Fachtagreihe Vielfalt und Antidiskriminierung: "Fans unter Fans"

Im Rahmen der Fachtagreihe "Vielfalt und Antidiskriminierung" des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und der DFL Deutsche Fußball Liga diskutierten 80 Teilnehmende über Vielfalt im Fußballstadion. Über die vorhandene und die noch mögliche. Wie vielfaltsfreundlich ist der Stadionbesuch in Bezug auf sexuelle und geschlechtliche Diversität? Eine von vielen Fragen im Rahmen eines gut besuchten Fachtags.

Einig war man sich, dass viele Verbesserungen einfach umzusetzen wären. Und dass die unbestritten integrative Kraft des Fußballs nur dann wirkt, wenn zuvor keine Gruppen der Gesellschaft strukturelle Ausgrenzung an den Stadiontoren erfahren müssen. Auf den Tribünen und in den Kurven sollten sich einfach alle treffen.

Legt man den Fokus auf sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in Verbindung mit dem Stadionbesuch, wird schnell klar, dass Probleme vor allem bei Menschen auftreten, deren sexuelle Orientierung nicht klar heterosexuell und deren geschlechtliche Identität nicht binär ist und somit vom Konzept der Heteronormativität abweicht. Vereint ist diese Gruppe in der LSBTQIA+ Community. Und da gerade in dieser Thematik es von größter Wichtigkeit ist Begriffe nicht falsch einzuordnen, zu gebrauchen oder zu verstehen, klärte trans-Aktivist Max Appenroth zunächst über wichtige Begrifflichkeiten, Entwicklungen und Sprachregelungen auf.

"Man muss uns nicht verstehen, um uns zu akzeptieren“

So räumte Appenroth beispielsweise mit der Falschinformation auf, dass geschlechtliche Vielfalt ein gerade neu auftauchendes Phänomen sei. Indigene Völker kennen geschlechtliche Identitäten abseits von Männlichkeit und Weiblichkeit seit Jahrhunderten und bereits 1789 wurde in den USA über geschlechtsneutrale Pronomen diskutiert. "Man muss uns nicht verstehen, um uns zu akzeptieren", so Appenroth.

Die Kompetenzgruppe Fankulturen und sportbezogene Soziale Arbeit (KoFas) möchte bis 2024 mithelfen, Stadien queerfreundlicher zu gestalten und so den LSBTIQA+ Fans besseren Zugang, Schutz und Teilhabe in den Profistadien ermöglichen. Das soll ausdrücklich auch für das bevorstehende sportliche Großereignis hier in Deutschland gelten – die UEFA EURO 2024. Das vom DFB mitgeförderte Projekt befasst sich dabei insbesondere mit Sexismus, Schwulen- sowie Trans-/Queerfeindlichkeit. Die LSBTIQA+ Fans lassen sich laut Almut Sülzle von der KoFas in zwei Gruppen einteilen: Jene, die schon im Stadion sind und sich dort auch meist wohl fühlen und die, die nicht ins Stadion gehen und auch nicht das Gefühl haben, Willkommen zu sein. Dieser Gruppe zugehörig sind besonders viele trans* und nicht binäre Menschen, die auch nach außen so erkennbar sind. Die erste Gruppe hingegen setzt sich zu großen Teilen aus überwiegend schwulen und lesbischen Cis-Personen zusammensetzt (QFF-Fans). Diese haben das Gefühl, dass Homofeindlichkeit immer weniger Platz in Fußballstadien hat und sich Vereinen und Verbänden inzwischen entschieden für queere Belange einsetzen.

Beim DFB wurde vor knapp zwei Jahren eine Anlaufstelle für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt eingerichtet. Man widmet sich dem Themenfeld, bis hin zum Angebot, genderneutraler Toiletten bei Länderspielen und dem DFB-Pokalfinale. Auch die geschlechtergetrennten Einlasskontrollen werden aus der Szene heraus teils kritisch gesehen. Auch spielt die Angst vor Diskriminierung und Gewalt im Stadion und auf dem Weg dorthin eine Rolle. Nach Normalität sehnen sich alle. Danach, dass man einfach nur als Fan unter Fans ein Stadion besuchen kann.

