Fairplay: Erfolgreiches Kölner Pilotprojekt gestartet

Neulich saß Ralf Klohr an seinem Schreibtisch und hatte etwas Zeit zum Überlegen. Er ging in Gedanken noch einmal die vergangenen Monate durch. Es war eine ereignisreiche Zeit, schließlich hatte der Fußballkreis Köln, bei dem er seit vergangenem Jahr der Fairplay-Beauftragte der Jugend ist, ein in Deutschland einzigartiges Pilotprojekt im Jugendfußball gestartet: In einer Kreisliga-Staffel bei den D-Junioren hatten die Verantwortlichen entschieden, nach abgewandelten Regeln der FairPlayLiga spielen zu lassen. Und genau das ist Klohrs Erfindung, das ist Klohrs Herzensangelegenheit, das ist Klohrs wichtigstes Projekt.

Vereinfacht gesagt geht es darum, dass die Spieler mehr Verantwortung auf dem Platz bei der Umsetzung der Regeln übernehmen sollen. Der Schiedsrichter soll nicht mehr der Buhmann sein, wenn er eine Entscheidung falsch getroffen hat. Bei Begegnungen nach den FairPlayRegeln bei den D-Junioren geht es darum, dass Spieler über Einwurf und Abstoß selbst entscheiden müssen. "Auf diesem Niveau gibt es noch keine Assistenten und der Schiedsrichter steht häufig zu weit weg. Deshalb ist es für mich nur logisch, dass die Spieler den Schiedsrichter unterstützen und die Sache selbst klären", sagt Klohr.

"Ich habe kein einziges negatives Feedback bekommen"

Aber kann die Idee tatsächlich in der Praxis funktionieren? Denn es gibt ja noch zwei weitere entscheidende Änderungen im Vergleich zum normalen Fußballspiel. Zuschauer und Eltern sollen Abstand zum Spielfeld halten, damit der Einfluss von außen reduziert wird. Zudem befinden sich die beiden Trainer in einer gemeinsamen Coachingzone. Sie sollen nicht gegeneinander arbeiten, sondern konstruktiv auf die eigenen Spieler einwirken. Und wie ist die Erkenntnis nach einjährigem Probelauf?

Kai Köhler ist einer der wichtigsten Männer bei der Umsetzung der Idee. Denn Köhler ist Schiedsrichteransetzer für den Fußballkreis Köln in dieser Staffel. Und die Unparteiischen sind oft der entscheidende Faktor, ob das Spiel nach den modifizierten FairPlayRegeln für den Jugendfußball funktioniert. "Ich habe kein einziges negatives Feedback bekommen", sagt Köhler. "Im Gegenteil, die Schiedsrichter sind glücklich darüber, weil die Stimmung auf dem Platz einfach viel entspannter ist. Wenn die Spieler in einigen genannten Situationen selbst entscheiden müssen, sind sie ganz automatisch viel fairer. Es gibt erst gar keine Diskussion darüber, wer den Ball hat. Meist ist es ja sowieso eindeutig." Und wenn nicht, tritt der Schiedsrichter als Moderator auf und hilft den Spielern aus seiner Sicht bei der Entscheidungsfindung. Deshalb erfährt er auch keinen Kompetenzverlust.

Die goldene Kurzformel: Klärt das untereinander

Genau das ist Erfinder Klohr wichtig. Es geht nicht darum, den Schiedsrichter zu entmachten. "Mir ist es wichtig, dass die Schiedsrichter wieder mit Freude ihrer Aufgabe nachgehen und sich nicht auf dem Platz beschimpfen lassen müssen", sagt der 52-Jährige. "Zudem ärgert es mich, dass es schon im Jugendfußball normal ist, die Spielregeln um des Erfolges willen vorsätzlich zu brechen. Es ist auch eine Unsitte, dass viele Trainer und Eltern hier nicht erzieherisch eingreifen und von den Jugendlichen das Einhalten der Regeln einfordern."

