Ferdinand von Schirach: "Man muss den Leuten etwas zutrauen"

Ferdinand von Schirach ist Jurist, Schriftsteller und vielfacher Literaturpreisträger. Im April erschien sein 32-seitiges Plädoyer "Jeder Mensch" für sechs neue europäische Grundrechte, die unter anderem ein Recht auf Klimaschutz und digitale Selbstbestimmung vorsehen. In der neuen Folge des Leadership-Talks der DFB-Akademie spricht Ferdinand von Schirach vor allem über die ersten beiden Artikel der neuen Grundrechte, über den respektvollen Umgang miteinander und Versuche, die Menschen in der digitalen Welt auszuforschen.

Ferdinand Schirach über...

...politische Führungskrisen in Demokratien und autoritären Staatsformen: Demokratien in einzelnen Ländern und auch die Europäische Union befinden sich in einer politischen Krise. Es gibt viele Menschen, die behaupten, dass es autoritäre Systeme, wie China oder Russland, besser machen würden. Aber Demokratien sind die menschenfreundlichsten Staatsformen. Wir haben in Demokratien immer gut gelebt und in autoritären Systemen immer schlecht - das wird sich nicht ändern. Deshalb muss man Demokratien schützen, für sie eintreten und für sie kämpfen. Sie sind zäh und langsam, bestehen aus Diskussionen und am Ende aus Kompromissen, aber es geht nicht anders.

...sein Plädoyer für die Einführung neuer europäischer Grundrechte: Die Politik muss sich diese Ideen zu eigen machen. Wir haben eine Menge an Problemen, die die Väter und Mütter unserer Verfassung nicht kannten. In Deutschland wusste man 1948/1949 nichts von der Digitalisierung, es gab den vom Menschen gemachten Klimawandel nicht und man kannte Algorithmen nicht, die die Freiheit des Menschen bedroht haben. Um diese Artikel muss der gesetzliche Rahmen erweitert werden - und zwar europaweit.

...das Ziel der Stiftung "Jeder Mensch e.V.", der er sämtliche Einnahmen aus dem Verkauf seines Buches spendet: Es wäre das erste Mal in der Geschichte der Union, dass wir Menschen uns selbst Grundrechte geben können und es nicht von oben kommt. Wenn Menschen ihre eigene Idee, wie sie leben wollen und wie der Rahmen der Gesellschaft aussehen soll, umsetzen können, dann wird die EU etwas, was sich die Menschen zu eigen machen. Wir müssen die EU zu einer Union der Bürger*innen machen. Zuvor war sie ein Verbund von Staaten und Institutionen und uns daher etwas fremd.

...Möglichkeiten, Menschen neue Perspektiven zu eröffnen: Man muss Tätigkeiten und Gefühle hinterfragen. Ich glaube, dass man die Menschen mit Vernunft erreichen kann. Viele Führungskräfte halten die Leute für dümmer, als sie sind. Das Gegenteil ist der Fall. Man muss den Leuten etwas zutrauen und sie zum Nachdenken anregen.

...die Wichtigkeit eines respektvollen Umgangs miteinander: In dem Moment, in dem wir den Gegenüber in einer Diskussion nicht mehr als Gegner, sondern als Feind betrachten, der vernichtet werden muss, ist ein Zusammenleben nicht mehr möglich. Man muss sich einander zuhören können, auch wenn man nicht einer Meinung ist. Man muss die Meinung des anderen nicht teilen, sollte sie aber tolerieren. Ansonsten haben wir als Gesellschaft ein großes Problem.

...die Rolle des Staates bzw. des Gesetzgebers, wenn Interessen von Menschen mit denen von Unternehmen kollidieren: Niemand hat etwas dagegen, dass eine Firma mit Werbung Geld verdient. Das Geschäftsmodell von Facebook beruht auf der Ausforschung und Manipulation von Menschen. Dieses Geschäftsmodell und diese Werbung sind gefährlich für die Demokratie. Wir können die Demokratie und die Art und Weise, wie wir leben wollen nicht schützen, wenn wir ausgeforscht und manipuliert werden. Das Recht muss das Internet und die Sozialen Medien so durchdringen, dass sie unserer übrigen Welt entsprechen. Selbstbestimmung muss es daher auch in der digitalen Welt geben.

...den Klimawandel und die Entscheidungen in Deutschland: Der Klimawandel ist vom Menschen gemacht und wir müssen ganz schnell dagegen steuern. Wir müssen nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa und eigentlich auch auf der ganzen Welt dagegen arbeiten. Entscheidungen, Klimaziele für die nächsten zehn Jahre oder langfristiger festzulegen, werden von Politikern getroffen, die dann nicht mehr im Amt sind. Daher sollte man sie für fünf Jahre festsetzen.

