Frauen-WM 1991: Premiere in Fernost

Am 20. Juli beginnt in Australien und Neuseeland die neunte Frauen-WM. Deutschland war bisher immer dabei. Ein Rückblick auf die bisherigen WM-Turniere mit besonderem Fokus auf das DFB-Team. Heute: die WM-Premiere 1991 in China.

Vor dem Turnier: Die erste Frauen-WM kam auf Initiative von FIFA-Präsident Joao Havelange (Brasilien) zustande – 61 Jahre nach der Premiere für die Männer. Erster Gastgeber war China, der Termin fiel in den tiefsten mitteleuropäischen Herbst (16. bis 30. November) und war auch deshalb bemerkenswert, als es im Sommer 1991 noch eine Europameisterschaft gegeben hatte. Zwei Großturniere binnen eines Kalenderjahres würde es bei den Männern gewiss nie geben. Das Turnier wurde in sechs Stadien und vier Städten ausgetragen. Die Spielzeit betrug 80 Minuten.

Die Teilnehmer: An der ersten WM nahmen zwölf Mannschaften teil, alle Erdteile waren vertreten. Europa stellte mit fünf Teams den Löwenanteil. Gespielt wurde in drei Vierergruppen. Die beiden Ersten und zwei der drei Dritten kamen weiter ins Viertelfinale.

Turnierverlauf: Gastgeber China gewann das Eröffnungsspiel gegen Norwegen überraschend mit 4:0, das erste Tor bei einer Frauen-WM fiel per Kopf. Die Chinesin Ma Li traf nach 22 Minuten und war "sehr stolz darauf", in die Geschichte eingegangen zu sein. Die Chinesinnen gewannen ihre Gruppe A vor Norwegen, das ebenso wie der Dritte Dänemark ins Viertelfinale gelangte. Nur Neuseeland fuhr punktlos nach Hause. In Gruppe B dominierten die US-Amerikanerinnen (drei Siege) vor Schweden, das mit einem 8:0 über Japan für das Rekordergebnis der WM sorgte. Brasilien schied im Quervergleich der Gruppendritten aus, ebenso das überforderte Japan. In Gruppe C kamen Deutschland, Italien und Taiwan weiter, Nigeria blieb tor- und punktlos.

Alle Europäerinnen erreichten das Viertelfinale, erst die unvermeidlichen direkten Vergleiche lichteten ihre Reihen. Deutschland schlug Dänemark (2:1 n.V.), Norwegen Italien (3:2 n.V.). Schweden warf die Gastgeber raus (1:0 gegen die VR China) und die USA feierten gegen Taiwan ein Schützenfest (7:0). Ohne Asiaten ging es in die Halbfinals, selbst dort gab es deutliche Ergebnisse: Favorit USA schlug Europameister Deutschland 5:2, Norwegen dominierte über Schweden 4:1. Im Spiel um Platz 3 gewannen die Schwedinnen 4:0 über entkräftete Deutsche, das Finale von Guanghzou am 30. November wurde dagegen eine knappe Sache. Die USA wurden durch ein 2:1 über Norwegen erste Weltmeister im Frauenfußball – vor 63.000 Zuschauern traf Michelle Akkers zwei Minuten vor Schluss zum Sieg.

Das Abschneiden der Deutschen: Als zweimaliger Europameister reiste das Team von Gero Bisanz mit großen Hoffnungen nach China. Die Vorrunde lief geradezu perfekt, ohne Gegentor und Punktverlust marschierte das DFB-Team ins Viertelfinale. Gegen Nigeria (4:0) erzielte Silvia Neid am 17. November 1991 das erste deutsche WM-Tor überhaupt, doch freuen konnte sie sich nicht lange. Die Kapitänin schied verletzt aus (Muskelriss) und kam bei der WM zu keinen Einsätzen mehr. Heidi Mohr (zwei) und Gudrun Gottschlich erzielten die weiteren Treffer. Trainer Bisanz war "mit der Mannschaft sehr zufrieden", kündigte aber wegen des ungewohnten Klimas "einige Umstellungen" an. Gegen Taiwan (3:0) wurde vor ausverkauftem Haus (12.000 in Zhongshan) bereits das Viertelfinalticket gelöst, wieder glückte Mohr ein Doppelpack, der sie auf Seite eins im Sportteil der Zeitung "Daily China" brachte. Der kicker würdigte sie mit einem Reim: "Heidi Mohr aus vollem Rohr". Sie selbst kommentierte nüchtern: "Von einer Stürmerin wird erwartet, dass sie trifft." Den Torreigen eröffnete Bettina Wiegmann per Elfmeter.