Klohr ist Mitglied im Arbeitskreis Fairplay des Deutschen Fußball-Bundes. Vor fast zehn Jahren kam ihm die Idee der FairPlayRegeln auf der Rückfahrt von seiner Arbeit, als er mal wieder stundenlang im Stau stand. Vorher hatte er in seiner Zeitung vom Spielabbruch eines F-Junioren-Spiels gelesen, weil es zu Ausschreitung auf und neben dem Platz gekommen war. "Ich habe mir gedacht, dass es so nicht weitergehen kann", sagt Klohr. Also hat er lange gegrübelt, wie man das Problem lösen kann. Bis ihm der entscheidende Einfall in den Kopf schoss – sozusagen wie ein gut platzierter Elfmeter. Die goldenen Kurzformel könnte lauten: Klärt das untereinander. "Ich bin davon überzeugt, dass Fußball ein hervorragendes Mittel zur Erziehung sein kann", sagt Klohr.

"Kein Fall dieser Staffel bekannt, bei dem es zu Problemen auf oder neben dem Platz kam"

Simon Kantz ist Trainer bei Vorwärts SpoHo Köln, einer der Mannschaften, die nach den FairPlayRegeln spielt. Auch Kantz ist überzeugt – mit Abstrichen: "Auf diesem Niveau ist es definitiv eine gute Sache, weil es im Grunde um nichts geht. Niemand steigt auf, niemand steigt ab. Allerdings bin ich der festen Überzeugung, dass es auf einem höheren Niveau schwierig wird. Da ist man zwingend auf die Entscheidungen des Schiedsrichters angewiesen." Gleichzeitig war Rechtsanwalt Kantz in der vergangenen Saison Vorsitzender der Jugendspruchkammer des Fußballkreises Köln. "Mir ist kein Fall aus dieser Staffel bekannt, dass es zu Problemen auf oder neben dem Platz gekommen ist", sagt er. "Und das ist schon eher ungewöhnlich." Es scheint also zu funktionieren. Und weil das so ist, wird zur Winterpause der gerade begonnen Saison eine weitere D-Junioren-Staffel nach den neuen Regeln spielen.

Oliver Zeppenfeld ist beim Fußball-Verband Mittelrhein (FVM) als Jugendbildungsreferent tätig und damit maßgeblich dafür verantwortlich, dass der FVM eine Art Vorreiterrolle einnimmt. "Ich habe bislang keinerlei negative Rückmeldung erhalten. Und immer wenn ich am Platz vor Ort war, lief es reibungslos ab", sagt Zeppenfeld. "Aus unserer Sicht spricht also nichts dagegen, dass Projekt fortzusetzen und sogar noch auszubauen. Denn bislang sehen wir ausschließlich positive Effekte – für alle Beteiligten." Weitere Verbände werden und sollen deshalb folgen.

Deutsches Pilotprojekt findet auch im Ausland Anklang

Sogar das benachbarte Ausland ist auf die Neuerungen aufmerksam geworden. Klohr ist stolz darauf, dass sein Einfall inzwischen auf immer mehr Plätzen in Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden umgesetzt wird. Aber es geht ihm im Grunde gar nicht um seinen eigenen Stolz. Es geht ihm nur um die Kinder, die seiner Meinung nach unbeschwert Fußball spielen sollen. Sie sollen nicht streiten, sie sollen Spaß haben. Sie sollen nicht von äußeren Einflüssen negativ belastet werden, sie sollen selbst entscheiden. Sie sollen nicht die Regeln brechen. Sie sollen genau das machen, was sich alle wünschen: Sie sollen zur Fairness erzogen werden. Und wo könnte das besser funktionieren als in der Gemeinschaft auf dem Fußballplatz?

Infobox:
Die ursprünglichen FairPlayRegeln aus dem Kinderfußball basieren auf drei Säulen. Sie werden im Fußballverband Mittelrhein bei den E- und F-Junioren angewendet:
1. Es gibt keinen Schiedsrichter, die sieben- bis zehnjährigen Spieler entscheiden also selbst über die Einhaltung der Spielregeln. 

2. Die Trainer halten sich mit Anweisungen zurück und unterstützen die Kinder aus einer gemeinsamen Coachingzone. Die Trainer müssen sich ihrer Vorbildfunktion bewusst sein. 

3. Die Zuschauer und Eltern halten respektvollen Abstand zum Spielfeld, mindestens 15 Meter.

Die FairPlayRegeln in der Pilotstaffel bei den D-Junioren sind etwas modifiziert im ersten Punkt: Es gibt zwar einen Schiedsrichter, aber über Einwurf und Abstoß/Eckball entscheiden die Spieler selbst. Über alles andere der Unparteiische.

