Gleichstellung von Frauen? "Die Zeit ist reif"

Am Mittwochabend fand die dritte Ausgabe des Wertedialogs statt, die der Deutsche Fußball-Bund (DFB) gemeinsam mit der Deutschlandstiftung Integration (DSI) im vergangenen Jahr gestartet hatte. Unter dem Titel "Karriere von Frauen im Sport: Haben wir uns bereits freigeboxt?" diskutierten Hannelore Ratzeburg, DFB-Vizepräsidentin für Gleichstellung, Frauen- und Mädchenfußball, DFB-Schiedsrichterin Dr. Riem Hussein und Boxerin Nadine Apetz über Gleichberechtigung, strukturelle Hürden und eine höhere Sichtbarkeit in den Medien.

"Für die nachhaltige Zukunft unseres Fußballs - und auch des Sports generell - ist eine Balance der Geschlechter unabdingbar. Wir müssen die Vorteile der Vielfalt noch signifikanter herausstellen, entsprechende Rahmenbedingungen schaffen und die Menschen überzeugen, dass es dem Sport guttut und elementar wichtig ist, dass mehr Frauen in Führungspositionen tätig sind", stellte DFB-Vizepräsident Günter Distelrath schon in seiner Begrüßung klar.

"Nicht lockerlassen, wenn man von einer Idee überzeugt ist"

Welche Hürden diesen Weg in Führungspositionen noch allzu oft verstellen, dieser Frage gingen die Diskussionsteilnehmerinnen im Anschluss nach. Über Widerstände in den Vereinen, aber auch der Gesellschaft, über respektloses Verhalten, dem sich Frauen ungleich häufiger ausgesetzt sehen als ihre männlichen Kollegen. "Was also tun?", lautete eine der Fragen an diesem Abend. "Nicht lockerlassen, wenn man von einer Idee überzeugt ist, wenn man etwas für sich entdeckt hat", sagte Hannelore Ratzeburg, die ihren Heimatverein bereits in jungen Jahren aufmischte. "Nicht einschüchtern lassen, Verbündete suchen und den eigenen Weg gehen!"

Nadine Apetz, zweifache WM-Bronzemedaillengewinnerin im Boxen, ergänzte: "Es ist sehr wichtig, dranzubleiben. Gegen alle Widerstände sein Ding durchzuziehen. Wenn man Freude an etwas hat, auch trotz gewisser Vorurteile einfach weiterzumachen." Auf die Frage, was sie ihrem 16- jährigen Ich im Rückblick raten würde, meinte Riem Hussien: "Manchmal etwas lauter sein und sich nicht alles gefallen lassen."

"Nehmt euch in Acht vor solchen Frauen!"

In der Folge berichteten die drei Diskutantinnen über eigene Erfahrungen. Hannelore Ratzeburg erzählte, wie sie in einer Mitgliederversammlung ihres Amateurvereins, bei dem sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal Mitglied war, übel beschimpft wurde. "Ich war erst 19 und hatte nur gefragt, woher wir einen vernünftigen Fußball und Trikots herbekommen, weil wir auch mal Elf-gegen-Elf gegen andere Mannschaften spielen wollten", erklärte die heutige DFB-Vizepräsidentin.

Der zweite Vorsitzende habe damals seinen Gehstock genommen, auf den Tisch geknallt und gebrüllt: "Nehmt euch in Acht vor solchen Frauen!" Einen süffisant gemeinten Ratschlag, die junge Frau Ratzeburg möge doch in den Vorstand eintreten, ließ sie nicht lange unbeantwortet: "Plötzlich saß ich am Vorstandstisch. Damit hat keiner gerechnet! Sie wollten mich eigentlich rausgraulen, aber ich habe mich nicht einschüchtern lassen und habe den Fußball für mich entdeckt."

