EM 2024 in Deutschland: Schöne Bescherung

Traditionell beginnt das Jahr mit viel Trubel und noch mehr Lärm, damit es im Anschluss gerne etwas ruhiger zugehen kann. 2018 war alles anders. Denn dieses Mal ertönte der lauteste Paukenschlag erst im September. Obwohl es am Donnerstag, dem 27., zunächst ganz still war, als UEFA-Präsident Aleksander Čeferin in der Zentrale des Verbandes in Nyon auf die Bühne schritt und den Umschlag öffnete, der zu diesem Zeitpunkt noch das Geheimnis des Ausrichters der EURO 2024 hütete. Nach Augenblicken der Spannung verkündete Čeferin schließlich: "Germany"! "Erst als wir aufstanden und einander umarmten, merkte ich, wie riesig die Erleichterung war", erinnert sich Philipp Lahm. "Das nächste, was ich spürte, war Dankbarkeit. Und dann die Verpflichtung, dass wir es jetzt wirklich gut machen müssen."

Zuvor hatte Lahm seine Aufgabe als Botschafter der deutschen EURO-Bewerbung gut gemacht. Mehr als gut. Dabei war der Druck immens. Vom hochdekorierten Kapitän einer deutschen Weltmeistermannschaft wird nichts anderes als Erfolg erwartet. Im Dezember 2017 war Lahm auf dem DFB-Bundestag zum EURO-Botschafter ernannt worden – und zum sechsten Ehrenspielführer des Verbandes. "Diese Ehre war bis dahin nur den Fußball-Legenden Fritz Walter, Uwe Seeler, Franz Beckenbauer, Lothar Matthäus und Jürgen Klinsmann zuteil geworden. Abgesehen davon, dass es mir immer noch ziemlich unwirklich vorkommt, in einem Atemzug mit diesen Größen genannt zu werden, begann für mich gleichzeitig ein neues Kapitel meiner Zukunft. Eine Aufgabe, die mein Jahr entscheidend prägen sollte", sagt Lahm. Er wurde das Gesicht der deutschen EURO-Bewerbung, einer Bewerbung des gesamten deutschen Fußballs von der Spitze bis zur Basis. "Beim Bundestag lernte ich auch Vertreter und Funktionäre der Amateurligen kennen, jener unzähligen Menschen, die den Fußball in Deutschland zum Volkssport und den DFB zum größten Sportfachverband der Welt machen" sagt Lahm. "Ihre Passion und Leidenschaft hat mich tief beeindruckt – und mit Zuversicht erfüllt, dass wir mit der Kandidatur für die Europameisterschaft in Deutschland richtig liegen. Ohne diese ebenso tiefe wie breite Begeisterung für den Sport würde der EM schließlich ihre Seele fehlen."

In allen Spielorten der deutschen Bewerbung warben zudem regionale Botschafter für die EURO. Lahm zählt auf: "Annike Krahn und Roman Weidenfeller in Dortmund, Fredi Bobic in Frankfurt, Gerald Asamoah in Gelsenkirchen, Toni Schumacher in Köln, Cacau in Stuttgart, um nur ein paar Verbündete aus dem Fußballbereich zu nennen, konnten wir gewinnen. Aber auch Udo Lindenberg für Hamburg, Dieter Nuhr für Düsseldorf, DJ Hell für München. Und das sind noch längst nicht alle."

1.200 Seiten Dossier

Gemeinsam mit den Vertretern der Spielorte und Stadien stellte das Bewerbungsteam die Unterlagen im sogenannten Bid Book zusammen und übergaben es der UEFA am 24. April. "Die Unterlagen mit Informationen zu Sportstätten, Infrastruktur, Logistik, Sicherheitsfragen, aber auch den politischen und gesellschaftlichen Visionen dieser EM, summierten sich zu einem Dossier von 1.200 Seiten", erklärt Lahm. Hinzu kam ein umfassendes Nachhaltigkeitskonzept, das die UEFA nicht forderte, der DFB aber unter breiter Beteiligung verschiedener Interessengruppen erarbeitete. "Es war deutlich zu beobachten, wie sich die Begeisterung für die EM weit über die Sportszene hinaus fortpflanzte", sagt Lahm.