[sw]

Neulich saß Ralf Klohr an seinem Schreibtisch und hatte etwas Zeit zum Überlegen. Er ging in Gedanken noch einmal die vergangenen Monate durch. Es war eine ereignisreiche Zeit, schließlich hatte der Fußballkreis Köln, bei dem er seit vergangenem Jahr der Fairplay-Beauftragte der Jugend ist, ein in Deutschland einzigartiges Pilotprojekt im Jugendfußball gestartet: In einer Kreisliga-Staffel bei den D-Junioren hatten die Verantwortlichen entschieden, nach abgewandelten Regeln der FairPlayLiga spielen zu lassen. Und genau das ist Klohrs Erfindung, das ist Klohrs Herzensangelegenheit, das ist Klohrs wichtigstes Projekt.

Vereinfacht gesagt geht es darum, dass die Spieler mehr Verantwortung auf dem Platz bei der Umsetzung der Regeln übernehmen sollen. Der Schiedsrichter soll nicht mehr der Buhmann sein, wenn er eine Entscheidung falsch getroffen hat. Bei Begegnungen nach den FairPlayRegeln bei den D-Junioren geht es darum, dass Spieler über Einwurf und Abstoß selbst entscheiden müssen. "Auf diesem Niveau gibt es noch keine Assistenten und der Schiedsrichter steht häufig zu weit weg. Deshalb ist es für mich nur logisch, dass die Spieler den Schiedsrichter unterstützen und die Sache selbst klären", sagt Klohr.

"Ich habe kein einziges negatives Feedback bekommen"

Aber kann die Idee tatsächlich in der Praxis funktionieren? Denn es gibt ja noch zwei weitere entscheidende Änderungen im Vergleich zum normalen Fußballspiel. Zuschauer und Eltern sollen Abstand zum Spielfeld halten, damit der Einfluss von außen reduziert wird. Zudem befinden sich die beiden Trainer in einer gemeinsamen Coachingzone. Sie sollen nicht gegeneinander arbeiten, sondern konstruktiv auf die eigenen Spieler einwirken. Und wie ist die Erkenntnis nach einjährigem Probelauf?

Kai Köhler ist einer der wichtigsten Männer bei der Umsetzung der Idee. Denn Köhler ist Schiedsrichteransetzer für den Fußballkreis Köln in dieser Staffel. Und die Unparteiischen sind oft der entscheidende Faktor, ob das Spiel nach den modifizierten FairPlayRegeln für den Jugendfußball funktioniert. "Ich habe kein einziges negatives Feedback bekommen", sagt Köhler. "Im Gegenteil, die Schiedsrichter sind glücklich darüber, weil die Stimmung auf dem Platz einfach viel entspannter ist. Wenn die Spieler in einigen genannten Situationen selbst entscheiden müssen, sind sie ganz automatisch viel fairer. Es gibt erst gar keine Diskussion darüber, wer den Ball hat. Meist ist es ja sowieso eindeutig." Und wenn nicht, tritt der Schiedsrichter als Moderator auf und hilft den Spielern aus seiner Sicht bei der Entscheidungsfindung. Deshalb erfährt er auch keinen Kompetenzverlust.

Die goldene Kurzformel: Klärt das untereinander

Genau das ist Erfinder Klohr wichtig. Es geht nicht darum, den Schiedsrichter zu entmachten. "Mir ist es wichtig, dass die Schiedsrichter wieder mit Freude ihrer Aufgabe nachgehen und sich nicht auf dem Platz beschimpfen lassen müssen", sagt der 52-Jährige. "Zudem ärgert es mich, dass es schon im Jugendfußball normal ist, die Spielregeln um des Erfolges willen vorsätzlich zu brechen. Es ist auch eine Unsitte, dass viele Trainer und Eltern hier nicht erzieherisch eingreifen und von den Jugendlichen das Einhalten der Regeln einfordern."

