Gegen Italien: Viertes WM-Spiel, drittes 0:0

Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

14. Juni 1978 in Buenos Aires - erstes Zweitrundenspiel: Deutschland - Italien 0:0

Vor dem Spiel:

Der Weltmeister hatte die Vorrunde erstmals ohne Gegentor überstanden, an der Abwehr gab es nichts zu rütteln. Gegen Italien, das alle Spiele gewonnen und sogar Gastgeber Argentinien geschlagen hatte, setzte Bundestrainer Helmut Schön zudem auf mehr Stabilität im Mittelfeld. Fleißbiene Herbert Zimmermann ersetzte Techniker Hansi Müller. Auf Linksaußen kam Bernd Hölzenbein erstmals zum Einsatz, Dieter Müller musste weichen. Den besonders in die Kritik geratenen Rainer Bonhof ließ der Coach nicht fallen, wenngleich er ihn tadelte: "Er ist gesund, in jeder Beziehung, hat auch wieder Spielpraxis, aber dennoch klappt es nicht." Schön seufzte nach der Vorrunde: "Ich habe bei dieser WM so viele psychologische Probleme zu lösen wie selten zuvor."

Das nächste brachte der Spielplan der Zwischenrundengruppe A mit Italien, der Niederlande und Österreich. Gegen Auftaktgegner Italien, in dessen Stammelf acht Spieler von Juventus Turin standen, hatte es noch keinen WM-Sieg gegeben. Aber ein 2:1 im Oktober 1977 in Berlin, das Video zeigte Schön der Mannschaft noch mal, garniert mit Kritik: "Da seht ihr's! Im vergangenen Oktober habt ihr all das schon gekonnt, was ich von euch hier verlange." Favorit war Deutschland nicht, aber das war Schön angeblich recht: "Wir spielen jetzt lieber gegen Teams, gegen die unsere Mannschaft nicht Favorit ist. Da wird sie sich steigern können." Kollege Enzo Bearzot indes fand: "Dieses Deutschland können wir schlagen."

Am Tag vor dem Spiel sorgte ein Interview von DFB-Präsident Hermann Neuberger mit dem Sport-Informations-Dienst für Aufsehen, in dem er Schöns Training kritisierte und über die Mannschaft sagte: "Vielleicht fehlt ihr Kondition." Ferner machte Neuberger zwei Unruhestifter im Kader aus. "Der Krach, auf den viele sehnlichst gewartet hatten, war da", schrieb der Kicker. Danach stellte Neuberger klar, die Zitate seien nicht freigegeben worden und teils aus dem Zusammenhang gerissen. In nicht allzu bester Stimmung flogen die Deutschen wieder in die Stadt, in der sie schon das Eröffnungsspiel bestritten hatten. Immerhin bekamen sie jetzt ein besseres Hotel.

Punkt gewonnen, Flohe verloren

Spielbericht:

An diesem Mittwochnachmittag, Ortszeit 13. 45 Uhr, füllt sich das Stadion von River Plate nur allmählich. Bei Anpfiff sind es rund 50.000 Zuschauer, die den Argentinien-Bezwinger und den bisher eher enttäuschenden Weltmeister sehen können. Sofern das denn möglich ist. Erstmals hüllt dichter Nebel ein WM-Spiel ein - und die Straßen vor dem Stadion. Viele stecken noch im Stau fest, während die Verantwortlichen eine zuvor diskutierte Absage verwerfen.

Auf den Rängen dominieren italienische Sprechchöre und Fahnen, das Gros der deutschen Anhänger hat die elfstündige Zugfahrt von Cordoba in die Hauptstadt gescheut. Flüge nach Buenos Aires sind gestrichen worden. Selbst die Mannschaft hätte umdisponieren und in einer anderen Stadt landen müssen, wäre sie nicht am Vortag mit einer Militärmaschine geflogen, die auf dem Armeeflughafen El Palomar noch eine Landeerlaubnis erhalten hat. Das Spiel wird in der ARD übertragen, die bisher noch kein Tor in die Heimat hat senden können - wenn Deutschland spielt. Ob das so bleibt?

