Frankfurter Buchmesse: Keine freien Plätze im Kulturstadion

Für den Verlust der Alltäglichkeit haben Profifußballer einen Ausdruck. Sie sprechen von "Bubble". Alexander Rosen sieht darin eine konkrete Gefahr. "Der Mikrokosmos des Profifußballs, in dem sich die Spieler bewegen, birgt für junge Menschen definitiv die Gefahr, den Blick auf das normale Leben zu verlieren", sagt der 40-jährige Direktor Profifußball der TSG Hoffenheim.

Der ehemalige Profispieler leitete drei Jahre lang das Nachwuchsleistungszentrum des Bundesligaklubs und verantwortet seit 2013 die Profiabteilung. Trotz namhafter Abgänge wie Nico Schultz, Kerem Demirbay und Nadiem Amiri auch in dieser Saison sehr erfolgreich. Vor einer Woche hatte man in München gewonnen. Nun vor dem 2:0-Sieg über den FC Schalke nahm sich Rosen also die Zeit für einen Besuch der Frankfurter Buchmesse. Auf der Bühne des Kulturstadions nahm er teil an der Podiumsdiskussion "Persönlichkeitsentwicklung im Profifußball – mehr Traum als Wirklichkeit?"

"Normalerweise sage ich alles ab", verrät Rosen, "aber hier haben mich die Organisationen überzeugt. Und das Thema ist natürlich spannend." Die DFB-Kulturstiftung und die LitCam hatten die Kräfte für das zweitägige Programm im Kulturstadion gebündelt.

1:10.000, so stehen die Chancen, auch für talentierte jungen Fußballer, tatsächlich einmal in der Bundesliga anzukommen. Schon 15-Jährige müssen dafür ein gewaltiges Pensum bewältigen. Parallel zur Schule läuft die zeitintensive fußballerische Ausbildung. Dass der Tag um 6.30 Uhr beginnt und die letzte Verpflichtung erst um 21 Uhr endet, sei keine Ausnahme, berichtet Rosen und spricht von einem "hart getakteten Programm". Gerade für eine langfristige Entwicklung sei ein Ausbruch aus der Ausschließlichkeit dennoch unerlässlich. "Ich bin davon überzeugt, dass es für Profifußballer extrem hilfreich und leistungsfördernd ist, wenn neben dem Leistungsfußball eine stabile Welt außerhalb der Branche existiert. Familie, Freunde, Fernstudium oder Hobby - was es auch für den Einzelnen sein mag."

Freie Entfaltung steigert Leistung

Rosen selbst war den Übergang vom Ball zum Beruf frühzeitig angegangen. Als er 2005 zum norwegischen Zweitligaklub Follo Fotball wechselte, übernahm er auch eine Aufgabe in der Geschäftsführung und schloss in seinem letzten Profijahr eine Ausbildung zum IHK-Fachwirt ab. "Die meisten Spieler vergessen, dass der letzte Abpfiff für jeden einmal kommt und dann noch viele Lebensjahre vor ihnen stehen."

Jan Åge Fjǿrtoft stimmt dem zu. Der norwegische Stürmer, der 1999 Eintracht Frankfurt mit seinem Übersteiger-Tor in der Schlussminute vor dem Abstieg bewahrt hatte, war ebenfalls Gast der DFB-Kulturstiftung auf der Buchmesse. "Mir war immer bewusst, dass alles, was ich als Fußballer lerne, später auch für mein Leben nach dem Fußball hilfreich sein kann", sagt der heute 52-jährige Fjǿrtoft. Auf die Frage, ob der Ausbruch aus der "Bubble" heute schwerer falle als damals, antwortet er: "Die Entwicklung ist vorangeschritten. Heute soll ein junger Fußballer schon mit 16 Jahren alles können. Aber jede Generation hat ihre Herausforderung."

Rosen und Fjǿrtoft sind überzeugt, dass auch der Verein an der freien Entfaltung der Persönlichkeit eines Spielers aktiv beteiligt sein sollte – im Interesse des Spielers, aber auch im eigenen. "Weil damit noch fünf, sechs oder sieben Prozent mehr Leistung möglich sind", ist Fjǿrtoft überzeugt. Rosen sagt: "Es ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Denkweise im Umgang mit Spielern nicht nur den Profi und die sportlichen Leistungen wahrzunehmen, sondern auch die Persönlichkeit und den Charakter des Einzelnen."

