Ex-Nationalspieler Uwe Reinders wird 60

Wer ihn googelt, stößt zuerst auf sein Einwurftor, dann auf das Wunder von Rostock. Uwe Reinders ist eine viel zu komplexere Persönlichkeit, um auf einen glücklichen Moment seiner Spieler-Karriere und ein phantastisches Jahr seiner Trainer-Karriere reduziert zu werden. Außerdem bleibt die Zeit nicht stehen. Heute wird der viermalige deutsche A-Nationalspieler 60 Jahre alt und es wäre gelogen zu behaupten, die Zeit sei spurlos an ihm vorübergegangen. Er selbst gab gegenüber dem Sport-Informations-Dienst (SID) zu Protokoll: "Ich habe Probleme mit dem Herzen, nehme Tabletten. Mir geht es nicht ganz so gut." Aber der Kämpfer Uwe Reinders, der vor sechs Jahren seine Ehefrau verloren hat, hat weder seinen Mut noch seinen Humor verloren. "Das Schlachtschiff hat ein paar Einschusslöcher", witzelt er über seinen Zustand.

Uwe Reinders war nach heutigen Begriffen ein Spät-Starter. In die Bundesliga kam er mit 22 Jahren, nachdem er drei Jahre lang in der 2. Liga Nord bei Schwarz-Weiß Essen gespielt hatte. In Essen ist er auch geboren, dort hat er sich zum Industrie-Kaufmann ausbilden lassen und das Fußball spielen gelernt. Zunächst beim TBV Frillendorf, dann beim Polizei SV, ehe er 1974 bei ETB anfing. Mit der Bilanz von 40 Spielen und acht Toren kam der wuchtige Stürmer 1977 zu Werder, wo er in seiner ersten Saison torlos blieb – bei 25 Einsätzen! Aber dann ging es rasant bergauf, doch auch seine 18 Tore in den folgenden beiden Jahren konnten Werders Abstieg nicht verhindern. So fand er sich 1980/81 in der 2. Liga Nord wieder, mit 16 Treffern trug er zum Wiederaufstieg bei. Den machte schon Otto Rehhagel perfekt, es begann die große Werder-Epoche. Rehhagel, wie Reinders aus Essen, mochte den Draufgänger mit der manchmal vorlauten Klappe, aber er musste ihm zuweilen die Leviten lesen: "Der Fußballer Uwe Reinders und ich haben uns anfangs oft gerieben. Was mich vor allem störte, war seine Einstellung, sich nicht total auf den Fußball zu konzentrieren, sondern auch auf anderen Hochzeiten zu tanzen. Was mich faszinierte, war sein Talent und seine offene Art." Die anderen Hochzeiten hätten ihn fast in die Armut gestürzt. Reinders gab später selbst zu, 1982 bei einem Spiel-Casino eine Million DM Schulden gehabt zu haben. "Aber letztlich war das eine gute Erfahrung, so konnte ich bestimmte, so genannte Freunde zum Glück auch verlieren."

Sportlich ging es vorerst steil bergauf, Werder Bremen stürmte 1982 von der 2. Liga direkt in den UEFA-Cup und Reinders dank seiner Rekord-Ausbeute von 18 Toren mit 27 Jahren – auch das reichlich spät – in die Nationalmannschaft. Es war ein kurzes Vergnügen, seine vier Einsätze erstrecken sich auf die Monate Mai bis Juli 1982. Drei davon aber waren bei der WM in Spanien, wo er in der Vorrunde ein Joker-Tor gegen Chile erzielte.

Beim Neuaufbau nach der WM, bei der Deutschland ins Finale kam, wurde er nicht mehr berücksichtigt. Auch sein berühmtestes Tor am 1. Spieltag 1982/83 konnte das nicht ändern. Offiziell war es ohnehin ein Eigentor von Bayern-Keeper Jean-Marie Pfaff, der Reinders' vom Wind getriebenen Einwurf ins eigene Tor lenkte. "Aber ich fühle mich als Torschütze", sagt er heute noch. Es war übrigens kein einmaliges Kunststück, in seiner Zeit bei Schwarz-Weiß Essen ist es ihm schon mal gelungen.