Bei den Hymnen singt keiner, auch die Italiener schweigen. Dann geht es - unter Flutlicht - munter los. Deutschland bekommt schon in der ersten Minute eine Ecke und hat durch Hölzenbein und Klaus Fischer die ersten Chancen. Dann bremst Rolf Rüssmann den 21 Jahre alten Wunderstürmer Paolo Rossi im Strafraum, den von den Italienern gestenreich geforderten Elfmeter gibt der Jugoslawe Dusan Maksimovic nicht. Hölzenbein, nach drei Bank-Einsätzen vor Spiellust brennend, feuert einen Volleyschuss aus der Drehung ab, Dino Zoff hechtet ihn aus dem Winkel.

Applaus von den Rängen, endlich ein gutes Spiel der Deutschen, die immer weiter drängen. Heinz Flohe tanzt Antonio Cabrini aus, legt auf für Karl-Heinz Rummenigge, doch dessen Schuss wird von einem Abwehrbein zur Ecke abgewehrt. In der 34. Minute eine ausgesprochene Seltenheit: ein Kopfball von Heinz Flohe. Der Spielmacher hechtet in eine Flanke, köpft knapp daneben. Im Gegenzug die Szene des Spiels: Der früh ergraute Linksaußen Italiens, Roberto Bettega, läuft Slalom durch den deutschen Strafraum, umkurvt zuletzt Sepp Maier und lupft aufs leere Tor. Doch Libero Manfred Kaltz fliegt artistisch in die Schussbahn und klärt mit der Hacke. Bettega bekommt nach einem Fehler von Berti Vogts noch eine Chance vor dem Pausenpfiff, verpasst wieder knapp. Torlos geht es in die Kabinen, die Zuschauer sehen ein 0:0 der besseren Sorte und haben Grund zu der Annahme, dass noch Tore fallen.

Bearzot wechselt, bringt Renato Zaccarelli für Spielmacher Giancarlo Antognoni. Schön wechselt nicht, aber er stellt um: Rüssmann wird auf Bettega angesetzt, und Vogts erhält im Tausch dafür seinen Gegner Rossi. Dann muss Schön doch endlich wechseln: Nach 54 Minuten erbarmt er sich seiner Reservisten, allerdings bringt er einen Debütanten. Der Kölner Harald Konopka macht ausgerechnet bei der WM sein erstes Länderspiel, er löst seinen angeschlagenen Vereinskollegen Zimmermann ab, der in einem Loch des immer noch furchtbaren Rasens von Buenos Aires umgeknickt ist.

Dann rettet Kaltz ein zweites Mal für Maier, wieder hat Bettega geschossen. Italien kommt auf, Deutschland wackelt - auch weil Debütant Konopka seine Nervosität nicht verbergen kann. Sein Fehler ermöglicht Romeo Benetti einen Schuss, aber - vorbei. Es folgt die tragischste Szene aus deutscher Sicht. Flohe spielt Doppelpass mit Rummenigge, im Strafraum will er volley abziehen, bekommt den Ball jedoch in den Rücken und zerrt sich bei dem Versuch, ihn zu erreichen, den Oberschenkel. Aus in diesem Spiel und Aus für diese WM, der Berliner Erich Beer wird eingewechselt. Fischer muss drinbleiben, obwohl er nach Bellugis Schlag aufs Kinn benommen ist und minutenlang behandelt wird. Im Interview wird er den Schläger mit Claudio Gentile verwechseln.

Der Spielfluss ist nun wieder abgerissen, der gute Eindruck vor der Pause verwischt allmählich. Schön: "Ich ärgerte mich außerordentlich, daß wir von unserem Spiel durch so unglückliche Umstände abgebracht worden waren. Was blieb, war Stückwerk." Italien regiert in der zweiten Halbzeit. Zaccarelli fordert Maier alles ab, danach scheitert auch Rossi an der deutschen Nummer 1 (77., 83.). Unerwartet bietet sich Joker Beer die Siegchance, aber er trifft den Ball nicht voll (87.).

