FC-Trainer Sascha Glass: "Das Unmögliche möglich machen"

Der 1. FC Köln geht mit gemischten Gefühlen den Restart der FLYERALARM Frauen-Bundesliga an. Das Duell beim VfL Wolfsburg heute (ab 14 Uhr, live auf DFB-TV) ist der Auftakt im Rennen um den Klassenverbleib. Und Trainer Sascha Glass wirft einen Blick weiter nach vorne - schließlich hat der FC mit spektakulären Verpflichtungen bereits für Schlagzeilen gesorgt. Auch darüber spricht der 47 Jahre alte Fußball-Lehrer mit DFB.de.

DFB.de: Herr Glass, mit welchen Gefühlen gehen Sie den Restart der FLYERALARM Frauen-Bundesliga an?

Sascha Glass: Grundsätzlich macht es Spaß, wieder mit der Mannschaft zu arbeiten. Die Mannschaft zieht wirklich gut mit und unser Klub und besonders unsere sportliche Leiterin Nicole Bender machen alles dafür, damit es uns gut geht. Aber man merkt schon, dass die Umstände ganz besondere sind. Wir haben das Problem, dass wir im Vergleich zu einigen Konkurrenten erst verspätet wieder ins Training einsteigen konnten. Da sehe ich uns schon im Nachteil. Hinzu kommt, dass bei uns nicht alle Berufsspielerinnen sind. Wir haben 15 Spielerinnen dabei, die tagsüber arbeiten gehen, zwei davon musste ich berufsbedingt aus dem Kader streichen, da das Hygienekonzept mit ihren Berufen nicht kompatibel ist. Das ist bei den männlichen Profis eine andere Situation. Bei uns ist die Quarantänewoche vor dem Restart nicht einfach zu organisieren. Gut ist hingegen, dass wir gerade in der Sportschule Hennef sind und hier wirklich hervorragende Bedingungen haben.

DFB.de: Was bedeutet das?

Glass: Wir nehmen diese Situation an und werden trotzdem alles dafür tun, den Klassenverbleib noch zu schaffen. Mehr können wir nicht machen. Niemand hat so etwas vorher schon einmal erlebt. Als Trainer begrüßt man es grundsätzlich, wenn ein sportlicher Wettkampf zu Ende gebracht wird, aber ich muss zugeben, dass ich die Fortsetzung der Liga bei aller Liebe für den Sport auch skeptisch sehe. Ich befürchte, dass das Verletzungsrisiko für die Spielerinnen aufgrund der hohen Belastung durch ihren Beruf, die vielen Spiele in sehr kurzer Zeit und durch eine erschwerte Vorbereitung wesentlich höher ist. Zudem sind einige Klubs aufgrund der Trainingsrückstände benachteiligt, so dass es kein fairer Wettkampf ist. Vielleicht sollte man den Gedanken zulassen, ob es für alle fairer wäre, die Liga auf 14 Teams aufzustocken.

DFB.de: Das Duell in Wolfsburg ist der Start in ein straffes Programm. Sie haben dann acht Begegnungen in vier Wochen.

Glass: Das kommt aus meiner Sicht noch erschwerend hinzu, weil bei uns noch zwei Nachholspiele auf dem Programm stehen. Aber auch hier gilt: Wir haben trotzdem die Chance, den Abstieg noch zu vermeiden. Wir haben es selbst in der Hand und werden alles reinlegen, um unser Ziel zu erreichen. Darauf richten wir jetzt alles aus.

DFB.de: Zum Restart steht wahrscheinlich die schwerste aller möglichen Aufgaben auf dem Programm.

Glass: Schwieriger geht es nicht. Für mich persönlich ist es bereits mein drittes Spiel gegen Wolfsburg in dieser Saison. Zweimal habe ich noch als Trainer des SC Sand gegen sie verloren. Vielleicht schaffen wir es mit dem FC, das Unmögliche möglich zu machen. Wir werden sicher nicht dorthin fahren, um die Punkte dann abzuschenken. Klar ist aber, dass wir einen absoluten Sahnetag und das nötige Quäntchen Glück brauchen. Anders können wir dort logischerweise nicht bestehen. Uns ist aber auch klar, dass wir unsere Punkte in anderen Begegnungen holen müssen.

DFB.de: Kann man die Partie vor diesem Hintergrund als eine Art Bonusspiel ansehen?

