Fußball auf der Hochseeinsel: Nur Heimspiele auf Helgoland

Der kleine Fußball ist in Deutschland riesengroß. In fast 26.000 Vereinen wird unter dem Dach des DFB Fußball gespielt, im Schnitt finden 4400 Spiele statt - pro Tag. Das Rampenlicht gehört normalerweise den Stars aus der Bundesliga, der Nationalmannschaft, den Klubs wie Bayern München, Borussia Dortmund oder Schalke 04. Die heimlichen Helden aber spielen woanders, in der Verbands-, Bezirks-, Kreisliga, auf kleinen Sportplätzen, mit hingebungsvollen Ehrenamtlichen an ihrer Seite. Sie alle haben eines gemeinsam: die Liebe zum Fußball.

Diesen heimlichen Helden widmet sich DFB.de in seiner neuen Serie. Auf der Reise durch die Republik stellt die Redaktion jeden Dienstag einen Amateurverein vor - ob aufstrebender Newcomer oder gestrauchelter Traditionsklub, ob kleiner Dorf- oder städtischer Großverein, ob Oberligist oder C-Ligist, ob Jugendspielgemeinschaft oder reine Hobbytruppe. Wir zeigen, wie besonders der deutsche Fußball-Alltag ist. Heute: der VfL Fosite Helgoland, einer der ungewöhnlichsten Vereine Deutschlands.

Ausschließliche Freundschaftsspiele auf der Insel

Mit Auswärtsspielen ist es im Fußball ja immer so eine Sache. Während die heimischen Gefilde bekannte Gesichter und einen vertrauten Platz bieten, bringen Spiele außerhalb der eigenen Ortsgrenze häufig widrige Anfahrtsbedingungen, mäßige Gastfreundlichkeit und eine magere Punkteausbeute mit sich. Für den VfL Fosite Helgoland haben sich diese unliebsamen Probleme gänzlich erledigt. Der Klub von Deutschlands einziger Hochseeinsel spielt ausschließlich zu Hause - und hat mit ganz eigenen Problemen zu kämpfen.

Wie in den meisten Amateurvereinen fehlt das Geld. 36 Seemeilen müssten die Insulaner pro Auswärtsspiel mindestens bewältigen, um überhaupt ans Festland zu gelangen. 37 Euro kostet die Fahrt hin und zurück, bis Cuxhaven sind es zweieinhalb Stunden. Dazu käme der Aufwand für Übernachtungen. Die Gastmannschaften stünden vor den gleichen Hürden. Also entschieden sich die Helgoländer dafür, nur reine Freundschaftsspiele zu Hause zu bestreiten. So kommen sie immerhin auf zehn bis 15 Spiele pro Saison.

Der Besuch ist mal mehr, mal weniger glamourös. Einmal, vor einigen Jahren, klopfte die Nationalmannschaft Kubas wegen eines Trainingslagers an. "Wie auch immer die auf uns gekommen sind", sagt Oke Zastrow, 2. Vorsitzender des VfL. "Die waren wohl auf einer Tour durch Deutschland. Das hat sich aber leider zerschlagen, die hatten dann doch zu hohe finanzielle Ansprüche."

Die Helgoländer würden sich ohnehin auch mit weniger zufrieden geben. "Wir hoffen, dass irgendwann vielleicht mal ein Verein der Bundesliga oder 2. Bundesliga bei uns ein Trainingslager macht. Das ist unser Ziel", erklärt Zastrow. "Wir waren auch schon mal mit St. Pauli und Werder Bremen im Gespräch." Geklappt hat es bisher nicht.

Kunstrasen mit Krümmung - zum Abfließen des Wassers

Die Gegner des VfL kommen aus ganz Deutschland, oft sind es befreundete Vereine, die regelmäßig vorbeischauen. Dabei spielt es keine Rolle, ob Auswahl-, Theken- oder Vereinsmannschaft. Und so standen die Fosite-Spieler in den vergangenen Jahren diversen Ortsauswahlen sowie Mannschaften eines Marinefliegergeschwaders und der Polizei Hamburg gegenüber. Rein sportlich natürlich. Nach dem Spiel setzt man sich zusammen, in den Sommermonaten wird gegrillt.

Seinen Gästen bietet der VfL neben einem beachtlichen Panorama und Übernachtungsmöglichkeiten in der vereinseigenen Sportlerunterkunft durchaus auch einen schmucken Kunstrasen. Es ist schon der zweite seit 1980, angelegt 2007. Er hat eine Krümmung, die das Wasser abfließen lässt. Denn ein normaler Rasenplatz hält sich nicht in Deutschlands hohem Norden, dafür ist das Klima zu rau. "Deshalb gab es früher auch nur einen Ascheplatz", sagt Stefan Pfeifer, der Spartenleiter des VfL, "mit Abschürfungen und allem was dazu gehört."