So kommt es zum dritten 0:0 der Deutschen, zwar dem besten seiner Art, wirklich zufrieden ist aber wieder keiner. "Noch fehlt es an der richtigen Mannschaftsharmonie, noch wirken die meisten Aktionen wenig durchdacht, und Gefährlichkeit vor dem gegnerischen Tor fehlt ganz und gar", analysiert der Kicker. Mit einem Punkt im Gepäck reisen die Deutschen zurück, doch immer noch bestimmt der Nebel den Flugplan. Der Tross fährt vergeblich zum Flughafen, muss zurück ins Hotel, erlebt dort wieder eine unruhige Nacht - diesmal tobt ein Gewitter - und landet erst am Donnerstag in Cordoba.

Aufstellung: Maier - Vogts, Kaltz, Rüssmann, Dietz - Bonhof, Flohe (70. Beer), Zimmermann (54. Konopka) - Rummenigge, Fischer, Hölzenbein.

Tore: Fehlanzeige.

Zuschauer: 67.457 in Buenos Aires.

"Ein bisschen Glück haben wir schon gehabt"

Stimmen zum Spiel:

Helmut Schön: "Ich glaube, wir haben heute ein gutes Spiel gezeigt. Meine Spieler haben mein Konzept sehr gut befolgt und waren bis zum Ausscheiden von Zimmermann und Flohe hervorragend auf den Gegner eingestellt. Wir haben von Anfang an auf Sieg gespielt, was auch durch die gute erste Halbzeit dokumentiert wurde. Der Gegner hat hervorragend gespielt. In dieser Form kann Italien Weltmeister werden."

Berti Vogts: "Ich befürchte sehr, dass für unseren Heinz Flohe die WM zu Ende ist. Er hat eine Oberschenkelzerrung, und die braucht etwa 14 Tage zum Ausheilen. Dennoch glaube ich, dass wir mit dem heutigen Spiel zufrieden sein können. Wenn wir komplett hätten weiterspielen können, dessen bin ich mir sicher, so hätten wir die Italiener noch gehörig unter Druck gesetzt. Aber sie verstanden es immer wieder, uns durch ihre Fouls und Härten aus dem Rhythmus zu bringen."

Rolf Rüssmann: "Ein bisschen Glück haben wir schon gehabt. Die Chancen der Italiener waren schon weitaus klarer als die unseren. Aber auf der anderen Seite stand ja auch ein Mann namens Dino Zoff. Dieses 0:0 gegen Italien, das bisher doch die Glanzlichter bei dieser WM gesetzt hatte, ist für uns ein Erfolg im Gegensatz zu unserem mäßigen 0:0 gegen die Tunesier. Denn der Gegner hatte einen großen Namen."

Klaus Fischer: "Die Nummer fünf, der Gentile, hat mir mit dem Ellbogen voll auf die Lippe geschlagen, und der Zahn stieß so hart auf die Innenseite, dass ich jetzt ein großes Loch drin habe."

Karl-Heinz Rummenigge: "Die ließen uns ja gar nicht spielen. Immer lag einer von uns auf der Erde. Aber dennoch haben sie ungeheuer steril auf mich gewirkt. Nur immer Flanken und Kopfbälle."

Enzo Bearzot (Nationaltrainer Italien): "Wir haben sie an die Wand gestellt und zwangen sie, 'italienisch' zu spielen. Der Weltmeister entwickelte einen solchen Respekt vor uns, dass er sich mit acht bis zehn Mann im Strafraum einigelte."

Claudio Gentile (Italien): "Dieses Spiel hätten wir unbedingt gewinnen müssen, denn Deutschland war nach 70 Minuten k.o."

Roberto Bettega (Italien): "Ich hätte das Spiel ganz allein entscheiden müssen."

"Erneut blieb die Mannschaft den Beweis ihrer Stärke schuldig. Nach einer guten ersten Spielhälfte mit vielen flüssigen Kombinationen ließ sich die deutsche Elf nach der Pause frühzeitig zurückdrängen und beschränkte sich dann weitgehend auf die Abwehr (...) Man kommt sich langsam schon komisch vor, nach den Spielen unserer Mannschaft hier in Argentinien stets die gleichen Mängel rügen zu müssen." (Kicker)

"Diese deutsche Mannschaft baute ihr Spiel nach einem starren Schema auf. Es fehlte ihr der Organisator, und da die Phantasie nicht gerade eine nationale Eigenschaft der Deutschen ist, wiederholten sie immer wieder die gleichen Spielzüge." (Il Messagero/Rom)

