EM-Kapitän 1980: "Ennatz" Dietz wird 70

Bernard "Ennatz" Dietz, Europameister von 1980 und Rekordnationalspieler des MSV Duisburg, wird heute 70. Das muss gefeiert werden, und er tut es standesgemäß. In den Räumlichkeiten des MSV-Stadions, 250 Gäste sind geladen. In guter Stimmung, wie er beteuert: "Ich bin gesund, habe eine tolle Familie - alles läuft gut." Mal abgesehen von der jüngsten Niederlagenserie seines MSV, der bis vor kurzem noch an der Tür zur Bundesliga klopfte, aber jetzt den Blick wieder nach unten richten muss.

Bernard Dietz ist das gewohnt. In zwölf Bundesliga-Jahren mit dem MSV gab es immer nur ein Saisonziel: Drinbleiben! Elfmal schafften es die Zebras, zwischendurch rutschten sie gar mal in den UEFA-Cup, erst als das Dutzend voll war, 1982, da mussten sie in die 2. Liga. Umso erstaunlicher ist die Karriere des stets bescheiden gebliebenen Bergmannssohns aus Bockum-Hövel, der es "vom Straßenfußballer zur Nationalmannschaft" (Titel seiner Biographie; Anm.d.Red.) geschafft hat.

"Ich habe Tag und Nacht trainiert"

Bernard Dietz war ein Fußball-Arbeiter und daraus hat der 53-malige Nationalspieler auch nie einen Hehl gemacht. "Ich war kein großes Talent, aber ich habe Tag und Nacht trainiert." Und mit einer solchen Einstellung kommt man an im Ruhrpott. Sie hat ihn zum Europameister gemacht, am 22. Juni 1980 stemmte er als DFB-Kapitän den Pokal in den Nachthimmel zu Rom. Er war, wenn man so will, die offensivere Version des Terriers, den der 1978 abgetretene Berti Vogts verkörperte.

Und er war ein Kuriosum im Kreis der Nationalmannschaft. Er war der Abgesandte des unteren Tabellendrittels, allein unter Münchnern, Mönchengladbachern, Hamburgern oder Kölnern, die in seiner Zeit um die Titel spielten, die es im nationalen und internationalen Fußball so zu holen gab. Dietz hat nie einen Vereinstitel gewonnen, er hat die meisten Bundesliga-Niederlagen erlebt (221), er hat den Überlebenskampf nie gescheut. Dass er ihn mit seinen Klubs – ab 1982 spielte er noch fünf Jahre auf Schalke – so oft gewann, das lag vor allem an ihm und seiner Natur.

19-mal Kapitän der Nationalmannschaft

An seiner Einstellung hat nie jemand etwas auszusetzen gehabt, und so gab es auch keinen Grund, ihm nach Sepp Maiers Ausscheiden aus der Nationalmannschaft 1979 die Spielführerbinde zu verweigern. Er hatte die meisten Länderspiele und die richtigen Eigenschaften: Kampfgeist, Moral, Loyalität, Integrität. Und so wurde er für zwei Jahre der Kapitän von Schumacher, Kaltz, Magath, Schuster, Stielike, Rummenigge und wie sie alle hießen, die aus größeren Vereinen kamen und deren Vitrinen heute voll mit Titeln und Medaillen sind.

19-mal trug er die Binde zwischen 20. Dezember 1978 und 1. April 1981 und jedesmal streifte sie ihm der Bundestrainer persönlich um. Mit Jupp Derwall pflegte er lange ein gutes Verhältnis, ehe ein vielleicht ein etwas unbedachtes, im Zorn gegebenes Interview im Mai 1981 Dietz' Karriere beendete. Er war schon 33 und wollte nur wissen, woran er war. Immer öfter saß er auf der Bank und Derwall sprach zu wenig mit ihm. Das verkraftete Dietz nicht, das kollidierte mit seinen Werten. Sie vertrugen sich später wieder, das war ihm wichtig.

Er konnte nicht nur laufen und grätschen. Kaum zu glauben, aber nach Mittelstürmer Ronnie Worm hat "Ennatz", der gewöhnlich linker Verteidiger spielte, die meisten Bundesligatore für den MSV erzielt (70) – darunter sogar mal vier gegen die Bayern. Noch immer ist das Rekord für einen Verteidiger in 55 Jahren Bundesliga, aber so will er ja eigentlich gar nicht gesehen werden. "Ich war ja eigentlich kein Verteidiger, meine Vorbilder waren Netzer und Overath", behauptet er heute noch.



Bernard "Ennatz" Dietz, Europameister von 1980 und Rekordnationalspieler des MSV Duisburg, wird heute 70. Das muss gefeiert werden, und er tut es standesgemäß. In den Räumlichkeiten des MSV-Stadions, 250 Gäste sind geladen. In guter Stimmung, wie er beteuert: "Ich bin gesund, habe eine tolle Familie - alles läuft gut." Mal abgesehen von der jüngsten Niederlagenserie seines MSV, der bis vor kurzem noch an der Tür zur Bundesliga klopfte, aber jetzt den Blick wieder nach unten richten muss.