"Das Inselleben ist halt nicht für jeden etwas"

Freunde, Familien und Kinder der Spieler - nicht nur ihretwegen tummeln sich bei Spielen des VfL Fosite Helgoland um die 150 Zuschauer am Spielfeldrand. Der Klub hat neben seinen 550 Mitgliedern eine beachtliche Laufkundschaft. "Klar, Urlaubsgäste, die abends auf 50 Meter Höhe um die Klippe gehen, die bleiben auch gerne mal stehen, schauen zu oder schreien herunter", sagt Zastrow und lacht.

Die Gäste sind weniger geworden auf Helgoland. Ende der 70er-Jahre kamen noch 800.000 Tagesgäste auf die Insel, die meisten, um zollfreie Waren einzukaufen. Jetzt kommen noch gut 300.000 im Jahr, viele Geschäfte haben dicht gemacht. Entsprechend hat sich auch die Einwohnerzahl entwickelt: von rund 3000 auf 1250. "Viele junge Leute wollen weg. Das Inselleben ist halt nicht für jeden etwas", sagt Pfeifer. Die Schule auf Helgoland geht nur bis zur zehnten Klasse. Wer das Abitur machen will, muss aufs Internat nach Bad Bederkesa. "Und wer einmal weg ist", sagt Pfeifer, "der kommt auch nicht mehr wieder."

Starke Bilanz in den letzten vier Jahren

Das merkt auch der Fußballverein. Früher gab es mal drei Herrenmannschaften, heute nur noch eine. Die Spieler sind zwischen 20 und Anfang 50, Stefan Pfeifer ist mit seinen 49 Jahren so ziemlich der Senior. "Trotzdem macht es Spaß. Wir sind alle motiviert", sagt er.

Die Spieler bemühen sich, regelmäßig zu trainieren. Was nicht immer einfach ist, gerade im Sommer, wenn die meisten eine Sieben-Tage-Woche haben. Viele leben vom Tourismus, und "in den Sommermonaten müssen sie das Geld für das ganze Jahr verdienen", sagt Pfeifer. Deshalb finden die Spiele auch am Wochenende abends statt, anders geht es nicht.

Trotz allem: Die Bilanz der Inselkicker kann sich sehen lassen. "Es ist nicht so, dass wir unbesiegbar sind", sagt Zastrow. "Aber von den 40 Spielen in den vergangenen vier Jahren haben wir 90 Prozent gewonnen." Woran das liegt, ist nicht überliefert. Doch wer behauptet, dass es mancher Gegner am Abend vor dem Spiel im Helgoländer Nachtleben mit der Sperrstunde nicht so genau nimmt, den bestraft der Namensgeber "Forseti", der Gott für Recht und Gesetz der nordischen Mythologie, mit seinem Zorn - und einer Niederlage.

[dfb]

[bild1]

Der kleine Fußball ist in Deutschland riesengroß. In fast 26.000 Vereinen wird unter dem Dach des DFB Fußball gespielt, im Schnitt finden 4400 Spiele statt - pro Tag. Das Rampenlicht gehört normalerweise den Stars aus der Bundesliga, der Nationalmannschaft, den Klubs wie Bayern München, Borussia Dortmund oder Schalke 04. Die heimlichen Helden aber spielen woanders, in der Verbands-, Bezirks-, Kreisliga, auf kleinen Sportplätzen, mit hingebungsvollen Ehrenamtlichen an ihrer Seite. Sie alle haben eines gemeinsam: die Liebe zum Fußball.

Diesen heimlichen Helden widmet sich DFB.de in seiner neuen Serie. Auf der Reise durch die Republik stellt die Redaktion jeden Dienstag einen Amateurverein vor - ob aufstrebender Newcomer oder gestrauchelter Traditionsklub, ob kleiner Dorf- oder städtischer Großverein, ob Oberligist oder C-Ligist, ob Jugendspielgemeinschaft oder reine Hobbytruppe. Wir zeigen, wie besonders der deutsche Fußball-Alltag ist. Heute: der VfL Fosite Helgoland, einer der ungewöhnlichsten Vereine Deutschlands.

Ausschließliche Freundschaftsspiele auf der Insel

Mit Auswärtsspielen ist es im Fußball ja immer so eine Sache. Während die heimischen Gefilde bekannte Gesichter und einen vertrauten Platz bieten, bringen Spiele außerhalb der eigenen Ortsgrenze häufig widrige Anfahrtsbedingungen, mäßige Gastfreundlichkeit und eine magere Punkteausbeute mit sich. Für den VfL Fosite Helgoland haben sich diese unliebsamen Probleme gänzlich erledigt. Der Klub von Deutschlands einziger Hochseeinsel spielt ausschließlich zu Hause - und hat mit ganz eigenen Problemen zu kämpfen.

Wie in den meisten Amateurvereinen fehlt das Geld. 36 Seemeilen müssten die Insulaner pro Auswärtsspiel mindestens bewältigen, um überhaupt ans Festland zu gelangen. 37 Euro kostet die Fahrt hin und zurück, bis Cuxhaven sind es zweieinhalb Stunden. Dazu käme der Aufwand für Übernachtungen. Die Gastmannschaften stünden vor den gleichen Hürden. Also entschieden sich die Helgoländer dafür, nur reine Freundschaftsspiele zu Hause zu bestreiten. So kommen sie immerhin auf zehn bis 15 Spiele pro Saison.