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Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

14. Juni 1978 in Buenos Aires - erstes Zweitrundenspiel: Deutschland - Italien 0:0

Vor dem Spiel:

Der Weltmeister hatte die Vorrunde erstmals ohne Gegentor überstanden, an der Abwehr gab es nichts zu rütteln. Gegen Italien, das alle Spiele gewonnen und sogar Gastgeber Argentinien geschlagen hatte, setzte Bundestrainer Helmut Schön zudem auf mehr Stabilität im Mittelfeld. Fleißbiene Herbert Zimmermann ersetzte Techniker Hansi Müller. Auf Linksaußen kam Bernd Hölzenbein erstmals zum Einsatz, Dieter Müller musste weichen. Den besonders in die Kritik geratenen Rainer Bonhof ließ der Coach nicht fallen, wenngleich er ihn tadelte: "Er ist gesund, in jeder Beziehung, hat auch wieder Spielpraxis, aber dennoch klappt es nicht." Schön seufzte nach der Vorrunde: "Ich habe bei dieser WM so viele psychologische Probleme zu lösen wie selten zuvor."

Das nächste brachte der Spielplan der Zwischenrundengruppe A mit Italien, der Niederlande und Österreich. Gegen Auftaktgegner Italien, in dessen Stammelf acht Spieler von Juventus Turin standen, hatte es noch keinen WM-Sieg gegeben. Aber ein 2:1 im Oktober 1977 in Berlin, das Video zeigte Schön der Mannschaft noch mal, garniert mit Kritik: "Da seht ihr's! Im vergangenen Oktober habt ihr all das schon gekonnt, was ich von euch hier verlange." Favorit war Deutschland nicht, aber das war Schön angeblich recht: "Wir spielen jetzt lieber gegen Teams, gegen die unsere Mannschaft nicht Favorit ist. Da wird sie sich steigern können." Kollege Enzo Bearzot indes fand: "Dieses Deutschland können wir schlagen."

Am Tag vor dem Spiel sorgte ein Interview von DFB-Präsident Hermann Neuberger mit dem Sport-Informations-Dienst für Aufsehen, in dem er Schöns Training kritisierte und über die Mannschaft sagte: "Vielleicht fehlt ihr Kondition." Ferner machte Neuberger zwei Unruhestifter im Kader aus. "Der Krach, auf den viele sehnlichst gewartet hatten, war da", schrieb der Kicker. Danach stellte Neuberger klar, die Zitate seien nicht freigegeben worden und teils aus dem Zusammenhang gerissen. In nicht allzu bester Stimmung flogen die Deutschen wieder in die Stadt, in der sie schon das Eröffnungsspiel bestritten hatten. Immerhin bekamen sie jetzt ein besseres Hotel.

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Punkt gewonnen, Flohe verloren

Spielbericht:

An diesem Mittwochnachmittag, Ortszeit 13. 45 Uhr, füllt sich das Stadion von River Plate nur allmählich. Bei Anpfiff sind es rund 50.000 Zuschauer, die den Argentinien-Bezwinger und den bisher eher enttäuschenden Weltmeister sehen können. Sofern das denn möglich ist. Erstmals hüllt dichter Nebel ein WM-Spiel ein - und die Straßen vor dem Stadion. Viele stecken noch im Stau fest, während die Verantwortlichen eine zuvor diskutierte Absage verwerfen.

Auf den Rängen dominieren italienische Sprechchöre und Fahnen, das Gros der deutschen Anhänger hat die elfstündige Zugfahrt von Cordoba in die Hauptstadt gescheut. Flüge nach Buenos Aires sind gestrichen worden. Selbst die Mannschaft hätte umdisponieren und in einer anderen Stadt landen müssen, wäre sie nicht am Vortag mit einer Militärmaschine geflogen, die auf dem Armeeflughafen El Palomar noch eine Landeerlaubnis erhalten hat. Das Spiel wird in der ARD übertragen, die bisher noch kein Tor in die Heimat hat senden können - wenn Deutschland spielt. Ob das so bleibt?