An der Seite von Rudi Völler und Frank Neubarth stürmte Reinders noch bis 1985 in der Bundesliga, wo am Ende 206 Einsätze und 67 Tore in den Chroniken stehen. Mit 30 zog es ihn ins Ausland, bis Dezember 1986 kickte er für Girondins Bordeaux und holte mit 31 seinen ersten Titel: Französischer Pokalsieger. Bei Stade Rennes endete sein Frankreich-Abenteuer 1987, bei Eintracht Braunschweig begann seine Trainer-Karriere. Zunächst als Spieler-Trainer stieg er 1988 sofort in die 2. Liga auf und machte sich einen Namen. Die Rehhagel-Schüler schienen sich alle als Trainer zu eignen, Reinders war nur einer von vielen. "Otto Rehhagel ist ein Meister der Motivation", sagte Reinders 1991 über seinen Lehrmeister, den er auch als Vorbild betrachtete. Zu diesem Zeitpunkt war der Meister besonders stolz auf den Schüler, denn Reinders war gleich nach der Wende in den Osten gegangen, was Rehhagel "unheimlich mutig" fand und hatte Hansa Rostock in der letzten Saison der alten DDR-Oberliga zum Double geführt. Das war es, das "Wunder von Rostock". Reinders verspürte einen besonderen Auftrag damals an der Ostsee-Küste: "Siege von Rostock und Dresden in der Bundesliga können da etwas an Selbstwertgefühl zurückgeben." Er selbst arrangierte sich mit den ungewohnten Lebensverhältnissen und fand sich damit ab, dass er keinen seiner Spieler anrufen konnte – weil keiner ein Telefon hatte. Nach dem Aufstieg schaffte er einen zweiten großen Sieg gegen die Bayern nach dem Einwurf-Tor-Triumph von 1982. Im August 1991 stürmte der Aufsteiger das Olympia-Stadion, gewann 2:1 und Reinders warf in der Wartehalle des Flughafens eine Runde Frei-Bier für alle Hansa-Fans. Vor seiner Entlassung im Frühjahr 1992 bewahrte ihn das nicht, doch bis heute ist er Kult in Rostock. "Uwe Reinders war ein Glücksfall", sagte sein damaliger Spieler Juri Schlünz.

Danach war es vorbei mit dem großen Glück. Noch in derselben Saison kam er beim MSV Duisburg unter, konnte den Abstieg aber nicht verhindern. Die Trennung erfolgte im März 1993. Der März war kein guter Monat für ihn, 1992 endete sein Engagement in Rostock und 1994 beim damaligen Zweitligisten Hertha BSC, wo er nur fünf Monate bleiben durfte. Nun wurden die Angebote seltener, 1996/97 gab es ein Intermezzo bei Drittligist Sachsen Leipzig. "In spätestens drei Jahren sind wir die Nummer 1 in Leipzig", hatte er zum Antritt eines Drei-Jahres-Vertrags versprochen – durfte es aber nicht halten. Immerhin blieb er diesmal bis Juni (1997). Erst fünf Jahre später fand Reinders bei Ex-Klub Eintracht Braunschweig wieder einen Job als Trainer. Doch Geschichte wiederholt sich nicht, diesmal wurde kein Aufstieg gefeiert, vielmehr ein Abstieg betrauert. Und wieder ereilte ihn das Schicksal in den Iden des März, 2004 kam es zur Trennung. Im April 2011 sprang er bis Saisonende beim Regionalligisten FC Oberneuland ein. Für Rudi Völlers und Dieter Burdenskis Fußballschule ist er immer noch ein wenig in Sachen Fußball aktiv. Reinders feiert den Geburtstag heute im kleinen Kreis, er hat einen Sohn und eine Enkeltochter, in Achim bei Bremen. Und irgendwann wird sicher wieder einer fragen, wie das damals war mit dem Einwurf-Tor.

