, die den nicht gemacht hätten. Dass ich den Ball letztlich gehalten habe, war zwar gut, aber auch zu 50 Prozent Glück.

DFB.de: Für Nürnberg war es der Todesstoß. Haben Sie mit Baumann, der daraufhin zum Sündenbock gestempelt wurde, noch mal über die Szene gesprochen?

Golz: Ja, er ging anschließend nach Bremen und hat mir gleich im ersten Spiel gegen uns einen reingemacht. Da hat er dann im Flachs gesagt: "So, jetzt sind wir quitt!"

DFB.de: War Ihnen damals bewusst, was Sie mit Ihrer Parade angerichtet hatten? Welche Emotionen der Nürnberger haben Sie mitbekommen?

Golz: Vor allem Fassungslosigkeit, in den ersten Minuten herrschte Totenstille. Die Feier haben sie dann auch abgesagt. Auch wir haben erst später realisiert, wie knapp das alles war. Wenn Baumann getroffen hätte, hätte uns nur noch ein Tor vor dem Abstieg bewahrt. Und das hätten die Frankfurter an dem Tag wohl auch noch geschossen. (Frankfurt gewann 5:1 gegen Kaiserslautern und überholte Nürnberg bei gleicher Tordifferenz nur wegen der mehr erzielten Tore; Anm. d. Red.)

DFB.de: Und wo stieg die Freiburger Feier?

Golz: Im Bus fing es an. Wir haben ewig und drei Tage gefeiert, ein Klassenerhalt ist so ein elementarer Erfolg - da musste alles raus. Es war eine sehr ausgelassene Feier.

DFB.de: Sie haben 452 Bundesligaspiele bestritten. Ist dieses Spiel unter Ihren Top Ten?

Golz: Sogar unter den Top Five!

DFB.de: Was war noch schöner?

Golz: Das schönste Spiel war das gegen den HSV in derselben Saison. Da habe ich in letzter Minute beim Stand von 0:0 einen Elfmeter gehalten, ausgerechnet von Jörg Butt.

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34 Spieltage, 34 besondere Begegnungen, 34 Zeitzeugen. Auf DFB.de erinnern sich prägende Figuren der Bundesligageschichte an ganz spezielle Duelle, passend zum jeweils aktuellen Spieltag der Saison 2013/2014.

Heute: Richard Golz im DFB.de-Gespräch mit Autor Udo Muras über das Abstiegsdrama in der Saison 1998/1999, das Duell zwischen dem SC Freiburg und dem 1. FC Nürnberg, die an diesem Samstag (ab 15.30 Uhr, live bei Sky) wieder aufeinander treffen. Freiburgs Torhüter Golz avancierte damals zum Helden - das historische Interview.

Am 29. Mai 1999 ereignete sich das dramatischste "Abstiegsfinale" der Bundesligahistorie. Fünf Mannschaften konnte es theoretisch noch erwischen, im Laufe des Nachmittags nahmen drei verschiedene den 16. Platz ein. Am Ende erwischte es denjenigen mit den zuvor besten Karten: den 1. FC Nürnberg. Dass es so weit kam, lag auch an Freiburgs Torwart Richard Golz. Vor der Neuauflage des Spiels erinnert sich der aktuelle Torwarttrainer von Hertha BSC noch mal an den auch für ihn großen Tag.

DFB.de: Diesmal ist es ein Duell zweier siegloser Mannschaften. 1999 war es eine Art Endspiel um den Klassenverbleib. Was fällt Ihnen spontan zu dem historischen Spiel zwischen Nürnberg und Ihrem SC ein, Herr Golz?

Richard Golz: Als erstes die Szene mit Frank Baumann natürlich, als er kurz vor Schluss den Ausgleich auf dem Fuß hatte. Und dass uns die Nürnberger schon vor dem Spiel zur Klassenerhaltsfeier eingeladen haben. Zwar nicht offiziell, aber sicher war es ernst gemeint. Sie waren ziemlich locker und gelöst.

DFB.de: Zur Szene mit Baumann kommen wir noch. Zunächst zur Ausgangslage: Nürnberg hätte ein Punkt gereicht, Ihnen wahrscheinlich auch. Frankfurt hätte dann fünf Tore aufholen müssen. Dann gab es auch noch Rostock und Stuttgart. Die Spannung war riesig. Gab es eigentlich eine Extraprämie in Form von Geld oder mehr Urlaub für die Freiburger?

