Europapokal-Triumph 1992: Das ganz normale Werder-Wunder

DFB.de erinnert in einer fünfteiligen Serie an die deutschen Triumphe beim Europapokal der Pokalsieger, der zwischen 1960 und 1999 ausgetragen wurde. Heute: Werder Bremen gewinnt im Finale 1992 gegen den AS Monaco.

Zum ersten Heimspiel kamen 4021 Zuschauer, in der 2. Runde waren es 7502, im Viertelfinale plötzlich 30.002 und erst den Sprung ins Finale wollten mehr sehen, als das Weserstadion in jenen Tagen fasste (35.000). Werder Bremens Weg zum ersten und bis dato einzigen Europapokalsieg war ziemlich gewöhnlich und das war das Ungewöhnliche daran.

Werder Bremen und Europacup, das stand schon Ende der 1980er für dramatische Flutlichtnächte vor vollen Rängen und den sprichwörtlichen "Wundern von der Weser". 1991/1992 war vieles anders, es gab keine unglaublichen Aufholjagden und keine Verlängerungen, nur ein Skandalspiel. Aber nichts ging über das strahlende Ende: Am 6. Mai 1992 holte Werder in Lissabon den Europapokal der Pokalsieger, als fünfte und letzte deutsche Mannschaft überhaupt.

FC Bacau kein wirklicher Prüfstein

Der Weg nach Lissabon führte zunächst über die Rumänen des FC Bacau, bei denen die Bremer schon im Hinspiel alles klar machten (6:0, weshalb man sich über ein leeres Weserstadion nicht zu wundern brauchte). Hattrick-Schütze Wynton Rufer war die Kassenlage ziemlich egal, Rune Bratseth, Mirko Votava und Frank Neubarth legten nach der Pause noch nach.

Im Rückspiel waren die Bremer gnädiger (5:0), Stefan Kohn (zweimal), Dieter Eilts, Bratseth und der junge Marco Bode ließen die wenigen Getreuen jubeln. Und erfüllten Otto Rehhagels Vorgabe: "Die müssen auch im Rückspiel mindestens fünf kriegen." Manches Testspiel in der Provinz hatte die Bremer Mannschaft stärker gefordert als Rumäniens Pokalsieger.

Ferencvaros Budapest ein anderes Kaliber

Ein anderes Kaliber war da schon Ferencvaros Budapest, vom populären Ex-Nationalspieler Tibor Nyilasi trainiert. Die spärliche Kulisse erklärt sich hauptsächlich durch die Live-Übertragung im ZDF. Die Zuschauer sahen ein gut aufgelegtes Sturmduo, das allein für die drei Tore zur Pause (3:1) sorgte. Frank Neubarth (28., 40.) profitierte von zwei Vorlagen von Klaus Allofs, dem der Kollege wiederum das 2:0 (33.) auflegte. Aus einem passablen Ergebnis wurde noch ein gefährliches: Lipcsei schoss sein zweites Tor zum 3:2-Endstand, außerdem traf ein Ungar noch die Latte.

Am 5. November 1991 hofften 25.000 Zuschauer mit Anpfiff um 17 Uhr auf weitere Ferencvaros-Tore, doch es traf nur ein Bremer: Marco Bode (48.) per Kopf. Eine Minute später schied Uwe Harttgen mit Schlüsselbeinbruch aus, was die Bremer Freude merklich trübte. Immerhin blieben die angedrohten Ausschreitungen aus, ein Großaufgebot der Polizei hielt 1000 ungarische Hooligans in Schach.



DFB.de erinnert in einer fünfteiligen Serie an die deutschen Triumphe beim Europapokal der Pokalsieger, der zwischen 1960 und 1999 ausgetragen wurde. Heute: Werder Bremen gewinnt im Finale 1992 gegen den AS Monaco.

Zum ersten Heimspiel kamen 4021 Zuschauer, in der 2. Runde waren es 7502, im Viertelfinale plötzlich 30.002 und erst den Sprung ins Finale wollten mehr sehen, als das Weserstadion in jenen Tagen fasste (35.000). Werder Bremens Weg zum ersten und bis dato einzigen Europapokalsieg war ziemlich gewöhnlich und das war das Ungewöhnliche daran.

Werder Bremen und Europacup, das stand schon Ende der 1980er für dramatische Flutlichtnächte vor vollen Rängen und den sprichwörtlichen "Wundern von der Weser". 1991/1992 war vieles anders, es gab keine unglaublichen Aufholjagden und keine Verlängerungen, nur ein Skandalspiel. Aber nichts ging über das strahlende Ende: Am 6. Mai 1992 holte Werder in Lissabon den Europapokal der Pokalsieger, als fünfte und letzte deutsche Mannschaft überhaupt.

