Fanradios auf Sendung: 3. Liga für die Ohren

On Air mit den Fanradios der 3. Liga! Fanreporter Carsten Germann hat sich für DFB.de bei den Klubs um- und in die Angebote reingehört.

Irgendwann greift Arvid Langschwager zum letzten Mittel. "Rollo" muss her. Wenn noch einer helfen kann, dann nur er. Gemeint ist eine rund 20 Zentimeter große Wikingerfigur. Das längst pensionierte Maskottchen des F.C. Hansa Rostock kommt immer dann auf das Kommentatorenpult, wenn es bei den Hanseaten nicht läuft. Wie im Heimspiel gegen den TSV 1860 München. 0:1 zur Halbzeit. Guter Rat scheint teuer.

Arvid Langschwager, Fanradio-Reporter des F.C. Hansa, schleicht missmutig, die Hände in den Taschen seiner "Hansa Media"-Jacke versenkt, durch den fast leeren Presseraum. Immer wieder schaut er sich dort auf den Monitoren kopfschüttelnd die Highlights der ersten Hälfte an. Dass mit Dennis Erdmann ausgerechnet ein ehemaliger Hansa-Profi für die Sechziger getroffen hat, will ihm erst recht nicht in den Kopf.

"Kein Geld, keine Posten, ehrenamtlich"

Arvid Langschwager (48), gebürtiger Rostocker, und der ebenfalls in der Hansestadt geborene Helmar Wildenhain (47) sind die Stimmen des Fanradios von Hansa Rostock bei den Heimspielen. Zwei Überzeugungstäter. Technische Unterstützung erhalten Sie von Sebastian Engel (39). "Bei unseren Auswärtsspielen haben wir andere ehrenamtliche Kommentatoren, die mich quer durch Deutschland begleiten", sagt Hansa-Pressesprecherin Marit Scholz. "Das sind in der Regel Richard Kulaschewitz und Thomas Weggen, die bei den Heimspielen auch für unser Blindenradio kommentieren."

"Kein Geld, keine Posten, ehrenamtlich: Das war unsere Devise, als wir angefangen haben", erzählt Arvid. Daran und an der Intensität, mit der die beiden ihre Aufgabe angehen, hat sich nichts geändert. Arvid und Helmar leben und leiden 90 Minuten am Mikrofon mit Hansa Rostock mit.

Norddeutsche Zurückhaltung? Eher nicht!

Der gepflegte Hanseaten-Talk hört sich dann so an. "Ich habe in der Halbzeit gehört, dass wir keine Ahnung von Fußball haben", sagt Helmar. "Das wäre nicht das erste Mal", kontert Arvid. Erlebt man das Duo on Air, wird die Rollenverteilung schnell klar. Während Helmar Wildenhain, im Hauptberuf Leiter der IT von Hansa Rostock, nordisch-zurückhaltend kommentiert und dabei fast wie der Manni Breuckmann von der Ostsee wirkt, lebt Arvid Langschwager seine Emotion am Mikrofon voll aus.

"Wenn man Helmar zuhört, kann man das Spiel genau verfolgen", erklärt Arvid, "ich dagegen bin der Brüllaffe, der sich aufregt, der die Emotion reinbringt oder Sachen bewusst falsch erzählt, damit Helmar mich korrigieren kann." Der praktizierende Zahnarzt kann während der 90 Minuten richtig aus dem Sattel gehen. Als Rostock nach 75 Minuten einen Handelfmeter fordert und nicht bekommt, verlässt Arvid seinen Kommentatorenplatz. "Das ist ja Handball!", brüllt er in sein Headset-Mikrofon.

Hanseatisch-cool und herrlich-subjektiv schaukeln die beiden Reporter das Spiel der "Kogge" über die Runden. "Mölders gegen alle, das ist mindestens einer zu viel", kommentiert Arvid nach einem misslungenen Dribbling von 1860-Sturmtank Sascha Mölders süffisant.

