Geschlechtergleichstellung im Sport: "Den Weg aufzeigen"

Am Donnerstag wurde Hannelore Ratzeburg mit dem DOSB-Gleichstellungspreis geehrt. Im Rahmen der Preisverleihung wurde in einer Podiumsdiskussion ein Blick auf die Herausforderungen und Chancen der Geschlechtergleichstellung im Sport geworfen. Neben der langjährigen DFB-Vizepräsidentin für Frauen- und Mädchenfußball nahmen auch Ex-Nationalspielerin Doris Fitschen und Célia Šašić, die neue DFB-Vizepräsidentin für Gleichstellung und Diversität, daran teil. DFB.de hat die wichtigsten Aussagen.

Hannelore Ratzeburg über...

… die Position der Vizepräsidentin für Gleichstellung und Diversität: Als der damalige Präsident sagte, ich sollte auch für Gleichstellung zuständig sein, habe ich gedacht: "Was habe ich denn die ganzen letzten Jahre gemacht?" Dann habe ich geguckt, was Gleichstellung überhaupt bedeutet. Gleichstellung und Gleichberechtigung sind nicht das Gleiche. Ich habe mir viel angelesen und festgestellt, dass es ein Riesenpaket ist, das da zu bewältigen ist, vor allem in der Zusammenarbeit in einem männerdominierten Verband und in den Vereinen. Es war wichtig, dass das jemand auf die Schultern nimmt. Wir arbeiten nicht gegeneinander, sondern füreinander. Ich habe mich immer für den Frauen- und Mädchenfußball eingesetzt, nicht gegen die Männer.

... eine Nachfolgerin: Célia Šašić wird die Aufgabe bestimmt sehr gut erfüllen. Das Portfolio ist sehr umfangreich. Célia ist beim DFB schon in den Bereich "Gesellschaftliche Verantwortung" eingebunden. Sie ist da gut verankert und kennt die hauptamtlichen Mitarbeiter*innen. Ich habe das ein oder andere angestoßen, aber das ist noch lange nicht zu Ende. Da kann Célia sich langsam einarbeiten und aus ihrer Perspektive Dinge einbringen. Als ehemalige Nationalspielerin und Mutter von zwei Kindern wird sie nochmal andere Erfahrungswerte mitbringen können als ich.

... die neuen Frauen im Präsidium des DFB: Im DFB wird jetzt wahrscheinlich ein ganz anderes Verständnis herrschen, denn es sitzt nicht mehr nur eine Frau im Präsidium, sondern fünf. Das wird schonmal eine Veränderung bedeuten. Ich habe nicht damit gerechnet, dass fünf Frauen da sind, wenn ich gehe. Das hat mich sehr stolz gemacht. Das sind 31 Prozent Frauenanteil. Damit haben wir das ursprünglich für 2027 gesetzte Ziel im Präsidium jetzt schon erreicht. Das sendet auch eine Botschaft nach außen. Ich hoffe, dass sie sich ihrer Rolle bewusst sind. Jetzt lastet alles nicht mehr nur auf zwei Schultern, sondern auf zehn. Und ich hoffe, dass, in guter Absprache mit den Männern im Präsidium sowie dem neuen Präsidenten, weitere Schritte mit auf den Weg gebracht werden. Ich wünsche allen im Präsidium einen guten Weg und dass das, was unbedingt nötig ist, gemacht werden kann.

... die Bedeutung von Sprache: Ich finde es nicht klug, von "alten, weißen Männern" zu sprechen. Sprache verrät Denke, und es ist nicht hilfreich, wenn wir so sprechen. Das ist diskriminierend und nicht gerechtfertigt. Wir können nur gemeinsam etwas erreichen und wenn wir unseren Teil dazu beitragen wollen, ist die Bezeichnung "alte, weiße Männer" hinderlich. Optimal wäre es natürlich, wenn Gremien aus allen Generationen zusammengesetzt wären, sodass Dinge aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden. Ich habe mich 2019 in den Abteilungen umgehört, ob die Mitarbeitenden Probleme damit hätten, wenn ich im Präsidium aktuelle sowie zukünftige Schriftstücke gendern lasse. Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich. Einige meinten: "Wo ist das Problem?", andere haben gefragt: "Was soll das?". Ich habe ihnen dann bewusst gemacht, was das für eine Wirkung haben kann, insbesondere im männerdominierten Sport. Wenn man ehrlich ist, hat man keine Spielerin vor Augen, wenn Spieler gesagt wird.

