Fall SV Wilhelmshaven: Die wichtigsten Fragen und Antworten

Ende September hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe im Fall SV Wilhelmshaven zu Gunsten des Vereins entschieden. Mittlerweile liegt die schriftliche Urteilsbegründung vor. Der DFB hat diese analysiert. Die Ergebnisse dieser Analyse stellt der DFB heute vor, im Rahmen eines Pressegesprächs in Frankfurt mit dem 1. DFB-Vizepräsidenten Dr. Rainer Koch, Eugen Gehlenborg, dem Präsidenten des Norddeutschen Fußball-Verbandes, sowie Dr. Jörg Englisch (DFB-Direktor Recht) und Heiko Petersen, dem Vorsitzenden des NFV-Verbandsgerichts. DFB.de gibt einen Überblick der wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit dem Fall Wilhelmshaven.

Was ist der Ursprung des Falles SV Wilhelmshaven?

Der SV Wilhelmshaven verpflichtete im Jahr 2007 für seine damalige Regionalligamannschaft den Spieler Sergio Sagarzazu mit italienischer und argentinischer Staatsangehörigkeit als Vertragsspieler, der zuvor für zwei argentinische Vereine als Amateur registriert war. Auf Antrag der argentinischen Vereine setzte die FIFA im Jahr 2008 auf Grundlage des FIFA-Reglements bezüglich Status und Transfer von Spielern Ausbildungsentschädigungen in Höhe von insgesamt 157.500 Euro gegen den SV Wilhelmshaven fest. Der SV Wilhelmshaven zahlte nicht. Daraufhin reagierte die FIFA auf Betreiben der argentinischen Vereine mit Disziplinarmaßnahmen nach ihren Statuten und sprach zweimal Abzüge von jeweils sechs Punkten aus. Der SV Wilhelmshaven zahlte weiterhin nicht. Daher verhängte die FIFA einen Zwangsabstieg. Die Strafe wurde durch Beschluss des für den SV Wilhelmshaven als damals in der Regionalliga Nord spielenden Vereins als Träger der Regionalliga zuständigen Präsidiums des Norddeutschen Fußball-Verbandes (NFV) vollstreckt. In der Saison 2013/2014 wurde der Zwangsabstieg der Regionalligamannschaft des SV Wilhelmshaven umgesetzt.

Wie liefen die Verfahren vor dem CAS?

Der SV Wilhelmshaven hat sich bereits gegen den FIFA-Beschluss zur Zahlung der Ausbildungsentschädigung zur Wehr gesetzt und zog vor das internationale Schiedsgericht „Court of Arbitration for Sport“ (CAS). Dort unterlag der SV Wilhelmshaven. Die Ausbildungsentschädigung für die Vereine in Argentinien wurde bestätigt. So war es auch bei der Überprüfung des von der FIFA verhängten Zwangsabstiegs. Wieder bestätigte der CAS die Rechtmäßigkeit der Disziplinarmaßnahme der FIFA. Eine nach Schweizer Recht bei Entscheidungen des CAS mögliche Anrufung des Schweizer Bundesgerichts gegen den Entscheid des CAS erfolgte nicht. Die den SV Wilhelmshaven zur Zahlung der Ausbildungsentschädigung verpflichtenden Beschlüsse der FIFA sind weiterhin rechtswirksam und nicht aufgehoben.

Wie haben die ordentlichen Gerichte entschieden?

Vor dem Landgericht Bremen war die Klage des SV Wilhelmshaven gegen den Zwangsabstieg erfolglos. In zweiter Instanz gab das Oberlandesgericht (OLG) Bremen dem Klub Recht und stellte im Berufungsurteil die Unrechtmäßigkeit des Zwangsabstiegs fest.

Was sagt der BGH?

Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden, dass die vom NFV getroffene Entscheidung über den Zwangsabstieg unrechtmäßig war. Damit bestätigte er das Urteil des OLG Bremen.

Ist das Urteil endgültig?

Ja. Möglich wäre eine Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht. Dieser Weg wird aber nicht beschritten.



Ende September hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe im Fall SV Wilhelmshaven zu Gunsten des Vereins entschieden. Mittlerweile liegt die schriftliche Urteilsbegründung vor. Der DFB hat diese analysiert. Die Ergebnisse dieser Analyse stellt der DFB heute vor, im Rahmen eines Pressegesprächs in Frankfurt mit dem 1. DFB-Vizepräsidenten Dr. Rainer Koch, Eugen Gehlenborg, dem Präsidenten des Norddeutschen Fußball-Verbandes, sowie Dr. Jörg Englisch (DFB-Direktor Recht) und Heiko Petersen, dem Vorsitzenden des NFV-Verbandsgerichts. DFB.de gibt einen Überblick der wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit dem Fall Wilhelmshaven.

Was ist der Ursprung des Falles SV Wilhelmshaven?

