Fröhlich: "Chip im Ball hätte geholfen"

Das nicht gegebene Tor des Engländers Frank Lampard im Achtelfinale gegen Deutschland, der als Treffer gewertete Abseitstreffer von Argentiniens Carlos Tevez ebenfalls in der ersten K.o.-Runde gegen Mexiko: Zwei Fehlentscheidungen bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika haben die Diskussion um technische Hilfsmittel für die Schiedsrichter wieder entfacht.

Lutz Michael Fröhlich, DFB-Abteilungsleiter für die Unparteiischen und früherer FIFA- und Bundesliga-Schiedsrichter, spricht im aktuellen DFB.de-Interview mit Onlineredakteur Thomas Hackbarth über den Chip im Ball und die Torkamera.

DFB.de: Herr Fröhlich, erklären Sie uns aus Sicht eines Schiedsrichters, wie es zu dem Vorfall in der 38. Minute beim Spiel Deutschland gegen England kommen konnte?

Lutz Michael Fröhlich: Beim nicht gegebenen Tor für die Engländer stand der Schiedsrichterassistent auf Höhe des vorletzten Abwehrspielers richtig. Das Problem war nur, dass er von dort aus keinen optimalen Blick auf die Torlinie hatte. Dann war der Ablauf beim ersten Aufschlag des Balles von der Torlatte hinter die Torlinie rasend schnell. Der Ball prallte dann wieder an die Latte und dann auf die Torlinie. Dadurch entstanden vielleicht beim Schiedsrichterassistenten Zweifel für eine Toranzeige. Dem Schiedsrichter war durch den Körper von Manuel Neuer ohnehin die Sicht auf die Torlinie verdeckt, so dass dieser Fall eigentlich kaum auflösbar für das Schiedsrichterteam war. Schade für das Schiedsrichterteam, das ansonsten sehr gut gepfiffen hat. Eigentlich war das eine ausgewogene Spielleitung mit einem angemessenen Strafmaß.

DFB.de.: FIFA-Präsident Joseph Blatter hat angekündigt, dass er bereit ist, über die Möglichkeiten der Torlinien-Technologie zu reden.

Fröhlich: Ein Chip im Ball hätte beim Schuss von Frank Lampard helfen können. Ein solches System, zuverlässig funktionsfähig, würde die Arbeit des Schiedsrichters erleichtern. Das wäre eine Unterstützung der Wahrnehmung zur eigentlich wichtigsten Entscheidung in einem Spiel: "Tor oder Nicht-Tor". Das System ist so angelegt, dass die Entscheidung quasi durch ein technisches Hilfsmittel vorgegeben wird.

DFB.de: Der DFB und seine Schiedsrichter-Kommission befürworten den Chip im Ball. Was muss passieren, damit diese Technologie eingeführt wird?

Fröhlich: Voraussetzung für den Einsatz ist, dass der für Regeländerungen zuständige International Board der FIFA den Einsatz von technischen Hilfsmitteln in diesem Einzelfall zumindest zulässt.



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Das nicht gegebene Tor des Engländers Frank Lampard im Achtelfinale gegen Deutschland, der als Treffer gewertete Abseitstreffer von Argentiniens Carlos Tevez ebenfalls in der ersten K.o.-Runde gegen Mexiko: Zwei Fehlentscheidungen bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika haben die Diskussion um technische Hilfsmittel für die Schiedsrichter wieder entfacht.

Lutz Michael Fröhlich, DFB-Abteilungsleiter für die Unparteiischen und früherer FIFA- und Bundesliga-Schiedsrichter, spricht im aktuellen DFB.de-Interview mit Onlineredakteur Thomas Hackbarth über den Chip im Ball und die Torkamera.

DFB.de: Herr Fröhlich, erklären Sie uns aus Sicht eines Schiedsrichters, wie es zu dem Vorfall in der 38. Minute beim Spiel Deutschland gegen England kommen konnte?

Lutz Michael Fröhlich: Beim nicht gegebenen Tor für die Engländer stand der Schiedsrichterassistent auf Höhe des vorletzten Abwehrspielers richtig. Das Problem war nur, dass er von dort aus keinen optimalen Blick auf die Torlinie hatte. Dann war der Ablauf beim ersten Aufschlag des Balles von der Torlatte hinter die Torlinie rasend schnell. Der Ball prallte dann wieder an die Latte und dann auf die Torlinie. Dadurch entstanden vielleicht beim Schiedsrichterassistenten Zweifel für eine Toranzeige. Dem Schiedsrichter war durch den Körper von Manuel Neuer ohnehin die Sicht auf die Torlinie verdeckt, so dass dieser Fall eigentlich kaum auflösbar für das Schiedsrichterteam war. Schade für das Schiedsrichterteam, das ansonsten sehr gut gepfiffen hat. Eigentlich war das eine ausgewogene Spielleitung mit einem angemessenen Strafmaß.

DFB.de.: FIFA-Präsident Joseph Blatter hat angekündigt, dass er bereit ist, über die Möglichkeiten der Torlinien-Technologie zu reden.

Fröhlich: Ein Chip im Ball hätte beim Schuss von Frank Lampard helfen können. Ein solches System, zuverlässig funktionsfähig, würde die Arbeit des Schiedsrichters erleichtern. Das wäre eine Unterstützung der Wahrnehmung zur eigentlich wichtigsten Entscheidung in einem Spiel: "Tor oder Nicht-Tor". Das System ist so angelegt, dass die Entscheidung quasi durch ein technisches Hilfsmittel vorgegeben wird.

DFB.de: Der DFB und seine Schiedsrichter-Kommission befürworten den Chip im Ball. Was muss passieren, damit diese Technologie eingeführt wird?

Fröhlich: Voraussetzung für den Einsatz ist, dass der für Regeländerungen zuständige International Board der FIFA den Einsatz von technischen Hilfsmitteln in diesem Einzelfall zumindest zulässt.

DFB.de: Und wie denken Sie über die Torkamera?

Fröhlich: Eine Torkamera bringt lediglich eine zusätzliche Perspektive ins Spiel, durch die eine 100-prozentige Sicherheit nicht garantiert werden kann. Es können Spieler das Sichtfeld dieser Kamera beeinflussen, oder der Torwart kann zum Beispiel auf dem Ball liegen. Außerdem muss das Bildmaterial auch noch ausgewertet werden. Da kann es dann durchaus bei Diskussionen bleiben.

DFB.de.: Liegt darin auch das Problem des Videobeweises allgemein?

Fröhlich: Es würde dabei meistens um die Regelauslegung zu Spielvorgängen gehen. Wenn verschiedene Kameraperspektiven zu einem Spielvorgang analysiert werden, dann kann man auch sehr schnell zu unterschiedlichen Auffassungen gelangen. Von daher würde dieser Weg die Entscheidungsfindung und die Entscheidungsqualität nicht unbedingt verbessern. Auch hier würden Diskussionen bleiben.