Eintracht war auch in der Niederlage ein Sieger

Am Dienstag vor genau 50 Jahren stand Eintracht Frankfurt zum ersten und einzigen Mal im Europapokalfinale der Landesmeister. Trotz des 3:7 gegen die legendäre Elf von Real Madrid leisteten die Hessen Großes - noch heute gilt die Mannschaft als die beste der Vereinsgeschichte.

Der DFB.de-Autor Udo Muras erinnert zum Jubiläum an ein denkwürdiges Fußballspiel, dessen sechs noch lebende Eintracht-Protagonisten auf Einladung von UEFA und DFB am Samstag das Champions-League-Finale zwischen Bayern München und Inter Mailand in Madrid besuchen.

Eintracht gegen die beste Mannschaft der Welt

Sein letztes Souvenir an den größten Tag seiner Karriere hat Dieter Lindner verkauft. Ein Freund habe ihn „solange bekniet“, bis er ihm die goldene Uhr von Real Madrid überlassen musste. Die Erinnerung an den 18. Mai 1960 hat er jedoch behalten, und obwohl seine Mannschaft an diesem Tag mit 3:7 verloren hat, ist es auch 50 Jahre danach noch ein stolzes Datum. Für ihn und für Eintracht Frankfurt.

Immerhin standen die Hessen damals als erster deutscher Klub überhaupt im Europapokalfinale der Landesmeister. Und ihr Gegner, da waren sich die Experten einig, war die beste Mannschaft der Welt. Gegen sie acht Minuten geführt und letztlich immerhin drei Tore erzielt zu haben, das war damals aller Ehren wert.

3:7 - "ein fast achtbares Ergebnis"

„Es war fast schon ein achtbares Ergebnis“, sagt Lindner heute. Der 71-Jährige wurde nun wie alle noch lebenden Finalisten von der UEFA und vom DFB zum Champions-League-Finale zwischen Bayern München und Inter Mailand am Samstag (ab 20.45 Uhr, live bei Sat.1 und Sky) nach Madrid eingeladen.

Und so drücken Egon Loy, Friedel Lutz, Hans Weilbächer, Dieter Stinka, Erwin Stein und Lindner eben den Münchner Bayern die Daumen, damit sie den begehrtesten Europapokal für einen Klub nach Deutschland holen. Die anderen Eintracht-Legenden sind leider verstorben und verdienen ebenso Erwähnung: Alfred Pfaff, Richard Kreß, Hermann Höfer, Hans-Walter Eigenbrodt und Erich Meier.

Diese Elf war die vielleicht beste in der Geschichte der Eintracht. 1959 holte sie die bis dato einzige Deutsche Meisterschaft, im Frühjahr 1960 kannte sie ganz Europa. Mit 6:1 wurde die berühmte Elf von Glasgow Rangers im Halbfinale schier demontiert, und selbst im Rückspiel im Ibrox-Park feierte sie noch ein Schützenfest – nun mit 6:3.

"Da spielten Profis gegen Feierabendkicker"

So ganz aussichtslos gingen die Spieler von Trainer Paul Oßwald vor genau 50 Jahren also nicht ins Finale gegen den Seriensieger des Europapokals, der seit Einführung des Wettbewerbs 1955 den Titel stets gewonnen hatte. Weltstars wie Ferenc Puskas und Alfredo di Stefano trugen damals das weiße Trikot der Königlichen, auch Gento und Santamaria hatten große Namen in der Fußballwelt.

„Da spielten Profis gegen Feierabendkicker“, sagt Lindner, der damals von 7.15 Uhr bis 16 Uhr als Verwaltungsangestellter bei der Stadt Frankfurt seine Lehrzeit absolvierte und wie seine Kollegen drei- bis viermal die Woche trainierte. Nach Feierabend.

3000 Mark für die Finalteilnahme

Zwei Zahlen dokumentieren den Klassenunterschied: Reals Spieler erhielten umgerechnet rund 30.000 D-Mark für den Sieg, die Eintracht-Spieler 3000 für die Final-Teilnahme – und die erst nach hartem Kampf, wie Lindner heute zugibt: „Der Verein wollte weniger zahlen, da haben wir mit Streik gedroht – und uns durchgesetzt.“

Schließlich hatte die Elf den Klub schon durch die Meisterschaft 1959 entschuldet, und der Finaleinzug brachte laut Lindner 700.000 D-Mark. Davon wollten die Spieler eben entsprechend profitieren – ein zeitloses Phänomen, gestern wie heute.

"Was wäre gewesen, wenn...?"

Für ein paar Minuten träumten die Hessen an diesem Mai-Abend im Glasgower Hampdenpark vor 135.000 Zuschauern sogar von einer noch höheren Prämie. Denn die Eintracht ging durch Kreß in Führung (16.) und hatte davor durch Meier noch einen Lattenschuss.