Glass: Wir haben am ersten Spieltag mit Sand in Wolfsburg gespielt. Wir hatten eine komplett neu zusammengestellte Mannschaft und wussten überhaupt nicht, wo wir eigentlich stehen. Wir haben dann knapp mit 0:1 durch einen Elfmeter verloren und uns echt gut präsentiert. In dieser Situation damals hat uns das richtig Auftrieb gegeben für die weiteren Aufgaben. Was ich damit sagen will: Wenn wir dort gut abliefern, kann man auch aus einer Niederlage viel Positives mitnehmen. Ich habe der Mannschaft aber auch gesagt, dass wir dort leiden müssen. Wir werden den Ball nicht viel in den eigenen Reihen haben und werden viel laufen müssen. Wir müssen uns quälen, dann kann vielleicht etwas gehen.

DFB.de: Danach kommen die wichtigen Spiele gegen die direkten Konkurrenten im Tabellenkeller aus Duisburg und Jena.

Glass: Wir schauen ehrlich gesagt noch gar nicht so weit nach vorne. Wir konzentrieren uns nur auf uns selbst und nutzen jeden Tag, um Dinge zu verbessern und unseren Rückstand aufzuholen. Wir arbeiten an vielen Kleinigkeiten, wir studieren Abläufe in der Offensive und der Defensive ein. Wir unterbrechen unsere Einheiten häufig, um den Spielerinnen direkt ein Feedback geben zu können, das sie wirklich gut annehmen. Wir geben in kürzester Zeit sehr viel Input mit. Das ist anspruchsvoll, aber unsere einzige Möglichkeit.

DFB.de: Hinzu kommt, dass Sie erst seit dem Winter in Köln als Trainer tätig sind.

Glass: Wir hatten zwei Punktspiele und dann kam die Coronaunterbrechung.  Das ist natürlich auch für mich und meine Zusammenarbeit mit der Mannschaft echt unglücklich gelaufen. Aber es bringt nichts, jetzt zu jammern. Die anderen haben ähnliche Probleme. Meine Spielerinnen nehmen die Situation wirklich super an. Sie haben einen tollen Charakter. Deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass wir den Abstieg vermeiden können.

DFB.de: Sie haben unter anderem mit den Verpflichtungen von Sharon Beck, Lena Lotzen und Mandy Islacker zuletzt für Aufsehen gesorgt. War es schwierig, Spielerinnen dieses Kalibers für einen Wechsel zum 1. FC Köln mit der unsicheren Ligazugehörigkeit zu überzeugen?

Glass: Gar nicht schwer. Wir bekommen sehr viel Zuspruch. Mein Eindruck ist, dass der 1. FC Köln weiterhin einen sehr guten Ruf genießt – auch im Frauenfußball. Die Gespräche mit den Spielerinnen waren durchweg positiv. Mir ist aber eine Sache wichtig zu betonen: Wir verpflichten Spielerinnen nicht, weil sie einen großen Namen haben oder weil sie auf tolle Erfolge in der Vergangenheit verweisen können. Entscheidend ist, dass sie zu uns passen, dass sie uns weiterhelfen und dass sie sich auch charakterlich ins Gefüge einordnen. Das ist bei allen der Fall. Wir hatten beidseitig ein gutes Gefühl. Sollte es wirklich in die 2. Bundesliga gehen, werden diese Spielerinnen selbstverständlich dabei sein, weil sie von unserem Weg überzeugt sind.

DFB.de: Sind damit die Planungen schon abgeschlossen?

Glass: Nein, keineswegs. Wir sind noch nicht fertig. Die Gespräche laufen. Wir wollen uns weiter verstärken.

DFB.de: Wie sehen Sie die Perspektive in Köln?

Glass: Sehr positiv, sonst wäre ich ja nicht nach Köln gekommen. Ich stand mit Sand im Winter auf Rang sechs und habe mich für den FC und den Abstiegskampf entschieden. Das hätte ich ja nicht gemacht, wenn mir die Verantwortlichen nicht deutlich aufgezeigt hätten, wohin sich der Frauenfußball beim FC entwickeln soll. Eine Stadt wie Köln mit diesen fußballverrückten Menschen gehört meiner Meinung nach in die FLYERALARM Frauen-Bundesliga. Wir werden alles dafür tun, das möglich zu machen.

DFB.de: Wie sieht dann der mittelfristige Weg aus?

Glass: Wir wollen nicht nur kurzfristig den Klassenverbleib schaffen, wir wollen uns dauerhaft in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga etablieren. Hinzu kommt, dass ich von den handelnden Personen hier überzeugt bin. Präsidium und Geschäftsführung stehen hier total hinter dem Frauenfußball und möchten etwas bewegen. Bis jetzt bin ich absolut positiv überrascht. Das ist ein toller Verein. Ich habe immer das Gefühl, dass immer der Mensch im Vordergrund steht – gerade auch zuletzt während der Corona-Krise.

