Eine gute Schule fürs Leben

Nass geschwitzt steht Per Mertesacker in der Turnhalle einer Grundschule. Mehr als zwei Stunden hat der Nationalverteidiger mit Kindern gespielt, von denen die meisten einen Migrationshintergrund haben. Er lächelt. Er genießt solche Momente. Während seines Zivildienstes hat er sich um behinderte Menschen gekümmert und dabei entdeckt, wie wichtig ihm soziales Engagement ist. Heute reicht sein Einsatz von der Anti-Rassismus-Aktion bis zur Schirmherrschaft für die Special Olympics. Und er kann sich sogar vorstellen, den „Zivildienst“ nach der Karriere zum Beruf zu machen. Der freie Journalist Jörg Marwedel hat Mertesacker begleitet.

Die 13 Jungen im Alter von neun und zehn Jahren drängen sich um Per Mertesacker wie um einen Nikolaus. Manche sagen Per, manche „Du, Herr Mertesacker“. Und einer nimmt seinen Mut zusammen und sagt: „Wir bedanken uns bei Per, weil er für uns immer bezahlt.“ Dann macht der Nationalspieler von Werder Bremen mit beim Fußballspiel in der Halle der Grundschule Garbsen in Hannover. Mal klatscht er einen halb so großen Mitspieler ab, mal bindet er einem die Schuhe zu und immer wieder feuert er an, den Pass zum richtigen Mann zu spielen. Er lobt die guten Pass-Versuche, geglückte Schüsse und die Torwartparaden.

Mertesacker lebt vor, was Teamgeist ist. So, wie ihn die Trainer Ansgar Pietschmann und Tino Messner den kleinen Nachwuchsfußballern seit Februar 2009 beizubringen versuchen – mit erstaunlichem Erfolg. Am Schluss bilden die Kinder einen Kreis und rufen: „Wir sind ein Team.“ Per Mertesacker ist nass geschwitzt und sagt: „Das hat Spaß gemacht. Diese Freude. Da kommen einem fast die Kindheitsträume wieder hoch.“

Unterstützung für Pilotprojekt

Der Nationalspieler unterstützt dieses Pilotprojekt, das fast 30.000 Euro im Jahr kostet. In der Gesamtschule Garbsen haben 85 Prozent der Kinder einen Migrationshintergrund. Sie heißen Hasan, Mehmet, Emre oder Ali, die meisten sind Türken. In dieser Fußballklasse arbeiten zwei pädagogisch ausgebildete Trainer zweimal in der Woche mit den Jungs. Erst isst man gemeinsam Mittag, dann werden unter Aufsicht die Hausaufgaben gemacht, und wenn das alles geklappt hat, spielen sie Fußball. Einmal gab es sogar ein Trainingslager in der Sportschule Barsinghausen. Das Team ist inzwischen die E-Jugend des SC Garbsen und wird Stück für Stück besser. Das Wichtigste an diesem Modell aber ist, dass es von Dauer sein soll. Die Schüler sollen bis zum Schulabschluss auf diese Weise betreut werden. Sie merken plötzlich, dass sich in dieser Gesellschaft doch jemand für sie interessiert.

„Sport als Chance“, nennt Mertesacker solche Modelle. Er möchte, dass die Kinder gegenseitigen Respekt lernen, aber auch Freude haben. Doch es geht ihm mit seinem Engagement um mehr: auch um Hilfe in unverschuldeter Notlage, es gibt die „Aktion Kindertraum“ für kranke Kinder, eine Tafel im hannoverschen Vorort Laatzen für Menschen, die kaum zu essen haben. Weil er ein beliebter Nationalspieler ist, kann er das dafür nötige Geld einspielen. Im Juni etwa hat das Prominentenspiel „Best of Mertesacker & Pocher“ gegen die „Philipp Lahm & Friends“ mit Nationalspielern wie Lukas Podolski oder Piotr Trochowski in Hannover 10.000 Zuschauer angelockt.