"Manchmal sind wir sogar zu nett"

Das Hansa-Fanradio, seit dem 23. Januar 2010 gegen Rot-Weiß Erfurt (3:0) auf Sendung, erreicht pro Spiel bis zu 10.000 Hörer*innen. Langschwager und Wildenhain sind von Anfang an dabei. Sie lassen kein Spiel aus. Außer höhere Gewalt zwingt sie dazu. Wie im Frühjahr, auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie.

Doch der Spaß hat auch seine Grenzen. "Wir haben eine Ehrenerklärung unterschrieben, dass wir keine rassistischen, sexistischen oder beleidigende Kommentare abgeben. Unsere Pressesprecherin hört sich das im Nachgang an und wenn etwas nicht passt, dann gibt es eins auf den Deckel. Vom Verein muss eine Kontrolle erfolgen", sagt Arvid Langschwager. Aber der Hansa-Fan, dessen Brillengestell das Vereinslogo ziert, weiß auch: "Seit über zehn Jahren vertraut uns der Verein. Wir sind immer hundertprozentig loyal dem Verein gegenüber, das weiß man bei Hansa und gibt uns unsere Freiheiten. Manchmal sind wir sogar zu nett."

"Wir wollen den Fans was bieten"

Für fast alle Radiomacher in der 3. Liga gilt: Aller Anfang ist schwer. "Keiner von uns hatte Radioerfahrung. Die erste Anmoderation habe ich sehr hölzern vom Blatt abgelesen, vollkommener Blödsinn", erinnert sich Arvid Langschwager an den Start, "das war ein Learning by doing-Prozess." Nach dem Abstieg der Kogge aus der 2. Bundesliga 2010 gab es zunächst keine regelmäßigen TV-Übertragungen mehr - und auch noch kein Fanradio.

"Wir haben gesagt: Okay, wir wollen den Fans was bieten. Wir haben mit dem damaligen Pressesprecher gesprochen - und los ging’s", sagt Langschwager. Die beiden Hansa-Reporter bereiten sich auf die 90 Minuten akribisch vor. Sie recherchieren zu Hause - ganz journalistisch - alle relevanten Infos über den Gegner. "Wir wollen nicht nur rumkrakeelen", erklärt Langschwager, "sondern wir bringen auch Fakten." Dieser Mix kommt an bei den Hansa-Fans.

Ex-Profi am Münchner Mikrofon

Der Gegner vom TSV 1860 München, der an diesem herrlichen Oktobersamstag am Ende ein 1:1 von der Ostsee mitnimmt, bietet erst seit der Saison 2019/2020 ein Internet-Radioformat für TSV-Anhänger an. Das "Löwen-Radio" hat nach Vereinsangaben ein erfolgreiches erstes Jahr hingelegt. Im Schnitt verfolgen 3500 Hörer*innen pro Spieltag das neue Medienangebot.

Für die Fans der Giesinger am Mikrofon: Gilbert Kalb und der ehemalige "Löwen"-Profi Jan Mauersberger (35). Sie bringen das Spielgeschehen aus dem Grünwalder Stadion auch in der aktuellen Spielzeit für alle Fans live ins Webradio. Der Sendungsstart an Spieltagen ist 30 Minuten vor dem Start der jeweiligen Partie. Aber: Das "Löwenradio" gibt es bevorzugt nur bei den Heimspielen. Lediglich ausgewählte Auswärtsspiele werden übertragen.

Professionell in Dresden und Lautern

Professionell geht es bei Dynamo Dresden zu. Der Livestream vom Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) ist über das Sachsenradio zu hören. Über die Spiele der 3. Liga und des DFB-Pokals berichten Ronny Maiwald, Alexander Schubert und Roland Kühnke.

Das "FCK-Fanradio powered by RPR1" ist eine Exklusivpartnerschaft zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und dem 1986 auf Sendung gegangenen Privatsender RPR1. Seit 2016/2017 werden auch Auswärtsspiele der "Roten Teufel" live übertragen. Marco Menches und Tom Mihanovic sind die Kommentatoren.

"Kein Fan ohne den Waldhof" - das ist das Motto beim SV Waldhof Mannheim. Der Waldhof Livestream ist das offizielle Vereinsradio des SV Waldhof Mannheim. Ein ehrenamtlich tätiges Reporterteam berichtet live und kostenlos für Fans aus dem Carl-Benz-Stadion und von diversen Auswärtsspielen. Aktuell nicht auf Sendung sind das "Schanzer Radio" des FC Ingolstadt und "Radio Viktoria" von Viktoria Köln.