[sw]

Der 1. FC Köln geht mit gemischten Gefühlen den Restart der FLYERALARM Frauen-Bundesliga an. Das Duell beim VfL Wolfsburg heute (ab 14 Uhr, live auf DFB-TV) ist der Auftakt im Rennen um den Klassenverbleib. Und Trainer Sascha Glass wirft einen Blick weiter nach vorne - schließlich hat der FC mit spektakulären Verpflichtungen bereits für Schlagzeilen gesorgt. Auch darüber spricht der 47 Jahre alte Fußball-Lehrer mit DFB.de.

DFB.de: Herr Glass, mit welchen Gefühlen gehen Sie den Restart der FLYERALARM Frauen-Bundesliga an?

Sascha Glass: Grundsätzlich macht es Spaß, wieder mit der Mannschaft zu arbeiten. Die Mannschaft zieht wirklich gut mit und unser Klub und besonders unsere sportliche Leiterin Nicole Bender machen alles dafür, damit es uns gut geht. Aber man merkt schon, dass die Umstände ganz besondere sind. Wir haben das Problem, dass wir im Vergleich zu einigen Konkurrenten erst verspätet wieder ins Training einsteigen konnten. Da sehe ich uns schon im Nachteil. Hinzu kommt, dass bei uns nicht alle Berufsspielerinnen sind. Wir haben 15 Spielerinnen dabei, die tagsüber arbeiten gehen, zwei davon musste ich berufsbedingt aus dem Kader streichen, da das Hygienekonzept mit ihren Berufen nicht kompatibel ist. Das ist bei den männlichen Profis eine andere Situation. Bei uns ist die Quarantänewoche vor dem Restart nicht einfach zu organisieren. Gut ist hingegen, dass wir gerade in der Sportschule Hennef sind und hier wirklich hervorragende Bedingungen haben.

DFB.de: Was bedeutet das?

Glass: Wir nehmen diese Situation an und werden trotzdem alles dafür tun, den Klassenverbleib noch zu schaffen. Mehr können wir nicht machen. Niemand hat so etwas vorher schon einmal erlebt. Als Trainer begrüßt man es grundsätzlich, wenn ein sportlicher Wettkampf zu Ende gebracht wird, aber ich muss zugeben, dass ich die Fortsetzung der Liga bei aller Liebe für den Sport auch skeptisch sehe. Ich befürchte, dass das Verletzungsrisiko für die Spielerinnen aufgrund der hohen Belastung durch ihren Beruf, die vielen Spiele in sehr kurzer Zeit und durch eine erschwerte Vorbereitung wesentlich höher ist. Zudem sind einige Klubs aufgrund der Trainingsrückstände benachteiligt, so dass es kein fairer Wettkampf ist. Vielleicht sollte man den Gedanken zulassen, ob es für alle fairer wäre, die Liga auf 14 Teams aufzustocken.

DFB.de: Das Duell in Wolfsburg ist der Start in ein straffes Programm. Sie haben dann acht Begegnungen in vier Wochen.

Glass: Das kommt aus meiner Sicht noch erschwerend hinzu, weil bei uns noch zwei Nachholspiele auf dem Programm stehen. Aber auch hier gilt: Wir haben trotzdem die Chance, den Abstieg noch zu vermeiden. Wir haben es selbst in der Hand und werden alles reinlegen, um unser Ziel zu erreichen. Darauf richten wir jetzt alles aus.

DFB.de: Zum Restart steht wahrscheinlich die schwerste aller möglichen Aufgaben auf dem Programm.

Glass: Schwieriger geht es nicht. Für mich persönlich ist es bereits mein drittes Spiel gegen Wolfsburg in dieser Saison. Zweimal habe ich noch als Trainer des SC Sand gegen sie verloren. Vielleicht schaffen wir es mit dem FC, das Unmögliche möglich zu machen. Wir werden sicher nicht dorthin fahren, um die Punkte dann abzuschenken. Klar ist aber, dass wir einen absoluten Sahnetag und das nötige Quäntchen Glück brauchen. Anders können wir dort logischerweise nicht bestehen. Uns ist aber auch klar, dass wir unsere Punkte in anderen Begegnungen holen müssen.

DFB.de: Kann man die Partie vor diesem Hintergrund als eine Art Bonusspiel ansehen?

