Eine Erfolgsgeschichte - 50 Jahre Bundesliga: Die Saison 1964/65

Ein rundes Jubiläum steht für Europas erfolgreichste Liga kurz bevor. Pünktlich startet DFB.de eine neue Serie. In „Eine Erfolgsgeschichte: 50 Jahre Bundesliga“ fasst DFB.de-Autor und Historiker Udo Muras noch einmal alle bisherigen Spielzeiten der deutschen Eliteklasse zusammen. Heute: 1964

Die zweite Saison hatte der ersten etwas Wesentliches voraus: Spannung. Es gab sechs verschiedene Tabellenführer statt zwei im Vorjahr und um die Meisterschaft stritten sich lange Zeit fünf Klubs. Während in der Vorsaison bereits am 28. Spieltag Köln als Meister fest stand, gab es genau ein Jahr später noch drei Titelkandidaten: Werder Bremen, Titelverteidiger 1. FC Köln und Borussia Dortmund.

Am 29. Spieltag fiel dann die Entscheidung zugunsten der Bremer, die den Verfolger BVB abschüttelten (3:0) und auch im 15. Heimspiel ungeschlagen blieben. Aufgrund des weit besseren Torquotienten gegenüber den Kölnern war Werder der Titel nach menschlichem Ermessen nicht mehr zu nehmen. Die letzten Zweifel zerstreute das Team von Trainer "Fischken" Multhaup, der eigentlich Willi hieß, mit dem 3:2 in Nürnberg. Mit weniger Gegentoren (29) als Spielen holte sich Werder die Schale nach Bremen, Torwart Günter Bernard blieb in zwölf Partien unbezwungen.

Die Neider sprachen von Zementfußball. Trotzdem wurde ausgelassen gefeiert, als der Zug mit den Helden am 16. Mai 1965 in Bremen einlief, war kein Tropfen Alkohol mehr an Bord. 10.000 Fans säumten die Straßen zu Ehren des Überraschungsmeisters und zum Gaudium der Massen ließen sich die Spaßvögel Klaus Matischak und Max Lorenz eine Glatze scheren. Werders Personalpolitik war aufgegangen, mit Verteidiger Horst-Dieter Höttges, der bald schon Nationalspieler wurde, und Stürmer Klaus Matischak (zwölf Tore) hatte man sinnvoll investiert. Auch die Meisterschaft kostete Werder Geld: 5000 D-Mark pro Spieler und eine Armbanduhr wurden als Prämie ausgelobt.

Köln holt ersten Brasilianer in die Bundesliga

Die Kölner waren zwar nur Zweiter geworden, präsentierten aber immerhin den ersten Brasilianer: Zezé kam "mit dem Bananendampfer" an den Rhein, wie Präsident Franz Kremer der staunenden Presse mitteilte, spielte fünfmal und zog es im Frühjahr vor, wieder heim zu kehren. Der erste Schnee seines Lebens soll ihn nachhaltig verschreckt haben.

Weitere Sieger der zweiten Saison: Rudi Brunnenmeier schoss für 1860 München 24 Tore und wurde Torschützenkönig. Vielleicht nur deshalb, weil Uwe Seeler (HSV) im Februar auf knüppelharten Boden in Frankfurt die Achillessehne riss. Eine Nation bangte mit ihrem populärsten Fußballer, der für den Rest der Saison ausfiel. Er gab sich kämpferisch wie man ihn kannte: "So schnell kriegt man mich nicht klein. Ein paar Jahre will ich noch dabei sein." So konnte er auch nicht mehr Fußballer des Jahres werden. Den Titel erntete erstmals ein Torwart: Dortmunds Hans Tilkowski, nach Sepp Herbergers Rücktritt Mitte 1964 unter dem neuen Bundestrainer Helmut Schön wieder Deutschlands Nummer eins.