FC Bacau kein wirklicher Prüfstein

Der Weg nach Lissabon führte zunächst über die Rumänen des FC Bacau, bei denen die Bremer schon im Hinspiel alles klar machten (6:0, weshalb man sich über ein leeres Weserstadion nicht zu wundern brauchte). Hattrick-Schütze Wynton Rufer war die Kassenlage ziemlich egal, Rune Bratseth, Mirko Votava und Frank Neubarth legten nach der Pause noch nach.

Im Rückspiel waren die Bremer gnädiger (5:0), Stefan Kohn (zweimal), Dieter Eilts, Bratseth und der junge Marco Bode ließen die wenigen Getreuen jubeln. Und erfüllten Otto Rehhagels Vorgabe: "Die müssen auch im Rückspiel mindestens fünf kriegen." Manches Testspiel in der Provinz hatte die Bremer Mannschaft stärker gefordert als Rumäniens Pokalsieger.

Ferencvaros Budapest ein anderes Kaliber

Ein anderes Kaliber war da schon Ferencvaros Budapest, vom populären Ex-Nationalspieler Tibor Nyilasi trainiert. Die spärliche Kulisse erklärt sich hauptsächlich durch die Live-Übertragung im ZDF. Die Zuschauer sahen ein gut aufgelegtes Sturmduo, das allein für die drei Tore zur Pause (3:1) sorgte. Frank Neubarth (28., 40.) profitierte von zwei Vorlagen von Klaus Allofs, dem der Kollege wiederum das 2:0 (33.) auflegte. Aus einem passablen Ergebnis wurde noch ein gefährliches: Lipcsei schoss sein zweites Tor zum 3:2-Endstand, außerdem traf ein Ungar noch die Latte.

Am 5. November 1991 hofften 25.000 Zuschauer mit Anpfiff um 17 Uhr auf weitere Ferencvaros-Tore, doch es traf nur ein Bremer: Marco Bode (48.) per Kopf. Eine Minute später schied Uwe Harttgen mit Schlüsselbeinbruch aus, was die Bremer Freude merklich trübte. Immerhin blieben die angedrohten Ausschreitungen aus, ein Großaufgebot der Polizei hielt 1000 ungarische Hooligans in Schach.

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Heimspiel für "Gala" an der Weser

Im Viertelfinale, auf das man vier Monate warten musste, kam Galatasaray Istanbul nach Bremen. Ganz Deutschland schaute auf diese Partie, die der Privatsender SAT.1 live übertrug, denn die Bremer waren der letzte Vertreter des Landes. Schatzmeister Manfred Müller freute sich über "die größte Einnahme in der Vereinsgeschichte" (1,5 Millionen DM).

Ohne den mit Fieber im Bett liegenden Abwehrchef Rune Bratseth zogen sie in den Kampf. Die Türken wurden vom Ex-Aachener Mustafa Denizli gecoacht, der Ex-Dortmunder Erdal Keser fiel verletzt aus. 20.000 Landsleute machten aus dem Auswärtsspiel von "Gala" ein Heimspiel und bejubelten Kosecksis 0:1 (33.), das bis elf Minuten vor Schluss hielt. Dann stachen sie, die Rehhagel-Joker. Stefan Kohn, schon vor der Pause für Rufer gekommen, glich aus (79.) und Amateur Marinus Bester, seit der 54. Minute dabei, avancierte zum Matchwinner (85.).

"Nerven behalten" in Istanbul

Das Rückspiel erhob Werder-Manager Willi Lemke zum "wichtigsten Spiel des Jahrzehnts", trotzdem fand es schon mittags um 13 Uhr statt, RTL plus übertrug. 32.000 Zuschauer füllten das Ali-Sami-Yen-Stadion restlos, Rehhagel erwartete eine hitzige Atmosphäre: "Wir müssen sehen, dass wir die Nerven behalten." Die waren nach der 1:3-Heimpleite gegen Aufsteiger Kickers Stuttgart und dem Sturz auf Platz acht angespannt. Hinzu kamen die Ausfälle von Mirko Votava und Wynton Rufer, Rune Bratseth spielte trotz einer Viruserkrankung. Rehhagel gestand: "Sein Einsatz ist ein Risiko!"