Fjǿrtofts Übersteiger und Rehhagels Gesangseinlage 

Fjǿrtoft hatte am Samstagmorgen an der Seite von Otto Rehhagel zwei sehr kurzweilige Stunden im Kulturstadion bestritten. Die Event-Bühne der DFB-Kulturstiftung in Halle 3.1 war auf einer glänzend besuchten Buchmesse eine der bestbesuchten Lokalitäten. Mehr als 300.000 Zuschauer und damit 5,5 Prozent mehr als im Vorjahr kamen. Als Rehhagel am Samstagvormittag etwa die griechische Nationalhymne intonierte und Fjǿrtoft noch einmal zeigte, wie er das genau damals beim 5:1 gegen Kaiserslautern gemacht hatte, gab es am DFB-Stand keinen freien Platz mehr, auch keinen Stehplatz. Und bei der ernsteren Podiumsdiskussion am Nachmittag war es annähernd genauso voll.

"Wir könnten nicht glücklicher sein. Unser Programm stieß auf ein reges Interesse", sagte Stiftungsgeschäftsführer Olliver Tietz, der im Kulturstadion etwa auch Fußball-Weltmeister Andy Brehme und den "weißen Brasilianer" Ansgar Brinkmann begrüßten durfte. Manuel Neukirchner, Direktor des Deutschen Fußballmuseums, präsentierte den frisch erschienenen Kurzgeschichtenband "Herz & Rasen" und zeichnete "Als die Funken aufwärts flogen" von David Blum und "You’ll never walk alone" von Kristina Jovanovic als beste Fußball-Kurzgeschichten des Jahres aus.

Der österreichische Autor Tonio Schachinger besuchte am Sonntagmorgen das Kulturstadion. Sein Roman "Nicht wie Ihr", die Geschichte des 27-jährigen Fußballprofis Ivo Trifunoviç, stand auf der Shortlist. Nach Philipp Winklers "Hool" hat es damit bereits zum zweiten Mal seit 2016 ein Fußballroman unter die letzten Nominierten für den Deutschen Buchpreis geschafft.

[th]

Für den Verlust der Alltäglichkeit haben Profifußballer einen Ausdruck. Sie sprechen von "Bubble". Alexander Rosen sieht darin eine konkrete Gefahr. "Der Mikrokosmos des Profifußballs, in dem sich die Spieler bewegen, birgt für junge Menschen definitiv die Gefahr, den Blick auf das normale Leben zu verlieren", sagt der 40-jährige Direktor Profifußball der TSG Hoffenheim.

Der ehemalige Profispieler leitete drei Jahre lang das Nachwuchsleistungszentrum des Bundesligaklubs und verantwortet seit 2013 die Profiabteilung. Trotz namhafter Abgänge wie Nico Schultz, Kerem Demirbay und Nadiem Amiri auch in dieser Saison sehr erfolgreich. Vor einer Woche hatte man in München gewonnen. Nun vor dem 2:0-Sieg über den FC Schalke nahm sich Rosen also die Zeit für einen Besuch der Frankfurter Buchmesse. Auf der Bühne des Kulturstadions nahm er teil an der Podiumsdiskussion "Persönlichkeitsentwicklung im Profifußball – mehr Traum als Wirklichkeit?"

"Normalerweise sage ich alles ab", verrät Rosen, "aber hier haben mich die Organisationen überzeugt. Und das Thema ist natürlich spannend." Die DFB-Kulturstiftung und die LitCam hatten die Kräfte für das zweitägige Programm im Kulturstadion gebündelt.

1:10.000, so stehen die Chancen, auch für talentierte jungen Fußballer, tatsächlich einmal in der Bundesliga anzukommen. Schon 15-Jährige müssen dafür ein gewaltiges Pensum bewältigen. Parallel zur Schule läuft die zeitintensive fußballerische Ausbildung. Dass der Tag um 6.30 Uhr beginnt und die letzte Verpflichtung erst um 21 Uhr endet, sei keine Ausnahme, berichtet Rosen und spricht von einem "hart getakteten Programm". Gerade für eine langfristige Entwicklung sei ein Ausbruch aus der Ausschließlichkeit dennoch unerlässlich. "Ich bin davon überzeugt, dass es für Profifußballer extrem hilfreich und leistungsfördernd ist, wenn neben dem Leistungsfußball eine stabile Welt außerhalb der Branche existiert. Familie, Freunde, Fernstudium oder Hobby - was es auch für den Einzelnen sein mag."