"Größte Motivation sind die Reaktionen der Fans"

Uneingeschränkt und schon seit 2015 on Air: Radio Blau-Rot vom KFC Uerdingen. Der gebürtige Krefelder Christian Ritzenfeld (49) und Timon Ufermann (29) sind die Kommentatoren beim DFB-Pokalsieger von 1985. Sie werden unterstützt von Björn "Info" Busch. Er ist ein KFC-Fan, der das Kommentatorenduo zwei Stunden vor dem Spiel mit den letzten Informationen versorgt. Christian "Chris" Ritzenfeld hat mit Radio Blau-Rot praktisch ganz unten angefangen. Der ehemalige Bundesligist war in die Oberliga abgestürzt. "In der Regionalliga und in der Oberliga", blickt er zurück, "gab es kaum TV-Übertragungen, das war schon ziemlich cool mit dem Radio. Damit konnten wir uns in der Uerdinger Fanszene einen Namen machen."

Die Uerdinger Fanreporter sind bei allen Spielen der 3. Liga, im Pokal und bei Freundschaftsspielen on Air. "Eine richtige Ausbildung haben wir nicht", sagt Ritzenfeld, "aber wir haben ein Konzept entwickelt: Zwei Fans gucken sich das Spiel an - und unterhalten sich darüber." Dies, so erklärt er weiter, sei der Nebenstrang neben der eigentlichen Beschreibung des Spiels. Unterstützt wurden sie in Sachen Technik von einem echten Radioprofi. "Anfangs hatten wir technische Probleme, das Equipment war veraltet und bei Toren war alles komplett übersteuert", erinnert sich Ritzenfeld. Mit der Erfahrung wuchsen auch die Ansprüche der Uerdinger Radio-Macher: "Wir wollen es so von der Qualität wie in der WDR-Bundesligakonferenz. Wir wollten nicht, dass man hört, dass Amateure auf Sendung sind. So haben wir das autodidaktisch umgesetzt."

Radio Blau-Rot liefert seinen Zuhörern neben dem Spielkommentar noch einige andere Services. So werden während der Liveübertragung Fangrüße, die per Facebook, Twitter oder per E-Mail hereinrauschen, vorgelesen, wenn sich das Spiel eine Atempause nimmt. Immer live dabei sein können sie allerdings nicht. "Das ist alles eine Frage der Finanzierung - in Zwickau oder Rostock muss man fast schon übernachten", erklärt Ritzenfeld, "wir sind auf Spenden angewiesen." Die größte Motivation, sagt er, "sind die Reaktionen der Fans. Wir haben ein großes Stammpublikum. Sehr schön sind die Reaktionen der Gästehörer. Wir bemühen uns, objektiv zu bleiben. Wir können aber auch mal aus der Hose springen."

"Da wird der Hund doch in der Pfanne verrückt!"

Das gilt wohl auch für die Macher des FCS-Radios beim 1. FC Saarbrücken. Sie haben den Husarenritt der Malstatter, der sie 2020 bis ins DFB-Pokalhalbfinale führte, live übertragen. Und am 18. Oktober erlebten sie in der 3. Liga eine Radio-Sternstunde, einen Moment, von dem jeder Reporter und jede Reporterin träumt: Entscheidung in der Nachspielzeit. Sebastian Jacob (90. + 3) sorgt bei den Saarbrücker Fanradio-Kommentatoren Kai und Freddy für die pure Ekstase. "Jaaaaaaaa, ja, ja, ja, da ist das Tor, 2:1 für den 1. FC Saarbrücken, da wirst du doch bekloppt wieder ist es Lukas Schleimer mit der Vorarbeit - und ich weiß nicht, wer den Treffer macht" - "Sebi Jacob" - "Der Sebastian Jacob mit dem 2:1 für den 1. FC Saarbrücken und das Spiel ist aus. Da wird der Hund doch in der Pfanne verrückt! Unfassbar - und vorbei!"

