Erwin Kostedde: Der erste dunkelhäutige Nationalspieler

Vor 40 Jahren war Erwin Kostedde der erste dunkelhäutige Fußballer in der deutschen Nationalmannschaft. Heute sind Herkunft und Hautfarbe zum Glück kein Thema mehr. Damals war das noch anders. Kostedde, der heute als Rentner im Münsterland lebt, hatte es oft schwer in seiner Karriere. Und auch danach meinte es das Leben nicht immer gut mit ihm.

Wie lange das nun alles schon her ist, zeigt ein Blick auf die Tabelle jener Tage, in denen diese Geschichte beginnt. Kickers Offenbach führt kurz vor Weihnachten 1974 die Tabelle der Bundesliga an, jedenfalls nach Minuspunkten. Heute spielen weder Minuspunkte noch die Offenbacher Kickers eine Rolle in der Bundesligatabelle, und heute ist es glücklicherweise auch völlig normal, wenn ein dunkelhäutiger Fußballer das DFB-Trikot trägt. Im Juli erst wurde Jérôme Boateng mit Deutschland Weltmeister - ein Berliner mit ghanaischen Wurzeln.

DFB-Debüt gegen Malta

Am 22. Dezember 1974 war ein gewisser Erwin Kostedde der erste dunkelhäutige Spieler in der Nationalmannschaft. Er stürmte damals für besagte Offenbacher Kickers, und kein Geringerer als Franz Beckenbauer sagte, er könne vielleicht die Lücke schließen, die Gerd Müller mit seinem Rücktritt nach dem WM-Finale hinterlassen habe. Als seine Nominierung für das EM-Qualifikationsspiel auf Malta bekannt wurde, jubelte Bild auf Seite eins: "Prima! Deutschlands schwarze Perle in der Nationalelf."

Erwin Kostedde war schon 28, seine Karriere hatte einige Brüche und war voller Höhen und Tiefen, ehe er am Ziel seiner Träume anlangte. "Es war mein Jugendtraum, ich wollte es mir unbedingt selbst beweisen", sagt er 40 Jahre später. Es war kein ganz normales Debüt, das sah jeder. Ein 28-Jähriger, einer von Kickers Offenbach und – vor allem – ein Dunkelhäutiger. Das Fachblatt Kicker schrieb: "So wird mit ihm zum ersten Male in der DFB-Geschichte ein farbiger Spieler das Nationaltrikot tragen; eine Tatsache, auf die nicht mehr einzugehen eine Selbstverständlichkeit wäre, wenn man nicht wüßte, wie schwer es Kostedde auf seinem Weg nach oben, nicht zuletzt auch wegen seiner Hautfarbe hatte."

"Manche mochten mich gerne sehen, viele nicht"

Kostedde wuchs in Münster auf, als Sohn eines amerikanischen Besatzungssoldaten, den er nie kennengelernt hat. "Ich bin Jahrgang 1946. Da können Sie sich ja denken, was los war, als die Soldaten aus der Kriegsgefangenschaft zurückkamen. Manche mochten mich gerne sehen, viele nicht." Von Geburt an anders, von Geburt an auffällig, immer in der Defensive. Viel Grund zum Hadern für ein Kind. "Es war im katholischen Münster schon schlimm, wenn du sonntags Jeans anhattest. Und ich trug tagein, tagaus die falsche Hautfarbe", hat er mal gesagt.