Bernard Dietz ist das gewohnt. In zwölf Bundesliga-Jahren mit dem MSV gab es immer nur ein Saisonziel: Drinbleiben! Elfmal schafften es die Zebras, zwischendurch rutschten sie gar mal in den UEFA-Cup, erst als das Dutzend voll war, 1982, da mussten sie in die 2. Liga. Umso erstaunlicher ist die Karriere des stets bescheiden gebliebenen Bergmannssohns aus Bockum-Hövel, der es "vom Straßenfußballer zur Nationalmannschaft" (Titel seiner Biographie; Anm.d.Red.) geschafft hat.

"Ich habe Tag und Nacht trainiert"

Bernard Dietz war ein Fußball-Arbeiter und daraus hat der 53-malige Nationalspieler auch nie einen Hehl gemacht. "Ich war kein großes Talent, aber ich habe Tag und Nacht trainiert." Und mit einer solchen Einstellung kommt man an im Ruhrpott. Sie hat ihn zum Europameister gemacht, am 22. Juni 1980 stemmte er als DFB-Kapitän den Pokal in den Nachthimmel zu Rom. Er war, wenn man so will, die offensivere Version des Terriers, den der 1978 abgetretene Berti Vogts verkörperte.

Und er war ein Kuriosum im Kreis der Nationalmannschaft. Er war der Abgesandte des unteren Tabellendrittels, allein unter Münchnern, Mönchengladbachern, Hamburgern oder Kölnern, die in seiner Zeit um die Titel spielten, die es im nationalen und internationalen Fußball so zu holen gab. Dietz hat nie einen Vereinstitel gewonnen, er hat die meisten Bundesliga-Niederlagen erlebt (221), er hat den Überlebenskampf nie gescheut. Dass er ihn mit seinen Klubs – ab 1982 spielte er noch fünf Jahre auf Schalke – so oft gewann, das lag vor allem an ihm und seiner Natur.

19-mal Kapitän der Nationalmannschaft

An seiner Einstellung hat nie jemand etwas auszusetzen gehabt, und so gab es auch keinen Grund, ihm nach Sepp Maiers Ausscheiden aus der Nationalmannschaft 1979 die Spielführerbinde zu verweigern. Er hatte die meisten Länderspiele und die richtigen Eigenschaften: Kampfgeist, Moral, Loyalität, Integrität. Und so wurde er für zwei Jahre der Kapitän von Schumacher, Kaltz, Magath, Schuster, Stielike, Rummenigge und wie sie alle hießen, die aus größeren Vereinen kamen und deren Vitrinen heute voll mit Titeln und Medaillen sind.

19-mal trug er die Binde zwischen 20. Dezember 1978 und 1. April 1981 und jedesmal streifte sie ihm der Bundestrainer persönlich um. Mit Jupp Derwall pflegte er lange ein gutes Verhältnis, ehe ein vielleicht ein etwas unbedachtes, im Zorn gegebenes Interview im Mai 1981 Dietz' Karriere beendete. Er war schon 33 und wollte nur wissen, woran er war. Immer öfter saß er auf der Bank und Derwall sprach zu wenig mit ihm. Das verkraftete Dietz nicht, das kollidierte mit seinen Werten. Sie vertrugen sich später wieder, das war ihm wichtig.

Er konnte nicht nur laufen und grätschen. Kaum zu glauben, aber nach Mittelstürmer Ronnie Worm hat "Ennatz", der gewöhnlich linker Verteidiger spielte, die meisten Bundesligatore für den MSV erzielt (70) – darunter sogar mal vier gegen die Bayern. Noch immer ist das Rekord für einen Verteidiger in 55 Jahren Bundesliga, aber so will er ja eigentlich gar nicht gesehen werden. "Ich war ja eigentlich kein Verteidiger, meine Vorbilder waren Netzer und Overath", behauptet er heute noch.

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"Ennatz" bleibt sich immer treu

In seiner Jugend war er Fan von Overaths 1. FC Köln. Natürlich war er kein Overath, aber in puncto Ehrgeiz und Einstellung stand er den Größten in nichts nach. Dass merkten sie schon bald in Duisburg, wo sie Dietz 1970 für 1200 Mark Grundgehalt anstellten (und 5000 DM Handgeld). Schon bald feierten sie ihren "Ennatz" im Wedau-Stadion. Warum heißt er so? Weil ein Nachbarsmädchen seinen Vornamen immer so aussprach und weil ihn 200 Bürger aus seiner Heimatgemeinde beim ersten Heimspiel durch Anfeuerungsrufe auch im Wedau-Stadion bekannt machten. Heute heißt das MSV-Maskottchen nach ihm.