Bei den Hymnen singt keiner, auch die Italiener schweigen. Dann geht es - unter Flutlicht - munter los. Deutschland bekommt schon in der ersten Minute eine Ecke und hat durch Hölzenbein und Klaus Fischer die ersten Chancen. Dann bremst Rolf Rüssmann den 21 Jahre alten Wunderstürmer Paolo Rossi im Strafraum, den von den Italienern gestenreich geforderten Elfmeter gibt der Jugoslawe Dusan Maksimovic nicht. Hölzenbein, nach drei Bank-Einsätzen vor Spiellust brennend, feuert einen Volleyschuss aus der Drehung ab, Dino Zoff hechtet ihn aus dem Winkel.

Applaus von den Rängen, endlich ein gutes Spiel der Deutschen, die immer weiter drängen. Heinz Flohe tanzt Antonio Cabrini aus, legt auf für Karl-Heinz Rummenigge, doch dessen Schuss wird von einem Abwehrbein zur Ecke abgewehrt. In der 34. Minute eine ausgesprochene Seltenheit: ein Kopfball von Heinz Flohe. Der Spielmacher hechtet in eine Flanke, köpft knapp daneben. Im Gegenzug die Szene des Spiels: Der früh ergraute Linksaußen Italiens, Roberto Bettega, läuft Slalom durch den deutschen Strafraum, umkurvt zuletzt Sepp Maier und lupft aufs leere Tor. Doch Libero Manfred Kaltz fliegt artistisch in die Schussbahn und klärt mit der Hacke. Bettega bekommt nach einem Fehler von Berti Vogts noch eine Chance vor dem Pausenpfiff, verpasst wieder knapp. Torlos geht es in die Kabinen, die Zuschauer sehen ein 0:0 der besseren Sorte und haben Grund zu der Annahme, dass noch Tore fallen.

Bearzot wechselt, bringt Renato Zaccarelli für Spielmacher Giancarlo Antognoni. Schön wechselt nicht, aber er stellt um: Rüssmann wird auf Bettega angesetzt, und Vogts erhält im Tausch dafür seinen Gegner Rossi. Dann muss Schön doch endlich wechseln: Nach 54 Minuten erbarmt er sich seiner Reservisten, allerdings bringt er einen Debütanten. Der Kölner Harald Konopka macht ausgerechnet bei der WM sein erstes Länderspiel, er löst seinen angeschlagenen Vereinskollegen Zimmermann ab, der in einem Loch des immer noch furchtbaren Rasens von Buenos Aires umgeknickt ist.

Dann rettet Kaltz ein zweites Mal für Maier, wieder hat Bettega geschossen. Italien kommt auf, Deutschland wackelt - auch weil Debütant Konopka seine Nervosität nicht verbergen kann. Sein Fehler ermöglicht Romeo Benetti einen Schuss, aber - vorbei. Es folgt die tragischste Szene aus deutscher Sicht. Flohe spielt Doppelpass mit Rummenigge, im Strafraum will er volley abziehen, bekommt den Ball jedoch in den Rücken und zerrt sich bei dem Versuch, ihn zu erreichen, den Oberschenkel. Aus in diesem Spiel und Aus für diese WM, der Berliner Erich Beer wird eingewechselt. Fischer muss drinbleiben, obwohl er nach Bellugis Schlag aufs Kinn benommen ist und minutenlang behandelt wird. Im Interview wird er den Schläger mit Claudio Gentile verwechseln.

Der Spielfluss ist nun wieder abgerissen, der gute Eindruck vor der Pause verwischt allmählich. Schön: "Ich ärgerte mich außerordentlich, daß wir von unserem Spiel durch so unglückliche Umstände abgebracht worden waren. Was blieb, war Stückwerk." Italien regiert in der zweiten Halbzeit. Zaccarelli fordert Maier alles ab, danach scheitert auch Rossi an der deutschen Nummer 1 (77., 83.). Unerwartet bietet sich Joker Beer die Siegchance, aber er trifft den Ball nicht voll (87.).