Apetz wusste von ähnlichen Erfahrungen aus ihrer Anfangszeit als Boxerin zu berichten: "Das Frauen-Boxen ist noch eine relativ junge Sportart und erst seit 2012 olympisch. Als sich allmählich eine Frauen-Nationalmannschaft entwickelt hatte, wurde diese erst nicht so richtig ernst- sondern eher hingenommen." Und auch Riem Hussein vermisste während ihrer aktiven Spielerinnenzeit in der 2. Bundesliga die Unterstützung ihres Klubs: "Selbst wenn wir Bundesliga gespielt und zehn Nationalspielerinnen gehabt hätten: Es wäre nicht genug gewesen, um Priorität zu haben!"

Gute Verdienstmöglichkeiten fehlen

Neben der fehlenden Wertschätzung in der Gesellschaft und struktureller Benachteiligung wurde auf dem Podium auch über die finanzielle Geringschätzung diskutiert. Die Verdienstmöglichkeiten für Frauen im Sport seien schlicht zu gering, um für talentierte Sportlerinnen und qualifizierte Trainerinnen genügend Anreize zu bieten, meinte Nadine Apetz, die aktuell an ihrer Promotion arbeitet. Auch das sei einer der Gründe, warum Frauen weniger in Verbands- oder Sportvorständen zu finden seien: "Wenn man als Frau weiß, dass die Aussichten auf eine Karriere im Sport oder darauf, ausreichend Geld zu verdienen, um gut über die Runden zu kommen, eher mau sind. Dann sucht man sich notgedrungen eine andere Arbeit oder eine andere Ausbildung."

Ähnlich wie der Olympionikin sei es vielen anderen in der Nationalmannschaft ergangen. Sie mussten zunächst eine Ausbildung abschließen und auf eigenen Beinen stehen, um relativ spät mit dem Boxsport anzufangen. Nun, nach ihrem Karriereende, werde sie häufig gefragt, ob sie sich einen Job als Trainerin vorstellen könne. "Aber ich habe ja nicht sieben Jahre studiert, um jetzt einen unterbezahlten Trainerjob zu machen", stellte die 35-Jährige klar.

Mehr Sichtbarkeit in den Medien

Doch wie sehen konkrete Lösungsansätze aus? Einigkeit herrschte auf dem digitalen Podium, dass jede Einzelne gestärkt werden müsse. Durch Verbündete im Umfeld, durch starke Mentorinnen, die wie Ratzeburg, Hussein und Apetz jüngeren Frauen als Vorbild dienen können. Eine mögliche Quote beispielsweise bei Schiedsrichter*innen-Lehrgängen, wie sie von einem Zuschauer in der interaktiven Fragerunde in den Raum gestellt wurde, sieht Riem Hussein kritisch. Stattdessen sieht sie Vereinsfunktionäre in der Verantwortung, Frauen proaktiv für eine Karriere als Schiedsrichterin zu begeistern.

Ein weiterer Lösungsansatz erkannten die Diskutantinnen in der höheren medialen Sichtbarkeit. Hier sei eine positive Entwicklung zu erkennen, was TV-Übertragungen der Champions League, der FLYERALARM Frauen-Bundesliga oder des DFB-Pokals der Frauen deutlich machten. Riem Hussein monierte zwar, dass ein TV-Sender im Sommer erst nach einigen Spielminuten zur Übertragung des Endspiels um die Königsklasse schaltete, das die DFB-Schiedsrichterin leitete.

Auf der anderen Seite stellte Hussien während der Frauen-Weltmeisterschaft 2011 fest, dass mit dem Event der Frauenfußball in der Medienlandschaft eine enorme Aufwertung erfuhr. Damals war sie für das ZDF als Schiedsrichter-Expertin tätig: "Durch den Dialog und regelmäßigen Austausch verbessert sich einiges." Dem stimmte auch Hannelore Ratzeburg zu und griff das Beispiel von Almuth Schult auf, die für ihre Auftritte als TV-Expertin während der Europameisterschaft viel Zuspruch erhielt. Sind wir also auf einem guten Weg, was die Gleichstellung der Frauen im Sport angeht. Die DFB-Vizepräsidentin ist überzeugt: "2021 muss sich langsam mal das große Rad drehen. Die Zeit ist reif!"