In Istanbul erwartete die Bremer eine Winterlandschaft, dichtes Schneetreiben erschwerte beiden Teams das Leben. Für die Gastgeber, die das Spiel machen mussten, war es noch schwerer. Der Gast stand hinten drin, "so defensiv hat man Werder schon lange nicht gesehen", meldete der kicker. Dennoch bot sich Dieter Eilts eine große Chance, doch verzog er im Rutschen knapp. Mit vereinten Kräften überstand die Bremer Elf die torlose Partie, auch wenn sie kurz vor Schluss nur noch eine Zehn war: Dieter Eilts wurde wegen Nachtretens vom Feld gestellt. Werder-Präsident Franz Böhmert war darüber nicht glücklich: "Der Schiedsrichter war eine Katastrophe!" Die Spieler freuten sich dennoch, auch über 22.000 DM Prämie pro Kopf.

Skandalspiel in Brügge

Das Halbfinallos führte Werder am 1. April nach Brügge. Beim belgischen Pokalsieger war mit einer hitzigen Atmosphäre zu rechnen, aber Pragmatiker Rehhagel beruhigte: "Wir haben keine Angst, die Tore werden nicht auf der Tribüne geschossen." Nach dem Spiel sprach er anders: "Ich bin 30 Jahre dabei, aber dass man so auf der Bank mit Gegenständen beworfen und angefeindet wird, habe ich noch nicht erlebt. Wir hatten einen Hexenkessel erwartet, aber nicht so schlimm."

Gleich zwei Spieler – Oliver Reck und Torsten Legat – wurden auf dem Platz von Wurfgeschossen getroffen, Reck sogar während einer Behandlungspause. Der Torwart musste nach einem Zusammenprall mit Amokachi, dem das Tor des Tages gelang (5.), mit einer Schulterverletzung ausscheiden und Jürgen Rollmann weichen. Es sollte nicht sein einziger Einsatz in diesem Wettbewerb sein.

Rehhagel feiert Europacup-Jubiläum

Zum Sportlichen: Nach Amokachis 1:0 (5.) fand Werder allmählich ins Spiel und kam selbst zu einigen Chancen. Als Bode im Strafraum gelegt wurde, blieb der Elfmeterpfiff aus - und damit wohl noch Schlimmeres von den Rängen. Manager Lemke: "Unter diesen Umständen und in diesem Stadion war das eine ausgezeichnete Leistung, die uns fürs Rückspiel alle Chancen lässt."

Eine Woche verpasste Werder im DFB-Pokal bei Zweitligist Hannover 96 den Einzug ins Finale. Umso größer war der Druck vor dem Rückspiel gegen Brügge, das sich auch der belgische Ministerpräsident Jean-Luc de Haane und Showmaster Rudi Carrell nicht entgehen lassen wollten. Um 17 Uhr meldete Lemke: "Die letzte Karte ist verkauft."

Bode und Wolter schießen Werder ins Finale

Wer keine mehr bekam, konnte drei Stunden später auf SAT.1 miterleben, wie Werder das Finale erreichte. Otto Rehhagel feierte Jubiläum, es war sein 50. Europacupspiel und schon deshalb durfte es nicht verloren werden. Für die Spieler ging es um 25.000 DM, sofern sie auch im Hinspiel dabei waren, sonst etwas weniger. Aber vor allem ging es ums Finale, das war für alle neu und Anreiz genug. Leider wiederholten sich die Exzesse der belgischen "Fans": Eine Frau wurde von einer Leuchtkugel getroffen und lebensgefährlich verletzt. In der Innenstadt randalierten Belgier in zwei Kaufhäusern.

Im Stadion dominierte Werder. Stürmer Marco Bode krönte die druckvolle Anfangsphase mit dem 1:0 (31.) aus zwölf Metern. Zwei Minuten nach Wiederanpfiff ein kleiner Schock: Oliver Reck büßte für eine Unbesonnenheit, ließ sich von Booy provozieren und erhielt für seinen Rempler die zweite Verwarnung im laufenden Wettbewerb - damit war er fürs Finale gesperrt. Trotzdem spielte er konzentriert weiter und ließ kein Tor mehr zu. Auf der Gegenseite aber schlug es nach 59 Minuten erneut ein. Manfred Bockenfeld, nicht als Torjäger berüchtigt, nutzte ein Zuspiel von Thomas Wolter zum 2:0. Dabei blieb es, nach Amokachis Platzverweis (76.) ging Brügge jegliche Gefahr ab. Und fertig war er, der "größte Erfolg der Vereinsgeschichte" (kicker). Nur ein Sieg im Finale gegen den AS Monaco konnte den noch toppen.