Nicht nur seine Tätigkeit als Fußball-Diplomat war eine neue Erfahrung für den Münchner, sondern auch der Besuch der WM in Russland im Sommer. Mit Blick auf die EURO 2024 nahm Lahm eine neue Perspektive ein: "Ich konnte mich mit vielen Aspekten der Organisation vertraut machen, durfte hinter die Kulissen schauen, bekam auch Einblick in Bereiche, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind." Und Lahm konnte sich von der Arbeit der zahlreichen Volunteers ein Bild machen, ohne deren Engagement auch 2020 in München und dann 2024 in ganz Deutschland keine Europameisterschaft möglich ist: "Von den vielen jungen Freiwilligen war ich sehr angetan, sie waren aus aller Welt nach Russland gekommen, um bei der Abwicklung der WM zu helfen. Sie leisteten zehn bis zwölf Stunden Arbeit pro Tag, sechs bis acht Wochen lang, nur um dabei zu sein, Kontakte zu knüpfen und zu sehen, wie ihre Passion – ein hochklassiges Fußballfest – Gestalt annimmt."

Nach der WM tauschte Lahm abermals die Rollen – und wurde vom Beobachter wieder zum Akteur. Bei der Vergabe der EURO 2024 in Nyon zählte er gemeinsam mit DFB-Generalsekretär Dr. Friedrich Curtius, Bundestrainer Joachim Löw, DFB-Integrationsbotschafterin Célia Šašić und Bewerbungsleiter Markus Stenger zu den fünf Mitgliedern der insgesamt 21-köpfigen deutschen Delegation, die auf der Bühne die finalen Fragen der Mitglieder des UEFA-Exekutivkomitees beantworteten. "Wir trainierten die Situation ganze vier Tage lang. Dabei gerieten wir in eine Art Wettkampfmodus. Ungewohnt für mich, dabei Anzug und Krawatte zu tragen. Ich fühlte mich wie vor einem Champions-League-Finale, nur dass ich nicht 20 Jahre auf diesen Moment hingearbeitet hatte. Aber als wir für die Fragerunde auf die Bühne des UEFA-Auditoriums stiegen, waren wir bestens vorbereitet, jede Antwort saß", sagt Lahm. Der Rest ist Fußball-Geschichte. Mit 12:4-Stimmen wurde die EURO nach Deutschland vergeben. "Damit stand fest, dass 2018 ein gutes Jahr ist. Wir hatten die EM nach Deutschland geholt. Weihnachten fand für mich schon im September statt", sagt Lahm. Alles, was folgte, war die Zugabe nach dem Paukenschlag.

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Traditionell beginnt das Jahr mit viel Trubel und noch mehr Lärm, damit es im Anschluss gerne etwas ruhiger zugehen kann. 2018 war alles anders. Denn dieses Mal ertönte der lauteste Paukenschlag erst im September. Obwohl es am Donnerstag, dem 27., zunächst ganz still war, als UEFA-Präsident Aleksander Čeferin in der Zentrale des Verbandes in Nyon auf die Bühne schritt und den Umschlag öffnete, der zu diesem Zeitpunkt noch das Geheimnis des Ausrichters der EURO 2024 hütete. Nach Augenblicken der Spannung verkündete Čeferin schließlich: "Germany"! "Erst als wir aufstanden und einander umarmten, merkte ich, wie riesig die Erleichterung war", erinnert sich Philipp Lahm. "Das nächste, was ich spürte, war Dankbarkeit. Und dann die Verpflichtung, dass wir es jetzt wirklich gut machen müssen."

Zuvor hatte Lahm seine Aufgabe als Botschafter der deutschen EURO-Bewerbung gut gemacht. Mehr als gut. Dabei war der Druck immens. Vom hochdekorierten Kapitän einer deutschen Weltmeistermannschaft wird nichts anderes als Erfolg erwartet. Im Dezember 2017 war Lahm auf dem DFB-Bundestag zum EURO-Botschafter ernannt worden – und zum sechsten Ehrenspielführer des Verbandes. "Diese Ehre war bis dahin nur den Fußball-Legenden Fritz Walter, Uwe Seeler, Franz Beckenbauer, Lothar Matthäus und Jürgen Klinsmann zuteil geworden. Abgesehen davon, dass es mir immer noch ziemlich unwirklich vorkommt, in einem Atemzug mit diesen Größen genannt zu werden, begann für mich gleichzeitig ein neues Kapitel meiner Zukunft. Eine Aufgabe, die mein Jahr entscheidend prägen sollte", sagt Lahm. Er wurde das Gesicht der deutschen EURO-Bewerbung, einer Bewerbung des gesamten deutschen Fußballs von der Spitze bis zur Basis. "Beim Bundestag lernte ich auch Vertreter und Funktionäre der Amateurligen kennen, jener unzähligen Menschen, die den Fußball in Deutschland zum Volkssport und den DFB zum größten Sportfachverband der Welt machen" sagt Lahm. "Ihre Passion und Leidenschaft hat mich tief beeindruckt – und mit Zuversicht erfüllt, dass wir mit der Kandidatur für die Europameisterschaft in Deutschland richtig liegen. Ohne diese ebenso tiefe wie breite Begeisterung für den Sport würde der EM schließlich ihre Seele fehlen."