Der Besuch ist mal mehr, mal weniger glamourös. Einmal, vor einigen Jahren, klopfte die Nationalmannschaft Kubas wegen eines Trainingslagers an. "Wie auch immer die auf uns gekommen sind", sagt Oke Zastrow, 2. Vorsitzender des VfL. "Die waren wohl auf einer Tour durch Deutschland. Das hat sich aber leider zerschlagen, die hatten dann doch zu hohe finanzielle Ansprüche."

Die Helgoländer würden sich ohnehin auch mit weniger zufrieden geben. "Wir hoffen, dass irgendwann vielleicht mal ein Verein der Bundesliga oder 2. Bundesliga bei uns ein Trainingslager macht. Das ist unser Ziel", erklärt Zastrow. "Wir waren auch schon mal mit St. Pauli und Werder Bremen im Gespräch." Geklappt hat es bisher nicht.

Kunstrasen mit Krümmung - zum Abfließen des Wassers

Die Gegner des VfL kommen aus ganz Deutschland, oft sind es befreundete Vereine, die regelmäßig vorbeischauen. Dabei spielt es keine Rolle, ob Auswahl-, Theken- oder Vereinsmannschaft. Und so standen die Fosite-Spieler in den vergangenen Jahren diversen Ortsauswahlen sowie Mannschaften eines Marinefliegergeschwaders und der Polizei Hamburg gegenüber. Rein sportlich natürlich. Nach dem Spiel setzt man sich zusammen, in den Sommermonaten wird gegrillt.

Seinen Gästen bietet der VfL neben einem beachtlichen Panorama und Übernachtungsmöglichkeiten in der vereinseigenen Sportlerunterkunft durchaus auch einen schmucken Kunstrasen. Es ist schon der zweite seit 1980, angelegt 2007. Er hat eine Krümmung, die das Wasser abfließen lässt. Denn ein normaler Rasenplatz hält sich nicht in Deutschlands hohem Norden, dafür ist das Klima zu rau. "Deshalb gab es früher auch nur einen Ascheplatz", sagt Stefan Pfeifer, der Spartenleiter des VfL, "mit Abschürfungen und allem was dazu gehört."

"Das Inselleben ist halt nicht für jeden etwas"

Freunde, Familien und Kinder der Spieler - nicht nur ihretwegen tummeln sich bei Spielen des VfL Fosite Helgoland um die 150 Zuschauer am Spielfeldrand. Der Klub hat neben seinen 550 Mitgliedern eine beachtliche Laufkundschaft. "Klar, Urlaubsgäste, die abends auf 50 Meter Höhe um die Klippe gehen, die bleiben auch gerne mal stehen, schauen zu oder schreien herunter", sagt Zastrow und lacht.

Die Gäste sind weniger geworden auf Helgoland. Ende der 70er-Jahre kamen noch 800.000 Tagesgäste auf die Insel, die meisten, um zollfreie Waren einzukaufen. Jetzt kommen noch gut 300.000 im Jahr, viele Geschäfte haben dicht gemacht. Entsprechend hat sich auch die Einwohnerzahl entwickelt: von rund 3000 auf 1250. "Viele junge Leute wollen weg. Das Inselleben ist halt nicht für jeden etwas", sagt Pfeifer. Die Schule auf Helgoland geht nur bis zur zehnten Klasse. Wer das Abitur machen will, muss aufs Internat nach Bad Bederkesa. "Und wer einmal weg ist", sagt Pfeifer, "der kommt auch nicht mehr wieder."

[bild2]

Starke Bilanz in den letzten vier Jahren

Das merkt auch der Fußballverein. Früher gab es mal drei Herrenmannschaften, heute nur noch eine. Die Spieler sind zwischen 20 und Anfang 50, Stefan Pfeifer ist mit seinen 49 Jahren so ziemlich der Senior. "Trotzdem macht es Spaß. Wir sind alle motiviert", sagt er.

Die Spieler bemühen sich, regelmäßig zu trainieren. Was nicht immer einfach ist, gerade im Sommer, wenn die meisten eine Sieben-Tage-Woche haben. Viele leben vom Tourismus, und "in den Sommermonaten müssen sie das Geld für das ganze Jahr verdienen", sagt Pfeifer. Deshalb finden die Spiele auch am Wochenende abends statt, anders geht es nicht.

Trotz allem: Die Bilanz der Inselkicker kann sich sehen lassen. "Es ist nicht so, dass wir unbesiegbar sind", sagt Zastrow. "Aber von den 40 Spielen in den vergangenen vier Jahren haben wir 90 Prozent gewonnen." Woran das liegt, ist nicht überliefert. Doch wer behauptet, dass es mancher Gegner am Abend vor dem Spiel im Helgoländer Nachtleben mit der Sperrstunde nicht so genau nimmt, den bestraft der Namensgeber "Forseti", der Gott für Recht und Gesetz der nordischen Mythologie, mit seinem Zorn - und einer Niederlage.