Garvey: "Das Gute in der Gesellschaft sind immer die Helfer"

Rea Garvey ist seit rund zwei Jahrzehnten hierzulande einer der einflussreichsten und beliebtesten Musiker. Der aus Irland stammende Sänger und Gitarrist emigrierte 1998 kurzentschlossen nach Deutschland, schrieb mit "Supergirl" einen der erfolgreichsten Songs der deutschen Musikgeschichte und ist Coach bei einer der erfolgreichsten TV-Talentshows. Jetzt will Garvey seine Liebe zur Musik und zum Fußball nutzen, um weitere positive Akzente zu setzen. Gerade berief das DFB-Präsidium den 46 Jahre alten Rockstar ins Kuratorium der Sepp-Herberger-Stiftung. Im DFB.de-Interview spricht Raymond Michael "Rea" Garvey mit Redakteur Thomas Hackbarth über Ängste, Hoffnungen und feierfreudige irische Fußballfans.

DFB.de: "Wir nutzen Gott als Entschuldigung, um zu töten." Rea Garvey, so haben Sie zu Beginn des Jahres Ihre Fans angesprochen und auf Entwicklungen hingewiesen, die Ihnen nicht gefallen. Sie haben auch gesagt: "Wir nutzen großartige Werte wie Ehre und Loyalität, um unsere Waffen zu schärfen." Was hat Sie bewogen, sich so kräftig, so politisch und auch so pessimistisch zu äußern?

Rea Garvey: Es liefen Anfang Januar einfach ziemlich viele schlimme Geschichten, die Brände in Australien, die Lage im Iran. Irgendwann kam meine 14-jährige Tochter zu mir und sprach über ihre Ängste. In ihrer Klasse würde man über den 3. Weltkrieg reden. Das meiste ist doch medialer Hype, oft geht es nur noch um mehr Rampenlicht, noch mehr Klicks und eben nicht um die nüchterne Wahrheit. Ich habe mich geschämt vor meiner Tochter. Weil wir in einer Kultur leben, in der es ständig um Popularität und Aufmerksamkeit geht, und das erschreckt unsere Kinder. Die Probleme und Bedrohungen sind real. Nur dürfen wir gerade auch unseren Kindern nicht den Eindruck vermitteln, alles wäre schon verloren. Wir können Probleme lösen, wenn wir zusammen anpacken. Davon bin ich fest überzeugt. Wir brauchen einfach mehr Positivität. Wir müssen mehr über Hoffnung sprechen.

DFB.de: Ein gutes Stichwort. Sie treten dem Kuratorium der DFB-Stiftung Sepp Herberger bei. Säulen der Stiftungsarbeit sind Inklusion und Resozialisierung. Das sind sicher Aufgaben, für die es auch Hoffnung und Zuversicht braucht. Hat Sie das Programm der Stiftung überzeugt?

Garvey: Ich habe mich mit dem Programm der Sepp-Herberger-Stiftung auseinandergesetzt, und wenn es mich nicht überzeugt hätte, würde ich jetzt sicher nicht dem Kuratorium beitreten. Jeder spricht von der zweiten Chance. Ich bin eher der Meinung, man muss so viele Chancen bekommen, wie eben nötig sind. Ich bin mehrmals in meinem Leben hingefallen und wieder aufgestanden. Oft genug wäre ich allein nicht mehr hochgekommen, aber ich bekam Hilfe. Das Gute in einer Gesellschaft sind immer die Helfer, ob das Familie oder Freunde, ein Netzwerk oder eben eine Stiftung sind, die an dich glauben. Mich verbindet vieles mit den Projekten der Sepp-Herberger-Stiftung. Durch meine Mutter etwa, die früher als Lehrerin behinderte Kinder unterrichtete, habe ich früh gelernt, wie wichtig es ist, sich für andere zu engagieren.

DFB.de: Dennoch, Zeit ist eine wertvolle Ressource. Sie sind aktuell im Studio, die Tour beginnt im Frühjahr. Und dennoch nehmen Sie sich die Zeit für ein Mitwirken in der ältesten deutschen Fußballstiftung. Warum?