„Was gewesen wäre, wenn wir 2:0 geführt hätten, darf man ja mal diskutieren“, sagt Lindner schelmisch - und doch ahnt er, „dass es auch dann nicht zum Sieg gereicht hätte". Nach knapp einer halben Stunde wurde Real munter, und seine besten Spieler teilten sich den Torsegen.

Di Stefano leitet Wende ein

Di Stefano sorgte mit einem Doppelschlag für die Wende, und dann zog Major Puskas nach. Der Ungar nahm seine ganz persönliche Revanche für die WM-Niederlage 1954 von Bern und schoss zwischen der 45. und 63. Minute vier Tore zum 6:1-Zwischenstand. Am Ende hieß es nach zwei Gegentoren von Stein und einem dritten Di-Stefano-Treffer 7:3!

Ein auf den ersten Blick blamables Resultat, aber entschuldbar gegen eine solche Wundermannschaft. Das Sport Magazin schrieb: „Ein Glück, dass Millionen am Fernsehschirm miterleben konnten, mit welcher Mannschaft es unser tapferer Meister zu tun hatte. Selbst in der beinahe zur Katastrophe ausartenden Niederlage genoss die Elf auch die Sympathien der 135.000, die wohl alle noch nie in ihrem Leben – auch die 2000 Schlachtenbummler – einen solchen Fußball gesehen haben.“

Spiel wurde zum "Spiel des Jahrhunderts" gewählt

Das Finale wurde tatsächlich von Journalisten in einer FIFA-Wahl zum „Spiel des Jahrhunderts gewählt“, ehe es bei der WM 1970 vom Halbfinale Deutschland gegen Italien (3:4 nach Verlängerung) übertroffen wurde.

Am nächsten Tag, dem 19. Mai 1960, jubelten über 100.000 Frankfurter ihren Helden zu, als diese vom Flughafen in die Stadt gefahren wurden. „Es war der größte internationale Erfolg für den deutschen Fußball nach dem WM-Triumph von 1954“, behauptet Lindner noch heute.

Da mag man geteilter Meinung sein, aber wohl nie hat je eine deutsche Mannschaft nach über einem halben Dutzend Gegentore so viel Beifall erhalten wie Eintracht Frankfurt am 18. Mai 1960.

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Am Dienstag vor genau 50 Jahren stand Eintracht Frankfurt zum ersten und einzigen Mal im Europapokalfinale der Landesmeister. Trotz des 3:7 gegen die legendäre Elf von Real Madrid leisteten die Hessen Großes - noch heute gilt die Mannschaft als die beste der Vereinsgeschichte.

Der DFB.de-Autor Udo Muras erinnert zum Jubiläum an ein denkwürdiges Fußballspiel, dessen sechs noch lebende Eintracht-Protagonisten auf Einladung von UEFA und DFB am Samstag das Champions-League-Finale zwischen Bayern München und Inter Mailand in Madrid besuchen.

Eintracht gegen die beste Mannschaft der Welt

Sein letztes Souvenir an den größten Tag seiner Karriere hat Dieter Lindner verkauft. Ein Freund habe ihn „solange bekniet“, bis er ihm die goldene Uhr von Real Madrid überlassen musste. Die Erinnerung an den 18. Mai 1960 hat er jedoch behalten, und obwohl seine Mannschaft an diesem Tag mit 3:7 verloren hat, ist es auch 50 Jahre danach noch ein stolzes Datum. Für ihn und für Eintracht Frankfurt.

Immerhin standen die Hessen damals als erster deutscher Klub überhaupt im Europapokalfinale der Landesmeister. Und ihr Gegner, da waren sich die Experten einig, war die beste Mannschaft der Welt. Gegen sie acht Minuten geführt und letztlich immerhin drei Tore erzielt zu haben, das war damals aller Ehren wert.

3:7 - "ein fast achtbares Ergebnis"

„Es war fast schon ein achtbares Ergebnis“, sagt Lindner heute. Der 71-Jährige wurde nun wie alle noch lebenden Finalisten von der UEFA und vom DFB zum Champions-League-Finale zwischen Bayern München und Inter Mailand am Samstag (ab 20.45 Uhr, live bei Sat.1 und Sky) nach Madrid eingeladen.

Und so drücken Egon Loy, Friedel Lutz, Hans Weilbächer, Dieter Stinka, Erwin Stein und Lindner eben den Münchner Bayern die Daumen, damit sie den begehrtesten Europapokal für einen Klub nach Deutschland holen. Die anderen Eintracht-Legenden sind leider verstorben und verdienen ebenso Erwähnung: Alfred Pfaff, Richard Kreß, Hermann Höfer, Hans-Walter Eigenbrodt und Erich Meier.

