FC St. Pauli: Das B-Wunder vom Millerntor

Dieser Durchmarsch des FC St. Pauli im DFB-Pokal 2005/2006 bleibt unvergessen. Auf dem Weg ins Halbfinale hatte der Regionalligist vier höherklassige Klubs ausgeschaltet: Burghausen, Bochum, Berlin und Bremen. Endstation war dann ein weiteres "B" - heute vor 15 Jahren. Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) hat der wundersamen Pokalreise nun einen Film und einen vierteiligen Podcast gewidmet.

Der DFB-Pokal hat seine eigenen Gesetze. Das war in der besagten Saison besonders zu spüren. In der Regionalliga spielte der FC St. Pauli eine unauffällige Saison, in der man nach einer guten Hinrunde zwar auf den Aufstieg hoffte, ihn am Ende aber doch recht deutlich verpasste. Im Pokal hingegen schalteten die Hamburger in spektakulären Spielen einen Konkurrenten nach dem anderen aus und marschierten bis ins Halbfinale. "Wir waren einfach eine geile Truppe", stellt Haucke Brückner, damaliger Pauli-Defensivmann, 2016 im 11 Freunde-Magazin fest.

In der ersten Runde ging es gegen den damaligen Zweitligisten Wacker Burghausen. St. Pauli drehte einen frühen 0:2-Rückstand in der Verlängerung noch in einen 3:2-Heimsieg um. "Im Rückblick haben wir aus diesem Spiel sehr viel Kraft und Selbstvertrauen geschöpft. Vielleicht war die Partie gegen Burghausen eine Initialzündung", so Brückner. Und so sollte es tatsächlich sein. Das Comeback gegen Burghausen war der Anfang einer unfassbaren Siegesserie. "Es war ein unglaublicher Teamgeist, der die Mannschaft, den Verein und die Fans zusammenschweißte. Von Runde zu Runde nahm die Sache mehr Fahrt auf, es entstand eine Eigendynamik, die über die Saison hinauswirkte", erklärt der damalige Abwehrspieler Florian Lechner 2015 gegenüber der Welt.

"Tor des Monats" zum Ausgleich

In der zweiten Runde wartete mit dem VfL Bochum der Tabellenführer der 2. Bundesliga. Hier landete St. Pauli dann die erste richtige Überraschung. Das Spiel endete 4:0. Von einem Klassenunterschied war an diesem Tag im Oktober nichts zu merken. "An dem Abend klappte einfach alles. Es war mein persönliches Highlight in der Pokalsaison", so Brückner.

Losgetreten wurde die Euphoriewelle dann spätestens mit dem Achtelfinale, als dem Hamburger Kultklub das Kunststück gelang, gleich mehrfach einen Rückstand aufzuholen - und das gegen einen Bundesligisten. Der Gegner war Hertha BSC. Die Partie schien bereits früh verloren, als das Team von Trainer Andreas Bergmann schnell mit 0:2 zurücklag. Der Anschlusstreffer von Michel Mazingu-Dinzey kurz vor dem Halbzeitpfiff brachte neue Hoffnung. In der zweiten Hälfte startete St. Pauli einen Sturmlauf, der schließlich in der 86. Minute belohnt wurde. Der Treffer zum 2:2 von Felix Luz wurde später zum "Tor des Monats" gekürt. "Das Spiel war an Dramatik nicht zu überbieten. Es war der Wahnsinn", erinnert sich Brückner.

Finanzielle Rettung durch Pokalserie

Es ging in die Verlängerung. Auch hier erzielte die Hertha wieder die Führung. St. Pauli stemmte sich gegen die Niederlage und glich in der 106. Minute durch Florian Lechner noch einmal aus. Kurz darauf machte Robert Palikuca den 4:3-Siegtreffer. Das Millerntor wurde zum Tollhaus. "Gegen Hertha kamen wir mit ungeheurer Wucht zurück. Wir waren aggressiv, aber positiv. Wir haben uns gegenseitig gepusht. Die ganze Pokalrunde fühlte sich an wie ein ewiges Comeback", so Brückner. 11 Freunde adelte das Achtelfinalspiel später mit einem Platz in ihrer Rangliste der "100 größten Spiele aller Zeiten".

