Gegen Rassismus: "Wird Zeit, dass wir alle den Verstand einschalten"

Mit dem 1. FC Saarbrücken und Viktoria Köln treffen am Wochenende in der 3. Liga zwei Pokalgewinner aufeinander. Saarbrücken hat in Pokalrunde eins den höherklassigen Karlsruher SC rausgeworfen, Viktoria Köln sogar den sechsmaligen DFB-Pokalsieger Werder Bremen. Nun kommt es am Samstag (ab 14 Uhr, live bei MagentaSport) im Ludwigsparkstadion zu einem Drittligaspiel, das neben der sportlichen Relevanz auch eine Botschaft hat. André Becker (27), im brasilianischen Recife geboren und als Dreijähriger mit den Eltern in Deutschland angekommen, und Richard Neudecker (26), im bayerischen Altötting geboren und heute offensiver Mittelfeldspieler beim FCS, sprechen im DFB.de-Interview darüber, wie sie die Sache sehen.

DFB.de: Herr Neudecker, Herr Becker, beim Spiel am Samstag wird durch Botschaften auf dem Mittelkreis und den Eckfahnen Position gegen Rassismus bezogen. Ist das aus Ihrer Sicht heutzutage noch nötig?

Richard Neudecker: Ja, das sehe ich absolut so. Der Fußball verbindet, Rassismus darf im Fußball einfach keine Rolle spielen. Wir als Spieler müssen vorangehen, in der Kabine wie auch auf dem Feld. Ich für meinen Teil finde es einfach toll, für einen Verein zu spielen, der sich als Pilotverein gegen Rassismus stellt. Ich habe vor meiner Zeit hier in Saarbrücken auf Sankt Pauli gespielt, da ist das Thema ja auch sehr, sehr groß. Wenn wir weiter entschlossen vorangehen, können wir bei dieser Botschaft auf jeden Fall etwas bewegen.

André Becker: Wir sind nun schon eine Weile im 21. Jahrhundert angekommen. Man sollte also meinen, dass aus der Vergangenheit gelernt wurde. Und doch ist Rassismus immer noch ein großes Thema. Ein Unding, wenn man mal darüber nachdenkt. Und nicht nur bei uns, sondern weltweit. Egal ob das jetzt die Hautfarbe oder die Religion betrifft, die Herkunft oder sonstige Diskriminierungen. Wir Fußballer genießen durch unseren Sport unheimlich viel Aufmerksamkeit, deshalb ist es wichtig, mit gutem Beispiel voranzugehen. Dass unsere beiden Klubs Pilotvereine bei "Fußball Verein(t) Gegen Rassismus" sind, ist eine richtig gute Sache.

DFB.de: Am Pokalwochenende kam es bei zwei Spielen zu Rassismus-Anfeindungen, außerdem wurde Bayerns Stürmer Mathys Tel, nachdem er bei der 0:3-Niederlage im Super Cup ein paar Chancen vergeben hatte, auf den Socials rassistisch angegriffen. Warum hört das einfach nie auf?

Becker: Klar ist, wir sind Leistungssportler, als Profifußballer stehen wir im Rampenlicht und jemand wie Mathys Tel nochmal deutlich mehr als der Fußball in der 2. Bundesliga oder der 3. Liga. Fußball löst Freude aus, aber wenn das Spiel verloren geht auch extreme Frustrationen. Auch ich habe manchmal das Gefühl, dass einige wenige Fans in ihrem Frust überdrehen. Während des Spiels kommt es auch vor, dass einige Fans einzelne Spieler rauspicken und anpöbeln. Manche denken dann auch, jetzt beleidige ich den halt mal rassistisch. Das geht nicht. Es wird Zeit, dass wir alle mal den Verstand einschalten.

Neudecker: Es ist einfach widerlich und inakzeptabel, wenn ein Spieler wegen einer vermeintlich schwachen sportlichen Leistung rassistisch angegriffen wird. Das geht gar nicht, ein absolutes No Go. Wir Spieler sind Gegner auf dem Platz, aber wenn so etwas passiert, sind wir einfach nur Kollegen und wir fühlen uns alle schlecht.

DFB.de: Der DFB ermittelt jährlich ein Lagebild des Amateurfußballs. In der vergangenen Saison kam es zu rund 2600 Diskriminierungsvorfällen. Bei mehr als 1,4 Mio. Spielen ist das prozentual immer noch wenig, aber jeder Einzelfall bleibt ja trotzdem furchtbar. Ist der Rassismus schlimmer in den unteren Ligen?

Becker: Pauschal kann man das sicher nicht sagen. In den kleinen Stadien und Sportanlagen versteht man jedes Wort, das ist etwas anderes als in den großen Stadien. Häufig sind Menschen, die diskriminierende Äußerungen loslassen, umringt von Gleichgesinnten, das ist manchmal nicht nur einer, der etwas sagt, sondern eine ganze Gruppe. In den Amateurligen wird das einfacher entdeckt als in den Blöcken. Aber eigentlich ist es auch egal, ob das jetzt weniger oder mehr ist, wir müssen gemeinsam gegen Rassismus aufstehen - auf der Straße, in den Schulen und eben auch beim Fußball.