[fb]

Am Mittwochabend fand die dritte Ausgabe des Wertedialogs statt, die der Deutsche Fußball-Bund (DFB) gemeinsam mit der Deutschlandstiftung Integration (DSI) im vergangenen Jahr gestartet hatte. Unter dem Titel "Karriere von Frauen im Sport: Haben wir uns bereits freigeboxt?" diskutierten Hannelore Ratzeburg, DFB-Vizepräsidentin für Gleichstellung, Frauen- und Mädchenfußball, DFB-Schiedsrichterin Dr. Riem Hussein und Boxerin Nadine Apetz über Gleichberechtigung, strukturelle Hürden und eine höhere Sichtbarkeit in den Medien.

"Für die nachhaltige Zukunft unseres Fußballs - und auch des Sports generell - ist eine Balance der Geschlechter unabdingbar. Wir müssen die Vorteile der Vielfalt noch signifikanter herausstellen, entsprechende Rahmenbedingungen schaffen und die Menschen überzeugen, dass es dem Sport guttut und elementar wichtig ist, dass mehr Frauen in Führungspositionen tätig sind", stellte DFB-Vizepräsident Günter Distelrath schon in seiner Begrüßung klar.

"Nicht lockerlassen, wenn man von einer Idee überzeugt ist"

Welche Hürden diesen Weg in Führungspositionen noch allzu oft verstellen, dieser Frage gingen die Diskussionsteilnehmerinnen im Anschluss nach. Über Widerstände in den Vereinen, aber auch der Gesellschaft, über respektloses Verhalten, dem sich Frauen ungleich häufiger ausgesetzt sehen als ihre männlichen Kollegen. "Was also tun?", lautete eine der Fragen an diesem Abend. "Nicht lockerlassen, wenn man von einer Idee überzeugt ist, wenn man etwas für sich entdeckt hat", sagte Hannelore Ratzeburg, die ihren Heimatverein bereits in jungen Jahren aufmischte. "Nicht einschüchtern lassen, Verbündete suchen und den eigenen Weg gehen!"

Nadine Apetz, zweifache WM-Bronzemedaillengewinnerin im Boxen, ergänzte: "Es ist sehr wichtig, dranzubleiben. Gegen alle Widerstände sein Ding durchzuziehen. Wenn man Freude an etwas hat, auch trotz gewisser Vorurteile einfach weiterzumachen." Auf die Frage, was sie ihrem 16- jährigen Ich im Rückblick raten würde, meinte Riem Hussien: "Manchmal etwas lauter sein und sich nicht alles gefallen lassen."

"Nehmt euch in Acht vor solchen Frauen!"

In der Folge berichteten die drei Diskutantinnen über eigene Erfahrungen. Hannelore Ratzeburg erzählte, wie sie in einer Mitgliederversammlung ihres Amateurvereins, bei dem sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal Mitglied war, übel beschimpft wurde. "Ich war erst 19 und hatte nur gefragt, woher wir einen vernünftigen Fußball und Trikots herbekommen, weil wir auch mal Elf-gegen-Elf gegen andere Mannschaften spielen wollten", erklärte die heutige DFB-Vizepräsidentin.

Der zweite Vorsitzende habe damals seinen Gehstock genommen, auf den Tisch geknallt und gebrüllt: "Nehmt euch in Acht vor solchen Frauen!" Einen süffisant gemeinten Ratschlag, die junge Frau Ratzeburg möge doch in den Vorstand eintreten, ließ sie nicht lange unbeantwortet: "Plötzlich saß ich am Vorstandstisch. Damit hat keiner gerechnet! Sie wollten mich eigentlich rausgraulen, aber ich habe mich nicht einschüchtern lassen und habe den Fußball für mich entdeckt."