Keine sportlichen Absteiger

Auch die Absteiger waren gewissermaßen Sieger, jedenfalls hatten sie ein weiteres Bundesliga-Jahr gewonnen. Und das kam so: Eigentlich wären der Karlsruher SC und Schalke abgestiegen, doch schon im Februar wurde ruchbar, dass Hertha BSC verdeckte Gehalts- und Handgeldszahlungen ausgeführt hatte, um Spieler aus dem Westen in die Insel-Stadt zu locken. Ein DFB-Buchprüfer ermittelte einen Fehlbetrag von 192.000 DM, für den es keine Belege gab. Hertha BSC war geständig, zog auch andere Klubs in den Strudel des Verdachts hinein und hoffte vergebens, auf Gnade wegen der Sonderstellung der Stadt. Davon profitierte nämlich nun Tasmania Berlin, aber nur weil Berlins Meister Tennis Borussia in der Aufstiegsrunde gescheitert war und der Berliner Vize-Meister Spandauer SV verzichtet hatte.

Weil nun Schalke 04 und der KSC nicht ganz zu Unrecht den Abstiegskampf als unfair ansahen und eine Prozesswelle drohte, gab es 1965 kurzerhand keine sportlichen Absteiger. Da man auch den Aufsteigern FC Bayern und Borussia Mönchengladbach ihr Recht nicht streitig machen wollte, stockte der DFB die Liga auf einem außerordentlichen Bundestag in Barsinghausen auf 18 Klubs auf. Diesem ersten Sündenfall verdankt die Bundesliga also ihr heutiges, längst bewährtes Format.

Diese Entscheidung hatte eine doppelte Berechtigung, denn im zweiten Jahr kamen fast 2000 Zuschauer mehr pro Spiel. Sie sahen zwar weniger Tore, aber trotzdem fielen dank des KSC zwei Rekorde: Bei 1860 München kassierte er die bisher höchste Niederlage eines Bundesligisten (0:9), in Frankfurt feierte er jedoch den höchsten Auswärtssieg (7:0). Ganz schön verrückt, die neue Bundesliga.

Fakten der zweiten Saison:

Tore: 796 (3,32 pro Spiel)
Torschützenkönig: Rudi Brunnenmeier (1860) 24 Tore
Zuschauer: 6.646.213 (26.934 pro Spiel) – neuer Rekord
Meister: Werder Bremen
Absteiger: Hertha BSC (Zwangsabstieg)
Aufsteiger: Bayern München, Borussia Mönchengladbach
Trainerentlassungen: 5

[um]

[bild1]

Ein rundes Jubiläum steht für Europas erfolgreichste Liga kurz bevor. Pünktlich startet DFB.de eine neue Serie. In „Eine Erfolgsgeschichte: 50 Jahre Bundesliga“ fasst DFB.de-Autor und Historiker Udo Muras noch einmal alle bisherigen Spielzeiten der deutschen Eliteklasse zusammen. Heute: 1964

Die zweite Saison hatte der ersten etwas Wesentliches voraus: Spannung. Es gab sechs verschiedene Tabellenführer statt zwei im Vorjahr und um die Meisterschaft stritten sich lange Zeit fünf Klubs. Während in der Vorsaison bereits am 28. Spieltag Köln als Meister fest stand, gab es genau ein Jahr später noch drei Titelkandidaten: Werder Bremen, Titelverteidiger 1. FC Köln und Borussia Dortmund.

Am 29. Spieltag fiel dann die Entscheidung zugunsten der Bremer, die den Verfolger BVB abschüttelten (3:0) und auch im 15. Heimspiel ungeschlagen blieben. Aufgrund des weit besseren Torquotienten gegenüber den Kölnern war Werder der Titel nach menschlichem Ermessen nicht mehr zu nehmen. Die letzten Zweifel zerstreute das Team von Trainer "Fischken" Multhaup, der eigentlich Willi hieß, mit dem 3:2 in Nürnberg. Mit weniger Gegentoren (29) als Spielen holte sich Werder die Schale nach Bremen, Torwart Günter Bernard blieb in zwölf Partien unbezwungen.

Die Neider sprachen von Zementfußball. Trotzdem wurde ausgelassen gefeiert, als der Zug mit den Helden am 16. Mai 1965 in Bremen einlief, war kein Tropfen Alkohol mehr an Bord. 10.000 Fans säumten die Straßen zu Ehren des Überraschungsmeisters und zum Gaudium der Massen ließen sich die Spaßvögel Klaus Matischak und Max Lorenz eine Glatze scheren. Werders Personalpolitik war aufgegangen, mit Verteidiger Horst-Dieter Höttges, der bald schon Nationalspieler wurde, und Stürmer Klaus Matischak (zwölf Tore) hatte man sinnvoll investiert. Auch die Meisterschaft kostete Werder Geld: 5000 D-Mark pro Spieler und eine Armbanduhr wurden als Prämie ausgelobt.