Im dritten Gruppenspiel binnen fünf Tagen gab es an selber Stelle ein 2:0 über Italien, dem obligatorischen Mohr-Tor folgte das erste Tor bei dieser WM von Britta Unsleber. Als Gruppensieger durften die Deutschen in ihrem Quartier und "ihrem" Stadion bleiben und empfingen am 24. November Dänemark. Es wurde die bis dahin härteste Kraftprobe. Wieder eröffnete ein Wiegmann-Elfmeter den Torreigen (18. Minute), aber nach 266 Turnierminuten schlug es erstmals hinter Marion Isbert ein. Gegen den reichlich umstrittenen Elfmeter der Dänin Mackensie (26.) war sie chancenlos. In der regulären Spielzeit fielen keine Tore mehr und zur Verlängerung brachte Bisanz die Hamburgerin Beate Wendt, was sich bezahlt machen sollte. In der 118. Minute, das Elfmeterschießen nahte bereits, zirkelte sie eine Flanke auf den Kopf von Heidi Mohr, die diesmal etwas länger auf ihr Tor warten ließ. "Heidi Mohr – wer sonst?", fragte der kicker rhetorisch. Das Halbfinale war erreicht, doch die Vorfreude hielt sich in Grenzen. Denn es ging gegen die Tormaschine aus den USA, die Taiwan gerade 7:0 zerlegt und kurz vor der WM auch die Deutschen in Kaiserslautern 4:2 besiegt hatten. "Die USA sind der Topfavorit dieser WM", stapelte Bisanz gleich etwas tiefer und durfte sich drei Tage bestätigt fühlen. Schon nach einer halben Stunde lag sein von Verletzungen geplagtes Team nach einem Hattrick von Carin Jennings mit 0:3 zurück, ehe Heidi Mohr unter den Augen des großen Pelé per Hacke für einen etwas hoffnungsfroher stimmenden Pausenstand sorgte.

In der Halbzeit wurde Bisanz ausnahmsweise laut ("Ich habe einigen kräftig den Kopf gewaschen"). Doch gegen diese Amerikanerinnen war nichts zu machen, am Ende stand ein 2:5, Bettina Wiegmann war immerhin noch ihr drittes WM-Tor vergönnt – diesmal kein Elfmeter. Immerhin nahmen die DFB-Frauen ein Kompliment von US-Trainer Anson Dorrance mit: "Im spielerischen Bereich können wir von den Deutschen lernen." Und US-Torhüterin Mary Harvey attestierte: "Sie waren unser stärkster Gegner auf dem Weg ins Finale." Das konnte die Tränen, die unter anderem bei Heidi Mohr flossen, nicht so schnell trocknen und im bereits zwei Tage später stattfinden Spiel um Platz drei war die Luft raus. Gegen die Schwedinnen setzte es eine deutliche 0:4-Niederlage.

"Insgesamt hat Schweden verdient gewonnen. Wir waren total platt, haben mit laufender Turnierfolge mannschaftlich abgebaut", gab Bisanz zu. Er dachte an Rücktritt, überlegte es sich aber noch einmal anders. Bisanz setzte bei der ersten WM alle 18 Spielerinnen ein. Immer dabei waren Marion Isbert, Doris Fitschen, Bettina Wiegmann, die aktuelle Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg (damals noch Voss), Gudrun Gottschlich und Roswitha Bindl. Heidi Mohr schoss sieben der 13 Tore, die anderen gingen auf das Konto von Wiegmann (3), Unsleber, Neid und Gottschlich (1). Stärker als Daten und Fakten blieben Erlebnisse wie ein Training vor 6000 Chinesen und die gute Harmonie den Aktiven in Erinnerung, Voss-Tecklenburg schwärmt noch heute von "Flurpartys im Schlafanzug" und den aus der Heimat mitgebrachten Schwarzbroten mit Salami als willkommener Abwechslung zum eher gewöhnungsbedürftigen chinesischen Essen.

WM-Fakten

Tore: 99 (3,8 Tore pro Spiel)

Torschützenkönigin: Michelle Akers-Stahl (USA/10).

Beste Spielerin (adidas Golden Ball): Carin Jennings (USA)

Zuschauer: 510.000 (19.615 pro Spiel)

Fair-Play-Preis: Deutschland (10.000 Schweizer Franken)

Stimmen

"Unser vorher gestecktes Ziel, unter die ersten Vier zu kommen, haben wir erreicht. Unter den gegebenen Umständen sind wir zufrieden" (Gero Bisanz)

"Enthusiasmus, Offensive und Fairplay waren Trumpf. Das war eines der schönsten FIFA-Turniere der letzten Jahre." (Joao Havelange)

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Am 20. Juli beginnt in Australien und Neuseeland die neunte Frauen-WM. Deutschland war bisher immer dabei. Ein Rückblick auf die bisherigen WM-Turniere mit besonderem Fokus auf das DFB-Team. Heute: die WM-Premiere 1991 in China.

