Dritter bei der Heim-WM: Kahn hext, Schweinsteiger trifft

Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

8. Juli 2006 in Stuttgart - Spiel um Platz drei: Deutschland - Portugal 3:1

Vor dem Spiel:

Die Anreise zum Spiel gestaltete sich unerwartet schwierig für die Deutschen - und das aus gutem Grund. Nach der Landung in Stuttgart kam die Mannschaft im Stadtverkehr kaum voran. Auf Nachfrage antwortete der Busfahrer: "Vor dem Bahnhof stehen zehntausend Leute. Die warten auf euch." Das WM-Fieber glühte noch, auch die Stuttgarter wollten sich bei der so begeisternd aufspielenden Mannschaft bedanken. Bloß wegen einer Last-Minute-Niederlage im Halbfinale sollten sie sich nicht als WM-Verlierer fühlen. Philipp Lahm schilderte das Ereignis in seinem Buch "Der feine Unterschied" so: "Der Bus pflügt durch die Menge wie Moses durchs Meer. Tausende Gesichter, die lächeln, lachen, aus denen Begeisterung spricht, weil wir hier ankommen in Stuttgart, zum völlig überflüssigen Spiel um den dritten Platz, und plötzlich rinnt es mir kalt über den Rücken, und ich habe Gänsehaut (...) Ist das wahr, was wir hier sehen? Wahnsinn, sagt einer. Wahnsinn, antwortet zwei andere."

Das Hotel wurde genauso belagert, ungeachtet des Regens, der erstmals in den vier WM-Wochen fiel. "So etwas hat Stuttgart seit den Kreischattacken wegen der Bay City Rollers in den 70er-Jahren nicht mehr erlebt", schreibt Die Welt am Sonntag. Die Menschen harrten stundenlang aus, den Spielern wurde es langsam unangenehm. Sie hatten das Gefühl, den Fans etwas bieten zu müssen, aber es war ja nichts geplant. Und so flogen nachts um zehn T-Shirts und Handtücher aus dem Hotel der deutschen Mannschaft am Stuttgarter Hauptbahnhof, begeistert entgegengenommen von einer glücklichen Menschenmenge. Lahm: "Jetzt muss uns niemand mehr ein Wort sagen, damit wir das Spiel um den dritten Platz ernst nehmen."

Die Mannschaft wollte sich nun erst recht unbedingt gut von ihren Fans verabschieden, das kleine Finale sollte nicht abgeschenkt werden. Gerade deshalb gab Bundestrainer Jürgen Klinsmann ("Wir werden uns mit Anstand verabschieden") einigen frischen Kräften eine Chance, auch um sie für ihren Fleiß und ihre Einstellung zu belohnen. So bekam der kurz vor der WM abgelöste langjährige Stammkeeper Oliver Kahn sein Abschiedsspiel im deutschen Tor. Marcell Jansen debütierte bei dieser WM als linker Verteidiger, weshalb Philipp Lahm nach rechts rückte und Arne Friedrich raus musste. Robert Huth sollte für den angeschlagenen Per Mertesacker den Abwehrchef geben. Bastian Schweinsteiger kehrte zurück anstelle von Tim Borowski, und für Kapitän Michael Ballack durfte der zuvor gesperrte Torsten Frings wieder ran.

Die Portugiesen, amtierender Vizeeuropameister, hatten ihre ersten vier Spiele gewonnen, im Viertelfinale brauchten sie dann ein Elfmeterschießen gegen England, im Halbfinale unterlagen sie Frankreich mit 0:1. Weiter waren sie bei einer WM nie gekommen, auch auf sie wartete zu Hause ein großer Empfang. Trainer Luiz Felipe Scolari tauschte nur drei Spieler aus, darunter Superstar Luis Figo, der nach der WM zurücktreten sollte. Auch Scolari versprach, "noch mal alles zu geben, Portugal auf Platz drei zu führen". In beiden Ländern ging die Sorge um, ihre erfolgreichen Trainer nach dem Turnier zu verlieren, sowohl Bundestrainer Jürgen Klinsmann als auch Scolari hatten sich nicht klar für eine weitere Zusammenarbeit ausgesprochen.