Garvey: Wie so oft entwickelt sich etwas, wenn die richtigen Leute zusammentreffen. Irgendwann saß ich also zusammen mit Tobias Wrzesinski, dem Geschäftsführer der Stiftung, und mit Michael Herberger, den ich schon sehr lange kenne und mit dem ich eng befreundet bin. Wir kamen ins Gespräch. Ich möchte mich engagieren und etwas Positives bewegen.

DFB.de: Ist schon eine Idee entstanden?

Garvey: Jetzt wurde ich erstmal vom DFB-Präsidium ins Kuratorium der Sepp-Herberger-Stiftung berufen. Das ist eine große Ehre. Das Schöne an der Sepp-Herberger-Stiftung ist für mich, dass es so viele starke Projekte gibt, mit denen ich mich identifizieren kann. Wir werden uns bald zusammensetzen und besprechen, wie genau mein Engagement ausschauen wird.

DFB.de: Sie stammen aus der irischen Kleinstadt Tralee. Dort soll es bei knapp 20.000 Einwohnern 80 Pubs geben. Wahrheit oder Legende?

Garvey: Die 80 Pubs scheinen mir zu wenig. Es gibt bestimmt mehr Kneipen in Tralee. Wir Iren können jedenfalls feiern, selbst wenn wir mal ein Fußballspiel verlieren sollten. Wissen Sie, ich bin mit Marius Wolf befreundet und war vergangenen Sonntag im Stadion, als Hertha 0:4 gegen die Bayern verlor. Ich finde immer, die Fans sollten trotzdem feiern, und wenn es nur der Zusammenhalt in der Niederlage ist. Wir Iren können das jedenfalls.

DFB.de: Deutschland hat die besseren Fußballer, aber Irland die besseren Musiker.

Garvey: Oh, oh, dem stimme ich nicht unbedingt zu. Ich war tatsächlich in Dublin im Stadion, als Irland die deutsche Mannschaft 1:0 schlug.

DFB.de: Im Oktober 2015, die 70. Minute, ein weiter Abschlag, Shane Long überspurtet alle und hämmert den Ball ins Tor.

Garvey: Und mein Bier flog in die Luft. Das war ein Highlight. Ich war mit einer Gruppe von 250 Deutschen beim Spiel, die in dem Moment wie eine sehr große Begräbnisgesellschaft ausschauten. Irland hat zwar weniger Einwohner als Berlin, und wir verlieren auch mehr Spiele als die deutsche Nationalmannschaft. Aber unser Fußballherz ist sehr groß.

DFB.de: Mit 25 Jahren verließen Sie Ihre Heimat und kamen nach Deutschland. Anfangs haben Sie T-Shirts auf Festivals verkauft. Wie hart waren die ersten Jahre?

Garvey: Damals war ich total überzeugt von dem, was ich machte. Ich hatte einen Traum und durfte dem jeden Tag hinterherrennen. Ich habe nicht viel nachgedacht. Meine Mutter sagte immer: "Nicht grübeln, machen." Also habe ich meine Sachen gepackt und bin nach Deutschland gegangen. Ich kannte das Land, weil ich hier schon einmal mit einer irischen Band getourt war. Hier muss ich hin, das war mein Gefühl. Na ja, und ich habe den Schritt nie bereut.

DFB.de: Wie verrückt war dann die Zeit nach dem Megahit "Supergirl"?

Garvey: Crazy. Als wir mit dem Song rauskamen, stand die Welt plötzlich auf dem Kopf. Oder drehte sich doppelt so schnell. Keine Ahnung. Wir waren total ausgebucht, und es gab keine freie Minute mehr. Wir waren überall auf der Welt. Aus der heutigen Sicht: Ich bin froh, dass wir das erlebt haben. Und dass wir es überlebt haben. Ich wollte immer wissen, wie es ist, als Rockstar zu leben.

DFB.de: Können Sie den Song heute noch hören?

Garvey: Ich performe ihn auch noch gerne. Und ich höre gerne zu, wenn ihn das Publikum singt. "Supergirl" hat es gar als Fußballhymne geschafft, etwa in Dortmund, wo die Fans auf die Melodie ihre eigenen Texte singen. Da falle ich in mir zusammen, das ist einfach unfassbar!