"Awareness" ist Teil der Infrastruktur

Ein Teil der Infrastruktur ist dabei die sogenannte "Awareness“. Dieses Bewusstsein zu schaffen ist laut Antje Hagel vom Netzwerk gegen Sexismus und sexualisierte Gewalt "sehr viel Arbeit“. Durch "Awareness" soll ein Weg gefunden werden, grenzüberschreitendes Verhalten zu identifizieren und diesem Verhalten aktiv entgegenzutreten. Durch "Awareness" wird rassistischen, sexuellen, homo- und transphoben sowie anderem übergriffigen Verhalten aktiv etwas entgegengesetzt. Dafür braucht​ es präventive Maßnahmen, wie eine klare Positionierung zur Vielfalt der Geschlechter, die eine einladende Sprache mit sich bringt. Die bauliche Infrastruktur müsse genauso auf den Prüfstein, wie die Dienstleistenden und deren Perspektiven zur Geschlechtergerechtigkeit. Ein Konzept gegen sexualisierte Gewalt müsse schon vor dem Ernstfall existieren.

Den Abschluss der Fachtagreihe bildete eine offene Fragerunde mit vier Personen, die sich ganz direkt vor Ort im Fußballalltag mit der Thematik des Tages auseinandersetzen. So berichtete Alexander Arnold, Ansprechpartner für sexuelle Vielfalt bei der Fan- und Förderabteilung SV Darmstadt 98, von seinen Erfahrungen. Arnold lebt selbst offen homosexuell und konnte zumindest von "kleinen Schritten“ wie der Einrichtung einer genderneutralen Toilette im Stadion des SV Darmstadt berichten. Julia Monro ist trans-Aktivistin, BVB-Fan, lange Zeit ins Stadion gegangen, lange Zeit als trans-Frau dann nicht mehr und berät jetzt die Borussen in Sachen Vielfalt. Als trans-Person sei der Stadionbesuch deshalb schwieriger, da sie ihre "Identität und Offenbarung" nicht verstecken könne. Monro schilderte, dass man anhand kleiner Dinge sehen könne, ob sich ein Verein mit geschlechtlicher und sexueller Vielfalt auseinandersetze und wünscht sich dahingehend ein gesteigertes Bewusstsein.

Kai Villbrandt ist Geschäftsführer der L'Unità Security Bremen und arbeitet mit seiner Firma häufig bei Großveranstaltungen. Seine Sicherheitsfirma bietet "Awareness" als Dienstleistung im Sicherheitsbereich an. Zudem hat er sich intern eine Quote auferlegt, wonach mindestens 30 Prozent seiner Mitarbeitenden nicht Cis-männlich sind. Aktuell kratze er sogar an der 50 Prozent-Marke.

Vorstände schulen und Sprache anpassen

Den Abschluss bildete Maria Engels, Vorstand Diversity beim SC Janus, dem ersten und größten queeren Verein in Europa. Selbst in ihrem Verein habe es Diskriminierungen gegen trans-Personen gegeben, so Engels. Deswegen habe man die Vorstände geschult, die Sprache angepasst und versuche über Social Media in der eigenen Community aufzuklären.

Neben den bereits genannten Initiativen sind auch noch das DFB und BMI Projekt "Verein(t) gegen Rassisimus" mit seinen Awareness-Konzepten sowie das europäische Erasmus + Projekt SAFER, welches im Januar anläuft genau wie auch das Projekt Football United zu nennen. All diese Projekte laufen unter Beteiligung und Unterstützung des DFB.

"Insgesamt hat sich die Landschaft im deutschen Fußball in den letzten 15 Jahren stark entwickelt", zog Moderator Robert Claus zum Abschluss des Fachtags ein durchaus hoffnungsspendendes Fazit. "Ich denke, wir sind auf einem guten Weg."