Im Sommer nimmt Deutschland zum 19. Mal an einer WM-Endrunde teil. DFB.de dokumentiert in einer 106-teiligen Serie alle Spiele seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik "Stimmen zum Spiel" Zitate, die das unmittelbar danach Gesagte oder Geschriebene festhalten und das Ereignis wieder aufleben lassen.

8. Juli 2006 in Stuttgart - Spiel um Platz drei: Deutschland - Portugal 3:1

Vor dem Spiel:

Die Anreise zum Spiel gestaltete sich unerwartet schwierig für die Deutschen - und das aus gutem Grund. Nach der Landung in Stuttgart kam die Mannschaft im Stadtverkehr kaum voran. Auf Nachfrage antwortete der Busfahrer: "Vor dem Bahnhof stehen zehntausend Leute. Die warten auf euch." Das WM-Fieber glühte noch, auch die Stuttgarter wollten sich bei der so begeisternd aufspielenden Mannschaft bedanken. Bloß wegen einer Last-Minute-Niederlage im Halbfinale sollten sie sich nicht als WM-Verlierer fühlen. Philipp Lahm schilderte das Ereignis in seinem Buch "Der feine Unterschied" so: "Der Bus pflügt durch die Menge wie Moses durchs Meer. Tausende Gesichter, die lächeln, lachen, aus denen Begeisterung spricht, weil wir hier ankommen in Stuttgart, zum völlig überflüssigen Spiel um den dritten Platz, und plötzlich rinnt es mir kalt über den Rücken, und ich habe Gänsehaut (...) Ist das wahr, was wir hier sehen? Wahnsinn, sagt einer. Wahnsinn, antwortet zwei andere."

Das Hotel wurde genauso belagert, ungeachtet des Regens, der erstmals in den vier WM-Wochen fiel. "So etwas hat Stuttgart seit den Kreischattacken wegen der Bay City Rollers in den 70er-Jahren nicht mehr erlebt", schreibt Die Welt am Sonntag. Die Menschen harrten stundenlang aus, den Spielern wurde es langsam unangenehm. Sie hatten das Gefühl, den Fans etwas bieten zu müssen, aber es war ja nichts geplant. Und so flogen nachts um zehn T-Shirts und Handtücher aus dem Hotel der deutschen Mannschaft am Stuttgarter Hauptbahnhof, begeistert entgegengenommen von einer glücklichen Menschenmenge. Lahm: "Jetzt muss uns niemand mehr ein Wort sagen, damit wir das Spiel um den dritten Platz ernst nehmen."

Die Mannschaft wollte sich nun erst recht unbedingt gut von ihren Fans verabschieden, das kleine Finale sollte nicht abgeschenkt werden. Gerade deshalb gab Bundestrainer Jürgen Klinsmann ("Wir werden uns mit Anstand verabschieden") einigen frischen Kräften eine Chance, auch um sie für ihren Fleiß und ihre Einstellung zu belohnen. So bekam der kurz vor der WM abgelöste langjährige Stammkeeper Oliver Kahn sein Abschiedsspiel im deutschen Tor. Marcell Jansen debütierte bei dieser WM als linker Verteidiger, weshalb Philipp Lahm nach rechts rückte und Arne Friedrich raus musste. Robert Huth sollte für den angeschlagenen Per Mertesacker den Abwehrchef geben. Bastian Schweinsteiger kehrte zurück anstelle von Tim Borowski, und für Kapitän Michael Ballack durfte der zuvor gesperrte Torsten Frings wieder ran.