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Kulisse in Lissabon eines Endspiels unwürdig

Die Generalprobe auf dem stets hitzigen Betzenberg überstand die Mannschaft, bei Meister Kaiserslautern (2:2) stand schon Rollmann im Tor. Es gab zwei Platzverweise, der für Wolter hatte zum Glück keine Auswirkungen für das Finale. Das fand in einem unwürdigen Rahmen statt: Nur 15.000 Zuschauer waren in Lissabon zugegen, den Portugiesen lag wenig an Werder Bremen und dem AS Monaco, den eigenen Fans war der Weg wohl zu weit. Auch die von Werder geladenen Ehrengäste (Bundeskanzler Helmut Kohl, Innenminister Rudolf Seiters oder Bundestrainer Berti Vogts) hatten Besseres oder Wichtigeres vor.

Angesichts der eher geringen Erwartungen bezüglich der Einnahmen scheiterte der Versuch der Bremer Spieler, im Hotel zu Estoril eine höhere Siegprämie auszuhandeln. Die 8000 DM pro Kopf, die sich aus der Beteiligung an den Zuschauereinnahmen ergaben, machten sich merkwürdig bescheiden aus im Vergleich zu den vorherigen Runden. Aber so war es Monate zuvor beschlossen worden und hanseatische Kaufleute halten sich an Verträge, wie Präsident Böhmert versicherte. Die Spieler hatten sich verrechnet und auf ein volles Stadion gesetzt, wie es sich für ein Finale ja auch gehört.

Wenger trainiert die Monegassen

Den Monegassen wurden dagegen umgerechnet 140.000 DM pro Kopf versprochen, festgesetzt von Fürst Rainier persönlich. Das Spiel war der schlagende Beweis, dass Geld doch nicht immer Tore schießt, denn der Sieger hieß Werder Bremen, das auf den im Abschlusstraining verletzten Günter Hermann verzichten musste. Der überraschend aufgebotene "Oldie" Klaus Allofs (35) schoss in seinem bereits dritten Europacupfinale das 1:0 (41.) nach einer Freistoßverlängerung - und das mit dem schwachen Rechten. Da saß Thomas Wolter schon draußen, ein Muskelfaserriss im Oberschenkel war schuld. Thomas Schaaf löste ihn ab.

Die vom damals 38-jährigen Arsène Wenger trainierten Franzosen verstärkten den Druck, aber immer war ein Werder-Bein dazwischen, so dass Rollmann gar nicht viel zu halten bekam. In der 55. Minute schickte Allofs mit einem Steilpass Rufer auf die Reise und der erste Neuseeländer der Bundesliga lupfte über Ettori, der vor zehn Jahren im WM-Halbfinale schon mal schlechte Erfahrungen mit Deutschen gemacht hatte, hinweg zum 2:0. Auf der Tribüne lagen sich Rufers eigens angereiste Eltern in den Armen.

Werder-Quintett löst Wette ein

Wenger brachte nun den noch unbekannten Youri Djorkaeff, aber auch der spätere Welt- und Europameister mit Frankreich änderte nichts am Ausgang der Partie. Als der bis zuletzt äußerst angespannte Otto Rehhagel dann den Pokal endlich in Händen hielt, wandte er sich an seinen jungen Kollegen: "Du bist ein guter Mann, Arsène, aber diesen Sieg habe ich verdient, denn du bist noch zu jung. Du bist erst 38, aber ich bin schon 53 und damit auf der anderen Seite des Berges. Ich habe nicht mehr so viel Zeit, einen Europapokal zu gewinnen."

Wer ahnte da, dass er sogar noch Europameister werden sollte? Dem philosophischen Beitrag folgten ausgelassene Stunden. Johnny Otten, Günter Hermann, Oliver Reck, Manfred Bockenfeld und Uli Borowka mussten wegen einer Wette Haare lassen und gingen wochenlang als "Kojak". Den langhaarigen Marco Bode schauderte es: "Lieber würde ich den Pokal zurückgeben." Rehhagel bot derweil ZDF-Reporter Rolf Töpperwien das "Du" an und ließ sogar Journalisten in die Kabine, um Jubelbilder zu schießen und aufzunehmen. Und dann, nach der Landung, verrieten sogar die hanseatischen Kaufleute im Vorstand ihre Prinzipien und verdreifachten die Prämie auf 25.000 DM. Es war die letzte, die an Spieler einer deutschen Mannschaft im Europapokal der Pokalsieger gezahlt wurde. 1998 schaffte es der VfB Stuttgart (unter Trainer Joachim Löw) noch ins Finale (0:2 gegen Chelsea), 1999 wurde der Wettbewerb abgeschafft. Schade eigentlich.

Die Bremer Siegermannschaft: Jürgen Rollmann – Rune Bratseth – Thomas Wolter (34. Thomas Schaaf), Uli Borowka – Manfred Bockenfeld, Mirko Votava, Dieter Eilts, Frank Neubarth (75. Stefan Kohn), Marco Bode – Wynton Rufer, Klaus Allofs.

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