... Frauen in Ehrenämtern: Sport ist ein Teil der gesellschaftlichen Entwicklung. Jobsharing ist nicht nur beruflich, sondern auch im Verein möglich. Wir brauchen mehr Frauen in höheren Positionen, aber die müssen trainieren. Man kann nicht gleich Kreisvorsitzende werden. Dafür ist es gut, etwas im Verein zu machen. Zwei Drittel der Jugendlichen sind ehrenamtlich tätig, das muss man erkennen. Wir müssen jungen Menschen mehr zutrauen und sie nicht nur als Handlanger der Älteren betrachten. Wir müssen ihnen aktiv Verantwortung zuweisen, damit sie Erfahrungen sammeln können. Ehrenamt ist nicht nur Arbeit, sondern auch Persönlichkeitsentwicklung und eine Möglichkeit, Erfahrungen für die berufliche oder familiäre Zukunft zu sammeln. Wir sollten Ehrenamt nicht immer nur negativ bewerten, sondern die Chancen aufzeigen. Ich habe viel gelernt, aber in kleinen Schritten.

... ihre Zukunft: Das ist nach 14 Tagen eine gute Frage. Bisher habe ich ein bisschen Urlaub zu Hause gemacht und an einem Regentag mal Akten geschreddert. Es wird noch ein bisschen dauern, bis ich die "Vergangenheitsbewältigung" erledigt habe. Ich lasse es auf mich zukommen. Ich brauche erstmal Abstand und muss mich sortieren. Es kamen schon einige Anfragen, ob ich nicht dieses oder jenes machen möchte. Ich bin gar nicht festgelegt. Ich merke, dass die Flut an Informationen wegfällt, das ist ein ungewohntes Gefühl. Es steht noch das ein oder andere Event an. Ich werde beispielsweise noch von der Nationalmannschaft der Frauen verabschiedet und werde mich noch von den Landesverbänden verabschieden, aber irgendwann ist die Zeit vorbei. Wenn ich hier und da nochmal eine Anfrage erhalte, ob ich aus meiner Tätigkeit berichten oder helfen kann, werde ich schauen, ob es passt.

... ihren Wunsch, was sich in Zukunft verändern soll: Ich wünsche mir, dass es über den Sport hinaus eine friedliche Welt gibt und dass all die testosterongesteuerten Menschen kapieren, dass wir nur diese eine Welt haben und darauf friedlich leben sollten. Wenn rundherum alles in Ordnung ist, dann können wir ganz viel bewegen.

Célia Šašić über...

… ihre Fußballkarriere und Herausforderungen für Frauen: Ich glaube, Menschen wie Hannelore haben dazu beigetragen, dass es sich für meine Generation selbstverständlicher angefühlt hat, Fußball zu spielen. Natürlich hatten wir auch einige Hürden zu bewältigen. Ich habe Fußball mit Jungs gespielt und nie darüber nachgedacht, warum ich das nicht mit Mädchen tun kann. Als ich 15, 16 Jahre alt war, war das nicht mehr möglich. Als ich überlegt habe, wie es weitergehen soll, habe ich gemerkt, dass da noch einiges zu tun ist. In den Vereinen in meinem Umfeld gab es gar keine Frauenmannschaften oder nur ganz punktuell. Die Vereinsauswahl musste man danach ausrichten, was es in der Nähe gibt. Meinen ersten Bundesligaverein habe ich mir danach ausgesucht, wo ich am besten ohne Führerschein hinkomme. Es ging nicht darum, wo die besten Perspektiven sind oder wo ich zur Nationalspielerin werden kann. Der Zugang zum Sport ist für Mädchen heute immer noch nicht so selbstverständlich wie für Jungs. Es muss das Angebot geschaffen werden, dass Jede*r, der oder die spielen möchte, die Möglichkeit dazu hat, ohne große Hürden überwinden zu müssen und ohne zu jedem Training anderthalb Stunden hinfahren zu müssen oder auf die Unterstützung von Mutter, Vater oder anderen Familienmitgliedern angewiesen zu sein.