[lh]

Im Rahmen der Fachtagreihe "Vielfalt und Antidiskriminierung" des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und der DFL Deutsche Fußball Liga diskutierten 80 Teilnehmende über Vielfalt im Fußballstadion. Über die vorhandene und die noch mögliche. Wie vielfaltsfreundlich ist der Stadionbesuch in Bezug auf sexuelle und geschlechtliche Diversität? Eine von vielen Fragen im Rahmen eines gut besuchten Fachtags.

Einig war man sich, dass viele Verbesserungen einfach umzusetzen wären. Und dass die unbestritten integrative Kraft des Fußballs nur dann wirkt, wenn zuvor keine Gruppen der Gesellschaft strukturelle Ausgrenzung an den Stadiontoren erfahren müssen. Auf den Tribünen und in den Kurven sollten sich einfach alle treffen.

Legt man den Fokus auf sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in Verbindung mit dem Stadionbesuch, wird schnell klar, dass Probleme vor allem bei Menschen auftreten, deren sexuelle Orientierung nicht klar heterosexuell und deren geschlechtliche Identität nicht binär ist und somit vom Konzept der Heteronormativität abweicht. Vereint ist diese Gruppe in der LSBTQIA+ Community. Und da gerade in dieser Thematik es von größter Wichtigkeit ist Begriffe nicht falsch einzuordnen, zu gebrauchen oder zu verstehen, klärte trans-Aktivist Max Appenroth zunächst über wichtige Begrifflichkeiten, Entwicklungen und Sprachregelungen auf.

"Man muss uns nicht verstehen, um uns zu akzeptieren“

So räumte Appenroth beispielsweise mit der Falschinformation auf, dass geschlechtliche Vielfalt ein gerade neu auftauchendes Phänomen sei. Indigene Völker kennen geschlechtliche Identitäten abseits von Männlichkeit und Weiblichkeit seit Jahrhunderten und bereits 1789 wurde in den USA über geschlechtsneutrale Pronomen diskutiert. "Man muss uns nicht verstehen, um uns zu akzeptieren", so Appenroth.

Die Kompetenzgruppe Fankulturen und sportbezogene Soziale Arbeit (KoFas) möchte bis 2024 mithelfen, Stadien queerfreundlicher zu gestalten und so den LSBTIQA+ Fans besseren Zugang, Schutz und Teilhabe in den Profistadien ermöglichen. Das soll ausdrücklich auch für das bevorstehende sportliche Großereignis hier in Deutschland gelten – die UEFA EURO 2024. Das vom DFB mitgeförderte Projekt befasst sich dabei insbesondere mit Sexismus, Schwulen- sowie Trans-/Queerfeindlichkeit. Die LSBTIQA+ Fans lassen sich laut Almut Sülzle von der KoFas in zwei Gruppen einteilen: Jene, die schon im Stadion sind und sich dort auch meist wohl fühlen und die, die nicht ins Stadion gehen und auch nicht das Gefühl haben, Willkommen zu sein. Dieser Gruppe zugehörig sind besonders viele trans* und nicht binäre Menschen, die auch nach außen so erkennbar sind. Die erste Gruppe hingegen setzt sich zu großen Teilen aus überwiegend schwulen und lesbischen Cis-Personen zusammensetzt (QFF-Fans). Diese haben das Gefühl, dass Homofeindlichkeit immer weniger Platz in Fußballstadien hat und sich Vereinen und Verbänden inzwischen entschieden für queere Belange einsetzen.

Beim DFB wurde vor knapp zwei Jahren eine Anlaufstelle für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt eingerichtet. Man widmet sich dem Themenfeld, bis hin zum Angebot, genderneutraler Toiletten bei Länderspielen und dem DFB-Pokalfinale. Auch die geschlechtergetrennten Einlasskontrollen werden aus der Szene heraus teils kritisch gesehen. Auch spielt die Angst vor Diskriminierung und Gewalt im Stadion und auf dem Weg dorthin eine Rolle. Nach Normalität sehnen sich alle. Danach, dass man einfach nur als Fan unter Fans ein Stadion besuchen kann.