Golz: Nein, gab es nicht. Der Klassenerhalt war Ansporn genug, wir waren ja gerade erst aufgestiegen.

DFB.de: Es fing ja gut an. Ali Günes schoss schon vor der Pause zwei Tore…

Golz: Das war eine komische Sache, der Ali hat ja eigentlich nicht so viele Tore gemacht - und ausgerechnet an dem Tag seine Saisonausbeute verdoppelt.

DFB.de: Umso besser für Sie. Der SC schien in Sicherheit, Nürnberg - auch wegen der anderen Ergebnisse - dagegen plötzlich in Gefahr. Wann spürten Sie, dass es noch mal dramatisch werden würde?

Golz: Wir erfuhren ja die Ergebnisse nicht, aber ab der 70. Minute veränderte sich die Stimmung im Stadion. Die Zuschauer wurden unruhig…

DFB.de: Weil Frankfurt führte und Rostock auch. Ihr Mitspieler Ralf Kohl erzählte, auf dem Platz hätten Gespräche stattgefunden, ob man es nicht einfach beim 0:2 belassen solle - weil das ja beiden Teams gereicht hätte zu dem Zeitpunkt.

Golz: Davon habe ich nichts mitbekommen. Aber sicher mussten wir ja nicht auf Biegen und Brechen auf das dritte Tor spielen. Und auch die Nürnberger waren sich sicher, dass es reichen würde. Dann machten sie sogar noch ein Tor.

DFB.de: Das 1:2 von Nikl fiel in der 85. Minute. Aber der Club brauchte - im Nachhinein gesehen - doch einen Punkt. Die Chance bot sich in der 86. Minute. Erzählen Sie doch bitte noch mal von Frank Baumann!

Golz: Also: Zuvor war der Ball an den Pfosten geknallt, und der Abpraller berührte mich. Dadurch setzte der Ball noch mal auf. Es war einer dieser Bälle, die man nicht unterschätzen sollte. Ich weiß nicht, ob Baumann noch Zeit hatte, ihn anzunehmen, aber ich behaupte: Ja, man kann den schon machen, aber es hätte auch Kandidaten gegeben, die den nicht gemacht hätten. Dass ich den Ball letztlich gehalten habe, war zwar gut, aber auch zu 50 Prozent Glück.

DFB.de: Für Nürnberg war es der Todesstoß. Haben Sie mit Baumann, der daraufhin zum Sündenbock gestempelt wurde, noch mal über die Szene gesprochen?

Golz: Ja, er ging anschließend nach Bremen und hat mir gleich im ersten Spiel gegen uns einen reingemacht. Da hat er dann im Flachs gesagt: "So, jetzt sind wir quitt!"

DFB.de: War Ihnen damals bewusst, was Sie mit Ihrer Parade angerichtet hatten? Welche Emotionen der Nürnberger haben Sie mitbekommen?

Golz: Vor allem Fassungslosigkeit, in den ersten Minuten herrschte Totenstille. Die Feier haben sie dann auch abgesagt. Auch wir haben erst später realisiert, wie knapp das alles war. Wenn Baumann getroffen hätte, hätte uns nur noch ein Tor vor dem Abstieg bewahrt. Und das hätten die Frankfurter an dem Tag wohl auch noch geschossen. (Frankfurt gewann 5:1 gegen Kaiserslautern und überholte Nürnberg bei gleicher Tordifferenz nur wegen der mehr erzielten Tore; Anm. d. Red.)

DFB.de: Und wo stieg die Freiburger Feier?

Golz: Im Bus fing es an. Wir haben ewig und drei Tage gefeiert, ein Klassenerhalt ist so ein elementarer Erfolg - da musste alles raus. Es war eine sehr ausgelassene Feier.

DFB.de: Sie haben 452 Bundesligaspiele bestritten. Ist dieses Spiel unter Ihren Top Ten?

Golz: Sogar unter den Top Five!

DFB.de: Was war noch schöner?

Golz: Das schönste Spiel war das gegen den HSV in derselben Saison. Da habe ich in letzter Minute beim Stand von 0:0 einen Elfmeter gehalten, ausgerechnet von Jörg Butt.