Klohr ist Mitglied im Arbeitskreis Fairplay des Deutschen Fußball-Bundes. Vor fast zehn Jahren kam ihm die Idee der FairPlayRegeln auf der Rückfahrt von seiner Arbeit, als er mal wieder stundenlang im Stau stand. Vorher hatte er in seiner Zeitung vom Spielabbruch eines F-Junioren-Spiels gelesen, weil es zu Ausschreitung auf und neben dem Platz gekommen war. "Ich habe mir gedacht, dass es so nicht weitergehen kann", sagt Klohr. Also hat er lange gegrübelt, wie man das Problem lösen kann. Bis ihm der entscheidende Einfall in den Kopf schoss – sozusagen wie ein gut platzierter Elfmeter. Die goldenen Kurzformel könnte lauten: Klärt das untereinander. "Ich bin davon überzeugt, dass Fußball ein hervorragendes Mittel zur Erziehung sein kann", sagt Klohr.

"Kein Fall dieser Staffel bekannt, bei dem es zu Problemen auf oder neben dem Platz kam"

Simon Kantz ist Trainer bei Vorwärts SpoHo Köln, einer der Mannschaften, die nach den FairPlayRegeln spielt. Auch Kantz ist überzeugt – mit Abstrichen: "Auf diesem Niveau ist es definitiv eine gute Sache, weil es im Grunde um nichts geht. Niemand steigt auf, niemand steigt ab. Allerdings bin ich der festen Überzeugung, dass es auf einem höheren Niveau schwierig wird. Da ist man zwingend auf die Entscheidungen des Schiedsrichters angewiesen." Gleichzeitig war Rechtsanwalt Kantz in der vergangenen Saison Vorsitzender der Jugendspruchkammer des Fußballkreises Köln. "Mir ist kein Fall aus dieser Staffel bekannt, dass es zu Problemen auf oder neben dem Platz gekommen ist", sagt er. "Und das ist schon eher ungewöhnlich." Es scheint also zu funktionieren. Und weil das so ist, wird zur Winterpause der gerade begonnen Saison eine weitere D-Junioren-Staffel nach den neuen Regeln spielen.

Oliver Zeppenfeld ist beim Fußball-Verband Mittelrhein (FVM) als Jugendbildungsreferent tätig und damit maßgeblich dafür verantwortlich, dass der FVM eine Art Vorreiterrolle einnimmt. "Ich habe bislang keinerlei negative Rückmeldung erhalten. Und immer wenn ich am Platz vor Ort war, lief es reibungslos ab", sagt Zeppenfeld. "Aus unserer Sicht spricht also nichts dagegen, dass Projekt fortzusetzen und sogar noch auszubauen. Denn bislang sehen wir ausschließlich positive Effekte – für alle Beteiligten." Weitere Verbände werden und sollen deshalb folgen.

Deutsches Pilotprojekt findet auch im Ausland Anklang

Sogar das benachbarte Ausland ist auf die Neuerungen aufmerksam geworden. Klohr ist stolz darauf, dass sein Einfall inzwischen auf immer mehr Plätzen in Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden umgesetzt wird. Aber es geht ihm im Grunde gar nicht um seinen eigenen Stolz. Es geht ihm nur um die Kinder, die seiner Meinung nach unbeschwert Fußball spielen sollen. Sie sollen nicht streiten, sie sollen Spaß haben. Sie sollen nicht von äußeren Einflüssen negativ belastet werden, sie sollen selbst entscheiden. Sie sollen nicht die Regeln brechen. Sie sollen genau das machen, was sich alle wünschen: Sie sollen zur Fairness erzogen werden. Und wo könnte das besser funktionieren als in der Gemeinschaft auf dem Fußballplatz?

Infobox:
Die ursprünglichen FairPlayRegeln aus dem Kinderfußball basieren auf drei Säulen. Sie werden im Fußballverband Mittelrhein bei den E- und F-Junioren angewendet:
1. Es gibt keinen Schiedsrichter, die sieben- bis zehnjährigen Spieler entscheiden also selbst über die Einhaltung der Spielregeln. 

2. Die Trainer halten sich mit Anweisungen zurück und unterstützen die Kinder aus einer gemeinsamen Coachingzone. Die Trainer müssen sich ihrer Vorbildfunktion bewusst sein. 

3. Die Zuschauer und Eltern halten respektvollen Abstand zum Spielfeld, mindestens 15 Meter.

Die FairPlayRegeln in der Pilotstaffel bei den D-Junioren sind etwas modifiziert im ersten Punkt: Es gibt zwar einen Schiedsrichter, aber über Einwurf und Abstoß/Eckball entscheiden die Spieler selbst. Über alles andere der Unparteiische.