[tb]

Ferdinand von Schirach ist Jurist, Schriftsteller und vielfacher Literaturpreisträger. Im April erschien sein 32-seitiges Plädoyer "Jeder Mensch" für sechs neue europäische Grundrechte, die unter anderem ein Recht auf Klimaschutz und digitale Selbstbestimmung vorsehen. In der neuen Folge des Leadership-Talks der DFB-Akademie spricht Ferdinand von Schirach vor allem über die ersten beiden Artikel der neuen Grundrechte, über den respektvollen Umgang miteinander und Versuche, die Menschen in der digitalen Welt auszuforschen.

Ferdinand Schirach über...

...politische Führungskrisen in Demokratien und autoritären Staatsformen: Demokratien in einzelnen Ländern und auch die Europäische Union befinden sich in einer politischen Krise. Es gibt viele Menschen, die behaupten, dass es autoritäre Systeme, wie China oder Russland, besser machen würden. Aber Demokratien sind die menschenfreundlichsten Staatsformen. Wir haben in Demokratien immer gut gelebt und in autoritären Systemen immer schlecht - das wird sich nicht ändern. Deshalb muss man Demokratien schützen, für sie eintreten und für sie kämpfen. Sie sind zäh und langsam, bestehen aus Diskussionen und am Ende aus Kompromissen, aber es geht nicht anders.

...sein Plädoyer für die Einführung neuer europäischer Grundrechte: Die Politik muss sich diese Ideen zu eigen machen. Wir haben eine Menge an Problemen, die die Väter und Mütter unserer Verfassung nicht kannten. In Deutschland wusste man 1948/1949 nichts von der Digitalisierung, es gab den vom Menschen gemachten Klimawandel nicht und man kannte Algorithmen nicht, die die Freiheit des Menschen bedroht haben. Um diese Artikel muss der gesetzliche Rahmen erweitert werden - und zwar europaweit.

...das Ziel der Stiftung "Jeder Mensch e.V.", der er sämtliche Einnahmen aus dem Verkauf seines Buches spendet: Es wäre das erste Mal in der Geschichte der Union, dass wir Menschen uns selbst Grundrechte geben können und es nicht von oben kommt. Wenn Menschen ihre eigene Idee, wie sie leben wollen und wie der Rahmen der Gesellschaft aussehen soll, umsetzen können, dann wird die EU etwas, was sich die Menschen zu eigen machen. Wir müssen die EU zu einer Union der Bürger*innen machen. Zuvor war sie ein Verbund von Staaten und Institutionen und uns daher etwas fremd.

...Möglichkeiten, Menschen neue Perspektiven zu eröffnen: Man muss Tätigkeiten und Gefühle hinterfragen. Ich glaube, dass man die Menschen mit Vernunft erreichen kann. Viele Führungskräfte halten die Leute für dümmer, als sie sind. Das Gegenteil ist der Fall. Man muss den Leuten etwas zutrauen und sie zum Nachdenken anregen.

...die Wichtigkeit eines respektvollen Umgangs miteinander: In dem Moment, in dem wir den Gegenüber in einer Diskussion nicht mehr als Gegner, sondern als Feind betrachten, der vernichtet werden muss, ist ein Zusammenleben nicht mehr möglich. Man muss sich einander zuhören können, auch wenn man nicht einer Meinung ist. Man muss die Meinung des anderen nicht teilen, sollte sie aber tolerieren. Ansonsten haben wir als Gesellschaft ein großes Problem.

...die Rolle des Staates bzw. des Gesetzgebers, wenn Interessen von Menschen mit denen von Unternehmen kollidieren: Niemand hat etwas dagegen, dass eine Firma mit Werbung Geld verdient. Das Geschäftsmodell von Facebook beruht auf der Ausforschung und Manipulation von Menschen. Dieses Geschäftsmodell und diese Werbung sind gefährlich für die Demokratie. Wir können die Demokratie und die Art und Weise, wie wir leben wollen nicht schützen, wenn wir ausgeforscht und manipuliert werden. Das Recht muss das Internet und die Sozialen Medien so durchdringen, dass sie unserer übrigen Welt entsprechen. Selbstbestimmung muss es daher auch in der digitalen Welt geben.

...den Klimawandel und die Entscheidungen in Deutschland: Der Klimawandel ist vom Menschen gemacht und wir müssen ganz schnell dagegen steuern. Wir müssen nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa und eigentlich auch auf der ganzen Welt dagegen arbeiten. Entscheidungen, Klimaziele für die nächsten zehn Jahre oder langfristiger festzulegen, werden von Politikern getroffen, die dann nicht mehr im Amt sind. Daher sollte man sie für fünf Jahre festsetzen.

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