[th]

Rea Garvey ist seit rund zwei Jahrzehnten hierzulande einer der einflussreichsten und beliebtesten Musiker. Der aus Irland stammende Sänger und Gitarrist emigrierte 1998 kurzentschlossen nach Deutschland, schrieb mit "Supergirl" einen der erfolgreichsten Songs der deutschen Musikgeschichte und ist Coach bei einer der erfolgreichsten TV-Talentshows. Jetzt will Garvey seine Liebe zur Musik und zum Fußball nutzen, um weitere positive Akzente zu setzen. Gerade berief das DFB-Präsidium den 46 Jahre alten Rockstar ins Kuratorium der Sepp-Herberger-Stiftung. Im DFB.de-Interview spricht Raymond Michael "Rea" Garvey mit Redakteur Thomas Hackbarth über Ängste, Hoffnungen und feierfreudige irische Fußballfans.

DFB.de: "Wir nutzen Gott als Entschuldigung, um zu töten." Rea Garvey, so haben Sie zu Beginn des Jahres Ihre Fans angesprochen und auf Entwicklungen hingewiesen, die Ihnen nicht gefallen. Sie haben auch gesagt: "Wir nutzen großartige Werte wie Ehre und Loyalität, um unsere Waffen zu schärfen." Was hat Sie bewogen, sich so kräftig, so politisch und auch so pessimistisch zu äußern?

Rea Garvey: Es liefen Anfang Januar einfach ziemlich viele schlimme Geschichten, die Brände in Australien, die Lage im Iran. Irgendwann kam meine 14-jährige Tochter zu mir und sprach über ihre Ängste. In ihrer Klasse würde man über den 3. Weltkrieg reden. Das meiste ist doch medialer Hype, oft geht es nur noch um mehr Rampenlicht, noch mehr Klicks und eben nicht um die nüchterne Wahrheit. Ich habe mich geschämt vor meiner Tochter. Weil wir in einer Kultur leben, in der es ständig um Popularität und Aufmerksamkeit geht, und das erschreckt unsere Kinder. Die Probleme und Bedrohungen sind real. Nur dürfen wir gerade auch unseren Kindern nicht den Eindruck vermitteln, alles wäre schon verloren. Wir können Probleme lösen, wenn wir zusammen anpacken. Davon bin ich fest überzeugt. Wir brauchen einfach mehr Positivität. Wir müssen mehr über Hoffnung sprechen.

DFB.de: Ein gutes Stichwort. Sie treten dem Kuratorium der DFB-Stiftung Sepp Herberger bei. Säulen der Stiftungsarbeit sind Inklusion und Resozialisierung. Das sind sicher Aufgaben, für die es auch Hoffnung und Zuversicht braucht. Hat Sie das Programm der Stiftung überzeugt?

Garvey: Ich habe mich mit dem Programm der Sepp-Herberger-Stiftung auseinandergesetzt, und wenn es mich nicht überzeugt hätte, würde ich jetzt sicher nicht dem Kuratorium beitreten. Jeder spricht von der zweiten Chance. Ich bin eher der Meinung, man muss so viele Chancen bekommen, wie eben nötig sind. Ich bin mehrmals in meinem Leben hingefallen und wieder aufgestanden. Oft genug wäre ich allein nicht mehr hochgekommen, aber ich bekam Hilfe. Das Gute in einer Gesellschaft sind immer die Helfer, ob das Familie oder Freunde, ein Netzwerk oder eben eine Stiftung sind, die an dich glauben. Mich verbindet vieles mit den Projekten der Sepp-Herberger-Stiftung. Durch meine Mutter etwa, die früher als Lehrerin behinderte Kinder unterrichtete, habe ich früh gelernt, wie wichtig es ist, sich für andere zu engagieren.

DFB.de: Dennoch, Zeit ist eine wertvolle Ressource. Sie sind aktuell im Studio, die Tour beginnt im Frühjahr. Und dennoch nehmen Sie sich die Zeit für ein Mitwirken in der ältesten deutschen Fußballstiftung. Warum?