... ihre neue Rolle als DFB-Vizepräsidentin: Ich bin froh, Vizepräsidentin für Gleichstellung und Diversität zu sein und diese Themen angehen zu können. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass der Fußball nicht nur eine Wirkung auf Männer, sondern auch auf Mädchen und auf Frauen hat. Ich hatte das Glück, ein paar Trophäen in der Hand halten zu dürfen und in den Abendhimmel zu recken und ich glaube, es hat sich nicht anders angefühlt als bei den männlichen Kollegen. Das Gefühl, das wir in diesen Momenten haben, ist das Gleiche und darauf kommt es an. Die Möglichkeit, dieses Gefühl zu erleben, sollte man jedem Menschen geben.

... ihre neue Aufgabe: Es wird einiges an Willenskraft und Durchsetzungskraft nötig sein. Ich glaube, dass Argumente eine sehr gute Kraft haben sowie dass man transparent und nachvollziehbar handelt. Man muss den Weg aufzeigen, wie er sein soll und nicht einfach nur sagen, wie man etwas haben möchte. Man muss sich Argumente erarbeiten und im Zusammenspiel mit dem Hauptamt im DFB sowie den anderen Präsidiumsmitglieder*innen abstimmen. Jeder ist für jedes Thema stimmberechtigt. Auch ich kann meine Meinung zu allen Themen einbringen. Eine Bedingung für mich, das Amt zu übernehmen, war, dass dieses Amt nicht als Feigenblatt dient. Es ist da, um etwas anzustoßen und zu verändern. Wir haben 2024 eine Europameisterschaft im eigenen Land. Da bin ich auch in die Organisation miteingebunden. Ich habe in diesem Zusammenhang bereits mit Themen wie Teilhabe, Diversität und Gleichstellung gearbeitet. Ich glaube, wenn man beides kombiniert und diese Plattform nutzt, können wir in den nächsten Jahren noch mehr Power reinbringen und einen Schritt weiterkommen.

... verschiedene Perspektiven bei Entscheidungen im Präsidium: Es ist wichtig, verschiedene Perspektiven einzubringen, sie ernst zu nehmen und auch die Chance in dieser Vielfalt zu sehen. Ich komme vom Platz und auf dem Feld funktioniert das so, dass man sich unter einem Dach von Regeln, die für alle gelten, mit seinen Stärken einbringt und seine Schwächen möglichst von jemand anderem ausgleichen lässt. So sollte man auch gemeinsam arbeiten. Ich persönlich bin sehr gut aufgenommen worden und denke auch, dass der Weg so weitergeht. Dass man diskutiert, verschiedener Meinung ist, Wände einreißen und Überzeugungsarbeit leisten muss, sehe ich definitiv. Das gehört dazu. Aber es ist wichtig, den Diskurs anzuregen, in den Austausch zu gehen und Argumente auszutauschen.

... die Frauenquote im Sport: Je mehr Frauen und Mädchen in der Breite im Sport involviert, engagiert und dabei sind, desto größer ist natürlich die Wahrscheinlichkeit, dass sie oben ankommen. Für mich geht es darum, in der Breite die Zugänge zu schaffen. Das wäre der wünschenswerteste Weg, damit Positionen auf natürlichem Weg von Frauen eingenommen werden können. Es gibt gute Argumente für die Quote aber auch dagegen.

... ihren Wunsch, was sich in Zukunft verändern soll: Dass es sich für alle natürlich anfühlt, in ihrem Bereich eine Rolle zu spielen. Ich bin im Fußball sozialisiert worden. Warum sollte ich also in einen anderen Bereich gehen? Der Sport ist mein Zuhause, deswegen verstehe ich nicht, warum ich denken sollte, dass da kein Platz für mich ist. Ich wünsche mir, dass das ganz natürlich ist und so gelebt wird wie auf dem Fußballplatz. Dass derjenige, der sich an die Regeln hält und einen positiven Beitrag zur Gemeinschaft leisten kann, mit dabei ist. So wird man erfolgreich und kann in seiner Verschiedenheit gemeinsam Großes erreichen.