Apetz wusste von ähnlichen Erfahrungen aus ihrer Anfangszeit als Boxerin zu berichten: "Das Frauen-Boxen ist noch eine relativ junge Sportart und erst seit 2012 olympisch. Als sich allmählich eine Frauen-Nationalmannschaft entwickelt hatte, wurde diese erst nicht so richtig ernst- sondern eher hingenommen." Und auch Riem Hussein vermisste während ihrer aktiven Spielerinnenzeit in der 2. Bundesliga die Unterstützung ihres Klubs: "Selbst wenn wir Bundesliga gespielt und zehn Nationalspielerinnen gehabt hätten: Es wäre nicht genug gewesen, um Priorität zu haben!"

Gute Verdienstmöglichkeiten fehlen

Neben der fehlenden Wertschätzung in der Gesellschaft und struktureller Benachteiligung wurde auf dem Podium auch über die finanzielle Geringschätzung diskutiert. Die Verdienstmöglichkeiten für Frauen im Sport seien schlicht zu gering, um für talentierte Sportlerinnen und qualifizierte Trainerinnen genügend Anreize zu bieten, meinte Nadine Apetz, die aktuell an ihrer Promotion arbeitet. Auch das sei einer der Gründe, warum Frauen weniger in Verbands- oder Sportvorständen zu finden seien: "Wenn man als Frau weiß, dass die Aussichten auf eine Karriere im Sport oder darauf, ausreichend Geld zu verdienen, um gut über die Runden zu kommen, eher mau sind. Dann sucht man sich notgedrungen eine andere Arbeit oder eine andere Ausbildung."

Ähnlich wie der Olympionikin sei es vielen anderen in der Nationalmannschaft ergangen. Sie mussten zunächst eine Ausbildung abschließen und auf eigenen Beinen stehen, um relativ spät mit dem Boxsport anzufangen. Nun, nach ihrem Karriereende, werde sie häufig gefragt, ob sie sich einen Job als Trainerin vorstellen könne. "Aber ich habe ja nicht sieben Jahre studiert, um jetzt einen unterbezahlten Trainerjob zu machen", stellte die 35-Jährige klar.

Mehr Sichtbarkeit in den Medien

Doch wie sehen konkrete Lösungsansätze aus? Einigkeit herrschte auf dem digitalen Podium, dass jede Einzelne gestärkt werden müsse. Durch Verbündete im Umfeld, durch starke Mentorinnen, die wie Ratzeburg, Hussein und Apetz jüngeren Frauen als Vorbild dienen können. Eine mögliche Quote beispielsweise bei Schiedsrichter*innen-Lehrgängen, wie sie von einem Zuschauer in der interaktiven Fragerunde in den Raum gestellt wurde, sieht Riem Hussein kritisch. Stattdessen sieht sie Vereinsfunktionäre in der Verantwortung, Frauen proaktiv für eine Karriere als Schiedsrichterin zu begeistern.

Ein weiterer Lösungsansatz erkannten die Diskutantinnen in der höheren medialen Sichtbarkeit. Hier sei eine positive Entwicklung zu erkennen, was TV-Übertragungen der Champions League, der FLYERALARM Frauen-Bundesliga oder des DFB-Pokals der Frauen deutlich machten. Riem Hussein monierte zwar, dass ein TV-Sender im Sommer erst nach einigen Spielminuten zur Übertragung des Endspiels um die Königsklasse schaltete, das die DFB-Schiedsrichterin leitete.

Auf der anderen Seite stellte Hussien während der Frauen-Weltmeisterschaft 2011 fest, dass mit dem Event der Frauenfußball in der Medienlandschaft eine enorme Aufwertung erfuhr. Damals war sie für das ZDF als Schiedsrichter-Expertin tätig: "Durch den Dialog und regelmäßigen Austausch verbessert sich einiges." Dem stimmte auch Hannelore Ratzeburg zu und griff das Beispiel von Almuth Schult auf, die für ihre Auftritte als TV-Expertin während der Europameisterschaft viel Zuspruch erhielt. Sind wir also auf einem guten Weg, was die Gleichstellung der Frauen im Sport angeht. Die DFB-Vizepräsidentin ist überzeugt: "2021 muss sich langsam mal das große Rad drehen. Die Zeit ist reif!"

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