Zusammen mit Ricky, Sven und Ole bilden die beiden ein eingespieltes Team, das den 1. FC Saarbrücken seit 13 Jahren in diversen Ligen begleitet. Größter Gegner ist dabei die Technik. Sie sorgt beim FCS-Team, das immer live im Stadion ist, eher für schwitzige Hände als die Spiele der Blau-Schwarzen. "Wir übertragen alle Ligaspiele, die DFB-Pokalgeschichten letztes Jahr und manchmal den Saarland-Pokal", erzählt Ricky, "das geht nicht immer, weil die WLAN-Voraussetzungen manchmal nicht gegeben sind."

"Es bleibt alles im FSK-12-Bereich"

Die Zugriffszahlen, beispielsweise auf dem YouTube-Kanal, liegen zwischen 1300 und 5000 pro Spiel. "Die Saarland-Exilanten sind froh über diesen Service. Viele Fans lassen das TV-Bild laufen und hören unseren Kommentar." Mit vielen Fakten, aber auch mit saarländischem Lokalkolorit. "Unser Fanradio", erklärt Ricky, "lebt von der Authentizität, von der Spontanität und der Ehrlichkeit. Wir kommen rüber wie ganz normale Fußballfans."

"Man kann ruhig mal zum Reporterkollegen sagen: Du hast keine Ahnung!", sagt Ricky. "Es gibt Spiele, die zäh sind, aber man findet immer irgendwie einen Running Gag, mit dem man die Stimmung auflockern kann. Wir lesen das Spiel auf dem Platz und versuchen, darum Geschichten zu bauen. Wir planen das aber nicht." Fanradio nach Drehbuch würde auch nicht funktionieren. Die Gefühlslage der Reporter beschreibt er so: "Der eine ist aufgewühlt, weil er vielleicht den Gegner nicht mag, aber es bleibt immer alles im FSK-12-Bereich." Sieht auch der Rostocker Kollege Arvid so: "Anstand und Niveau trotz allem Fanatismus - es soll nicht in die Gossensprache gehen."

[dfb]

On Air mit den Fanradios der 3. Liga! Fanreporter Carsten Germann hat sich für DFB.de bei den Klubs um- und in die Angebote reingehört.

Irgendwann greift Arvid Langschwager zum letzten Mittel. "Rollo" muss her. Wenn noch einer helfen kann, dann nur er. Gemeint ist eine rund 20 Zentimeter große Wikingerfigur. Das längst pensionierte Maskottchen des F.C. Hansa Rostock kommt immer dann auf das Kommentatorenpult, wenn es bei den Hanseaten nicht läuft. Wie im Heimspiel gegen den TSV 1860 München. 0:1 zur Halbzeit. Guter Rat scheint teuer.

Arvid Langschwager, Fanradio-Reporter des F.C. Hansa, schleicht missmutig, die Hände in den Taschen seiner "Hansa Media"-Jacke versenkt, durch den fast leeren Presseraum. Immer wieder schaut er sich dort auf den Monitoren kopfschüttelnd die Highlights der ersten Hälfte an. Dass mit Dennis Erdmann ausgerechnet ein ehemaliger Hansa-Profi für die Sechziger getroffen hat, will ihm erst recht nicht in den Kopf.

"Kein Geld, keine Posten, ehrenamtlich"

Arvid Langschwager (48), gebürtiger Rostocker, und der ebenfalls in der Hansestadt geborene Helmar Wildenhain (47) sind die Stimmen des Fanradios von Hansa Rostock bei den Heimspielen. Zwei Überzeugungstäter. Technische Unterstützung erhalten Sie von Sebastian Engel (39). "Bei unseren Auswärtsspielen haben wir andere ehrenamtliche Kommentatoren, die mich quer durch Deutschland begleiten", sagt Hansa-Pressesprecherin Marit Scholz. "Das sind in der Regel Richard Kulaschewitz und Thomas Weggen, die bei den Heimspielen auch für unser Blindenradio kommentieren."