Doris Fitschen über...

… ihre aktive Zeit als Spielerin: ich habe die Erfahrung gemacht, dass man Geduld und Frustrationstoleranz braucht. Ich wollte mit neun Jahren anfangen, Fußball zu spielen und durfte es nicht, weil meine Eltern es verboten hatten. Im Laufe meiner Karriere wurden mir viele Steine in den Weg gelegt. Und das bei Dingen, die für Jungs ganz selbstverständlich waren. Ein Beispiel: Als ich meine erste Einladung für die Nationalmannschaft bekommen habe, hat mein Lehrer mich nicht freigestellt. Ich hatte Mitschüler, die auch in der Nationalmannschaft gespielt haben, die hatten diese Probleme überhaupt nicht. Man musste sich da durchboxen.

... ihre Zeit beim DFB und die Entwicklung des Frauenfußballs: Ich bin schon über 20 Jahre beim DFB. Mittlerweile bin ich nur noch im Frauenfußball tätig, am Anfang habe ich auch für den Männerfußball gearbeitet, weil es für den Frauenfußball kein Marketing gab. Das haben wir erst nach und nach durchgeboxt. Man braucht Durchhaltevermögen, aber es lohnt sich und es macht Spaß. Wir merken, dass wir eine Menge bewegen können.

... die Förderung des Frauenfußballs: Ich war sehr froh, dass es Frauen wie Hannelore gab, weil sie Wegbereiterinnen waren. Ich war bei der ersten Europameisterschaft in Deutschland 1989 dabei und das ist für mich nach wie vor eines der schönsten Erlebnisse in meiner Karriere. Das war für den deutschen Frauenfußball ein Quantensprung. Als Spielerin nimmt man das gar nicht so war. Ich habe unmittelbar danach angefangen beim DFB zu arbeiten und habe da erst gemerkt, wie steinig der Weg ist, wenn man Dinge bewegen möchte. Man lernt mit der Zeit dazu. Bei mir ist immer noch die Leidenschaft für den Sport vorhanden, deshalb macht mir die Arbeit, auch nach fast 20 Jahren Funktionärskarriere, nach wie vor Spaß. Eben auch, weil man etwas bewegen kann.

... Baustellen beim Thema Gleichstellung: Wir brauchen mehr Frauen in den Entscheider-Positionen, sowohl in den ehrenamtlichen Gremien als auch im Sportbusiness, nicht nur im Fußball. Was uns auch entscheidend fehlt, ist, dass wir in den Medien nicht genug Sichtbarkeit haben. Das eine geht vermutlich mit dem anderen einher. Wenn wir mehr entscheiden können, können wir auch dafür sorgen, dass wir eine größere Sichtbarkeit erhalten.

... die Frauenquote im Sport: Ich bin eine Verfechterin der Quote, nicht nur im Sport, sondern generell. Wir haben kompetente Frauen in allen Bereichen, aber es gibt eben auch die berühmte gläserne Decke, wo die Posten oftmals immer noch unter den Männern ausgemacht werden. Auch wenn ich kein Fan von der Bezeichnung "Quotenfrau" bin, glaube ich, dass es sinnvoll ist, eine gewisse Anzahl an Frauen über die Quote in diesen Bereich reinzubekommen. Dann wird es irgendwann zu einem natürlichen Prozess und alle merken, dass gemischte Teams erfolgreicher sind. Momentan hängen viele Männer noch an ihren Posten und lassen Frauen einfach nicht zu oder haben teilweise nicht den Mut, Frauen mit hochzuziehen und zu fördern. Ich befürworte eine Quote und glaube, dass sich das irgendwann regelt, wenn wir genug Frauen in den Gremien und Entscheider-Positionen haben.

... ihren Wunsch, was sich in Zukunft verändern soll: Dass es diese Runde nicht mehr geben muss, sondern man stattdessen in gemischten und vielfältigen Teams über Inhalte spricht und nicht über Gleichstellung.