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Wer ihn googelt, stößt zuerst auf sein Einwurftor, dann auf das Wunder von Rostock. Uwe Reinders ist eine viel zu komplexere Persönlichkeit, um auf einen glücklichen Moment seiner Spieler-Karriere und ein phantastisches Jahr seiner Trainer-Karriere reduziert zu werden. Außerdem bleibt die Zeit nicht stehen. Heute wird der viermalige deutsche A-Nationalspieler 60 Jahre alt und es wäre gelogen zu behaupten, die Zeit sei spurlos an ihm vorübergegangen. Er selbst gab gegenüber dem Sport-Informations-Dienst (SID) zu Protokoll: "Ich habe Probleme mit dem Herzen, nehme Tabletten. Mir geht es nicht ganz so gut." Aber der Kämpfer Uwe Reinders, der vor sechs Jahren seine Ehefrau verloren hat, hat weder seinen Mut noch seinen Humor verloren. "Das Schlachtschiff hat ein paar Einschusslöcher", witzelt er über seinen Zustand.

Uwe Reinders war nach heutigen Begriffen ein Spät-Starter. In die Bundesliga kam er mit 22 Jahren, nachdem er drei Jahre lang in der 2. Liga Nord bei Schwarz-Weiß Essen gespielt hatte. In Essen ist er auch geboren, dort hat er sich zum Industrie-Kaufmann ausbilden lassen und das Fußball spielen gelernt. Zunächst beim TBV Frillendorf, dann beim Polizei SV, ehe er 1974 bei ETB anfing. Mit der Bilanz von 40 Spielen und acht Toren kam der wuchtige Stürmer 1977 zu Werder, wo er in seiner ersten Saison torlos blieb – bei 25 Einsätzen! Aber dann ging es rasant bergauf, doch auch seine 18 Tore in den folgenden beiden Jahren konnten Werders Abstieg nicht verhindern. So fand er sich 1980/81 in der 2. Liga Nord wieder, mit 16 Treffern trug er zum Wiederaufstieg bei. Den machte schon Otto Rehhagel perfekt, es begann die große Werder-Epoche. Rehhagel, wie Reinders aus Essen, mochte den Draufgänger mit der manchmal vorlauten Klappe, aber er musste ihm zuweilen die Leviten lesen: "Der Fußballer Uwe Reinders und ich haben uns anfangs oft gerieben. Was mich vor allem störte, war seine Einstellung, sich nicht total auf den Fußball zu konzentrieren, sondern auch auf anderen Hochzeiten zu tanzen. Was mich faszinierte, war sein Talent und seine offene Art." Die anderen Hochzeiten hätten ihn fast in die Armut gestürzt. Reinders gab später selbst zu, 1982 bei einem Spiel-Casino eine Million DM Schulden gehabt zu haben. "Aber letztlich war das eine gute Erfahrung, so konnte ich bestimmte, so genannte Freunde zum Glück auch verlieren."

Sportlich ging es vorerst steil bergauf, Werder Bremen stürmte 1982 von der 2. Liga direkt in den UEFA-Cup und Reinders dank seiner Rekord-Ausbeute von 18 Toren mit 27 Jahren – auch das reichlich spät – in die Nationalmannschaft. Es war ein kurzes Vergnügen, seine vier Einsätze erstrecken sich auf die Monate Mai bis Juli 1982. Drei davon aber waren bei der WM in Spanien, wo er in der Vorrunde ein Joker-Tor gegen Chile erzielte.

Beim Neuaufbau nach der WM, bei der Deutschland ins Finale kam, wurde er nicht mehr berücksichtigt. Auch sein berühmtestes Tor am 1. Spieltag 1982/83 konnte das nicht ändern. Offiziell war es ohnehin ein Eigentor von Bayern-Keeper Jean-Marie Pfaff, der Reinders' vom Wind getriebenen Einwurf ins eigene Tor lenkte. "Aber ich fühle mich als Torschütze", sagt er heute noch. Es war übrigens kein einmaliges Kunststück, in seiner Zeit bei Schwarz-Weiß Essen ist es ihm schon mal gelungen.