In Geschäften kam es vor, dass er nicht bedient wurde, und auch bei der Sache, die er am meisten liebte und die sein Schlüssel zu einem glücklichen Leben war, kam allerhand vor: beim Fußball. "Heute hat ja jede Mannschaft fünf, sechs Ausländer. Ich aber war damals der einzige, der herausstach", sagt er. Diffamierende Fan-Gesänge musste er zuweilen ertragen. Doch er zahlte alles zurück, in der härtesten Währung im Fußball – mit Toren. Nachdem er bei Standard Lüttich 1971 belgischer Torschützenkönig geworden war, holten ihn die Offenbacher nach Deutschland, wo er schon für Preußen Münster und den MSV Duisburg professionell gespielt hatte, zurück. In vier Jahren gelangen ihm 80 Punktspieltreffer, im Oktober gegen Borussia Mönchengladbach auch das Tor des Jahres 1974. An der Strafraumgrenze nahm er den Ball aus vollem Lauf mit der Brust an und hämmerte ihn dann volley unter die Latte, ein wunderschönes Tor, eines, wie es Mittelstürmer erzielen. Aber nur die guten.

"Der Franz hat sich für mich stark gemacht"

Irgendwann kam Bundestrainer Helmut Schön nicht mehr an ihm vorbei, wobei Kostedde betont, "dass sich der Franz für mich stark gemacht hat". Plötzlich stand er im Fokus, die Zeitungen berichten über das "moderne Weihnachts-Märchen". Bei der Einkleidung vor dem Abflug gab es noch ein kleines, oder besser, dickes Problem. Keine Anzughose im DFB-Sortiment war geschaffen für Kosteddes dicke Oberschenkel – zunächst. Auch deshalb mag Beckenbauer gesagt haben, dass "der Erwin dem Gerd Müller vom Typ am nächsten kommt." Kostedde sagt heute: "Wenn der Gerd Müller nicht gewesen wäre, hätte ich viel mehr als nur drei Länderspiele gemacht."

Dann kam das seltsame Spiel auf einem Hartplatz gegen die maltesischen Amateure, die im Jahr 2.500 Mark verdienten, aber nun um ihr Leben rannten. Weltmeister Deutschland setzte an diesem Tag fünf Debütanten ein und gewann knapp, aber verdient mit 1:0 durch ein Tor von Bernd Cullmann. Kostedde ging leer aus, wie auch in den beiden folgenden Spielen, doch immerhin durfte er im März 1975 in Wembley auflaufen – und letztmals im Oktober desselben Jahres gegen Griechenland. Sein Karrierefazit klingt heute so: "Ich bin total enttäuscht von mir, dass ich so wenig gespielt und nicht getroffen habe für Deutschland. Es lag an mir selber, da bin ich ehrlich. Ich war einfach total übermotiviert."



Vor 40 Jahren war Erwin Kostedde der erste dunkelhäutige Fußballer in der deutschen Nationalmannschaft. Heute sind Herkunft und Hautfarbe zum Glück kein Thema mehr. Damals war das noch anders. Kostedde, der heute als Rentner im Münsterland lebt, hatte es oft schwer in seiner Karriere. Und auch danach meinte es das Leben nicht immer gut mit ihm.

Wie lange das nun alles schon her ist, zeigt ein Blick auf die Tabelle jener Tage, in denen diese Geschichte beginnt. Kickers Offenbach führt kurz vor Weihnachten 1974 die Tabelle der Bundesliga an, jedenfalls nach Minuspunkten. Heute spielen weder Minuspunkte noch die Offenbacher Kickers eine Rolle in der Bundesligatabelle, und heute ist es glücklicherweise auch völlig normal, wenn ein dunkelhäutiger Fußballer das DFB-Trikot trägt. Im Juli erst wurde Jérôme Boateng mit Deutschland Weltmeister - ein Berliner mit ghanaischen Wurzeln.

DFB-Debüt gegen Malta

Am 22. Dezember 1974 war ein gewisser Erwin Kostedde der erste dunkelhäutige Spieler in der Nationalmannschaft. Er stürmte damals für besagte Offenbacher Kickers, und kein Geringerer als Franz Beckenbauer sagte, er könne vielleicht die Lücke schließen, die Gerd Müller mit seinem Rücktritt nach dem WM-Finale hinterlassen habe. Als seine Nominierung für das EM-Qualifikationsspiel auf Malta bekannt wurde, jubelte Bild auf Seite eins: "Prima! Deutschlands schwarze Perle in der Nationalelf."