Vor dem Turnier: Die erste Frauen-WM kam auf Initiative von FIFA-Präsident Joao Havelange (Brasilien) zustande – 61 Jahre nach der Premiere für die Männer. Erster Gastgeber war China, der Termin fiel in den tiefsten mitteleuropäischen Herbst (16. bis 30. November) und war auch deshalb bemerkenswert, als es im Sommer 1991 noch eine Europameisterschaft gegeben hatte. Zwei Großturniere binnen eines Kalenderjahres würde es bei den Männern gewiss nie geben. Das Turnier wurde in sechs Stadien und vier Städten ausgetragen. Die Spielzeit betrug 80 Minuten.

Die Teilnehmer: An der ersten WM nahmen zwölf Mannschaften teil, alle Erdteile waren vertreten. Europa stellte mit fünf Teams den Löwenanteil. Gespielt wurde in drei Vierergruppen. Die beiden Ersten und zwei der drei Dritten kamen weiter ins Viertelfinale.

Turnierverlauf: Gastgeber China gewann das Eröffnungsspiel gegen Norwegen überraschend mit 4:0, das erste Tor bei einer Frauen-WM fiel per Kopf. Die Chinesin Ma Li traf nach 22 Minuten und war "sehr stolz darauf", in die Geschichte eingegangen zu sein. Die Chinesinnen gewannen ihre Gruppe A vor Norwegen, das ebenso wie der Dritte Dänemark ins Viertelfinale gelangte. Nur Neuseeland fuhr punktlos nach Hause. In Gruppe B dominierten die US-Amerikanerinnen (drei Siege) vor Schweden, das mit einem 8:0 über Japan für das Rekordergebnis der WM sorgte. Brasilien schied im Quervergleich der Gruppendritten aus, ebenso das überforderte Japan. In Gruppe C kamen Deutschland, Italien und Taiwan weiter, Nigeria blieb tor- und punktlos.

Alle Europäerinnen erreichten das Viertelfinale, erst die unvermeidlichen direkten Vergleiche lichteten ihre Reihen. Deutschland schlug Dänemark (2:1 n.V.), Norwegen Italien (3:2 n.V.). Schweden warf die Gastgeber raus (1:0 gegen die VR China) und die USA feierten gegen Taiwan ein Schützenfest (7:0). Ohne Asiaten ging es in die Halbfinals, selbst dort gab es deutliche Ergebnisse: Favorit USA schlug Europameister Deutschland 5:2, Norwegen dominierte über Schweden 4:1. Im Spiel um Platz 3 gewannen die Schwedinnen 4:0 über entkräftete Deutsche, das Finale von Guanghzou am 30. November wurde dagegen eine knappe Sache. Die USA wurden durch ein 2:1 über Norwegen erste Weltmeister im Frauenfußball – vor 63.000 Zuschauern traf Michelle Akkers zwei Minuten vor Schluss zum Sieg.

Das Abschneiden der Deutschen: Als zweimaliger Europameister reiste das Team von Gero Bisanz mit großen Hoffnungen nach China. Die Vorrunde lief geradezu perfekt, ohne Gegentor und Punktverlust marschierte das DFB-Team ins Viertelfinale. Gegen Nigeria (4:0) erzielte Silvia Neid am 17. November 1991 das erste deutsche WM-Tor überhaupt, doch freuen konnte sie sich nicht lange. Die Kapitänin schied verletzt aus (Muskelriss) und kam bei der WM zu keinen Einsätzen mehr. Heidi Mohr (zwei) und Gudrun Gottschlich erzielten die weiteren Treffer. Trainer Bisanz war "mit der Mannschaft sehr zufrieden", kündigte aber wegen des ungewohnten Klimas "einige Umstellungen" an. Gegen Taiwan (3:0) wurde vor ausverkauftem Haus (12.000 in Zhongshan) bereits das Viertelfinalticket gelöst, wieder glückte Mohr ein Doppelpack, der sie auf Seite eins im Sportteil der Zeitung "Daily China" brachte. Der kicker würdigte sie mit einem Reim: "Heidi Mohr aus vollem Rohr". Sie selbst kommentierte nüchtern: "Von einer Stürmerin wird erwartet, dass sie trifft." Den Torreigen eröffnete Bettina Wiegmann per Elfmeter.