Viele soziale Projekte

Es gibt inzwischen viele soziale Projekte, an denen sich Nationalspieler beteiligen – nicht nur Philipp Lahm, der ebenfalls eine Stiftung hat und unter anderem in einer Kampagne gegen die tödliche Raserei auf den Autobahnen mitwirkt. Viele sind bei der DKMS, der Deutschen Knochenmarkspenderdatei, dabei. Auch bei der Anti-Rassismus-Kampagne des DFB sind viele Profis einbezogen. Doch der gerade erst 25 Jahre alte Mertesacker ist besonders engagiert. Er hat auch schon bei „Schule mit Courage“ mitgemacht, die sich ebenfalls gegen Rassismus richtet. Bei der Polizei-Aktion „Don´t drink too much“ war er dabei und manche Schirmherrschaft hat er auch schon übernommen. Zum Beispiel für die Special Olympics der Behinderten, die 2010 in Bremen stattfinden.

Per Mertesacker kann sich nach seiner Spielerkarriere kaum vorstellen, einmal auf der Trainerbank im Profifußball zu landen. Einerseits, weil er immer wieder merkt, wie groß der Erfolgsdruck ist. Da bleibt, so sein kritischer Blick, „die Menschlichkeit oft auf der Strecke“. Andererseits, weil er als Zivildienstleistender gelernt hat, „dass es ganz andere Probleme auf der Welt gibt“. Und zwar auch in der näheren Umgebung. Mertesacker hat damals, er spielte schon für Hannover 96 in der Bundesliga, in einer geschlossenen Anstalt mit geistig und seelisch behinderten Männern seinen Zivildienst geleistet. Menschen, die nicht allein lebensfähig waren, die sich kaum mitteilen, oft kaum sprechen konnten. Das hat ihn geprägt. „Ich habe“, sagt Mertesacker, „damals gemerkt, dass ich das gut verkraften konnte.“

"Wollte etwas zurückgeben"

Seine Schlussfolgerung war, dass er auch „künftig etwas tun wollte, wo ich helfen kann“. Er wollte auch etwas zurückgeben, weil seine Eltern ihn so „behutsam aufgezogen“ haben. Inzwischen denkt er sogar darüber nach, beruflich auch später etwas in diesem Bereich zu tun. Nicht ausgeschlossen, dass der Abiturient (Durchschnittsnote 2,8) irgendwann ein Fernstudium beginnt. Vielleicht belegt er auch an der Universität seiner Wahlheimat Bremen, wo der Werder-Profi seit 2006 wohnt, einige Seminare, um sich herauszupicken, was er später brauchen könnte für ein hauptamtliches Engagement.

Nach dem Fußball mit den Schülern in Garbsen war es übrigens immer noch nicht vorbei. Wieder drängten sich die Jungs um den Profi, diesmal in ihrem Klassenzimmer. Und sie hatten noch immer Fragen und Wünsche. „Warum bist du nicht zu Juventus Turin gegangen?“, wollte einer wissen. Ob er mal einen Werder-Spieler mitbringe, haben andere gefragt, zum Beispiel Naldo oder Rosenberg? Ob er ihnen einen Ball mitbringe und Trikots? „Trikots von Werder?“, fragte Per Mertesacker. „Ja“, riefen die Hannoveraner. Er hat also auch noch Werbung gemacht für seinen aktuellen Arbeitgeber an diesem Tag.

Eigentlich war nur eine Stunde vorgesehen. Am Schluss war Per Mertesacker zweieinhalb Stunden dort. Und eine Mutter hatte auch noch eine giftgrüne Torte gebacken, von der jeder mindestens ein Stück abbekam. Per Mertesacker haben die Überstunden nichts ausgemacht. „Unsere Ziele sind gut angenommen worden“, sagt er zufrieden. Dann macht er sich auf, am Abend in Bremen eine Weihnachtsfeier von Werder-Fans zu besuchen.