In allen Spielorten der deutschen Bewerbung warben zudem regionale Botschafter für die EURO. Lahm zählt auf: "Annike Krahn und Roman Weidenfeller in Dortmund, Fredi Bobic in Frankfurt, Gerald Asamoah in Gelsenkirchen, Toni Schumacher in Köln, Cacau in Stuttgart, um nur ein paar Verbündete aus dem Fußballbereich zu nennen, konnten wir gewinnen. Aber auch Udo Lindenberg für Hamburg, Dieter Nuhr für Düsseldorf, DJ Hell für München. Und das sind noch längst nicht alle."

1.200 Seiten Dossier

Gemeinsam mit den Vertretern der Spielorte und Stadien stellte das Bewerbungsteam die Unterlagen im sogenannten Bid Book zusammen und übergaben es der UEFA am 24. April. "Die Unterlagen mit Informationen zu Sportstätten, Infrastruktur, Logistik, Sicherheitsfragen, aber auch den politischen und gesellschaftlichen Visionen dieser EM, summierten sich zu einem Dossier von 1.200 Seiten", erklärt Lahm. Hinzu kam ein umfassendes Nachhaltigkeitskonzept, das die UEFA nicht forderte, der DFB aber unter breiter Beteiligung verschiedener Interessengruppen erarbeitete. "Es war deutlich zu beobachten, wie sich die Begeisterung für die EM weit über die Sportszene hinaus fortpflanzte", sagt Lahm.

Nicht nur seine Tätigkeit als Fußball-Diplomat war eine neue Erfahrung für den Münchner, sondern auch der Besuch der WM in Russland im Sommer. Mit Blick auf die EURO 2024 nahm Lahm eine neue Perspektive ein: "Ich konnte mich mit vielen Aspekten der Organisation vertraut machen, durfte hinter die Kulissen schauen, bekam auch Einblick in Bereiche, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind." Und Lahm konnte sich von der Arbeit der zahlreichen Volunteers ein Bild machen, ohne deren Engagement auch 2020 in München und dann 2024 in ganz Deutschland keine Europameisterschaft möglich ist: "Von den vielen jungen Freiwilligen war ich sehr angetan, sie waren aus aller Welt nach Russland gekommen, um bei der Abwicklung der WM zu helfen. Sie leisteten zehn bis zwölf Stunden Arbeit pro Tag, sechs bis acht Wochen lang, nur um dabei zu sein, Kontakte zu knüpfen und zu sehen, wie ihre Passion – ein hochklassiges Fußballfest – Gestalt annimmt."

Nach der WM tauschte Lahm abermals die Rollen – und wurde vom Beobachter wieder zum Akteur. Bei der Vergabe der EURO 2024 in Nyon zählte er gemeinsam mit DFB-Generalsekretär Dr. Friedrich Curtius, Bundestrainer Joachim Löw, DFB-Integrationsbotschafterin Célia Šašić und Bewerbungsleiter Markus Stenger zu den fünf Mitgliedern der insgesamt 21-köpfigen deutschen Delegation, die auf der Bühne die finalen Fragen der Mitglieder des UEFA-Exekutivkomitees beantworteten. "Wir trainierten die Situation ganze vier Tage lang. Dabei gerieten wir in eine Art Wettkampfmodus. Ungewohnt für mich, dabei Anzug und Krawatte zu tragen. Ich fühlte mich wie vor einem Champions-League-Finale, nur dass ich nicht 20 Jahre auf diesen Moment hingearbeitet hatte. Aber als wir für die Fragerunde auf die Bühne des UEFA-Auditoriums stiegen, waren wir bestens vorbereitet, jede Antwort saß", sagt Lahm. Der Rest ist Fußball-Geschichte. Mit 12:4-Stimmen wurde die EURO nach Deutschland vergeben. "Damit stand fest, dass 2018 ein gutes Jahr ist. Wir hatten die EM nach Deutschland geholt. Weihnachten fand für mich schon im September statt", sagt Lahm. Alles, was folgte, war die Zugabe nach dem Paukenschlag.

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