Die Portugiesen, amtierender Vizeeuropameister, hatten ihre ersten vier Spiele gewonnen, im Viertelfinale brauchten sie dann ein Elfmeterschießen gegen England, im Halbfinale unterlagen sie Frankreich mit 0:1. Weiter waren sie bei einer WM nie gekommen, auch auf sie wartete zu Hause ein großer Empfang. Trainer Luiz Felipe Scolari tauschte nur drei Spieler aus, darunter Superstar Luis Figo, der nach der WM zurücktreten sollte. Auch Scolari versprach, "noch mal alles zu geben, Portugal auf Platz drei zu führen". In beiden Ländern ging die Sorge um, ihre erfolgreichen Trainer nach dem Turnier zu verlieren, sowohl Bundestrainer Jürgen Klinsmann als auch Scolari hatten sich nicht klar für eine weitere Zusammenarbeit ausgesprochen.

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Stuttgart im WM-Partyrausch

Spielbericht:

An diesem Samstagabend, Anpfiff ist 21 Uhr, überträgt das ZDF das letzte deutsche Spiel bei dieser WM. Sportlich hat es bedeutsamere Spiele gegeben, rein emotional ist dieser Abend für viele Beteiligte ein Karrierehöhepunkt. Für einen freilich beginnt der rauschende Abend unglücklich. Der als Mertesacker-Vertreter vorgesehene Robert Huth verletzt sich beim Aufwärmen am Sprunggelenk und wird so um seinen zweiten WM-Einsatz gebracht. So kommt Jens Nowotny früher als geplant zum Einsatz.

Der bereits dritte deutsche Kapitän bei dieser WM heißt Oliver Kahn, ein zusätzliches Abschiedsgeschenk von Jürgen Klinsmann. Dann geht es los. Für Miroslav Klose geht es noch um den Titel des WM-Torschützenkönigs, er führt die Liste an, aber wer weiß, was im Finale Frankreich gegen Italien noch passiert. In der ersten Hälfte versucht allerdings vor allem ein Deutscher Tore zu schießen, der dafür nicht unbedingt bekannt ist. Dortmunds Sebastian Kehl versucht es mehrfach aus der zweiten Reihe, findet aber in Torwart Ricardo seinen Meister. Gleiches passiert Lukas Podolski mit seinem Freistoß, und Klose trifft nur das Außennetz. Auf der Gegenseite zeigt Oliver Kahn sein Können. Zur Halbzeit steht es noch 0:0, es ist ein durchschnittliches Spiel, eingebettet in eine überdurchschnittliche Stimmung.

Nach der Pause nimmt das Spiel dann Fahrt auf. Der im Halbfinale gesperrte Torsten Frings sprüht noch einmal vor Tatendrang und hat die meisten Ballkontakte, Bastian Schweinsteiger wiederum die wichtigsten an seinem größten Tag bei dieser WM. Er schießt binnen 22 Minuten zweieinhalb Tore, alle aus mehr als 20 Metern. Es sind Flatterbälle, die jeder Torwart fürchtet. Ein Hattrick ist es nicht, doch Petits offizielles Eigentor zum 2:0 wäre ohne Schweinis Freistoßschuss niemals gefallen. In der Euphorie zieht der Bayern-Star nach dem 3:0 sein Trikot aus und nimmt die fällige Verwarnung in Kauf. Später sagt er, dass er seine Tore Kahn widme, denn "ich habe Olli viel zu verdanken". 3:1 heißt es nach 90 stimmungsvollen Minuten, wobei Oliver Kahn in seinem letzten Länderspiel noch in vorletzter Minute von Nuno Gomes per Kopf nach einer Flanke des eingewechselten Luis Figo bezwungen wird.

Es ändert nichts am gelungenen Abschied des "Titans" (kicker-Note: 1), der 2006 seine Reservistenrolle hinter Jens Lehmann klaglos und sportlich fair ertragen hat. Arm in Arm geht er mit dem anderen Großen, der an diesem Abend abtritt, vom Platz - Luis Figo. Kommentar des ARD-Experten Günter Netzer: "Kahn hat sich vor und während der WM wie ein großer Sportler verhalten."