[lh]

Am Donnerstag wurde Hannelore Ratzeburg mit dem DOSB-Gleichstellungspreis geehrt. Im Rahmen der Preisverleihung wurde in einer Podiumsdiskussion ein Blick auf die Herausforderungen und Chancen der Geschlechtergleichstellung im Sport geworfen. Neben der langjährigen DFB-Vizepräsidentin für Frauen- und Mädchenfußball nahmen auch Ex-Nationalspielerin Doris Fitschen und Célia Šašić, die neue DFB-Vizepräsidentin für Gleichstellung und Diversität, daran teil. DFB.de hat die wichtigsten Aussagen.

Hannelore Ratzeburg über...

… die Position der Vizepräsidentin für Gleichstellung und Diversität: Als der damalige Präsident sagte, ich sollte auch für Gleichstellung zuständig sein, habe ich gedacht: "Was habe ich denn die ganzen letzten Jahre gemacht?" Dann habe ich geguckt, was Gleichstellung überhaupt bedeutet. Gleichstellung und Gleichberechtigung sind nicht das Gleiche. Ich habe mir viel angelesen und festgestellt, dass es ein Riesenpaket ist, das da zu bewältigen ist, vor allem in der Zusammenarbeit in einem männerdominierten Verband und in den Vereinen. Es war wichtig, dass das jemand auf die Schultern nimmt. Wir arbeiten nicht gegeneinander, sondern füreinander. Ich habe mich immer für den Frauen- und Mädchenfußball eingesetzt, nicht gegen die Männer.

... eine Nachfolgerin: Célia Šašić wird die Aufgabe bestimmt sehr gut erfüllen. Das Portfolio ist sehr umfangreich. Célia ist beim DFB schon in den Bereich "Gesellschaftliche Verantwortung" eingebunden. Sie ist da gut verankert und kennt die hauptamtlichen Mitarbeiter*innen. Ich habe das ein oder andere angestoßen, aber das ist noch lange nicht zu Ende. Da kann Célia sich langsam einarbeiten und aus ihrer Perspektive Dinge einbringen. Als ehemalige Nationalspielerin und Mutter von zwei Kindern wird sie nochmal andere Erfahrungswerte mitbringen können als ich.

... die neuen Frauen im Präsidium des DFB: Im DFB wird jetzt wahrscheinlich ein ganz anderes Verständnis herrschen, denn es sitzt nicht mehr nur eine Frau im Präsidium, sondern fünf. Das wird schonmal eine Veränderung bedeuten. Ich habe nicht damit gerechnet, dass fünf Frauen da sind, wenn ich gehe. Das hat mich sehr stolz gemacht. Das sind 31 Prozent Frauenanteil. Damit haben wir das ursprünglich für 2027 gesetzte Ziel im Präsidium jetzt schon erreicht. Das sendet auch eine Botschaft nach außen. Ich hoffe, dass sie sich ihrer Rolle bewusst sind. Jetzt lastet alles nicht mehr nur auf zwei Schultern, sondern auf zehn. Und ich hoffe, dass, in guter Absprache mit den Männern im Präsidium sowie dem neuen Präsidenten, weitere Schritte mit auf den Weg gebracht werden. Ich wünsche allen im Präsidium einen guten Weg und dass das, was unbedingt nötig ist, gemacht werden kann.

... die Bedeutung von Sprache: Ich finde es nicht klug, von "alten, weißen Männern" zu sprechen. Sprache verrät Denke, und es ist nicht hilfreich, wenn wir so sprechen. Das ist diskriminierend und nicht gerechtfertigt. Wir können nur gemeinsam etwas erreichen und wenn wir unseren Teil dazu beitragen wollen, ist die Bezeichnung "alte, weiße Männer" hinderlich. Optimal wäre es natürlich, wenn Gremien aus allen Generationen zusammengesetzt wären, sodass Dinge aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden. Ich habe mich 2019 in den Abteilungen umgehört, ob die Mitarbeitenden Probleme damit hätten, wenn ich im Präsidium aktuelle sowie zukünftige Schriftstücke gendern lasse. Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich. Einige meinten: "Wo ist das Problem?", andere haben gefragt: "Was soll das?". Ich habe ihnen dann bewusst gemacht, was das für eine Wirkung haben kann, insbesondere im männerdominierten Sport. Wenn man ehrlich ist, hat man keine Spielerin vor Augen, wenn Spieler gesagt wird.