"Awareness" ist Teil der Infrastruktur

Ein Teil der Infrastruktur ist dabei die sogenannte "Awareness“. Dieses Bewusstsein zu schaffen ist laut Antje Hagel vom Netzwerk gegen Sexismus und sexualisierte Gewalt "sehr viel Arbeit“. Durch "Awareness" soll ein Weg gefunden werden, grenzüberschreitendes Verhalten zu identifizieren und diesem Verhalten aktiv entgegenzutreten. Durch "Awareness" wird rassistischen, sexuellen, homo- und transphoben sowie anderem übergriffigen Verhalten aktiv etwas entgegengesetzt. Dafür braucht​ es präventive Maßnahmen, wie eine klare Positionierung zur Vielfalt der Geschlechter, die eine einladende Sprache mit sich bringt. Die bauliche Infrastruktur müsse genauso auf den Prüfstein, wie die Dienstleistenden und deren Perspektiven zur Geschlechtergerechtigkeit. Ein Konzept gegen sexualisierte Gewalt müsse schon vor dem Ernstfall existieren.

Den Abschluss der Fachtagreihe bildete eine offene Fragerunde mit vier Personen, die sich ganz direkt vor Ort im Fußballalltag mit der Thematik des Tages auseinandersetzen. So berichtete Alexander Arnold, Ansprechpartner für sexuelle Vielfalt bei der Fan- und Förderabteilung SV Darmstadt 98, von seinen Erfahrungen. Arnold lebt selbst offen homosexuell und konnte zumindest von "kleinen Schritten“ wie der Einrichtung einer genderneutralen Toilette im Stadion des SV Darmstadt berichten. Julia Monro ist trans-Aktivistin, BVB-Fan, lange Zeit ins Stadion gegangen, lange Zeit als trans-Frau dann nicht mehr und berät jetzt die Borussen in Sachen Vielfalt. Als trans-Person sei der Stadionbesuch deshalb schwieriger, da sie ihre "Identität und Offenbarung" nicht verstecken könne. Monro schilderte, dass man anhand kleiner Dinge sehen könne, ob sich ein Verein mit geschlechtlicher und sexueller Vielfalt auseinandersetze und wünscht sich dahingehend ein gesteigertes Bewusstsein.

Kai Villbrandt ist Geschäftsführer der L'Unità Security Bremen und arbeitet mit seiner Firma häufig bei Großveranstaltungen. Seine Sicherheitsfirma bietet "Awareness" als Dienstleistung im Sicherheitsbereich an. Zudem hat er sich intern eine Quote auferlegt, wonach mindestens 30 Prozent seiner Mitarbeitenden nicht Cis-männlich sind. Aktuell kratze er sogar an der 50 Prozent-Marke.

Vorstände schulen und Sprache anpassen

Den Abschluss bildete Maria Engels, Vorstand Diversity beim SC Janus, dem ersten und größten queeren Verein in Europa. Selbst in ihrem Verein habe es Diskriminierungen gegen trans-Personen gegeben, so Engels. Deswegen habe man die Vorstände geschult, die Sprache angepasst und versuche über Social Media in der eigenen Community aufzuklären.

Neben den bereits genannten Initiativen sind auch noch das DFB und BMI Projekt "Verein(t) gegen Rassisimus" mit seinen Awareness-Konzepten sowie das europäische Erasmus + Projekt SAFER, welches im Januar anläuft genau wie auch das Projekt Football United zu nennen. All diese Projekte laufen unter Beteiligung und Unterstützung des DFB.

"Insgesamt hat sich die Landschaft im deutschen Fußball in den letzten 15 Jahren stark entwickelt", zog Moderator Robert Claus zum Abschluss des Fachtags ein durchaus hoffnungsspendendes Fazit. "Ich denke, wir sind auf einem guten Weg."

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