Einen anderen Abschied will Fußball-Deutschland unbedingt vermeiden: Die Zuschauer appellieren in Sprechchören an Bundestrainer Klinsmann, nicht zurückzutreten. Doch auch seine Schwaben können den Ex-VfB-Stürmer nicht mehr umstimmen. Immerhin geht er, als es am schönsten ist. Es ist ein beinahe unwirklicher Abend, der auch eine Werbung für den Fußball ist. Weniger aus sportlicher Hinsicht. Im Stadion wird auch nach Abpfiff ein Feuerwerk gezündet, nun von der Stadionregie. Es sind unvergessliche Momente für alle, die sie erleben - auch vor dem Bildschirm kann sich niemand der Faszination entziehen, wie Deutschland von seiner eigenen WM Abschied nimmt.

Bei der Rückkehr zum Hotel Steigenberger spielen sich wieder berauschende Szenen ab. Zehntausende erwarten nachts um eins den Mannschaftsbus und feiern die Hauptdarsteller des Sommermärchens. "Danke Jungs für vier tolle WM-Wochen. Stuttgart ist stolz auf Euch", steht auf einem Transparent, das in jeder anderen Stadt auch hätte hängen können. Noch bis morgens um sieben feiern die Spieler ihre WM-Party, und Schweinsteiger erzählt allen, wie es sich anfühlt, von der Kanzlerin ein Küsschen bekommen zu haben. Einen Tag später nimmt die Mannschaft auf der Fanmeile vor dem Brandenburger Tor ein letztes Mal Abschied von den Fans. Es kommen rund 500.000 - Deutschland, einig Party-Land.

Aufstellung: Kahn – Lahm, Nowotny, Metzelder, Jansen – Schneider, Kehl, Frings, Schweinsteiger (79. Hitzlsperger) – Klose (65. Neuville), Podolski (71. Hanke).

Tore: 1:0 Schweinsteiger (56.), 2:0 Petit (60., Eigentor), 3:0 Schweinsteiger (78.), 3:1 Gomes (88.).

Zuschauer: 52.000 in Stuttgart.

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"Deutschland verabschiedet sich mit Stil"

Stimmen zum Spiel:

Oliver Kahn: "Ein wunderbares Spiel. Ich durfte mich noch einmal auszeichnen. Besser konnte es gar nicht kommen. Für mich war das Spiel aus emotionaler Sicht mit dieser unglaublichen Begeisterung der Zuschauer vielleicht sogar noch einen Tick toller als das WM-Finale 2002."

"Ihr seid unsere Weltmeister! Ein wunderbarer Abschluss! Kann wieder der Titan." (Bild am Sonntag)

"Nach einer beiderseits zerfahrenen ersten Hälfte leitete das 1:0 eine gute halbe Stunde flotte Fußball-Unterhaltung ein. Die Portugiesen gaben nie auf, doch die deutsche Elf hatte die effektiveren Argumente: Schweinsteigers Schüsse und Kahns Paraden. Also war der Sieg logisch." (kicker)

"Die portugiesische Nationalmannschaft hat sich mit einer bitteren Niederlage von der WM verabschiedet. Schweinsteiger war der Mann des Tages." (Record/Portugal)

"Deutschland verabschiedet sich mit Stil. Mit dem Gewinn der Bronzemedaille hat Deutschland seiner Bevölkerung den größtmöglichen Trost gegeben." (The Times/England)

"Das 3:1 beweist, dass die Deutschen voll da sind und immer da sein werden." (La Republica/Italien)

"Einen besseren Schlussstrich konnte Deutschland nicht unter diese WM setzen." (L'Equipe/Frankreich)

"Ein genialer Schweinsteiger hat aller Welt gezeigt, Klinsmann inklusive, dass er die Zukunft des deutschen Fußballs an den Stiefeln hat." (Marca/Spanien)

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