Garvey: Wie so oft entwickelt sich etwas, wenn die richtigen Leute zusammentreffen. Irgendwann saß ich also zusammen mit Tobias Wrzesinski, dem Geschäftsführer der Stiftung, und mit Michael Herberger, den ich schon sehr lange kenne und mit dem ich eng befreundet bin. Wir kamen ins Gespräch. Ich möchte mich engagieren und etwas Positives bewegen.

DFB.de: Ist schon eine Idee entstanden?

Garvey: Jetzt wurde ich erstmal vom DFB-Präsidium ins Kuratorium der Sepp-Herberger-Stiftung berufen. Das ist eine große Ehre. Das Schöne an der Sepp-Herberger-Stiftung ist für mich, dass es so viele starke Projekte gibt, mit denen ich mich identifizieren kann. Wir werden uns bald zusammensetzen und besprechen, wie genau mein Engagement ausschauen wird.

DFB.de: Sie stammen aus der irischen Kleinstadt Tralee. Dort soll es bei knapp 20.000 Einwohnern 80 Pubs geben. Wahrheit oder Legende?

Garvey: Die 80 Pubs scheinen mir zu wenig. Es gibt bestimmt mehr Kneipen in Tralee. Wir Iren können jedenfalls feiern, selbst wenn wir mal ein Fußballspiel verlieren sollten. Wissen Sie, ich bin mit Marius Wolf befreundet und war vergangenen Sonntag im Stadion, als Hertha 0:4 gegen die Bayern verlor. Ich finde immer, die Fans sollten trotzdem feiern, und wenn es nur der Zusammenhalt in der Niederlage ist. Wir Iren können das jedenfalls.

DFB.de: Deutschland hat die besseren Fußballer, aber Irland die besseren Musiker.

Garvey: Oh, oh, dem stimme ich nicht unbedingt zu. Ich war tatsächlich in Dublin im Stadion, als Irland die deutsche Mannschaft 1:0 schlug.

DFB.de: Im Oktober 2015, die 70. Minute, ein weiter Abschlag, Shane Long überspurtet alle und hämmert den Ball ins Tor.

Garvey: Und mein Bier flog in die Luft. Das war ein Highlight. Ich war mit einer Gruppe von 250 Deutschen beim Spiel, die in dem Moment wie eine sehr große Begräbnisgesellschaft ausschauten. Irland hat zwar weniger Einwohner als Berlin, und wir verlieren auch mehr Spiele als die deutsche Nationalmannschaft. Aber unser Fußballherz ist sehr groß.

DFB.de: Mit 25 Jahren verließen Sie Ihre Heimat und kamen nach Deutschland. Anfangs haben Sie T-Shirts auf Festivals verkauft. Wie hart waren die ersten Jahre?

Garvey: Damals war ich total überzeugt von dem, was ich machte. Ich hatte einen Traum und durfte dem jeden Tag hinterherrennen. Ich habe nicht viel nachgedacht. Meine Mutter sagte immer: "Nicht grübeln, machen." Also habe ich meine Sachen gepackt und bin nach Deutschland gegangen. Ich kannte das Land, weil ich hier schon einmal mit einer irischen Band getourt war. Hier muss ich hin, das war mein Gefühl. Na ja, und ich habe den Schritt nie bereut.

DFB.de: Wie verrückt war dann die Zeit nach dem Megahit "Supergirl"?

Garvey: Crazy. Als wir mit dem Song rauskamen, stand die Welt plötzlich auf dem Kopf. Oder drehte sich doppelt so schnell. Keine Ahnung. Wir waren total ausgebucht, und es gab keine freie Minute mehr. Wir waren überall auf der Welt. Aus der heutigen Sicht: Ich bin froh, dass wir das erlebt haben. Und dass wir es überlebt haben. Ich wollte immer wissen, wie es ist, als Rockstar zu leben.

DFB.de: Können Sie den Song heute noch hören?

Garvey: Ich performe ihn auch noch gerne. Und ich höre gerne zu, wenn ihn das Publikum singt. "Supergirl" hat es gar als Fußballhymne geschafft, etwa in Dortmund, wo die Fans auf die Melodie ihre eigenen Texte singen. Da falle ich in mir zusammen, das ist einfach unfassbar!

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