Glass: Wir haben am ersten Spieltag mit Sand in Wolfsburg gespielt. Wir hatten eine komplett neu zusammengestellte Mannschaft und wussten überhaupt nicht, wo wir eigentlich stehen. Wir haben dann knapp mit 0:1 durch einen Elfmeter verloren und uns echt gut präsentiert. In dieser Situation damals hat uns das richtig Auftrieb gegeben für die weiteren Aufgaben. Was ich damit sagen will: Wenn wir dort gut abliefern, kann man auch aus einer Niederlage viel Positives mitnehmen. Ich habe der Mannschaft aber auch gesagt, dass wir dort leiden müssen. Wir werden den Ball nicht viel in den eigenen Reihen haben und werden viel laufen müssen. Wir müssen uns quälen, dann kann vielleicht etwas gehen.

DFB.de: Danach kommen die wichtigen Spiele gegen die direkten Konkurrenten im Tabellenkeller aus Duisburg und Jena.

Glass: Wir schauen ehrlich gesagt noch gar nicht so weit nach vorne. Wir konzentrieren uns nur auf uns selbst und nutzen jeden Tag, um Dinge zu verbessern und unseren Rückstand aufzuholen. Wir arbeiten an vielen Kleinigkeiten, wir studieren Abläufe in der Offensive und der Defensive ein. Wir unterbrechen unsere Einheiten häufig, um den Spielerinnen direkt ein Feedback geben zu können, das sie wirklich gut annehmen. Wir geben in kürzester Zeit sehr viel Input mit. Das ist anspruchsvoll, aber unsere einzige Möglichkeit.

DFB.de: Hinzu kommt, dass Sie erst seit dem Winter in Köln als Trainer tätig sind.

Glass: Wir hatten zwei Punktspiele und dann kam die Coronaunterbrechung.  Das ist natürlich auch für mich und meine Zusammenarbeit mit der Mannschaft echt unglücklich gelaufen. Aber es bringt nichts, jetzt zu jammern. Die anderen haben ähnliche Probleme. Meine Spielerinnen nehmen die Situation wirklich super an. Sie haben einen tollen Charakter. Deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass wir den Abstieg vermeiden können.

DFB.de: Sie haben unter anderem mit den Verpflichtungen von Sharon Beck, Lena Lotzen und Mandy Islacker zuletzt für Aufsehen gesorgt. War es schwierig, Spielerinnen dieses Kalibers für einen Wechsel zum 1. FC Köln mit der unsicheren Ligazugehörigkeit zu überzeugen?

Glass: Gar nicht schwer. Wir bekommen sehr viel Zuspruch. Mein Eindruck ist, dass der 1. FC Köln weiterhin einen sehr guten Ruf genießt – auch im Frauenfußball. Die Gespräche mit den Spielerinnen waren durchweg positiv. Mir ist aber eine Sache wichtig zu betonen: Wir verpflichten Spielerinnen nicht, weil sie einen großen Namen haben oder weil sie auf tolle Erfolge in der Vergangenheit verweisen können. Entscheidend ist, dass sie zu uns passen, dass sie uns weiterhelfen und dass sie sich auch charakterlich ins Gefüge einordnen. Das ist bei allen der Fall. Wir hatten beidseitig ein gutes Gefühl. Sollte es wirklich in die 2. Bundesliga gehen, werden diese Spielerinnen selbstverständlich dabei sein, weil sie von unserem Weg überzeugt sind.

DFB.de: Sind damit die Planungen schon abgeschlossen?

Glass: Nein, keineswegs. Wir sind noch nicht fertig. Die Gespräche laufen. Wir wollen uns weiter verstärken.

DFB.de: Wie sehen Sie die Perspektive in Köln?

Glass: Sehr positiv, sonst wäre ich ja nicht nach Köln gekommen. Ich stand mit Sand im Winter auf Rang sechs und habe mich für den FC und den Abstiegskampf entschieden. Das hätte ich ja nicht gemacht, wenn mir die Verantwortlichen nicht deutlich aufgezeigt hätten, wohin sich der Frauenfußball beim FC entwickeln soll. Eine Stadt wie Köln mit diesen fußballverrückten Menschen gehört meiner Meinung nach in die FLYERALARM Frauen-Bundesliga. Wir werden alles dafür tun, das möglich zu machen.

DFB.de: Wie sieht dann der mittelfristige Weg aus?

Glass: Wir wollen nicht nur kurzfristig den Klassenverbleib schaffen, wir wollen uns dauerhaft in der FLYERALARM Frauen-Bundesliga etablieren. Hinzu kommt, dass ich von den handelnden Personen hier überzeugt bin. Präsidium und Geschäftsführung stehen hier total hinter dem Frauenfußball und möchten etwas bewegen. Bis jetzt bin ich absolut positiv überrascht. Das ist ein toller Verein. Ich habe immer das Gefühl, dass immer der Mensch im Vordergrund steht – gerade auch zuletzt während der Corona-Krise.

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