An der Seite von Rudi Völler und Frank Neubarth stürmte Reinders noch bis 1985 in der Bundesliga, wo am Ende 206 Einsätze und 67 Tore in den Chroniken stehen. Mit 30 zog es ihn ins Ausland, bis Dezember 1986 kickte er für Girondins Bordeaux und holte mit 31 seinen ersten Titel: Französischer Pokalsieger. Bei Stade Rennes endete sein Frankreich-Abenteuer 1987, bei Eintracht Braunschweig begann seine Trainer-Karriere. Zunächst als Spieler-Trainer stieg er 1988 sofort in die 2. Liga auf und machte sich einen Namen. Die Rehhagel-Schüler schienen sich alle als Trainer zu eignen, Reinders war nur einer von vielen. "Otto Rehhagel ist ein Meister der Motivation", sagte Reinders 1991 über seinen Lehrmeister, den er auch als Vorbild betrachtete. Zu diesem Zeitpunkt war der Meister besonders stolz auf den Schüler, denn Reinders war gleich nach der Wende in den Osten gegangen, was Rehhagel "unheimlich mutig" fand und hatte Hansa Rostock in der letzten Saison der alten DDR-Oberliga zum Double geführt. Das war es, das "Wunder von Rostock". Reinders verspürte einen besonderen Auftrag damals an der Ostsee-Küste: "Siege von Rostock und Dresden in der Bundesliga können da etwas an Selbstwertgefühl zurückgeben." Er selbst arrangierte sich mit den ungewohnten Lebensverhältnissen und fand sich damit ab, dass er keinen seiner Spieler anrufen konnte – weil keiner ein Telefon hatte. Nach dem Aufstieg schaffte er einen zweiten großen Sieg gegen die Bayern nach dem Einwurf-Tor-Triumph von 1982. Im August 1991 stürmte der Aufsteiger das Olympia-Stadion, gewann 2:1 und Reinders warf in der Wartehalle des Flughafens eine Runde Frei-Bier für alle Hansa-Fans. Vor seiner Entlassung im Frühjahr 1992 bewahrte ihn das nicht, doch bis heute ist er Kult in Rostock. "Uwe Reinders war ein Glücksfall", sagte sein damaliger Spieler Juri Schlünz.

Danach war es vorbei mit dem großen Glück. Noch in derselben Saison kam er beim MSV Duisburg unter, konnte den Abstieg aber nicht verhindern. Die Trennung erfolgte im März 1993. Der März war kein guter Monat für ihn, 1992 endete sein Engagement in Rostock und 1994 beim damaligen Zweitligisten Hertha BSC, wo er nur fünf Monate bleiben durfte. Nun wurden die Angebote seltener, 1996/97 gab es ein Intermezzo bei Drittligist Sachsen Leipzig. "In spätestens drei Jahren sind wir die Nummer 1 in Leipzig", hatte er zum Antritt eines Drei-Jahres-Vertrags versprochen – durfte es aber nicht halten. Immerhin blieb er diesmal bis Juni (1997). Erst fünf Jahre später fand Reinders bei Ex-Klub Eintracht Braunschweig wieder einen Job als Trainer. Doch Geschichte wiederholt sich nicht, diesmal wurde kein Aufstieg gefeiert, vielmehr ein Abstieg betrauert. Und wieder ereilte ihn das Schicksal in den Iden des März, 2004 kam es zur Trennung. Im April 2011 sprang er bis Saisonende beim Regionalligisten FC Oberneuland ein. Für Rudi Völlers und Dieter Burdenskis Fußballschule ist er immer noch ein wenig in Sachen Fußball aktiv. Reinders feiert den Geburtstag heute im kleinen Kreis, er hat einen Sohn und eine Enkeltochter, in Achim bei Bremen. Und irgendwann wird sicher wieder einer fragen, wie das damals war mit dem Einwurf-Tor.