... Frauen in Ehrenämtern: Sport ist ein Teil der gesellschaftlichen Entwicklung. Jobsharing ist nicht nur beruflich, sondern auch im Verein möglich. Wir brauchen mehr Frauen in höheren Positionen, aber die müssen trainieren. Man kann nicht gleich Kreisvorsitzende werden. Dafür ist es gut, etwas im Verein zu machen. Zwei Drittel der Jugendlichen sind ehrenamtlich tätig, das muss man erkennen. Wir müssen jungen Menschen mehr zutrauen und sie nicht nur als Handlanger der Älteren betrachten. Wir müssen ihnen aktiv Verantwortung zuweisen, damit sie Erfahrungen sammeln können. Ehrenamt ist nicht nur Arbeit, sondern auch Persönlichkeitsentwicklung und eine Möglichkeit, Erfahrungen für die berufliche oder familiäre Zukunft zu sammeln. Wir sollten Ehrenamt nicht immer nur negativ bewerten, sondern die Chancen aufzeigen. Ich habe viel gelernt, aber in kleinen Schritten.

... ihre Zukunft: Das ist nach 14 Tagen eine gute Frage. Bisher habe ich ein bisschen Urlaub zu Hause gemacht und an einem Regentag mal Akten geschreddert. Es wird noch ein bisschen dauern, bis ich die "Vergangenheitsbewältigung" erledigt habe. Ich lasse es auf mich zukommen. Ich brauche erstmal Abstand und muss mich sortieren. Es kamen schon einige Anfragen, ob ich nicht dieses oder jenes machen möchte. Ich bin gar nicht festgelegt. Ich merke, dass die Flut an Informationen wegfällt, das ist ein ungewohntes Gefühl. Es steht noch das ein oder andere Event an. Ich werde beispielsweise noch von der Nationalmannschaft der Frauen verabschiedet und werde mich noch von den Landesverbänden verabschieden, aber irgendwann ist die Zeit vorbei. Wenn ich hier und da nochmal eine Anfrage erhalte, ob ich aus meiner Tätigkeit berichten oder helfen kann, werde ich schauen, ob es passt.

... ihren Wunsch, was sich in Zukunft verändern soll: Ich wünsche mir, dass es über den Sport hinaus eine friedliche Welt gibt und dass all die testosterongesteuerten Menschen kapieren, dass wir nur diese eine Welt haben und darauf friedlich leben sollten. Wenn rundherum alles in Ordnung ist, dann können wir ganz viel bewegen.

Célia Šašić über...

… ihre Fußballkarriere und Herausforderungen für Frauen: Ich glaube, Menschen wie Hannelore haben dazu beigetragen, dass es sich für meine Generation selbstverständlicher angefühlt hat, Fußball zu spielen. Natürlich hatten wir auch einige Hürden zu bewältigen. Ich habe Fußball mit Jungs gespielt und nie darüber nachgedacht, warum ich das nicht mit Mädchen tun kann. Als ich 15, 16 Jahre alt war, war das nicht mehr möglich. Als ich überlegt habe, wie es weitergehen soll, habe ich gemerkt, dass da noch einiges zu tun ist. In den Vereinen in meinem Umfeld gab es gar keine Frauenmannschaften oder nur ganz punktuell. Die Vereinsauswahl musste man danach ausrichten, was es in der Nähe gibt. Meinen ersten Bundesligaverein habe ich mir danach ausgesucht, wo ich am besten ohne Führerschein hinkomme. Es ging nicht darum, wo die besten Perspektiven sind oder wo ich zur Nationalspielerin werden kann. Der Zugang zum Sport ist für Mädchen heute immer noch nicht so selbstverständlich wie für Jungs. Es muss das Angebot geschaffen werden, dass Jede*r, der oder die spielen möchte, die Möglichkeit dazu hat, ohne große Hürden überwinden zu müssen und ohne zu jedem Training anderthalb Stunden hinfahren zu müssen oder auf die Unterstützung von Mutter, Vater oder anderen Familienmitgliedern angewiesen zu sein.

