EM 1972: Der Triumph der Jahrhundertelf

Dreimal schon hat die Nationalmannschaft den EM-Pokal gewonnen, öfter hat keine andere Nation triumphiert. Bei der EURO 2016 ist der vierte Titel nach 1972, 1980 und 1996 das Ziel - 20 Jahre nach dem letzten Erfolg. Vor dem Turnier in Frankreich blättert DFB.de in der Historie. Heute: die Europameisterschaft 1972 in Belgien.

1972 hatte Deutschland nach allgemeiner Ansicht die beste Mannschaft aller Zeiten. Die Auswahl von Bundestrainer Helmut Schön hatte die vorhergehende WM 1970 mit dem dritten Platz beendet und die Fachwelt in Mexiko begeistert. Spiele wie das 3:2 gegen England und das 3:4 gegen Italien sind in die Klassikersammlung der DFB-Historie eingezogen. Die Deutschen galten als der gefühlte Weltmeister. In der EM-Qualifikation hatte die Generation Beckenbauer/Netzer jedoch mehr Mühe als gedacht. In Köln gab es nur ein 1:1 gegen die Türken und viele Pfiffe, und nur ein Tor von Gerd Müller verhinderte eine weitere Blamage in Albanien, wo 1967 beim 0:0 schon einmal ein EM-Traum vorzeitig geplatzt war.

Erfolgreiche Blockbildung: Bayern und Gladbacher dominieren

Der Aufschwung setzte erst Mitte 1971 ein, als Franz Beckenbauer vom Mittelfeldspieler zum Libero umfunktioniert wurde - erstmals im April beim 3:0 in Istanbul. Und als immer mehr Talente des Deutschen Meisters Borussia Mönchengladbach und dessen Rivalen FC Bayern in die Nationalelf drängten. An jenem Tag von Istanbul war das erste Mal seit Bern 1954, als fünf Kaiserslauterer Weltmeister wurden, wieder von Blockbildung die Rede - wobei es nun sogar zwei Blöcke waren (fünf Gladbacher und drei Bayern).

Auf der Skandinavien-Reise 1971 kamen zwei junge Münchner hinzu, die noch zusammen in einer WG wohnten: der Verteidiger Paul Breitner und der dynamische Stürmer Uli Hoeneß. Schön hatte neue Alternativen und nutzte die Chance zur Verjüngung. Für Breitner opferte er den alternden Italien-Legionär Karl-Heinz Schnellinger, der es sportlich nahm: "Der Breitner ist ja schon abgebrüht wie ein Alter! Was der rennt, ist schon toll."

Neue Alternativen - und ein altes Problem löste sich von selbst. Denn Schön hatte eigentlich in der Kreativzentrale ein Luxusproblem: Wolfgang Overath oder Günter Netzer? Diese Frage beschäftigte den "Mann mit der Mütze" über seine halbe Amtszeit und spaltete die Expertenwelt. Schön experimentierte und stellte Netzer gegen Albanien in den Sturm, aber es war ein Fehlschlag. Beide konnten nur Spielmacher sein - und miteinander ging es bei aller Sympathie nicht.



Dreimal schon hat die Nationalmannschaft den EM-Pokal gewonnen, öfter hat keine andere Nation triumphiert. Bei der EURO 2016 ist der vierte Titel nach 1972, 1980 und 1996 das Ziel - 20 Jahre nach dem letzten Erfolg. Vor dem Turnier in Frankreich blättert DFB.de in der Historie. Heute: die Europameisterschaft 1972 in Belgien.

1972 hatte Deutschland nach allgemeiner Ansicht die beste Mannschaft aller Zeiten. Die Auswahl von Bundestrainer Helmut Schön hatte die vorhergehende WM 1970 mit dem dritten Platz beendet und die Fachwelt in Mexiko begeistert. Spiele wie das 3:2 gegen England und das 3:4 gegen Italien sind in die Klassikersammlung der DFB-Historie eingezogen. Die Deutschen galten als der gefühlte Weltmeister. In der EM-Qualifikation hatte die Generation Beckenbauer/Netzer jedoch mehr Mühe als gedacht. In Köln gab es nur ein 1:1 gegen die Türken und viele Pfiffe, und nur ein Tor von Gerd Müller verhinderte eine weitere Blamage in Albanien, wo 1967 beim 0:0 schon einmal ein EM-Traum vorzeitig geplatzt war.

Erfolgreiche Blockbildung: Bayern und Gladbacher dominieren

Der Aufschwung setzte erst Mitte 1971 ein, als Franz Beckenbauer vom Mittelfeldspieler zum Libero umfunktioniert wurde - erstmals im April beim 3:0 in Istanbul. Und als immer mehr Talente des Deutschen Meisters Borussia Mönchengladbach und dessen Rivalen FC Bayern in die Nationalelf drängten. An jenem Tag von Istanbul war das erste Mal seit Bern 1954, als fünf Kaiserslauterer Weltmeister wurden, wieder von Blockbildung die Rede - wobei es nun sogar zwei Blöcke waren (fünf Gladbacher und drei Bayern).