Erwin Kostedde war schon 28, seine Karriere hatte einige Brüche und war voller Höhen und Tiefen, ehe er am Ziel seiner Träume anlangte. "Es war mein Jugendtraum, ich wollte es mir unbedingt selbst beweisen", sagt er 40 Jahre später. Es war kein ganz normales Debüt, das sah jeder. Ein 28-Jähriger, einer von Kickers Offenbach und – vor allem – ein Dunkelhäutiger. Das Fachblatt Kicker schrieb: "So wird mit ihm zum ersten Male in der DFB-Geschichte ein farbiger Spieler das Nationaltrikot tragen; eine Tatsache, auf die nicht mehr einzugehen eine Selbstverständlichkeit wäre, wenn man nicht wüßte, wie schwer es Kostedde auf seinem Weg nach oben, nicht zuletzt auch wegen seiner Hautfarbe hatte."

"Manche mochten mich gerne sehen, viele nicht"

Kostedde wuchs in Münster auf, als Sohn eines amerikanischen Besatzungssoldaten, den er nie kennengelernt hat. "Ich bin Jahrgang 1946. Da können Sie sich ja denken, was los war, als die Soldaten aus der Kriegsgefangenschaft zurückkamen. Manche mochten mich gerne sehen, viele nicht." Von Geburt an anders, von Geburt an auffällig, immer in der Defensive. Viel Grund zum Hadern für ein Kind. "Es war im katholischen Münster schon schlimm, wenn du sonntags Jeans anhattest. Und ich trug tagein, tagaus die falsche Hautfarbe", hat er mal gesagt.

In Geschäften kam es vor, dass er nicht bedient wurde, und auch bei der Sache, die er am meisten liebte und die sein Schlüssel zu einem glücklichen Leben war, kam allerhand vor: beim Fußball. "Heute hat ja jede Mannschaft fünf, sechs Ausländer. Ich aber war damals der einzige, der herausstach", sagt er. Diffamierende Fan-Gesänge musste er zuweilen ertragen. Doch er zahlte alles zurück, in der härtesten Währung im Fußball – mit Toren. Nachdem er bei Standard Lüttich 1971 belgischer Torschützenkönig geworden war, holten ihn die Offenbacher nach Deutschland, wo er schon für Preußen Münster und den MSV Duisburg professionell gespielt hatte, zurück. In vier Jahren gelangen ihm 80 Punktspieltreffer, im Oktober gegen Borussia Mönchengladbach auch das Tor des Jahres 1974. An der Strafraumgrenze nahm er den Ball aus vollem Lauf mit der Brust an und hämmerte ihn dann volley unter die Latte, ein wunderschönes Tor, eines, wie es Mittelstürmer erzielen. Aber nur die guten.

"Der Franz hat sich für mich stark gemacht"

Irgendwann kam Bundestrainer Helmut Schön nicht mehr an ihm vorbei, wobei Kostedde betont, "dass sich der Franz für mich stark gemacht hat". Plötzlich stand er im Fokus, die Zeitungen berichten über das "moderne Weihnachts-Märchen". Bei der Einkleidung vor dem Abflug gab es noch ein kleines, oder besser, dickes Problem. Keine Anzughose im DFB-Sortiment war geschaffen für Kosteddes dicke Oberschenkel – zunächst. Auch deshalb mag Beckenbauer gesagt haben, dass "der Erwin dem Gerd Müller vom Typ am nächsten kommt." Kostedde sagt heute: "Wenn der Gerd Müller nicht gewesen wäre, hätte ich viel mehr als nur drei Länderspiele gemacht."