"Kein Geld, keine Posten, ehrenamtlich: Das war unsere Devise, als wir angefangen haben", erzählt Arvid. Daran und an der Intensität, mit der die beiden ihre Aufgabe angehen, hat sich nichts geändert. Arvid und Helmar leben und leiden 90 Minuten am Mikrofon mit Hansa Rostock mit.

Norddeutsche Zurückhaltung? Eher nicht!

Der gepflegte Hanseaten-Talk hört sich dann so an. "Ich habe in der Halbzeit gehört, dass wir keine Ahnung von Fußball haben", sagt Helmar. "Das wäre nicht das erste Mal", kontert Arvid. Erlebt man das Duo on Air, wird die Rollenverteilung schnell klar. Während Helmar Wildenhain, im Hauptberuf Leiter der IT von Hansa Rostock, nordisch-zurückhaltend kommentiert und dabei fast wie der Manni Breuckmann von der Ostsee wirkt, lebt Arvid Langschwager seine Emotion am Mikrofon voll aus.

"Wenn man Helmar zuhört, kann man das Spiel genau verfolgen", erklärt Arvid, "ich dagegen bin der Brüllaffe, der sich aufregt, der die Emotion reinbringt oder Sachen bewusst falsch erzählt, damit Helmar mich korrigieren kann." Der praktizierende Zahnarzt kann während der 90 Minuten richtig aus dem Sattel gehen. Als Rostock nach 75 Minuten einen Handelfmeter fordert und nicht bekommt, verlässt Arvid seinen Kommentatorenplatz. "Das ist ja Handball!", brüllt er in sein Headset-Mikrofon.

Hanseatisch-cool und herrlich-subjektiv schaukeln die beiden Reporter das Spiel der "Kogge" über die Runden. "Mölders gegen alle, das ist mindestens einer zu viel", kommentiert Arvid nach einem misslungenen Dribbling von 1860-Sturmtank Sascha Mölders süffisant.

"Manchmal sind wir sogar zu nett"

Das Hansa-Fanradio, seit dem 23. Januar 2010 gegen Rot-Weiß Erfurt (3:0) auf Sendung, erreicht pro Spiel bis zu 10.000 Hörer*innen. Langschwager und Wildenhain sind von Anfang an dabei. Sie lassen kein Spiel aus. Außer höhere Gewalt zwingt sie dazu. Wie im Frühjahr, auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie.

Doch der Spaß hat auch seine Grenzen. "Wir haben eine Ehrenerklärung unterschrieben, dass wir keine rassistischen, sexistischen oder beleidigende Kommentare abgeben. Unsere Pressesprecherin hört sich das im Nachgang an und wenn etwas nicht passt, dann gibt es eins auf den Deckel. Vom Verein muss eine Kontrolle erfolgen", sagt Arvid Langschwager. Aber der Hansa-Fan, dessen Brillengestell das Vereinslogo ziert, weiß auch: "Seit über zehn Jahren vertraut uns der Verein. Wir sind immer hundertprozentig loyal dem Verein gegenüber, das weiß man bei Hansa und gibt uns unsere Freiheiten. Manchmal sind wir sogar zu nett."

"Wir wollen den Fans was bieten"

Für fast alle Radiomacher in der 3. Liga gilt: Aller Anfang ist schwer. "Keiner von uns hatte Radioerfahrung. Die erste Anmoderation habe ich sehr hölzern vom Blatt abgelesen, vollkommener Blödsinn", erinnert sich Arvid Langschwager an den Start, "das war ein Learning by doing-Prozess." Nach dem Abstieg der Kogge aus der 2. Bundesliga 2010 gab es zunächst keine regelmäßigen TV-Übertragungen mehr - und auch noch kein Fanradio.

"Wir haben gesagt: Okay, wir wollen den Fans was bieten. Wir haben mit dem damaligen Pressesprecher gesprochen - und los ging’s", sagt Langschwager. Die beiden Hansa-Reporter bereiten sich auf die 90 Minuten akribisch vor. Sie recherchieren zu Hause - ganz journalistisch - alle relevanten Infos über den Gegner. "Wir wollen nicht nur rumkrakeelen", erklärt Langschwager, "sondern wir bringen auch Fakten." Dieser Mix kommt an bei den Hansa-Fans.