In der Runde der besten Acht bekam es der FC St. Pauli dann mit Werder Bremen zu tun. In diesem Spiel ging es nicht nur um den Einzug ins Halbfinale. Es ging auch um die Zukunft des Vereins, der in dieser Zeit finanziell in einer desaströsen Lage war. "Als das Spiel gegen Bremen anstand, sickerte langsam durch, dass wir den Klub mit einem Sieg von seinen Schulden befreien könnten. Das war extrem", beschreibt Brückner die Situation vor dem Duell gegen Werder. Eine kräftige Finanzspitze durch Prämien und Fernsehgelder ermöglichte schließlich einen Umbau des Millerntors. "Ohne unsere Pokalserie wäre es dazu vermutlich nie gekommen", meint Florian Lechner.

Schnee und Eis im Viertelfinale

Im Vorfeld des Spiels gab es noch einen weiteren Aufreger. Eis und Schnee machten den Platz am Millerntor, das damals nicht über eine Rasenheizung verfügte, nahezu unbespielbar. "Das Spiel hatte groteske Züge und mit Fußball nicht sonderlich viel zu tun. Es war eher wie Schlittschuhlaufen", so Brückner. Bremen forderte eine Verlegung der Partie, Schiedsrichter Brych pfiff trotzdem an. St. Pauli siegte klar mit 3:1 - das vierte "B" war bezwungen. Nun sollte mit den Bayern im Halbfinale das fünfte folgen.

Auch wenn das anschließende 3:0 der Münchner eine klare Sprache zu sprechen schien - St. Pauli war auch in diesem Heimspiel nicht chancenlos, hatte nach dem 0:1 mehrmals den Ausgleich auf dem Fuß. "Wir spielten ganz gut und glaubten daran, das Spiel zu drehen", beschreibt Brückner. "Erst als in der 81. Minute das 0:2 fiel, war die Sache gegessen."

Selbst Oliver Kahn, der damals das Bayern-Tor hütete, erklärte nach dem Finaleinzug anerkennend: "Ich kann mich nicht erinnern, dass wir in den letzten Jahren einmal so unter Druck gestanden hätten." Es war das bemerkenswerte Ende einer unglaublichen Saison von St. Pauli.

[jj]

Dieser Durchmarsch des FC St. Pauli im DFB-Pokal 2005/2006 bleibt unvergessen. Auf dem Weg ins Halbfinale hatte der Regionalligist vier höherklassige Klubs ausgeschaltet: Burghausen, Bochum, Berlin und Bremen. Endstation war dann ein weiteres "B" - heute vor 15 Jahren. Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) hat der wundersamen Pokalreise nun einen Film und einen vierteiligen Podcast gewidmet.

Der DFB-Pokal hat seine eigenen Gesetze. Das war in der besagten Saison besonders zu spüren. In der Regionalliga spielte der FC St. Pauli eine unauffällige Saison, in der man nach einer guten Hinrunde zwar auf den Aufstieg hoffte, ihn am Ende aber doch recht deutlich verpasste. Im Pokal hingegen schalteten die Hamburger in spektakulären Spielen einen Konkurrenten nach dem anderen aus und marschierten bis ins Halbfinale. "Wir waren einfach eine geile Truppe", stellt Haucke Brückner, damaliger Pauli-Defensivmann, 2016 im 11 Freunde-Magazin fest.

In der ersten Runde ging es gegen den damaligen Zweitligisten Wacker Burghausen. St. Pauli drehte einen frühen 0:2-Rückstand in der Verlängerung noch in einen 3:2-Heimsieg um. "Im Rückblick haben wir aus diesem Spiel sehr viel Kraft und Selbstvertrauen geschöpft. Vielleicht war die Partie gegen Burghausen eine Initialzündung", so Brückner. Und so sollte es tatsächlich sein. Das Comeback gegen Burghausen war der Anfang einer unfassbaren Siegesserie. "Es war ein unglaublicher Teamgeist, der die Mannschaft, den Verein und die Fans zusammenschweißte. Von Runde zu Runde nahm die Sache mehr Fahrt auf, es entstand eine Eigendynamik, die über die Saison hinauswirkte", erklärt der damalige Abwehrspieler Florian Lechner 2015 gegenüber der Welt.