Der SV Wilhelmshaven verpflichtete im Jahr 2007 für seine damalige Regionalligamannschaft den Spieler Sergio Sagarzazu mit italienischer und argentinischer Staatsangehörigkeit als Vertragsspieler, der zuvor für zwei argentinische Vereine als Amateur registriert war. Auf Antrag der argentinischen Vereine setzte die FIFA im Jahr 2008 auf Grundlage des FIFA-Reglements bezüglich Status und Transfer von Spielern Ausbildungsentschädigungen in Höhe von insgesamt 157.500 Euro gegen den SV Wilhelmshaven fest. Der SV Wilhelmshaven zahlte nicht. Daraufhin reagierte die FIFA auf Betreiben der argentinischen Vereine mit Disziplinarmaßnahmen nach ihren Statuten und sprach zweimal Abzüge von jeweils sechs Punkten aus. Der SV Wilhelmshaven zahlte weiterhin nicht. Daher verhängte die FIFA einen Zwangsabstieg. Die Strafe wurde durch Beschluss des für den SV Wilhelmshaven als damals in der Regionalliga Nord spielenden Vereins als Träger der Regionalliga zuständigen Präsidiums des Norddeutschen Fußball-Verbandes (NFV) vollstreckt. In der Saison 2013/2014 wurde der Zwangsabstieg der Regionalligamannschaft des SV Wilhelmshaven umgesetzt.

Wie liefen die Verfahren vor dem CAS?

Der SV Wilhelmshaven hat sich bereits gegen den FIFA-Beschluss zur Zahlung der Ausbildungsentschädigung zur Wehr gesetzt und zog vor das internationale Schiedsgericht „Court of Arbitration for Sport“ (CAS). Dort unterlag der SV Wilhelmshaven. Die Ausbildungsentschädigung für die Vereine in Argentinien wurde bestätigt. So war es auch bei der Überprüfung des von der FIFA verhängten Zwangsabstiegs. Wieder bestätigte der CAS die Rechtmäßigkeit der Disziplinarmaßnahme der FIFA. Eine nach Schweizer Recht bei Entscheidungen des CAS mögliche Anrufung des Schweizer Bundesgerichts gegen den Entscheid des CAS erfolgte nicht. Die den SV Wilhelmshaven zur Zahlung der Ausbildungsentschädigung verpflichtenden Beschlüsse der FIFA sind weiterhin rechtswirksam und nicht aufgehoben.

Wie haben die ordentlichen Gerichte entschieden?

Vor dem Landgericht Bremen war die Klage des SV Wilhelmshaven gegen den Zwangsabstieg erfolglos. In zweiter Instanz gab das Oberlandesgericht (OLG) Bremen dem Klub Recht und stellte im Berufungsurteil die Unrechtmäßigkeit des Zwangsabstiegs fest.

Was sagt der BGH?

Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden, dass die vom NFV getroffene Entscheidung über den Zwangsabstieg unrechtmäßig war. Damit bestätigte er das Urteil des OLG Bremen.

Ist das Urteil endgültig?

Ja. Möglich wäre eine Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht. Dieser Weg wird aber nicht beschritten.

###more###

Warum ist Wilhelmshaven laut BGH nicht ans FIFA-Sanktionierungssystem gebunden?

Wilhelmshaven ist nicht Mitglied des DFB und auch nicht Mitglied der FIFA. Der Verein ist Mitglied im NFV. In der Satzung des NFV findet sich nach Auffassung des BGH keine hinreichend bestimmte Disziplinarvorschrift, wonach ein Zwangsabstieg als Folge der Nichtzahlung einer Ausbildungsentschädigung vorgesehen ist. Die Satzung des NFV enthält zwar Verweise auf die Satzung und Ordnungen des DFB, aber nicht ausdrücklich auf die FIFA-Statuten. Solche Verweise sind grundsätzlich zulässig. Der BGH betonte, dass auch der SV Wilhelmshaven über entsprechende Klauseln dem Disziplinarrecht der FIFA unterworfen sein kann.

Im konkreten Fall vertrat der BGH aber die Auffassung, dass die Verweisungsklausel in der Satzung des NFV nicht ausreichend für eine Unterwerfung war. Für die Richter war die Klausel nicht bestimmt genug, da sie weder Hinweis auf die FIFA-Satzung enthielt noch einen ausdrücklichen Verweis auf die FIFA-Disziplinarvorschriften. Über den Verweis in der Satzung des NFV war der SV Wilhelmshaven laut BGH also nicht an das Disziplinarrecht der FIFA gebunden. 

Ergibt sich eine solche Bindung nicht aus der Zulassungsvereinbarung zur Regionalliga Nord zwischen dem SV Wilhelmshaven und dem DFB?

Laut BGH: Nein. Vor Aufnahme des Spielbetriebs in der Regionalliga Nord hat der Klub mit dem DFB – dem damaligen Träger der Regionalliga – eine Zulassungsvereinbarung geschlossen. Auch hierin findet sich der Hinweis auf Statuten der FIFA. In den Zulassungsvereinbarungen erkennen die Vereine die Bestimmungen über die Ausbildungs- und Förderungsentschädigung der FIFA an und verpflichten sich, diese auch zu zahlen. Der Maßstab des BGH ist aber sehr eng. Für die Richter in Karlsruhe fehlt in den Zulassungsvereinbarungen der Hinweis, dass auch das FIFA-Disziplinarreglement anerkannt wird. Zudem ergäbe sich auch aus der Zulassungsvereinbarung nicht hinreichend bestimmt, dass ein Klub bei Nichtzahlung der Ausbildungsentschädigung mit einem Zwangsabstieg belegt werden kann.