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Nass geschwitzt steht Per Mertesacker in der Turnhalle einer Grundschule. Mehr als zwei Stunden hat der Nationalverteidiger mit Kindern gespielt, von denen die meisten einen Migrationshintergrund haben. Er lächelt. Er genießt solche Momente. Während seines Zivildienstes hat er sich um behinderte Menschen gekümmert und dabei entdeckt, wie wichtig ihm soziales Engagement ist. Heute reicht sein Einsatz von der Anti-Rassismus-Aktion bis zur Schirmherrschaft für die Special Olympics. Und er kann sich sogar vorstellen, den „Zivildienst“ nach der Karriere zum Beruf zu machen. Der freie Journalist Jörg Marwedel hat Mertesacker begleitet.

Die 13 Jungen im Alter von neun und zehn Jahren drängen sich um Per Mertesacker wie um einen Nikolaus. Manche sagen Per, manche „Du, Herr Mertesacker“. Und einer nimmt seinen Mut zusammen und sagt: „Wir bedanken uns bei Per, weil er für uns immer bezahlt.“ Dann macht der Nationalspieler von Werder Bremen mit beim Fußballspiel in der Halle der Grundschule Garbsen in Hannover. Mal klatscht er einen halb so großen Mitspieler ab, mal bindet er einem die Schuhe zu und immer wieder feuert er an, den Pass zum richtigen Mann zu spielen. Er lobt die guten Pass-Versuche, geglückte Schüsse und die Torwartparaden.

Mertesacker lebt vor, was Teamgeist ist. So, wie ihn die Trainer Ansgar Pietschmann und Tino Messner den kleinen Nachwuchsfußballern seit Februar 2009 beizubringen versuchen – mit erstaunlichem Erfolg. Am Schluss bilden die Kinder einen Kreis und rufen: „Wir sind ein Team.“ Per Mertesacker ist nass geschwitzt und sagt: „Das hat Spaß gemacht. Diese Freude. Da kommen einem fast die Kindheitsträume wieder hoch.“

Unterstützung für Pilotprojekt

Der Nationalspieler unterstützt dieses Pilotprojekt, das fast 30.000 Euro im Jahr kostet. In der Gesamtschule Garbsen haben 85 Prozent der Kinder einen Migrationshintergrund. Sie heißen Hasan, Mehmet, Emre oder Ali, die meisten sind Türken. In dieser Fußballklasse arbeiten zwei pädagogisch ausgebildete Trainer zweimal in der Woche mit den Jungs. Erst isst man gemeinsam Mittag, dann werden unter Aufsicht die Hausaufgaben gemacht, und wenn das alles geklappt hat, spielen sie Fußball. Einmal gab es sogar ein Trainingslager in der Sportschule Barsinghausen. Das Team ist inzwischen die E-Jugend des SC Garbsen und wird Stück für Stück besser. Das Wichtigste an diesem Modell aber ist, dass es von Dauer sein soll. Die Schüler sollen bis zum Schulabschluss auf diese Weise betreut werden. Sie merken plötzlich, dass sich in dieser Gesellschaft doch jemand für sie interessiert.

„Sport als Chance“, nennt Mertesacker solche Modelle. Er möchte, dass die Kinder gegenseitigen Respekt lernen, aber auch Freude haben. Doch es geht ihm mit seinem Engagement um mehr: auch um Hilfe in unverschuldeter Notlage, es gibt die „Aktion Kindertraum“ für kranke Kinder, eine Tafel im hannoverschen Vorort Laatzen für Menschen, die kaum zu essen haben. Weil er ein beliebter Nationalspieler ist, kann er das dafür nötige Geld einspielen. Im Juni etwa hat das Prominentenspiel „Best of Mertesacker & Pocher“ gegen die „Philipp Lahm & Friends“ mit Nationalspielern wie Lukas Podolski oder Piotr Trochowski in Hannover 10.000 Zuschauer angelockt.