Mit einigem Recht, ist er doch Rekordnationalspieler des MSV. Dass ein Duisburger zu 53 Länderspielen kommen konnte, erscheint heute schier unbegreiflich; ebenso dass ein Nationalspieler – er nahm an zwei EM-Endrunden und der WM 1978 teil – nicht nach Höherem strebte. Vereinstreue war in den Siebzigern zwar noch ein Begriff, aber zu allen Zeiten gingen die Besten der kleinen Klubs irgendwann zu den Großen oder jedenfalls dahin, wo es mehr Geld gab. Dietz geriet auch einmal in Versuchung, aber dann mit seinen eigenen Werten in Konflikt und blieb sich treu.

Es war im Frühjahr 1976, als ihn plötzlich das große Abenteuer reizte. Trainer Dietrich Weise lockte ihn mit guten Worten zur Frankfurter Eintracht und das stand auch damals schon bald in der Presse. Man war sich fast einig. Nach einem seiner vermeintlich letzten Heimspiele trottete Dietz zum Parkplatz hinter dem Wedau-Stadion, als ihm eine vierköpfige Familie entgegenkam. Die Kinder schwiegen ehrfürchtig, aber die Eltern sprachen ihn an. Es war eher ein Jammern und gipfelte in dem Flehen: "Du darfst uns doch nicht verlassen, Ennatz." Dann weinten sie vor ihren Kindern – und Dietz fuhr aufgewühlt nach Hause. Am Morgen nach einer schlaflosen Nacht sagte er Frankfurt ab, weil er sich sagte "Du kannst hier nicht weg gehen."

"Der MSV ist meine Heimat"

Sechs Jahre später ging er doch. Nicht unbedingt wegen des Abstiegs, sondern weil nach dem letzten Spiel Folgendes passierte, wie wir seiner Biographie entnehmen: "Und so saßen wir in der Kabine, fertig, geschafft, nicht wissend, wie es weitergeht, als der Präsident zur Tür hereinkommt mit einem Herrn im Schlepptau. Ohne ein Wort über den Situation zu verlieren, kein Dank, kein Trost, nicht einmal ein Vorwurf, so als wäre nichts passiert, stellte er Herrn Renter vor, Konditionstrainer, der für alle, die nicht in Urlaub fahren, schon in der nächsten Woche zur Verfügung steht. Da hat der Bernard Dietz die Tasche gepackt, ist nach Hause gefahren und hat Rudi Assauer in Schalke angerufen, um ihm mitzuteilen: Ich komme zu Euch."

Aber der MSV blieb immer sein Verein. "Ich hatte in Schalke fünf schöne Jahre, aber der MSV ist meine Heimat. Immer wenn ich ins Stadion komme, denke ich: Das ist mein Wohnzimmer." Und immer noch ist er tätig für seinen MSV, dessen Zweitliga-Team er 2002 ohne die nötige Lizenz interimistisch mal trainierte und dabei fünf von sechs Spielen gewann. Auch im August 2012 sprang er noch mal kurz ein, als Oliver Reck entlassen worden war. Danach saß er im Aufsichtsrat, heute ist er als Stellvertretender Vorstandsvorsitzender.

"Nach Hause geh ich"

Duisburg ohne Ennatz - das ist wie Pommes ohne Mayo. Die Fans haben ihn 2010 offiziell zur MSV-Legende gewählt. "Da bin ich sehr stolz darauf, denn die meisten die mich gewählt haben, haben mich nie spielen sehen", sagte die lebende Legende damals. Aber alle wissen sie, was er für einer war. "Ich habe Fußball nicht wegen des Geldes gespielt, sondern wegen der Faszination in einem vollen Stadion gemeinsam mit anderen etwas zu erreichen." Worte, die man lange nicht mehr gehört hat.

Schon zu Spielerzeiten war Dietz einer der letzten Romantiker des Fußballs. Als Trainer änderte sich daran nichts, weil sich auch der Mensch nie geändert hat. Und so kam es, dass er während seiner Zeit beim VfL Bochum, wo er von 1994 bis 2001 die A-Jugend und am Ende aushilfsweise die Profis trainierte, mit einer Moralpredigt für Schlagzeilen sorgte. Im Dezember 2001 trat er "wegen der mangelhaften Berufsauffassung einiger Spieler der heutigen Fußball-Generation" zurück. Auch dass der Präsident permanent in der Kabine stand und ihm vorschreiben wollte, den Kapitän abzusetzen, passte Dietz nicht. VfL-Boss Werner Altegoer, erzählt Dietz noch heute amüsiert, habe ihm noch entsetzt nachgerufen: "Wohin gehen Sie?" "Nach Hause geh ich", sagte der gradlinige Dietz. Und er ging wirklich.

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