Im dritten Gruppenspiel binnen fünf Tagen gab es an selber Stelle ein 2:0 über Italien, dem obligatorischen Mohr-Tor folgte das erste Tor bei dieser WM von Britta Unsleber. Als Gruppensieger durften die Deutschen in ihrem Quartier und "ihrem" Stadion bleiben und empfingen am 24. November Dänemark. Es wurde die bis dahin härteste Kraftprobe. Wieder eröffnete ein Wiegmann-Elfmeter den Torreigen (18. Minute), aber nach 266 Turnierminuten schlug es erstmals hinter Marion Isbert ein. Gegen den reichlich umstrittenen Elfmeter der Dänin Mackensie (26.) war sie chancenlos. In der regulären Spielzeit fielen keine Tore mehr und zur Verlängerung brachte Bisanz die Hamburgerin Beate Wendt, was sich bezahlt machen sollte. In der 118. Minute, das Elfmeterschießen nahte bereits, zirkelte sie eine Flanke auf den Kopf von Heidi Mohr, die diesmal etwas länger auf ihr Tor warten ließ. "Heidi Mohr – wer sonst?", fragte der kicker rhetorisch. Das Halbfinale war erreicht, doch die Vorfreude hielt sich in Grenzen. Denn es ging gegen die Tormaschine aus den USA, die Taiwan gerade 7:0 zerlegt und kurz vor der WM auch die Deutschen in Kaiserslautern 4:2 besiegt hatten. "Die USA sind der Topfavorit dieser WM", stapelte Bisanz gleich etwas tiefer und durfte sich drei Tage bestätigt fühlen. Schon nach einer halben Stunde lag sein von Verletzungen geplagtes Team nach einem Hattrick von Carin Jennings mit 0:3 zurück, ehe Heidi Mohr unter den Augen des großen Pelé per Hacke für einen etwas hoffnungsfroher stimmenden Pausenstand sorgte.

In der Halbzeit wurde Bisanz ausnahmsweise laut ("Ich habe einigen kräftig den Kopf gewaschen"). Doch gegen diese Amerikanerinnen war nichts zu machen, am Ende stand ein 2:5, Bettina Wiegmann war immerhin noch ihr drittes WM-Tor vergönnt – diesmal kein Elfmeter. Immerhin nahmen die DFB-Frauen ein Kompliment von US-Trainer Anson Dorrance mit: "Im spielerischen Bereich können wir von den Deutschen lernen." Und US-Torhüterin Mary Harvey attestierte: "Sie waren unser stärkster Gegner auf dem Weg ins Finale." Das konnte die Tränen, die unter anderem bei Heidi Mohr flossen, nicht so schnell trocknen und im bereits zwei Tage später stattfinden Spiel um Platz drei war die Luft raus. Gegen die Schwedinnen setzte es eine deutliche 0:4-Niederlage.

"Insgesamt hat Schweden verdient gewonnen. Wir waren total platt, haben mit laufender Turnierfolge mannschaftlich abgebaut", gab Bisanz zu. Er dachte an Rücktritt, überlegte es sich aber noch einmal anders. Bisanz setzte bei der ersten WM alle 18 Spielerinnen ein. Immer dabei waren Marion Isbert, Doris Fitschen, Bettina Wiegmann, die aktuelle Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg (damals noch Voss), Gudrun Gottschlich und Roswitha Bindl. Heidi Mohr schoss sieben der 13 Tore, die anderen gingen auf das Konto von Wiegmann (3), Unsleber, Neid und Gottschlich (1). Stärker als Daten und Fakten blieben Erlebnisse wie ein Training vor 6000 Chinesen und die gute Harmonie den Aktiven in Erinnerung, Voss-Tecklenburg schwärmt noch heute von "Flurpartys im Schlafanzug" und den aus der Heimat mitgebrachten Schwarzbroten mit Salami als willkommener Abwechslung zum eher gewöhnungsbedürftigen chinesischen Essen.

WM-Fakten

Tore: 99 (3,8 Tore pro Spiel)

Torschützenkönigin: Michelle Akers-Stahl (USA/10).

Beste Spielerin (adidas Golden Ball): Carin Jennings (USA)

Zuschauer: 510.000 (19.615 pro Spiel)

Fair-Play-Preis: Deutschland (10.000 Schweizer Franken)

Stimmen

"Unser vorher gestecktes Ziel, unter die ersten Vier zu kommen, haben wir erreicht. Unter den gegebenen Umständen sind wir zufrieden" (Gero Bisanz)

"Enthusiasmus, Offensive und Fairplay waren Trumpf. Das war eines der schönsten FIFA-Turniere der letzten Jahre." (Joao Havelange)

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