Viele soziale Projekte

Es gibt inzwischen viele soziale Projekte, an denen sich Nationalspieler beteiligen – nicht nur Philipp Lahm, der ebenfalls eine Stiftung hat und unter anderem in einer Kampagne gegen die tödliche Raserei auf den Autobahnen mitwirkt. Viele sind bei der DKMS, der Deutschen Knochenmarkspenderdatei, dabei. Auch bei der Anti-Rassismus-Kampagne des DFB sind viele Profis einbezogen. Doch der gerade erst 25 Jahre alte Mertesacker ist besonders engagiert. Er hat auch schon bei „Schule mit Courage“ mitgemacht, die sich ebenfalls gegen Rassismus richtet. Bei der Polizei-Aktion „Don´t drink too much“ war er dabei und manche Schirmherrschaft hat er auch schon übernommen. Zum Beispiel für die Special Olympics der Behinderten, die 2010 in Bremen stattfinden.

Per Mertesacker kann sich nach seiner Spielerkarriere kaum vorstellen, einmal auf der Trainerbank im Profifußball zu landen. Einerseits, weil er immer wieder merkt, wie groß der Erfolgsdruck ist. Da bleibt, so sein kritischer Blick, „die Menschlichkeit oft auf der Strecke“. Andererseits, weil er als Zivildienstleistender gelernt hat, „dass es ganz andere Probleme auf der Welt gibt“. Und zwar auch in der näheren Umgebung. Mertesacker hat damals, er spielte schon für Hannover 96 in der Bundesliga, in einer geschlossenen Anstalt mit geistig und seelisch behinderten Männern seinen Zivildienst geleistet. Menschen, die nicht allein lebensfähig waren, die sich kaum mitteilen, oft kaum sprechen konnten. Das hat ihn geprägt. „Ich habe“, sagt Mertesacker, „damals gemerkt, dass ich das gut verkraften konnte.“

"Wollte etwas zurückgeben"

Seine Schlussfolgerung war, dass er auch „künftig etwas tun wollte, wo ich helfen kann“. Er wollte auch etwas zurückgeben, weil seine Eltern ihn so „behutsam aufgezogen“ haben. Inzwischen denkt er sogar darüber nach, beruflich auch später etwas in diesem Bereich zu tun. Nicht ausgeschlossen, dass der Abiturient (Durchschnittsnote 2,8) irgendwann ein Fernstudium beginnt. Vielleicht belegt er auch an der Universität seiner Wahlheimat Bremen, wo der Werder-Profi seit 2006 wohnt, einige Seminare, um sich herauszupicken, was er später brauchen könnte für ein hauptamtliches Engagement.

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Nach dem Fußball mit den Schülern in Garbsen war es übrigens immer noch nicht vorbei. Wieder drängten sich die Jungs um den Profi, diesmal in ihrem Klassenzimmer. Und sie hatten noch immer Fragen und Wünsche. „Warum bist du nicht zu Juventus Turin gegangen?“, wollte einer wissen. Ob er mal einen Werder-Spieler mitbringe, haben andere gefragt, zum Beispiel Naldo oder Rosenberg? Ob er ihnen einen Ball mitbringe und Trikots? „Trikots von Werder?“, fragte Per Mertesacker. „Ja“, riefen die Hannoveraner. Er hat also auch noch Werbung gemacht für seinen aktuellen Arbeitgeber an diesem Tag.

Eigentlich war nur eine Stunde vorgesehen. Am Schluss war Per Mertesacker zweieinhalb Stunden dort. Und eine Mutter hatte auch noch eine giftgrüne Torte gebacken, von der jeder mindestens ein Stück abbekam. Per Mertesacker haben die Überstunden nichts ausgemacht. „Unsere Ziele sind gut angenommen worden“, sagt er zufrieden. Dann macht er sich auf, am Abend in Bremen eine Weihnachtsfeier von Werder-Fans zu besuchen.