Ex-Profi am Münchner Mikrofon

Der Gegner vom TSV 1860 München, der an diesem herrlichen Oktobersamstag am Ende ein 1:1 von der Ostsee mitnimmt, bietet erst seit der Saison 2019/2020 ein Internet-Radioformat für TSV-Anhänger an. Das "Löwen-Radio" hat nach Vereinsangaben ein erfolgreiches erstes Jahr hingelegt. Im Schnitt verfolgen 3500 Hörer*innen pro Spieltag das neue Medienangebot.

Für die Fans der Giesinger am Mikrofon: Gilbert Kalb und der ehemalige "Löwen"-Profi Jan Mauersberger (35). Sie bringen das Spielgeschehen aus dem Grünwalder Stadion auch in der aktuellen Spielzeit für alle Fans live ins Webradio. Der Sendungsstart an Spieltagen ist 30 Minuten vor dem Start der jeweiligen Partie. Aber: Das "Löwenradio" gibt es bevorzugt nur bei den Heimspielen. Lediglich ausgewählte Auswärtsspiele werden übertragen.

Professionell in Dresden und Lautern

Professionell geht es bei Dynamo Dresden zu. Der Livestream vom Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) ist über das Sachsenradio zu hören. Über die Spiele der 3. Liga und des DFB-Pokals berichten Ronny Maiwald, Alexander Schubert und Roland Kühnke.

Das "FCK-Fanradio powered by RPR1" ist eine Exklusivpartnerschaft zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und dem 1986 auf Sendung gegangenen Privatsender RPR1. Seit 2016/2017 werden auch Auswärtsspiele der "Roten Teufel" live übertragen. Marco Menches und Tom Mihanovic sind die Kommentatoren.

"Kein Fan ohne den Waldhof" - das ist das Motto beim SV Waldhof Mannheim. Der Waldhof Livestream ist das offizielle Vereinsradio des SV Waldhof Mannheim. Ein ehrenamtlich tätiges Reporterteam berichtet live und kostenlos für Fans aus dem Carl-Benz-Stadion und von diversen Auswärtsspielen. Aktuell nicht auf Sendung sind das "Schanzer Radio" des FC Ingolstadt und "Radio Viktoria" von Viktoria Köln.

"Größte Motivation sind die Reaktionen der Fans"

Uneingeschränkt und schon seit 2015 on Air: Radio Blau-Rot vom KFC Uerdingen. Der gebürtige Krefelder Christian Ritzenfeld (49) und Timon Ufermann (29) sind die Kommentatoren beim DFB-Pokalsieger von 1985. Sie werden unterstützt von Björn "Info" Busch. Er ist ein KFC-Fan, der das Kommentatorenduo zwei Stunden vor dem Spiel mit den letzten Informationen versorgt. Christian "Chris" Ritzenfeld hat mit Radio Blau-Rot praktisch ganz unten angefangen. Der ehemalige Bundesligist war in die Oberliga abgestürzt. "In der Regionalliga und in der Oberliga", blickt er zurück, "gab es kaum TV-Übertragungen, das war schon ziemlich cool mit dem Radio. Damit konnten wir uns in der Uerdinger Fanszene einen Namen machen."

Die Uerdinger Fanreporter sind bei allen Spielen der 3. Liga, im Pokal und bei Freundschaftsspielen on Air. "Eine richtige Ausbildung haben wir nicht", sagt Ritzenfeld, "aber wir haben ein Konzept entwickelt: Zwei Fans gucken sich das Spiel an - und unterhalten sich darüber." Dies, so erklärt er weiter, sei der Nebenstrang neben der eigentlichen Beschreibung des Spiels. Unterstützt wurden sie in Sachen Technik von einem echten Radioprofi. "Anfangs hatten wir technische Probleme, das Equipment war veraltet und bei Toren war alles komplett übersteuert", erinnert sich Ritzenfeld. Mit der Erfahrung wuchsen auch die Ansprüche der Uerdinger Radio-Macher: "Wir wollen es so von der Qualität wie in der WDR-Bundesligakonferenz. Wir wollten nicht, dass man hört, dass Amateure auf Sendung sind. So haben wir das autodidaktisch umgesetzt."