Dann kam das seltsame Spiel auf einem Hartplatz gegen die maltesischen Amateure, die im Jahr 2.500 Mark verdienten, aber nun um ihr Leben rannten. Weltmeister Deutschland setzte an diesem Tag fünf Debütanten ein und gewann knapp, aber verdient mit 1:0 durch ein Tor von Bernd Cullmann. Kostedde ging leer aus, wie auch in den beiden folgenden Spielen, doch immerhin durfte er im März 1975 in Wembley auflaufen – und letztmals im Oktober desselben Jahres gegen Griechenland. Sein Karrierefazit klingt heute so: "Ich bin total enttäuscht von mir, dass ich so wenig gespielt und nicht getroffen habe für Deutschland. Es lag an mir selber, da bin ich ehrlich. Ich war einfach total übermotiviert."

Aber er hatte Geschichte geschrieben und eine Tür geöffnet, durch die noch viele gegangen sind. Von Jimmy Hartwig, der ihm folgte, über Vize-Weltmeister Gerald Asamoah bis zu Boateng und Antonio Rüdiger. 1974 sagte Kostedde: "Ich bin stolz darauf, der erste Farbige der Nationalelf zu sein. Diese Tatsache wird sicher vielen Menschen meiner Hautfarbe Auftrieb geben." Er selbst wurde nun an der Kasse nicht mehr ignoriert, weil man diesen Mann doch irgendwoher kannte. "Ich bin mir bewusst, dass ohne den Erfolg meine Hautfarbe nach wie vor eine Belastung für mich wäre", erkannte er damals. Und zuweilen wurde sie es wieder. Die Geschichte des Erwin Kostedde nahm nach seiner Karriere, die ihn über Hertha BSC und Borussia Dortmund noch zu Werder Bremen und Zweitligist VfL Osnabrück führte, tragische Wendungen.

Er verlor mehr als eine Millionen Mark – "mein ganzes Schmerzensgeld" – an einen Anlagebetrüger, denn "ich habe oft den falschen Freunden vertraut." Diese Geschichte, die ihn bis heute zu einem Leben in Bescheidenheit zwingt, ist nichts gegen die aus dem Sommer 1990. Damals wurde er zu Unrecht des "bewaffneten Raubüberfalls" auf eine Spielhalle in Coesfeld – Beute 160 Mark – angeklagt. Dubiose Zeugenaussagen und krasse Ermittlungsfehler brachten ihm eine halbjährige Untersuchungshaft ein, inklusive eines Nervenzusammenbruchs. Die Polizei hatte bei der Gegenüberstellung nur Kostedde präsentiert, obwohl das Gesetz sechs Personen vorschreibt. "Wir hielten es für ausgeschlossen, im Raum Coesfeld fünf Farbige aufzutreiben", sagte der Dienststellenleiter. Und so erkannte die Zeugin eben den einzigen, den sie in dem Moment erkennen konnte.

"Sie hätten mir zehn Millionen geben können, mein Leben war kaputt"

Vor Gericht konnte sie dann doch nicht mehr beschwören, ob es dieser Mann oder ein anderer gewesen sei. Der andere Zeuge wollte Kostedde "aus dem Stadion" gekannt haben, "den habe ich auf Schalke spielen sehen." Selbst wenn, musste es über zehn Jahre her gewesen sein. Es war ein Skandal. Kostedde erhielt eine Entschädigung von 3.000 Mark. "Sie hätten mir zehn Millionen geben können, mein Leben war kaputt", sagt er noch heute. "Ich hätte nie gedacht, dass so etwas in Deutschland möglich sein kann." Am 13. Juni 1991 verließ er den Gerichtssaal als freier, aber gebrochener Mann. Damals sagte er: "Ich wünsche mir, dass nichts hängen bleibt." Heute sagt er: "Ich träume heute noch davon. Ich bin ein anderer Mensch geworden."

Das Leben hat noch Schulden bei Erwin Kostedde, der heute als 68-jähriger Rentner in Telgte bei Münster mit seiner Frau zusammenlebt. Mit Fußball habe er "nichts mehr zu tun", sagt er. Dabei hat er für den Fußball doch so viel getan.