Freie Entfaltung steigert Leistung

Rosen selbst war den Übergang vom Ball zum Beruf frühzeitig angegangen. Als er 2005 zum norwegischen Zweitligaklub Follo Fotball wechselte, übernahm er auch eine Aufgabe in der Geschäftsführung und schloss in seinem letzten Profijahr eine Ausbildung zum IHK-Fachwirt ab. "Die meisten Spieler vergessen, dass der letzte Abpfiff für jeden einmal kommt und dann noch viele Lebensjahre vor ihnen stehen."

Jan Åge Fjǿrtoft stimmt dem zu. Der norwegische Stürmer, der 1999 Eintracht Frankfurt mit seinem Übersteiger-Tor in der Schlussminute vor dem Abstieg bewahrt hatte, war ebenfalls Gast der DFB-Kulturstiftung auf der Buchmesse. "Mir war immer bewusst, dass alles, was ich als Fußballer lerne, später auch für mein Leben nach dem Fußball hilfreich sein kann", sagt der heute 52-jährige Fjǿrtoft. Auf die Frage, ob der Ausbruch aus der "Bubble" heute schwerer falle als damals, antwortet er: "Die Entwicklung ist vorangeschritten. Heute soll ein junger Fußballer schon mit 16 Jahren alles können. Aber jede Generation hat ihre Herausforderung."

Rosen und Fjǿrtoft sind überzeugt, dass auch der Verein an der freien Entfaltung der Persönlichkeit eines Spielers aktiv beteiligt sein sollte – im Interesse des Spielers, aber auch im eigenen. "Weil damit noch fünf, sechs oder sieben Prozent mehr Leistung möglich sind", ist Fjǿrtoft überzeugt. Rosen sagt: "Es ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Denkweise im Umgang mit Spielern nicht nur den Profi und die sportlichen Leistungen wahrzunehmen, sondern auch die Persönlichkeit und den Charakter des Einzelnen."

Fjǿrtofts Übersteiger und Rehhagels Gesangseinlage 

Fjǿrtoft hatte am Samstagmorgen an der Seite von Otto Rehhagel zwei sehr kurzweilige Stunden im Kulturstadion bestritten. Die Event-Bühne der DFB-Kulturstiftung in Halle 3.1 war auf einer glänzend besuchten Buchmesse eine der bestbesuchten Lokalitäten. Mehr als 300.000 Zuschauer und damit 5,5 Prozent mehr als im Vorjahr kamen. Als Rehhagel am Samstagvormittag etwa die griechische Nationalhymne intonierte und Fjǿrtoft noch einmal zeigte, wie er das genau damals beim 5:1 gegen Kaiserslautern gemacht hatte, gab es am DFB-Stand keinen freien Platz mehr, auch keinen Stehplatz. Und bei der ernsteren Podiumsdiskussion am Nachmittag war es annähernd genauso voll.

"Wir könnten nicht glücklicher sein. Unser Programm stieß auf ein reges Interesse", sagte Stiftungsgeschäftsführer Olliver Tietz, der im Kulturstadion etwa auch Fußball-Weltmeister Andy Brehme und den "weißen Brasilianer" Ansgar Brinkmann begrüßten durfte. Manuel Neukirchner, Direktor des Deutschen Fußballmuseums, präsentierte den frisch erschienenen Kurzgeschichtenband "Herz & Rasen" und zeichnete "Als die Funken aufwärts flogen" von David Blum und "You’ll never walk alone" von Kristina Jovanovic als beste Fußball-Kurzgeschichten des Jahres aus.

Der österreichische Autor Tonio Schachinger besuchte am Sonntagmorgen das Kulturstadion. Sein Roman "Nicht wie Ihr", die Geschichte des 27-jährigen Fußballprofis Ivo Trifunoviç, stand auf der Shortlist. Nach Philipp Winklers "Hool" hat es damit bereits zum zweiten Mal seit 2016 ein Fußballroman unter die letzten Nominierten für den Deutschen Buchpreis geschafft.

###more###