... ihre neue Rolle als DFB-Vizepräsidentin: Ich bin froh, Vizepräsidentin für Gleichstellung und Diversität zu sein und diese Themen angehen zu können. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass der Fußball nicht nur eine Wirkung auf Männer, sondern auch auf Mädchen und auf Frauen hat. Ich hatte das Glück, ein paar Trophäen in der Hand halten zu dürfen und in den Abendhimmel zu recken und ich glaube, es hat sich nicht anders angefühlt als bei den männlichen Kollegen. Das Gefühl, das wir in diesen Momenten haben, ist das Gleiche und darauf kommt es an. Die Möglichkeit, dieses Gefühl zu erleben, sollte man jedem Menschen geben.

... ihre neue Aufgabe: Es wird einiges an Willenskraft und Durchsetzungskraft nötig sein. Ich glaube, dass Argumente eine sehr gute Kraft haben sowie dass man transparent und nachvollziehbar handelt. Man muss den Weg aufzeigen, wie er sein soll und nicht einfach nur sagen, wie man etwas haben möchte. Man muss sich Argumente erarbeiten und im Zusammenspiel mit dem Hauptamt im DFB sowie den anderen Präsidiumsmitglieder*innen abstimmen. Jeder ist für jedes Thema stimmberechtigt. Auch ich kann meine Meinung zu allen Themen einbringen. Eine Bedingung für mich, das Amt zu übernehmen, war, dass dieses Amt nicht als Feigenblatt dient. Es ist da, um etwas anzustoßen und zu verändern. Wir haben 2024 eine Europameisterschaft im eigenen Land. Da bin ich auch in die Organisation miteingebunden. Ich habe in diesem Zusammenhang bereits mit Themen wie Teilhabe, Diversität und Gleichstellung gearbeitet. Ich glaube, wenn man beides kombiniert und diese Plattform nutzt, können wir in den nächsten Jahren noch mehr Power reinbringen und einen Schritt weiterkommen.

... verschiedene Perspektiven bei Entscheidungen im Präsidium: Es ist wichtig, verschiedene Perspektiven einzubringen, sie ernst zu nehmen und auch die Chance in dieser Vielfalt zu sehen. Ich komme vom Platz und auf dem Feld funktioniert das so, dass man sich unter einem Dach von Regeln, die für alle gelten, mit seinen Stärken einbringt und seine Schwächen möglichst von jemand anderem ausgleichen lässt. So sollte man auch gemeinsam arbeiten. Ich persönlich bin sehr gut aufgenommen worden und denke auch, dass der Weg so weitergeht. Dass man diskutiert, verschiedener Meinung ist, Wände einreißen und Überzeugungsarbeit leisten muss, sehe ich definitiv. Das gehört dazu. Aber es ist wichtig, den Diskurs anzuregen, in den Austausch zu gehen und Argumente auszutauschen.

... die Frauenquote im Sport: Je mehr Frauen und Mädchen in der Breite im Sport involviert, engagiert und dabei sind, desto größer ist natürlich die Wahrscheinlichkeit, dass sie oben ankommen. Für mich geht es darum, in der Breite die Zugänge zu schaffen. Das wäre der wünschenswerteste Weg, damit Positionen auf natürlichem Weg von Frauen eingenommen werden können. Es gibt gute Argumente für die Quote aber auch dagegen.

... ihren Wunsch, was sich in Zukunft verändern soll: Dass es sich für alle natürlich anfühlt, in ihrem Bereich eine Rolle zu spielen. Ich bin im Fußball sozialisiert worden. Warum sollte ich also in einen anderen Bereich gehen? Der Sport ist mein Zuhause, deswegen verstehe ich nicht, warum ich denken sollte, dass da kein Platz für mich ist. Ich wünsche mir, dass das ganz natürlich ist und so gelebt wird wie auf dem Fußballplatz. Dass derjenige, der sich an die Regeln hält und einen positiven Beitrag zur Gemeinschaft leisten kann, mit dabei ist. So wird man erfolgreich und kann in seiner Verschiedenheit gemeinsam Großes erreichen.