Diese Elf war die vielleicht beste in der Geschichte der Eintracht. 1959 holte sie die bis dato einzige Deutsche Meisterschaft, im Frühjahr 1960 kannte sie ganz Europa. Mit 6:1 wurde die berühmte Elf von Glasgow Rangers im Halbfinale schier demontiert, und selbst im Rückspiel im Ibrox-Park feierte sie noch ein Schützenfest – nun mit 6:3.

"Da spielten Profis gegen Feierabendkicker"

So ganz aussichtslos gingen die Spieler von Trainer Paul Oßwald vor genau 50 Jahren also nicht ins Finale gegen den Seriensieger des Europapokals, der seit Einführung des Wettbewerbs 1955 den Titel stets gewonnen hatte. Weltstars wie Ferenc Puskas und Alfredo di Stefano trugen damals das weiße Trikot der Königlichen, auch Gento und Santamaria hatten große Namen in der Fußballwelt.

„Da spielten Profis gegen Feierabendkicker“, sagt Lindner, der damals von 7.15 Uhr bis 16 Uhr als Verwaltungsangestellter bei der Stadt Frankfurt seine Lehrzeit absolvierte und wie seine Kollegen drei- bis viermal die Woche trainierte. Nach Feierabend.

3000 Mark für die Finalteilnahme

Zwei Zahlen dokumentieren den Klassenunterschied: Reals Spieler erhielten umgerechnet rund 30.000 D-Mark für den Sieg, die Eintracht-Spieler 3000 für die Final-Teilnahme – und die erst nach hartem Kampf, wie Lindner heute zugibt: „Der Verein wollte weniger zahlen, da haben wir mit Streik gedroht – und uns durchgesetzt.“

Schließlich hatte die Elf den Klub schon durch die Meisterschaft 1959 entschuldet, und der Finaleinzug brachte laut Lindner 700.000 D-Mark. Davon wollten die Spieler eben entsprechend profitieren – ein zeitloses Phänomen, gestern wie heute.

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"Was wäre gewesen, wenn...?"

Für ein paar Minuten träumten die Hessen an diesem Mai-Abend im Glasgower Hampdenpark vor 135.000 Zuschauern sogar von einer noch höheren Prämie. Denn die Eintracht ging durch Kreß in Führung (16.) und hatte davor durch Meier noch einen Lattenschuss.

„Was gewesen wäre, wenn wir 2:0 geführt hätten, darf man ja mal diskutieren“, sagt Lindner schelmisch - und doch ahnt er, „dass es auch dann nicht zum Sieg gereicht hätte". Nach knapp einer halben Stunde wurde Real munter, und seine besten Spieler teilten sich den Torsegen.

Di Stefano leitet Wende ein

Di Stefano sorgte mit einem Doppelschlag für die Wende, und dann zog Major Puskas nach. Der Ungar nahm seine ganz persönliche Revanche für die WM-Niederlage 1954 von Bern und schoss zwischen der 45. und 63. Minute vier Tore zum 6:1-Zwischenstand. Am Ende hieß es nach zwei Gegentoren von Stein und einem dritten Di-Stefano-Treffer 7:3!

Ein auf den ersten Blick blamables Resultat, aber entschuldbar gegen eine solche Wundermannschaft. Das Sport Magazin schrieb: „Ein Glück, dass Millionen am Fernsehschirm miterleben konnten, mit welcher Mannschaft es unser tapferer Meister zu tun hatte. Selbst in der beinahe zur Katastrophe ausartenden Niederlage genoss die Elf auch die Sympathien der 135.000, die wohl alle noch nie in ihrem Leben – auch die 2000 Schlachtenbummler – einen solchen Fußball gesehen haben.“

Spiel wurde zum "Spiel des Jahrhunderts" gewählt

Das Finale wurde tatsächlich von Journalisten in einer FIFA-Wahl zum „Spiel des Jahrhunderts gewählt“, ehe es bei der WM 1970 vom Halbfinale Deutschland gegen Italien (3:4 nach Verlängerung) übertroffen wurde.

Am nächsten Tag, dem 19. Mai 1960, jubelten über 100.000 Frankfurter ihren Helden zu, als diese vom Flughafen in die Stadt gefahren wurden. „Es war der größte internationale Erfolg für den deutschen Fußball nach dem WM-Triumph von 1954“, behauptet Lindner noch heute.

Da mag man geteilter Meinung sein, aber wohl nie hat je eine deutsche Mannschaft nach über einem halben Dutzend Gegentore so viel Beifall erhalten wie Eintracht Frankfurt am 18. Mai 1960.