DFB.de: Was für ein Fußballspiel wird es am Samstag werden?

Neudecker: Beide Teams werden mit recht viel Selbstvertrauen ins Stadion kommen. Die Begegnungen zwischen Saarbrücken und Viktoria Köln sind immer sehr, sehr heiß umkämpft. Viktoria spielt einen schönen Kombinationsfußball, wir werden sehr viel laufen müssen. Es wird sicher ein sehr attraktives und packendes Drittligaspiel, das man sich super anschauen kann.

Becker: Auch für uns wird es ein hartes Stück Arbeit und auch wir werden in Saarbrücken viele Meter machen müssen. Ich bin mir sicher, es wird spannend werden.

DFB.de: Und was ist beim Thema "Fußball Verein(t)" ihre Botschaft an die Fans?

Neudecker: Nicht wegducken! Wenn ihr etwas mitbekommt, etwas seht, dann packt euch den Jungen oder die Frau und sagt ganz klar und deutlich: "Ey, das funktioniert so nicht, das kann nicht sein. Was denkst du eigentlich, wer du bist?" Und wenn ein Maß überschritten wird, muss als nächster Schritt eben auch der Verein informiert und Stadionverbote ausgesprochen werden. Der Fußball und wir alle müssen da schon strikt sein.

Becker: Was Richard gesagt hat, unterschreibe ich voll und ganz. Keine Toleranz, das würde ich noch hinzufügen wollen. Es gibt einfach nicht ein bisschen Rassismus. Jeder sollte sich mal in die Haut eines angegriffenen Menschen versetzen. Man sollte den Perspektivwechsel wagen und mal überlegen, wie es wäre, wenn man jetzt selbst oder jemand aus der eigenen Familie so angegriffen werden würde. Der Bruder oder die Schwester, die Mutter oder der Vater - das möchte doch niemand. Wir alle sind Menschen, haben Gefühle, und jemand der rassistisch angefeindet wird, ist danach teilweise zutiefst verletzt. Das gehört heute einfach nicht mehr in unser Land.

Im Rahmen des vom Bundesministerium des Innern (BMI) geförderten Projekts "Fußball Verein(t) Gegen Rassismus" intensiviert der DFB gemeinsam mit seinen Landesverbänden und den Vereinen der 3. Liga die Aktivitäten im Bereich der sozialen Nachhaltigkeit.

[th]

Mit dem 1. FC Saarbrücken und Viktoria Köln treffen am Wochenende in der 3. Liga zwei Pokalgewinner aufeinander. Saarbrücken hat in Pokalrunde eins den höherklassigen Karlsruher SC rausgeworfen, Viktoria Köln sogar den sechsmaligen DFB-Pokalsieger Werder Bremen. Nun kommt es am Samstag (ab 14 Uhr, live bei MagentaSport) im Ludwigsparkstadion zu einem Drittligaspiel, das neben der sportlichen Relevanz auch eine Botschaft hat. André Becker (27), im brasilianischen Recife geboren und als Dreijähriger mit den Eltern in Deutschland angekommen, und Richard Neudecker (26), im bayerischen Altötting geboren und heute offensiver Mittelfeldspieler beim FCS, sprechen im DFB.de-Interview darüber, wie sie die Sache sehen.

DFB.de: Herr Neudecker, Herr Becker, beim Spiel am Samstag wird durch Botschaften auf dem Mittelkreis und den Eckfahnen Position gegen Rassismus bezogen. Ist das aus Ihrer Sicht heutzutage noch nötig?

Richard Neudecker: Ja, das sehe ich absolut so. Der Fußball verbindet, Rassismus darf im Fußball einfach keine Rolle spielen. Wir als Spieler müssen vorangehen, in der Kabine wie auch auf dem Feld. Ich für meinen Teil finde es einfach toll, für einen Verein zu spielen, der sich als Pilotverein gegen Rassismus stellt. Ich habe vor meiner Zeit hier in Saarbrücken auf Sankt Pauli gespielt, da ist das Thema ja auch sehr, sehr groß. Wenn wir weiter entschlossen vorangehen, können wir bei dieser Botschaft auf jeden Fall etwas bewegen.

André Becker: Wir sind nun schon eine Weile im 21. Jahrhundert angekommen. Man sollte also meinen, dass aus der Vergangenheit gelernt wurde. Und doch ist Rassismus immer noch ein großes Thema. Ein Unding, wenn man mal darüber nachdenkt. Und nicht nur bei uns, sondern weltweit. Egal ob das jetzt die Hautfarbe oder die Religion betrifft, die Herkunft oder sonstige Diskriminierungen. Wir Fußballer genießen durch unseren Sport unheimlich viel Aufmerksamkeit, deshalb ist es wichtig, mit gutem Beispiel voranzugehen. Dass unsere beiden Klubs Pilotvereine bei "Fußball Verein(t) Gegen Rassismus" sind, ist eine richtig gute Sache.