Doris Fitschen über...

… ihre aktive Zeit als Spielerin: ich habe die Erfahrung gemacht, dass man Geduld und Frustrationstoleranz braucht. Ich wollte mit neun Jahren anfangen, Fußball zu spielen und durfte es nicht, weil meine Eltern es verboten hatten. Im Laufe meiner Karriere wurden mir viele Steine in den Weg gelegt. Und das bei Dingen, die für Jungs ganz selbstverständlich waren. Ein Beispiel: Als ich meine erste Einladung für die Nationalmannschaft bekommen habe, hat mein Lehrer mich nicht freigestellt. Ich hatte Mitschüler, die auch in der Nationalmannschaft gespielt haben, die hatten diese Probleme überhaupt nicht. Man musste sich da durchboxen.

... ihre Zeit beim DFB und die Entwicklung des Frauenfußballs: Ich bin schon über 20 Jahre beim DFB. Mittlerweile bin ich nur noch im Frauenfußball tätig, am Anfang habe ich auch für den Männerfußball gearbeitet, weil es für den Frauenfußball kein Marketing gab. Das haben wir erst nach und nach durchgeboxt. Man braucht Durchhaltevermögen, aber es lohnt sich und es macht Spaß. Wir merken, dass wir eine Menge bewegen können.

... die Förderung des Frauenfußballs: Ich war sehr froh, dass es Frauen wie Hannelore gab, weil sie Wegbereiterinnen waren. Ich war bei der ersten Europameisterschaft in Deutschland 1989 dabei und das ist für mich nach wie vor eines der schönsten Erlebnisse in meiner Karriere. Das war für den deutschen Frauenfußball ein Quantensprung. Als Spielerin nimmt man das gar nicht so war. Ich habe unmittelbar danach angefangen beim DFB zu arbeiten und habe da erst gemerkt, wie steinig der Weg ist, wenn man Dinge bewegen möchte. Man lernt mit der Zeit dazu. Bei mir ist immer noch die Leidenschaft für den Sport vorhanden, deshalb macht mir die Arbeit, auch nach fast 20 Jahren Funktionärskarriere, nach wie vor Spaß. Eben auch, weil man etwas bewegen kann.

... Baustellen beim Thema Gleichstellung: Wir brauchen mehr Frauen in den Entscheider-Positionen, sowohl in den ehrenamtlichen Gremien als auch im Sportbusiness, nicht nur im Fußball. Was uns auch entscheidend fehlt, ist, dass wir in den Medien nicht genug Sichtbarkeit haben. Das eine geht vermutlich mit dem anderen einher. Wenn wir mehr entscheiden können, können wir auch dafür sorgen, dass wir eine größere Sichtbarkeit erhalten.

... die Frauenquote im Sport: Ich bin eine Verfechterin der Quote, nicht nur im Sport, sondern generell. Wir haben kompetente Frauen in allen Bereichen, aber es gibt eben auch die berühmte gläserne Decke, wo die Posten oftmals immer noch unter den Männern ausgemacht werden. Auch wenn ich kein Fan von der Bezeichnung "Quotenfrau" bin, glaube ich, dass es sinnvoll ist, eine gewisse Anzahl an Frauen über die Quote in diesen Bereich reinzubekommen. Dann wird es irgendwann zu einem natürlichen Prozess und alle merken, dass gemischte Teams erfolgreicher sind. Momentan hängen viele Männer noch an ihren Posten und lassen Frauen einfach nicht zu oder haben teilweise nicht den Mut, Frauen mit hochzuziehen und zu fördern. Ich befürworte eine Quote und glaube, dass sich das irgendwann regelt, wenn wir genug Frauen in den Gremien und Entscheider-Positionen haben.

... ihren Wunsch, was sich in Zukunft verändern soll: Dass es diese Runde nicht mehr geben muss, sondern man stattdessen in gemischten und vielfältigen Teams über Inhalte spricht und nicht über Gleichstellung.

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