Köln holt ersten Brasilianer in die Bundesliga

Die Kölner waren zwar nur Zweiter geworden, präsentierten aber immerhin den ersten Brasilianer: Zezé kam "mit dem Bananendampfer" an den Rhein, wie Präsident Franz Kremer der staunenden Presse mitteilte, spielte fünfmal und zog es im Frühjahr vor, wieder heim zu kehren. Der erste Schnee seines Lebens soll ihn nachhaltig verschreckt haben.

Weitere Sieger der zweiten Saison: Rudi Brunnenmeier schoss für 1860 München 24 Tore und wurde Torschützenkönig. Vielleicht nur deshalb, weil Uwe Seeler (HSV) im Februar auf knüppelharten Boden in Frankfurt die Achillessehne riss. Eine Nation bangte mit ihrem populärsten Fußballer, der für den Rest der Saison ausfiel. Er gab sich kämpferisch wie man ihn kannte: "So schnell kriegt man mich nicht klein. Ein paar Jahre will ich noch dabei sein." So konnte er auch nicht mehr Fußballer des Jahres werden. Den Titel erntete erstmals ein Torwart: Dortmunds Hans Tilkowski, nach Sepp Herbergers Rücktritt Mitte 1964 unter dem neuen Bundestrainer Helmut Schön wieder Deutschlands Nummer eins.

Keine sportlichen Absteiger

Auch die Absteiger waren gewissermaßen Sieger, jedenfalls hatten sie ein weiteres Bundesliga-Jahr gewonnen. Und das kam so: Eigentlich wären der Karlsruher SC und Schalke abgestiegen, doch schon im Februar wurde ruchbar, dass Hertha BSC verdeckte Gehalts- und Handgeldszahlungen ausgeführt hatte, um Spieler aus dem Westen in die Insel-Stadt zu locken. Ein DFB-Buchprüfer ermittelte einen Fehlbetrag von 192.000 DM, für den es keine Belege gab. Hertha BSC war geständig, zog auch andere Klubs in den Strudel des Verdachts hinein und hoffte vergebens, auf Gnade wegen der Sonderstellung der Stadt. Davon profitierte nämlich nun Tasmania Berlin, aber nur weil Berlins Meister Tennis Borussia in der Aufstiegsrunde gescheitert war und der Berliner Vize-Meister Spandauer SV verzichtet hatte.

[bild2]

Weil nun Schalke 04 und der KSC nicht ganz zu Unrecht den Abstiegskampf als unfair ansahen und eine Prozesswelle drohte, gab es 1965 kurzerhand keine sportlichen Absteiger. Da man auch den Aufsteigern FC Bayern und Borussia Mönchengladbach ihr Recht nicht streitig machen wollte, stockte der DFB die Liga auf einem außerordentlichen Bundestag in Barsinghausen auf 18 Klubs auf. Diesem ersten Sündenfall verdankt die Bundesliga also ihr heutiges, längst bewährtes Format.

Diese Entscheidung hatte eine doppelte Berechtigung, denn im zweiten Jahr kamen fast 2000 Zuschauer mehr pro Spiel. Sie sahen zwar weniger Tore, aber trotzdem fielen dank des KSC zwei Rekorde: Bei 1860 München kassierte er die bisher höchste Niederlage eines Bundesligisten (0:9), in Frankfurt feierte er jedoch den höchsten Auswärtssieg (7:0). Ganz schön verrückt, die neue Bundesliga.

Fakten der zweiten Saison:

Tore: 796 (3,32 pro Spiel)
Torschützenkönig: Rudi Brunnenmeier (1860) 24 Tore
Zuschauer: 6.646.213 (26.934 pro Spiel) – neuer Rekord
Meister: Werder Bremen
Absteiger: Hertha BSC (Zwangsabstieg)
Aufsteiger: Bayern München, Borussia Mönchengladbach
Trainerentlassungen: 5