"Tor des Monats" zum Ausgleich

In der zweiten Runde wartete mit dem VfL Bochum der Tabellenführer der 2. Bundesliga. Hier landete St. Pauli dann die erste richtige Überraschung. Das Spiel endete 4:0. Von einem Klassenunterschied war an diesem Tag im Oktober nichts zu merken. "An dem Abend klappte einfach alles. Es war mein persönliches Highlight in der Pokalsaison", so Brückner.

Losgetreten wurde die Euphoriewelle dann spätestens mit dem Achtelfinale, als dem Hamburger Kultklub das Kunststück gelang, gleich mehrfach einen Rückstand aufzuholen - und das gegen einen Bundesligisten. Der Gegner war Hertha BSC. Die Partie schien bereits früh verloren, als das Team von Trainer Andreas Bergmann schnell mit 0:2 zurücklag. Der Anschlusstreffer von Michel Mazingu-Dinzey kurz vor dem Halbzeitpfiff brachte neue Hoffnung. In der zweiten Hälfte startete St. Pauli einen Sturmlauf, der schließlich in der 86. Minute belohnt wurde. Der Treffer zum 2:2 von Felix Luz wurde später zum "Tor des Monats" gekürt. "Das Spiel war an Dramatik nicht zu überbieten. Es war der Wahnsinn", erinnert sich Brückner.

Finanzielle Rettung durch Pokalserie

Es ging in die Verlängerung. Auch hier erzielte die Hertha wieder die Führung. St. Pauli stemmte sich gegen die Niederlage und glich in der 106. Minute durch Florian Lechner noch einmal aus. Kurz darauf machte Robert Palikuca den 4:3-Siegtreffer. Das Millerntor wurde zum Tollhaus. "Gegen Hertha kamen wir mit ungeheurer Wucht zurück. Wir waren aggressiv, aber positiv. Wir haben uns gegenseitig gepusht. Die ganze Pokalrunde fühlte sich an wie ein ewiges Comeback", so Brückner. 11 Freunde adelte das Achtelfinalspiel später mit einem Platz in ihrer Rangliste der "100 größten Spiele aller Zeiten".

In der Runde der besten Acht bekam es der FC St. Pauli dann mit Werder Bremen zu tun. In diesem Spiel ging es nicht nur um den Einzug ins Halbfinale. Es ging auch um die Zukunft des Vereins, der in dieser Zeit finanziell in einer desaströsen Lage war. "Als das Spiel gegen Bremen anstand, sickerte langsam durch, dass wir den Klub mit einem Sieg von seinen Schulden befreien könnten. Das war extrem", beschreibt Brückner die Situation vor dem Duell gegen Werder. Eine kräftige Finanzspitze durch Prämien und Fernsehgelder ermöglichte schließlich einen Umbau des Millerntors. "Ohne unsere Pokalserie wäre es dazu vermutlich nie gekommen", meint Florian Lechner.

Schnee und Eis im Viertelfinale

Im Vorfeld des Spiels gab es noch einen weiteren Aufreger. Eis und Schnee machten den Platz am Millerntor, das damals nicht über eine Rasenheizung verfügte, nahezu unbespielbar. "Das Spiel hatte groteske Züge und mit Fußball nicht sonderlich viel zu tun. Es war eher wie Schlittschuhlaufen", so Brückner. Bremen forderte eine Verlegung der Partie, Schiedsrichter Brych pfiff trotzdem an. St. Pauli siegte klar mit 3:1 - das vierte "B" war bezwungen. Nun sollte mit den Bayern im Halbfinale das fünfte folgen.

Auch wenn das anschließende 3:0 der Münchner eine klare Sprache zu sprechen schien - St. Pauli war auch in diesem Heimspiel nicht chancenlos, hatte nach dem 0:1 mehrmals den Ausgleich auf dem Fuß. "Wir spielten ganz gut und glaubten daran, das Spiel zu drehen", beschreibt Brückner. "Erst als in der 81. Minute das 0:2 fiel, war die Sache gegessen."

Selbst Oliver Kahn, der damals das Bayern-Tor hütete, erklärte nach dem Finaleinzug anerkennend: "Ich kann mich nicht erinnern, dass wir in den letzten Jahren einmal so unter Druck gestanden hätten." Es war das bemerkenswerte Ende einer unglaublichen Saison von St. Pauli.

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