Welche Fragen wurden vom BGH nicht beantwortet?

Nicht entschieden wurde, ob der SV Wilhelmshaven zu Recht zur Zahlung einer Ausbildungs- und Förderungsentschädigung verurteilt worden ist und wie die Rechtslage im Verhältnis des deutschen Vereins zum DFB und zur FIFA ist. Darüber musste der BGH nicht befinden, weil sich für ihn die Rechtswidrigkeit des Zwangsabstiegs schon daraus ergab, dass das FIFA-Disziplinarreglement für den SV Wilhelmshaven nicht wirksam ist.

Offen geblieben ist auch die Frage der Zulässigkeit sogenannter dynamischer Verweisungen. In den Satzungen der Vereine und Verbände findet sich vielfach der Hinweis auf die Satzung eines übergeordneten Verbandes „in der jeweils gültigen Fassung“. So war es auch beim NFV und dem Hinweis auf die Satzung des DFB. Die Frage der Gültigkeit dieser dynamischen Verweise hat der BGH nicht beantwortet, weil es im konkreten Fall nicht darauf ankam, da der NFV nach Ansicht der Richter in seiner Satzung schon keinen ausreichenden Verweis auf die relevanten FIFA-Bestimmungen hatte.

###more###

Warum sind dynamische Verweisungen für den DFB so wichtig?

Weil ohne die Möglichkeit dynamischer Satzungsverweisungen die Struktur des gesamten Verbandssystems in Frage gestellt ist. Internationale Normen müssen für alle Beteiligten gleichermaßen gelten, genauso wie nationale Normen. Wenn 211 FIFA-Verbände etwas beschließen, dann muss das durch die Instanzen über Kontinentalverband, Nationalverband und Landesverband hinab bis zum kleinen Amateurverein gelten. Und das lässt sich nur über dynamische Verweise in den Satzungen regeln, anderenfalls müsste nach jeder Bestimmungsänderung durch die FIFA jeder Verein seine Satzung anpassen. Und dieser Aufwand ist nicht leistbar. Sollte ein Gericht eines Tages urteilen, dass dynamische Verweisungen unzulässig sind, wäre damit die Praktikabilität des Sports infrage gestellt.

Welche Folgen hat das Urteil?

Das Urteil selbst betrifft unmittelbar nur den NFV, hingegen nicht den DFB. Der DFB ist vom Urteil nur wegen dessen genereller Auswirkungen auf Verweisungsregelungen in den Statuten der Verbände betroffen.

Der BGH hat bemängelt, dass die Verweisungsklausel in der Satzung des NFV nicht bestimmt genug war. Hier wird eine Anpassung vorgenommen. Der DFB wird zudem in Zusammenarbeit mit den Landesverbänden Musterklauseln für Vereins- und Verbandssatzungen entwickeln, die dem Erfordernis der Bestimmtheit entsprechen sollen.

Ähnlich ist es bei den Zulassungsvereinbarungen, auch hier werden Anpassungen vorgenommen und Musterklauseln entwickelt. Bei den Zulassungsvereinbarungen besteht die Besonderheit, dass bereits höchstrichterlich festgestellt ist, dass dynamische Verweisungen in Zulassungsvereinbarungen rechtmäßig sind.

Bestehen für den SV Wilhelmshaven Schadenersatzansprüche?

Schadenersatz setzt eine Kausalität zwischen der rechtswidrigen Handlung – dem Zwangsabstieg – und dem entstandenen Schaden voraus. Zu untersuchen ist also, wie der Verein stünde, wenn der Zwangsabstieg nicht verhängt worden wäre. Im Fall von Wilhelmshaven gilt, dass der Verein die Saison 2013/2014 zu Ende gespielt hat und auch sportlich abgestiegen ist. Auch hatte die Verhängung des Zwangsabstiegs auf die Ergebnisse des Vereins, legt man die Tabelle zugrunde, keine erkennbaren negativen Auswirkungen und damit auch nicht auf den sportlichen Verlauf des Wettbewerbs für den Verein.

Für den Fall, dass der SV Wilhelmshaven einen finanziellen Ausgleich oder Schadenersatz in Form von Wiedereingliederung in die Regionalliga verlangt, trägt er die Beweislast. Der Verein muss darlegen, dass er ohne den Zwangsabstiegsbeschluss des NFV besser stünde als mit und deshalb einen Schadenersatzanspruch gegen den NFV hat. Dem ist aber nicht so.

Drohen dem DFB durch das BGH-Urteil Konsequenzen durch die FIFA?

Davon ist nicht auszugehen. Der DFB steht mit der FIFA in Kontakt. Vereinbart ist, dass der DFB dem Weltverband mitteilt, welche Konsequenzen er aus dem Urteil des BGH ziehen wird. Die FIFA weiß, dass der DFB die nationalen Gesetze und Gerichtsentscheidungen zu beachten hat.

###more###