Auf der Skandinavien-Reise 1971 kamen zwei junge Münchner hinzu, die noch zusammen in einer WG wohnten: der Verteidiger Paul Breitner und der dynamische Stürmer Uli Hoeneß. Schön hatte neue Alternativen und nutzte die Chance zur Verjüngung. Für Breitner opferte er den alternden Italien-Legionär Karl-Heinz Schnellinger, der es sportlich nahm: "Der Breitner ist ja schon abgebrüht wie ein Alter! Was der rennt, ist schon toll."

Neue Alternativen - und ein altes Problem löste sich von selbst. Denn Schön hatte eigentlich in der Kreativzentrale ein Luxusproblem: Wolfgang Overath oder Günter Netzer? Diese Frage beschäftigte den "Mann mit der Mütze" über seine halbe Amtszeit und spaltete die Expertenwelt. Schön experimentierte und stellte Netzer gegen Albanien in den Sturm, aber es war ein Fehlschlag. Beide konnten nur Spielmacher sein - und miteinander ging es bei aller Sympathie nicht.

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Erster Sieg in Wembley

Das Schicksal nahm Schön damals die Entscheidung ab, Overath fiel wegen einer Leistenoperation Anfang 1972 aus. Er verpasste die legendären Viertelfinalspiele gegen England, darunter den mythischen ersten Sieg in Wembley (3:1). Dieser galt und gilt für viele Experten als bestes deutsches Länderspiel, auch in der Karriere von Netzer. Die Spielkunst, die die DFB-Auswahl an jenem 29. April 1972 entfaltete, hob sie schlagartig auf den Favoritenschild. Die Equipe schwärmte vom "Fußball 2000", und eine mexikanische Zeitung stellte neidvoll eine Frage, die eine gewisse Aktualität hat: "Wo nimmt der Bundestrainer nur immer wieder solche Spieler her?"

Sie liefen im Frühjahr 1972 zur Hochform auf. Zur Einweihung des Münchner Olympiastadions wurde am 26. Mai die UdSSR 4:1 demontiert, Gerd Müller schoss alle Tore, und der kicker titelte euphorisch: "Diese Elf kann alle schlagen!" Raymond Goethals, der Trainer des EM-Halbfinalgegners Belgien, sagte beeindruckt und gleichsam prophetisch: "Ich habe den europäischen Meister und den Weltmeister 1974 gesehen. Die belgische Mannschaft hat in Antwerpen überhaupt keine Chance."

In der Tat. Schön konnte es sich in Antwerpen gegen Belgien (2:1) und im Finale von Brüssel gegen die UdSSR (3:0) leisten, einen Overath auf Abruf zu Hause und den angeschlagenen Berti Vogts auf der Bank zu lassen. Auch so fuhr sein Team, aus zwei Blöcken (sechs Bayern, drei Borussen) bestehend, als klarer Favorit zu seiner ersten EM-Endrunde und gewann den Titel äußerst souverän. Spielmacher Günter Netzer sagte über Helmut Schöns Strategie: "Das hat er schlau gemacht. Es war eine Blockbildung aus den beiden besten Teams, zwischen denen es keine Gräben oder Dissonanzen gab, nur eine gesunde Rivalität."

Maier vor dem Finale: "Wir kannten keine Furcht"

Am Tag vor dem Finale veranstaltete der Kader im Hotel sogar noch ein internes Tischtennisturnier. Zeichen von Harmonie und innerer Gelassenheit. Irgendwie spürten alle: Es kann nichts schief gehen. Torwart Sepp Maier erinnerte sich im EM-Buch von Waldemar Hartmann ans Finale: "Helmut Schön hatte zwar, wie immer, Angst vor dem Spiel, doch wir kannten keine Furcht mehr, vor nichts und niemandem." Gerd Müller schoss in Belgien vier der fünf Endrunden-Tore, das andere war dem Gladbacher Hacki Wimmer nach einer Ballstafette seiner Klubkameraden Günter Netzer und Jupp Heynckes vergönnt - zum 2:0 gegen die Russen. Der Rest war Jubel.

Maier: "Wir waren stolz wie Oskar und feierten nach dem Sieg ausgelassen wie nie zuvor. Auf der Fahrt zum Flughafen haben wir im Bus gesungen und gelacht wie kleine Kinder. So feiert man nur unerwartete oder besonders schöne Siege und Titel." Einen Empfang in der Heimat gab es auf Wunsch der Spieler jedoch nicht, alle dachten schon wieder an die noch laufende Bundesliga-Saison, die Schalker an das DFB-Pokalfinale. Günter Netzer etwa war am Finalabend bereits wieder in seiner Disco "Lovers Lane" in Mönchengladbach. Die Prämie pro Kopf betrug 10.000 Mark, die noch versteuert werden mussten.

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