DFB.de: Am Pokalwochenende kam es bei zwei Spielen zu Rassismus-Anfeindungen, außerdem wurde Bayerns Stürmer Mathys Tel, nachdem er bei der 0:3-Niederlage im Super Cup ein paar Chancen vergeben hatte, auf den Socials rassistisch angegriffen. Warum hört das einfach nie auf?

Becker: Klar ist, wir sind Leistungssportler, als Profifußballer stehen wir im Rampenlicht und jemand wie Mathys Tel nochmal deutlich mehr als der Fußball in der 2. Bundesliga oder der 3. Liga. Fußball löst Freude aus, aber wenn das Spiel verloren geht auch extreme Frustrationen. Auch ich habe manchmal das Gefühl, dass einige wenige Fans in ihrem Frust überdrehen. Während des Spiels kommt es auch vor, dass einige Fans einzelne Spieler rauspicken und anpöbeln. Manche denken dann auch, jetzt beleidige ich den halt mal rassistisch. Das geht nicht. Es wird Zeit, dass wir alle mal den Verstand einschalten.

Neudecker: Es ist einfach widerlich und inakzeptabel, wenn ein Spieler wegen einer vermeintlich schwachen sportlichen Leistung rassistisch angegriffen wird. Das geht gar nicht, ein absolutes No Go. Wir Spieler sind Gegner auf dem Platz, aber wenn so etwas passiert, sind wir einfach nur Kollegen und wir fühlen uns alle schlecht.

DFB.de: Der DFB ermittelt jährlich ein Lagebild des Amateurfußballs. In der vergangenen Saison kam es zu rund 2600 Diskriminierungsvorfällen. Bei mehr als 1,4 Mio. Spielen ist das prozentual immer noch wenig, aber jeder Einzelfall bleibt ja trotzdem furchtbar. Ist der Rassismus schlimmer in den unteren Ligen?

Becker: Pauschal kann man das sicher nicht sagen. In den kleinen Stadien und Sportanlagen versteht man jedes Wort, das ist etwas anderes als in den großen Stadien. Häufig sind Menschen, die diskriminierende Äußerungen loslassen, umringt von Gleichgesinnten, das ist manchmal nicht nur einer, der etwas sagt, sondern eine ganze Gruppe. In den Amateurligen wird das einfacher entdeckt als in den Blöcken. Aber eigentlich ist es auch egal, ob das jetzt weniger oder mehr ist, wir müssen gemeinsam gegen Rassismus aufstehen - auf der Straße, in den Schulen und eben auch beim Fußball.

DFB.de: Was für ein Fußballspiel wird es am Samstag werden?

Neudecker: Beide Teams werden mit recht viel Selbstvertrauen ins Stadion kommen. Die Begegnungen zwischen Saarbrücken und Viktoria Köln sind immer sehr, sehr heiß umkämpft. Viktoria spielt einen schönen Kombinationsfußball, wir werden sehr viel laufen müssen. Es wird sicher ein sehr attraktives und packendes Drittligaspiel, das man sich super anschauen kann.

Becker: Auch für uns wird es ein hartes Stück Arbeit und auch wir werden in Saarbrücken viele Meter machen müssen. Ich bin mir sicher, es wird spannend werden.

DFB.de: Und was ist beim Thema "Fußball Verein(t)" ihre Botschaft an die Fans?

Neudecker: Nicht wegducken! Wenn ihr etwas mitbekommt, etwas seht, dann packt euch den Jungen oder die Frau und sagt ganz klar und deutlich: "Ey, das funktioniert so nicht, das kann nicht sein. Was denkst du eigentlich, wer du bist?" Und wenn ein Maß überschritten wird, muss als nächster Schritt eben auch der Verein informiert und Stadionverbote ausgesprochen werden. Der Fußball und wir alle müssen da schon strikt sein.

Becker: Was Richard gesagt hat, unterschreibe ich voll und ganz. Keine Toleranz, das würde ich noch hinzufügen wollen. Es gibt einfach nicht ein bisschen Rassismus. Jeder sollte sich mal in die Haut eines angegriffenen Menschen versetzen. Man sollte den Perspektivwechsel wagen und mal überlegen, wie es wäre, wenn man jetzt selbst oder jemand aus der eigenen Familie so angegriffen werden würde. Der Bruder oder die Schwester, die Mutter oder der Vater - das möchte doch niemand. Wir alle sind Menschen, haben Gefühle, und jemand der rassistisch angefeindet wird, ist danach teilweise zutiefst verletzt. Das gehört heute einfach nicht mehr in unser Land.

Im Rahmen des vom Bundesministerium des Innern (BMI) geförderten Projekts "Fußball Verein(t) Gegen Rassismus" intensiviert der DFB gemeinsam mit seinen Landesverbänden und den Vereinen der 3. Liga die Aktivitäten im Bereich der sozialen Nachhaltigkeit.

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