So kommt es zum dritten 0:0 der Deutschen, zwar dem besten seiner Art, wirklich zufrieden ist aber wieder keiner. "Noch fehlt es an der richtigen Mannschaftsharmonie, noch wirken die meisten Aktionen wenig durchdacht, und Gefährlichkeit vor dem gegnerischen Tor fehlt ganz und gar", analysiert der Kicker. Mit einem Punkt im Gepäck reisen die Deutschen zurück, doch immer noch bestimmt der Nebel den Flugplan. Der Tross fährt vergeblich zum Flughafen, muss zurück ins Hotel, erlebt dort wieder eine unruhige Nacht - diesmal tobt ein Gewitter - und landet erst am Donnerstag in Cordoba.

Aufstellung: Maier - Vogts, Kaltz, Rüssmann, Dietz - Bonhof, Flohe (70. Beer), Zimmermann (54. Konopka) - Rummenigge, Fischer, Hölzenbein.

Tore: Fehlanzeige.

Zuschauer: 67.457 in Buenos Aires.

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"Ein bisschen Glück haben wir schon gehabt"

Stimmen zum Spiel:

Helmut Schön: "Ich glaube, wir haben heute ein gutes Spiel gezeigt. Meine Spieler haben mein Konzept sehr gut befolgt und waren bis zum Ausscheiden von Zimmermann und Flohe hervorragend auf den Gegner eingestellt. Wir haben von Anfang an auf Sieg gespielt, was auch durch die gute erste Halbzeit dokumentiert wurde. Der Gegner hat hervorragend gespielt. In dieser Form kann Italien Weltmeister werden."

Berti Vogts: "Ich befürchte sehr, dass für unseren Heinz Flohe die WM zu Ende ist. Er hat eine Oberschenkelzerrung, und die braucht etwa 14 Tage zum Ausheilen. Dennoch glaube ich, dass wir mit dem heutigen Spiel zufrieden sein können. Wenn wir komplett hätten weiterspielen können, dessen bin ich mir sicher, so hätten wir die Italiener noch gehörig unter Druck gesetzt. Aber sie verstanden es immer wieder, uns durch ihre Fouls und Härten aus dem Rhythmus zu bringen."

Rolf Rüssmann: "Ein bisschen Glück haben wir schon gehabt. Die Chancen der Italiener waren schon weitaus klarer als die unseren. Aber auf der anderen Seite stand ja auch ein Mann namens Dino Zoff. Dieses 0:0 gegen Italien, das bisher doch die Glanzlichter bei dieser WM gesetzt hatte, ist für uns ein Erfolg im Gegensatz zu unserem mäßigen 0:0 gegen die Tunesier. Denn der Gegner hatte einen großen Namen."

Klaus Fischer: "Die Nummer fünf, der Gentile, hat mir mit dem Ellbogen voll auf die Lippe geschlagen, und der Zahn stieß so hart auf die Innenseite, dass ich jetzt ein großes Loch drin habe."

Karl-Heinz Rummenigge: "Die ließen uns ja gar nicht spielen. Immer lag einer von uns auf der Erde. Aber dennoch haben sie ungeheuer steril auf mich gewirkt. Nur immer Flanken und Kopfbälle."

Enzo Bearzot (Nationaltrainer Italien): "Wir haben sie an die Wand gestellt und zwangen sie, 'italienisch' zu spielen. Der Weltmeister entwickelte einen solchen Respekt vor uns, dass er sich mit acht bis zehn Mann im Strafraum einigelte."

Claudio Gentile (Italien): "Dieses Spiel hätten wir unbedingt gewinnen müssen, denn Deutschland war nach 70 Minuten k.o."

Roberto Bettega (Italien): "Ich hätte das Spiel ganz allein entscheiden müssen."

"Erneut blieb die Mannschaft den Beweis ihrer Stärke schuldig. Nach einer guten ersten Spielhälfte mit vielen flüssigen Kombinationen ließ sich die deutsche Elf nach der Pause frühzeitig zurückdrängen und beschränkte sich dann weitgehend auf die Abwehr (...) Man kommt sich langsam schon komisch vor, nach den Spielen unserer Mannschaft hier in Argentinien stets die gleichen Mängel rügen zu müssen." (Kicker)

"Diese deutsche Mannschaft baute ihr Spiel nach einem starren Schema auf. Es fehlte ihr der Organisator, und da die Phantasie nicht gerade eine nationale Eigenschaft der Deutschen ist, wiederholten sie immer wieder die gleichen Spielzüge." (Il Messagero/Rom)

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