Radio Blau-Rot liefert seinen Zuhörern neben dem Spielkommentar noch einige andere Services. So werden während der Liveübertragung Fangrüße, die per Facebook, Twitter oder per E-Mail hereinrauschen, vorgelesen, wenn sich das Spiel eine Atempause nimmt. Immer live dabei sein können sie allerdings nicht. "Das ist alles eine Frage der Finanzierung - in Zwickau oder Rostock muss man fast schon übernachten", erklärt Ritzenfeld, "wir sind auf Spenden angewiesen." Die größte Motivation, sagt er, "sind die Reaktionen der Fans. Wir haben ein großes Stammpublikum. Sehr schön sind die Reaktionen der Gästehörer. Wir bemühen uns, objektiv zu bleiben. Wir können aber auch mal aus der Hose springen."

"Da wird der Hund doch in der Pfanne verrückt!"

Das gilt wohl auch für die Macher des FCS-Radios beim 1. FC Saarbrücken. Sie haben den Husarenritt der Malstatter, der sie 2020 bis ins DFB-Pokalhalbfinale führte, live übertragen. Und am 18. Oktober erlebten sie in der 3. Liga eine Radio-Sternstunde, einen Moment, von dem jeder Reporter und jede Reporterin träumt: Entscheidung in der Nachspielzeit. Sebastian Jacob (90. + 3) sorgt bei den Saarbrücker Fanradio-Kommentatoren Kai und Freddy für die pure Ekstase. "Jaaaaaaaa, ja, ja, ja, da ist das Tor, 2:1 für den 1. FC Saarbrücken, da wirst du doch bekloppt wieder ist es Lukas Schleimer mit der Vorarbeit - und ich weiß nicht, wer den Treffer macht" - "Sebi Jacob" - "Der Sebastian Jacob mit dem 2:1 für den 1. FC Saarbrücken und das Spiel ist aus. Da wird der Hund doch in der Pfanne verrückt! Unfassbar - und vorbei!"

Zusammen mit Ricky, Sven und Ole bilden die beiden ein eingespieltes Team, das den 1. FC Saarbrücken seit 13 Jahren in diversen Ligen begleitet. Größter Gegner ist dabei die Technik. Sie sorgt beim FCS-Team, das immer live im Stadion ist, eher für schwitzige Hände als die Spiele der Blau-Schwarzen. "Wir übertragen alle Ligaspiele, die DFB-Pokalgeschichten letztes Jahr und manchmal den Saarland-Pokal", erzählt Ricky, "das geht nicht immer, weil die WLAN-Voraussetzungen manchmal nicht gegeben sind."

"Es bleibt alles im FSK-12-Bereich"

Die Zugriffszahlen, beispielsweise auf dem YouTube-Kanal, liegen zwischen 1300 und 5000 pro Spiel. "Die Saarland-Exilanten sind froh über diesen Service. Viele Fans lassen das TV-Bild laufen und hören unseren Kommentar." Mit vielen Fakten, aber auch mit saarländischem Lokalkolorit. "Unser Fanradio", erklärt Ricky, "lebt von der Authentizität, von der Spontanität und der Ehrlichkeit. Wir kommen rüber wie ganz normale Fußballfans."

"Man kann ruhig mal zum Reporterkollegen sagen: Du hast keine Ahnung!", sagt Ricky. "Es gibt Spiele, die zäh sind, aber man findet immer irgendwie einen Running Gag, mit dem man die Stimmung auflockern kann. Wir lesen das Spiel auf dem Platz und versuchen, darum Geschichten zu bauen. Wir planen das aber nicht." Fanradio nach Drehbuch würde auch nicht funktionieren. Die Gefühlslage der Reporter beschreibt er so: "Der eine ist aufgewühlt, weil er vielleicht den Gegner nicht mag, aber es bleibt immer alles im FSK-12-Bereich." Sieht auch der Rostocker Kollege Arvid so: "Anstand und Niveau trotz allem Fanatismus - es soll nicht in die Gossensprache gehen."

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